Editorial
Für die Durchsetzung nationaler Interessen auf Ebene der Weltpolitik spielt die Souveränität von Nationalstaaten nach wie vor eine fundamentale Rolle. Jeder Nationalstaat strebt im Rahmen der kapitalistischen Staatenkonkurrenz nach mehr Einfluß, gar nach Hegemonie. Der deutsche Staat, die verspätete Nation - wie ihn Helmuth Plessner nannte - überzog in seinem zweimaligen Griff nach der Weltmacht, diese Welt mit fürchterlichen Kriegen und hat die Vernichtung der europäischen Juden zu verantworten. In der Folge war von den alliierten Sieger- und Befreiungsmächten Deutschland die staatliche Souveränität aberkannt worden.
( Mehr... ) Reinhart Kößler und Henning Melber, Deutscher Kolonialismus. Vergangenes in der Gegenwart. Kontinuitäten des Deutschen Kolonialismus [ Februar 2004 ]
Kiautschou Tsingtao VR China Deutsch-Neuguinea Papua-Neuguinea Bismarck-Archipel nördliche Salomonen Marshallinseln Nauru Marianen Karolinen Palau togo kamerun Deutsch-Ostafrika Tanzania Sansibar Ruanda Burundi Deutsch-Südwestafrika Namibia Deutsch Südwest wilhelm ii kolonialismus imperialismus ströbele deutscher kolonialismus kolonien afrika
Gregor Kritidis, Normal bis zur Vergasung?. Zur Frage der "Normalität" der deutschen Geschichte vor dem Hintergrund des NS-Regimes [ Februar 2003 ]
Folgt man den Thesen der vorherrschenden Geschichtswissenschaft, so kann die Bundesrepublik eine insgesamt erfolgreiche Bilanz vorlegen: Nach dem Zusammenbruch des Faschismus habe sich trotz der weitgehenden Kontinuität der NS-Führungseliten die parlamentarische Demokratie in Deutschland durchgesetzt und gefestigt. Die "Berliner Republik" könne nunmehr "Normalität" für sich beanspruchen. Doch gibt es überhaupt so etwas wie "Normalität"? Und wenn ja - kann Deutschland, das Land, von dem ungeheure Verbrechen ausgegangen sind, diese für sich in Anspruch nehmen?
Jürgen Elsässer, Wie sie lernten, die Bombe zu lieben. Linke, Krieg und Antisemitismus (I) [ Dezember 2002 ]
Was in der KONKRET-Redaktion zum Bruch geführt hat, entzweit zur selben Zeit zahlreiche andere Zeitschriftenredaktionen, Antifagruppen und selbst private Freundeskreise, rumort in Gewerkschaftsgliederungen und in der PDS: die Haltung zur drohenden US-Aggression, damit zusammenhängend die Einschätzung der Friedensbewegung.
Jürgen Elsässer, Mit Auschwitz lügen. Linke, Krieg und Antisemitismus (II) [ Dezember 2002 ]
Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg: Bis 1989 galt der Schwur von Buchenwald als Minimalkonsens aller Linken, von der kommunistischen Betriebsrätin über den anarchistischen Straßenkämpfer bis zum aufrechten Sozialdemokraten und der Befreiungstheologin. Doch seither hat sich eine bellizistische Strömung entwickelt, die den Zusammenhang der zwei Losungen bestreitet und mit Heiner Geißler behauptet, der Pazifismus habe zu Auschwitz geführt.
Gregor Kritidis, Das geistige Erbe der Konservativen. Zum Begriff der "Konservativen Revolution" [ Dezember 2002 ]
Das Verhältnis zur NSDAP blieb bei den "konservativen Revolutionären" ambivalent. Ein Teil lehnte die Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten ab, ein anderer trat wegen der gemeinsamen Ablehnung der Republik für ein Bündnis mit ihnen ein. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde von den Protagonisten der "Konservativen Revolution" zunächst teils begrüßt, teils mit Skepsis aufgenommen. Gegen die Zerstörung der liberalen parlamentarischen Verfassung hatten sie ihren eigenen Zielsetzungen gemäß nichts einzuwenden. Auch gegen die Zerschlagung der Arbeiterorganisationen wurde von ihrer Seite kein Widerstand entwickelt.
Ulrich Sander, Der deutsche Kriegspfad. [ August 2002 ]
Kanzler Gerhard Schröder hat seine Absage an den Krieg gegen den Irak mit dem »deutschen Weg« begründet. Davon hatte bisher kaum jemand etwas gehört. Wer aber die Schriften der führenden Militärs im Lande gelesen hat, kann sich vorstellen, wer Schröder diesen Gedanken eingegeben hat.
