Den Aufsatz kommentieren Wie die Universitäten zu Markte getragen werdenUniversitärer Kapitalismus in den Vereinigten Staatenvon Larry Hanley Das System der höheren Bildung der Vereinigten Staaten ist von bemerkenswerter Größe. Über 15 Millionen Studenten besuchen mehr als 4.000 Colleges und Universitäten mit mehr als einer Millionen Beschäftigten. Der überwiegende Teil dieser Studenten - über 73 Prozent - besuchen Institutionen mit zwei- bis vierjährigen Studiengängen. In diesen Institutionen hat das reale Wachstum im Sektor der höheren Bildung in den USA in den letzten Jahrzehnten stattgefunden.[1] Es gibt keine zentrale öffentliche Institution oder Planungsbehörde, die für dieses uneinheitliche und dezentralisierte System verantwortlich ist. Es ist dennoch notwendig zu betonen, daß dieses lockere System durch eine vollkommen statische und stabile Hierarchie gekennzeichnet ist. An der Spitze stehen die privaten und öffentlichen Forschungsuniversitäten, die neben der Ausbildung von Studenten für den überwiegenden Teil der Wissensproduktion im Universitätssystem verantwortlich sind. Unterhalb dieser Ebene befinden sich die privaten Colleges mit vierjährigen Studiengängen, die nur zu einem geringen Teil in der Forschung tätig sind und statt dessen die oberen Schichten der amerikanischen Gesellschaft ausbilden. Daneben gibt es die öffentlichen, vierjährigen Colleges, die Gesamthochschulen und die öffentliche Universitäten. Auf vielfältige Weise befinden sich diese Institutionen in der Spannweite zwischen den Forschungsuniversitäten an der Spitze und den privaten Colleges. Die Fachbereiche dieser Institutionen betreiben wissenschaftliche Forschung und sind gleichzeitig in großem Maße für die Ausbildung von Studierenden verantwortlich. An der Basis dieser Hierarchie befinden sich schließlich die öffentlichen, nationalen Colleges mit zweijährigen Studiengängen. Im Allgemeinen handelt es sich dabei um nicht-selektierende Institutionen mit "offenem Zugang", deren Mitarbeiter in erster Linie als Lehrer betrachtet werden. Diese Hierarchie ist entlang mehrerer verschiedener Achsen strukturiert: Von Bedeutung ist die soziale und ethnische Herkunft der Studierenden - je geringer der soziale Status ist, je älter, je ärmer, je weniger "weiß" jemand ist, desto eher befindet er sich auf der unteren Ebene des Bildungssystems. Kinder von Doktoren der Philosophie, die in den oberen Rängen ausgebildet worden sind, tendieren dagegen dazu, diesen beruflichen Status zu reproduzieren. Die Verteilung der materiellen Ressourcen erfolgt analog zu dieser Hierarchie - die Einkünfte pro Student steigen, je höher man sich auf der institutionellen Leiter befindet. An der Spitze der öffentlichen Forschungsuniversitäten verbrachten 1999 36% der Fakultätsmitglieder weniger als vier Stunden im Vorlesungsraum; in den öffentlichen Colleges mit zweijährigen Studiengängen verbrachten dagegen zur gleichen Zeit 57% der Fakultätsmitglieder 15 oder mehr Stunden im Unterrichtsraum. Anders ausgedrückt: Mitarbeiter privater Forschungsuniversitäten verbrachten 41% ihrer Arbeitszeit in der Lehre und waren 29% ihrer Arbeitszeit in der Forschung beschäftigt. Mitarbeiter an Colleges mit zweijähriger Ausbildung waren 72% ihrer Arbeitszeit in der Lehre und 4% in der Forschung tätig.[2] Die Gehaltsstrukturen korrespondieren mit diesem Muster; die Gehälter sinken meßbar, je mehr man sich die Hierarchie abwärts bewegt. Auf diese Weise beherbergt das System der höheren Bildung in Amerika sehr unterschiedliche fachliche und institutionelle Kulturen.[3] Insofern zum Beispiel Akademiker über ihre Fachkenntnis an ihre akademische Profession gebunden sind, verschiebt sich die Identifikation der Fakultätsmitglieder von fachlichen zu institutionellen Aspekten, je niedriger jemand auf der institutionellen Leiter steht. In meinem Vortrag möchte ich ein allgemeines Bild der gegenwärtigen Veränderungen und der Zwänge innerhalb des höheren Bildungssystems zeichnen. Es ist jedoch notwendig, zu betonen, daß diese Veränderungen und Zwänge durch die institutionellen Hierarchien gefiltert werden. Die Kräfte des universitären Kapitalismus wirken sich in den unteren Bereichen der Hierarchie wesentlich stärker und verhängnisvoller aus. Sicher werden Sie die Frage stellen, was ich unter "universitärem Kapitalismus" verstehe. Ich übernehme diesen Begriff aus einer Arbeit von Sheila Slaughter und Gary Rhoades. Slaughter bestimmt universitären Kapitalismus als "institutionellen und professionalisierten Markt oder marktähnliche Anstrengungen, um externe Mittel sicherzustellen".[4] Sie und Rhoades haben diesen Begriff kürzlich erweitert und geschärft, um ein "Wissen-lernen-konsumieren-Regime" zu verdeutlichen, das durch die Institutionen der höheren Bildung bei dem Bemühen gestaltet wird, "Einkünfte aus ihren Kernaufgaben in Bildung, Forschung und Dienstleistung zu erzielen, die von der Produktion von Wissen bis zum Lehrbetrieb reicht".[5] Insofern die Grenzen zwischen Universität und Markt in steigendem Maße durchlässiger werden, durchdringt, angetrieben durch die Forderung, Einkünfte hervorzubringen, eine institutionelle Gleichförmigkeit zwischen Universität und Markt immer tiefer in die Universitäten. Auf diese Weise beschreibt der Begriff "universitärer Kapitalismus", um Slaughter und Rhoades etwas weiter zuzuspitzen, die steigende Bedeutung marktförmiger Praktiken, sozialer Rollen und Ideologien innerhalb der akademischen Institutionen. Dies ist eine spezifische Ausprägung der allgemeinen Dynamik der gesellschaftlichen Neo-Liberalisierung. Wie andere Beispiele der neoliberalen Durchdringung hängt der akademische Kapitalismus von einer materiellen und ideologischen Neuformierung des "Öffentlichen" und des "Privaten" ab. In den vergangenen zehn Jahren haben in der Tat Politiker des Bundes und der Bundesstaaten die zwischen Staat, Öffentlichkeit und Universitäten geschlossene historische Vereinbarung in ihrer Substanz neu geschrieben. So sanken beispielsweise letztes Jahr die staatlichen Mittel für die universitäre Bildung um 2%. Dieses Sinken der direkten staatlichen Unterstützung für die universitäre Bildung war noch größer bei den Megastaaten, denjenigen Bundesstaaten, in denen der größte Teil der Studenten eingeschrieben ist. Im letzten Jahr sank das staatliche Budget für die Universitäre Bildung in Kalifornien um 5,9%; der Staat New York verausgabte 4,5% weniger Haushaltsmittel für die höhere Bildung. In Michigan sank der Etat um 3,3%, in Pennsylvania um 3,2%. Dieser Rückgang ist Teil eines länger andauernden säkularen Trends des Rückgangs der staatlichen Ausgaben für Universitäten und Colleges. 1980 bestritten die Universitäten 44% ihrer Ausgaben mit staatlichen Mitteln. 2002 bestanden ihre Budgets nur zu 32% aus staatlichen Mitteln.