Samuel Salzborn, Kollektive Unschuld. Anmerkungen zu Funktion und Intention der neuen Debatte um Flucht und Vertreibung [ Juni 2002 ]
Freilich wolle man nicht den Nationalsozialismus verschweigen und gewiß auch ganz offen und ohne Vorbehalte über die Geschichte befinden. Nur müsse Schluß sein mit Rechthaberei und Denkverboten, schließlich wolle man doch endlich unbefangen mit seiner Geschichte umgehen. Und auch nicht von gar zu faktenverliebter Seite ständig vorgehalten bekommen, Täternation zu sein, während man doch so gern endlich auch Teil der internationalen Opfergemeinschaft sein möchte. Wichtig an der Debatte sei, so der Historiker Hans-Ulrich Wehler, daß sie "befreiend" wirkt.
Marcus Hawel, Wiedergewonnenes Land verhieß wiedergewonnene Unschuld. Beitrag zur Nationen-Debatte [ April 2002 ]
Wir haben es seit 1989/90 mit einem neuen deutschen Nationalismus zu tun, der im Gewand von Normalität daherkommt, welches ihn gegen moralisierende Verweise auf die deutsche Vergangenheit immunisiert. Kein Land auf dieser Welt kann es sich leisten, mit Deutschland keine guten diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu haben.
Marcus Hawel, Schleichende Germanisierung. Samuel Salzborns Studie "Heimatrecht und Volkstumskampf" [ April 2002 ]
In Salzborns Studie kann man nachlesen, wie eng verbunden die völkische Politik der Vertriebenenverbände mit den außenpolitischen Konzepten der schwarz-gelben Bundesregierung bis 1998 gewesen war. Die Regierung Kohl hat an dem Reichsgedanken festgehalten, auch wenn sie die Grenzen des Landes klar festgeschrieben hat. Finanziell und ideell hat sie gleichzeitig die Vertriebenenverbände darin unterstützt und protektoriert, mit den Mitteln einer völkischen Kulturpolitik eine "deutsche Identität" in Osteuropa zu revitalisieren.
Hermann L. Gremliza, Solidarity for never. Der neue Kalte Krieg zwischen Deutschland und den USA [ April 2002 ]
Die Macht der Supermacht beruht auf dem Dollar als der Weltleitwährung und dem Militär. Der Dollar hat mit dem Euro erstmals Konkurrenz erhalten. Mit der Rüstung verhält es sich so, dass die USA das, was sie im Krieg gegen Jugoslawien gezeigt haben, besser können als alle ihre Konkurrenten zusammen: aufklären, bombardieren, abhauen. Und dann? Wenn der Sieg gewonnen werden muss? Dann geht Holbrooke, und es kommt Hombach, die Deutsche Mark und, weil man ja nicht alles selber machen kann und also Vertrauensleute braucht, die deutsch-albanische Freundschaft bzw. die traditionell engen deutsch-afghanischen Beziehungen aus der Zeit von Amanullah.
Utz Anhalt, Die NSDAP und die bürgerlichen Parteien. [ Februar 2002 ]
Völkische Ideologie stellt ein Konglomerat aus Ideen und Spekulationen dar. Ende des 19. Jahrhunderts reichte das Spektrum der völkischen Denker von Johann Gottlieb Fichte bis zu Julius Langbehn und Paul de Lagarde; von dem mörderischen Antisemiten Houston Steward Chamberlain bis zu Richard Wagner. Die apokalyptischen Phantasien von Chamberlains Grundlagen des 19. Jahrhunderts standen in jedem bürgerlichen Haushalt, der etwas auf sich hielt und - in Verbindung mit den Darbietungen des radikalen Antisemiten Richard Wagner - für einen Begriff: Deutsche Kultur.
Matthias Küntzel, Lebendige Vergangenheit. Die Kontinuität von Deutschlands völkischer Balkan-Politik [ Oktober 2001 ]
Der gegenwärtige Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr stieß in der deutschen Öffentlichkeit kaum auf Gegenwehr. Denn der vorgebliche Zweck des Einsammelns von Waffen bei den »Rebellen« der UÇK wurde allenthalben gut geheißen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß Deutschland im Rahmen des Nato-Einsatzes spezifische Interessen verfolgt. Das Beispiel der deutschen Kosovo-Politik zeigt, mit welcher Selbstverständlichkeit und in welcher historischen und ideologischen Kontinuität die völkischen Ambitionen der albanischen Nationalisten nicht nur toleriert, sondern sogar gestützt werden.