[6] Früher waren Universitäten und Colleges staatlich unterstützt, heute sind sie staatlich mitfinanziert. In der Tat könnte dieser Trend das Ende der "staatlichen Periode" in der universitären Bildung der USA bedeuten.[7] Die Institutionen können unterschiedliche Antworten auf diese Veränderungen geben. Ich möchte an dieser Stelle drei unterschiedliche Entwicklungen skizzieren, die durch die neuen fiskalischen Realitäten an den amerikanischen Universitäten gestärkt und beschleunigt wurden: Wettbewerb, Kommerzialisierung und Prekarisierung. Mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und unterschiedlichem Erfolg trägt jede dieser Entwicklungen zur Transformation der universitären Bildung in Amerika von einem öffentlichen Gut in eine private Ware bei. In der Folgerung möchte ich kurz auf die Implikationen jeder dieser Entwicklungen für die drei Dimensionen universitären Lebens - Verwaltung, Forschung und Lehre - eingehen. Fiskalische Knappheit hat neue Praktiken des Wettbewerbs und Ideologien gestärkt, sowohl innerhalb der Universitäten als auch im Verhältnis der Universitäten untereinander. Beispielsweise haben an US-Universitäten die Verwaltungen mit einer Reihe neuer Management-Programme und -Techniken experimentiert. Diese umfassen "strategische Planung", "Benchmarking", "totales Qualitätsmanagement", "Business Process" und "Reengeneering".[8] Wie der letzte Begriff impliziert, sind die meisten dieser Begriffe aus der Geschäftswelt entlehnt, und ihr Schlüsselprinzip besteht darin, zunächst In- und Output zu bemessen, um dann die Effizienz durch internen Wettbewerb um die Ressourcen zu erhöhen. Wie Kritiker betonen, begünstigen diese Management-Techniken Fachrichtungen wie Biomedizin und Informatik, die enger mit externen Märkten verbunden sind. In der Tat haben diese Techniken generell dazu beigetragen, den Schwerpunkt der Universitäten von ihrer Verankerung in den Geisteswissenschaften zu den Betriebs- und Ingenieurwissenschaften zu verlagern. Wenn die eigenen Mittel geringer werden, konkurrieren die Universitäten aktiver um externe Ressourcen - Zuschüsse, Sponsoring von Unternehmen und Studiengebühren. Tatsächlich haben als eine Folge der Kürzungen staatlicher Mittel Universitäten und Colleges eine radikale Privatisierung der universitären Bildung betrieben, indem sie die finanziellen Lasten auf die Studierenden verschoben haben. Innerhalb von zehn Jahren, zwischen 1993 und 2003, sind die Studiengebühren und andere Gebühren inflationsbereinigt um 47% gestiegen. Studiengebühren an privaten Institutionen mit vierjährigen Studiengängen sind um 42,4% oder 5.835 $ angestiegen. Dieser Anstieg war hauptsächlich in den letzten Jahren zu verzeichnen. Die reale Hauptlast des Anstiegs der Studiengebühren geht auf öffentliche Colleges und Universitäten zurück. Im Jahr 2003/2004 sind die Studiengebühren für ortsansässige Studierende an öffentlichen Hochschulen im Durchschnitt um 13,9% angestiegen; in mehr als die Hälfte der US-Bundesstaaten stiegen im selben Jahr die Studiengebühren um über 10%. Einige Staaten haben die Studiengebühren in schwindelnde Höhen getrieben. Die Kosten für die Teilnahme am Vorlesungsbetrieb der State University of New York sind letztes Jahr um 27% angestiegen. Die University of Maryland hat ihre Studiengebühren für das College Park um 15,6% angehoben. Die Oklahoma State University hob ihre Studiengebühren um 23,9% an.