Tina Goethe / Jochen Müller, Wer sich das Hausrecht nimmt. Die deutsche Debatte um Einwanderung und Integration [ Juni 2001 ]
Seit langem lautet eine utopische politische Forderung, daß alle Menschen die Möglichkeit besitzen sollten, dort zu leben, wo sie es wünschen. Utopisch ist diese Forderung, weil die Welt in Nationalstaaten organisiert ist. Und die von diesen betriebene Integrationspolitik zielt auf Selektion: Kommen und bleiben darf nur, wer dem Staate nützt.
Marcus Hawel, Innere Einheit - Innere Sicherheit. Über Lebenslust und Staatsräson der Bundesrepublik [ Juni 2001 ]
In der ZEIT hat sich ein Kritiker der inneren deutschen Einheit - nicht der schärfste - mit einem Essay zu Wort gemeldet. Der Honorarprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Trier und langjährige Forschungsdirektor der der CDU nahestehenden Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Joachim Veen, fragt sich skeptisch, was eigentlich mit innerer Einheit gemeint sein soll. Einschlägige Definitionen dieses Begriffes gebe es jedenfalls nicht bzw. seien sehr unpräzise. Ist es überhaupt ein Begriff? Es herrsche eine allgemeine Unklarheit hinsichtlich dieser Metapher, die mißtrauisch stimme, weil sich in diesem inhaltsleeren Gerede demokratie- und gesellschaftstheoretisch Problematisches Bahn breche.
Oliver Heins / Marcus Hawel, Weniger Schlußstrich als symbolischer Neuanfang. Das neue Kanzleramtsgebäude soll eine erwachsene Nation repräsentieren [ Mai 2001 ]
Das, was die Berliner Republik wesentlich ausmacht, ist die Überwindung der Ängste vor Entgleisung staatlicher Macht, die noch die Bonner Republik wesentlich geprägt hatten. Die neue Republik demonstriert in ihren selbstgeschaffenen demokratischen Symbolen unbefangene Sicherheit und Normalität der Nation. In dem neuen Kanzleramtsgebäude kommt weniger ein Schlußstrich unter die allzu problematische Vergangenheit, die mal endlich vergehen soll, als vielmehr ein symbolischer Neuanfang zum Ausdruck. Das neue Kanzleramtsgebäude soll nach außen eine erwachsene Nation repräsentieren.
Marcus Hawel, Verpaßte Chancen und verspielte Freiheit. Erinnerung an eine verschlafene deutsche Revolution im Herbst 1989 [ März 2001 ]
Im nachhinein wäre es sicher besser gewesen, wenn sich die westdeutsche Linke frühzeitig mit den Möglichkeiten einer deutschen Einheit auseinandergesetzt hätte und zwar auf eine Art und Weise, die keinen Anlaß hätte bieten dürfen, sich der Deutschtümelei verdächtig zu machen. Denn: lieber ein sozialistisch-demokratisches vereintes Deutschland als eine kapitalistische Bundesrepublik und/oder eine spätstalinistische DDR.
Marcus Hawel, Die normalisierte Nation?. Geschichtspolitik und Umgang mit historischer Wahrheit im wiedervereinigten Deutschland [ Dezember 2000 ]
Der Streit zwischen Konservativen und Liberalen um das Geschichtsbild hat in Deutschland eine lange Tradition. Der Umgang mit der eigenen Geschichte: die Frage, welche Konsequenzen aus Faschismus und Auschwitz zu ziehen seien, ist keineswegs geklärt.
Gregor Kritidis, Deutschlands "demokratische Mitte" im Kampf gegen sich selbst. Zur gegenwärtigen Debatte über den Rechtsradikalismus [ September 2000 ]
Der Kampf der bürgerlichen Mitte gegen den Rechtsextremismus hat mit der Forderung nach einem Verbot der NPD im Sommer 2000 einen ersten Höhepunkt erreicht. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, was vielen zu einem erfolgreichen Vorgehen gegen die rechtsextremistische Bewegung fehlt: eine demokratische Gesinnung. Bei allen formelhaften Bekenntnissen zur wehrhaften Demokratie gibt es weit verbreitet autoritär-rassistische Einstellungen, die gewalttätige Übergriffe auf Minderheiten im Kern akzeptieren. Exemplarisch läßt sich das an Leserbriefen zeigen, welche die Hannoversche Allgemeine Zeitung am 17. August 2000 auf drei Spalten veröffentlichte.
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