[9] Im gleichen Zeitraum hat die finanzielle Unterstützung der Studierenden dazu tendiert, sich diesem Anstieg der Studiengebühren anzupassen. Die Zusammensetzung der von der US-Bundesregierung breit ausgeteilten finanziellen Hilfe für Studierende hat sich jedoch gleichzeitig verändert. Erstens hat sich die finanzielle Beihilfe von Zuschüssen auf Darlehen verlagert. In den letzten 10 Jahren sind die finanziellen Zuschüsse um 85% gestiegen, das Volumen der Darlehen dagegen um 137%. Die Eignung zur Erlangung eines Darlehens hat sich ebenso von Bedürftigkeitskriterien wegbewegt. Der höchste Zuwachs des Darlehensvolumens ist daher unter Studierenden aus mittleren und höheren Einkommensgruppen zu verzeichnen. Viele Staaten folgen diesem Trend und verlagern die Kriterien ihrer Stipendienprogramme vom Bedürftigkeits- zum Leistungsprinzip. So sind zum Beispiel die Mittel, die nach leistungsbezogenen Kriterien vergeben werden, seit den frühen 80er Jahren vom Umfang her um 300% gestiegen, während die Förderung nach Bedürftigkeitskriterien in derselben Periode um 88% angestiegen ist. Leistungsbezogene Förderung tendiert natürlich dazu, diejenigen zu begünstigen, die ohnehin einen Universitätsbesuch anstreben, und diese Verlagerung bringt einen signifikanten und fundamentalen Wechsel im Denken über studentische Stipendien zum Ausdruck. Das sich-leisten-können ist mittlerweile statt der Zugangsmöglichkeit zum Schlüsselkriterium geworden.[10] Zudem müssen die universitären Institutionen nun um die studentischen Stipendiaten ihrer "Konsumenten" konkurrieren, ebenso wie die Fachbereiche und Abteilungen innerhalb der Institutionen um die Ressourcen. Dieser neue Wettbewerb geht mit einem neuen Imperativ einher, die Aktivitäten und die Arbeit der Universitätsmitarbeiter zu kommerzialisieren. Die am deutlichsten sichtbare Form der Kommerzialisierung ist mit der Frage des geistigen Eigentums verbunden. Eine Passage des Bayh-Doll-Gesetzes von 1980 erlaubt Universitäten, Patente zu besitzen und zu übertragen. Seitdem haben US-Universitäten ihre Wissensproduktion aggressiv vermarktet - insbesondere Patente und Lizenzen in den Bereichen Biomedizin und Technologie. Die Universität von Kalifornien hat beispielsweise ihre Einkommen durch Lizenzvergabe von 1987 bis 1998 um 66% gesteigert. Die Einkünfte der Columbia-Universität aus Lizenzen sind in demselben Zeitraum um 27% gestiegen, und die Florida-State-University erhöhte ihre derartigen Einkünfte um 97%. Der Transfer von Technologie und Patenten hat umgekehrt die Universitäten in eine immer engere Beziehung zu den privaten Unternehmen gebracht, insbesondere zu Unternehmen der Pharmaindustrie. Die berüchtigtste dieser Beziehungen ist der über fünf Jahre laufende 25-Millionen-$-Vertrag, der 1998 zwischen dem Berkley-College für natürliche Ressourcen der Universität von Kalifornien und dem multinationalen Pharmakonzern Novartis geschlossen wurde.[11] Diese neue intime Verbindung zwischen Universitäten, Industrie und Regierungen ist als eine dreifach-Helix beschrieben worden, die durch die Wissensproduktion und eine komplexe Verflechtung gekennzeichnet ist und durch die zunehmende Betrachtung der Universitäten als Motor der Reichtumsproduktion unterstrichen wird.[12] Andere Beispiele der Kommerzialisierung sind reichlich vorhanden. Ende der 90er Jahre versuchten viele Universitäten - wie Columbia, Duke, Temple, Harvard, Camebridge - für eine gewisse Zeit, sich auf dem Fernstudienmarkt zu etablieren, häufig in Kooperation mit privaten Firmen.[13] Als die spekulative Blase der "New Economy" platzte, waren auch diese Unternehmungen davon betroffen. Noch offensichtlicher ist das Werben der Universitäten um Unterstützung aus der Industrie in der Form des Sponsoring von Forschungseinrichtungen, -programmen und -lehrstühlen. So gibt es z.B. das Lobster-Institut der Universität Maine, das Zentrum für Risikokapital und billige private Finanzierung an der Universität Michigan und das nationale Zentrum für interaktive Spiele an der Universität von Missouri in Kansas-City. Zu den industriefinanzierten Lehrstühlen zählen etwa der Charles-Walgreen-Lehrstuhl für Pharmazie und der Sparks-Whirlpool-Cooperation-Forschungslehrstuhl, beide an der Universität Michigan.[14] Diese engen Verbindungen zwischen Unternehmen und Universitäten sind nicht wirklich neu in der universitären Landschaft der USA, aber das Tempo, mit dem sie etabliert und finanziert werden, hat eine neue Qualität der Kommerzialisierung zur Folge. Während Wettbewerb und Kommerzialisierung ernste und weitreichende Auswirkungen auf den akademischen Kapitalismus haben, sind die Veränderungen der universitären Arbeit an den US-Hochschulen möglicherweise noch fundamentaler. In diesen Bereich lassen sich Praktiken beobachten - am wichtigsten ist die Prekarisierung - die unmittelbar aus der Wirtschaft in die Universitäten übertragen werden. Die gängige Form der universitären Anstellung in den USA war für über ein Jahrhundert die unbefristete Professur, deren Status an die Zeit der Zugehörigkeit zur Universität gekoppelt war. Heute befinden sich amerikanische Akademiker in Universitäten, die dieses Prinzip nicht mehr kennen. Wie die amerikanische Vereinigung der Hochschulprofessoren kürzlich berichtete, sind laufend 44% aller lehrenden Mitarbeiter auf Teilzeitstellen tätig, während befristete Arbeitsverträge aller Art mehr als 60% aller Anstellungsverhältnisse an den US-Universitäten ausmachen. Sowohl die Teilzeitstellen als auch die befristeten Vollzeitstellen nehmen weiter zu, wobei der schnellste Anstieg bei den befristeten Vollzeitstellen zu verzeichnen ist. Mit anderen Worten, die Zahl der befristeten Vollzeitstellen steigt schneller als die der befristeten Teilzeitstellen. Unbefristete Vollzeitstellen waren vor einer Generation weitgehend unbekannt. 1963 machten diese Stellen 3,3% aller Vollzeitstellen aus. Zwischen 1992 und 1998 ist die Zahl des auf befristeten Stellen beschäftigten Lehrpersonals um 22,7% angestiegen, von 128.371 auf 157.470 Personen. In derselben Zeit ist die Zahl der befristeten Teilzeitstellen nur um 9,4% gestiegen, von 360.087 auf 393.971 Stellen, und die Zahl der Beschäftigten auf unbefristeten Vollzeitstellen stieg um weniger als 1%. 1998 umfaßte die Zahl der befristeten Vollzeitbeschäftigten 28,1% des Lehrpersonals auf Vollzeitstellen und 16% des gesamten Lehrpersonals. Die Teilzeitbeschäftigten auf befristeten Stellen machten 95% aller Teilzeitkräfte aus, das sind 40% des gesamten Lehrpersonals.[15] An jedem beliebigen Campus bilden die unbefristet beschäftigten Lehrkräfte einen rapide schrumpfenden Teil der Belegschaft aus Teilzeit-Lehrenden, Verwaltungsangestellten, Professoren und sonstigen Mitarbeitern. In den akademischen Berufen sind die unbefristet Beschäftigten sogar innerhalb des Lehrpersonals zu einer Minderheit geworden. Gute wissenschaftliche Arbeit ist kaum noch anzutreffen, und die Bereiche mit realem Wachstum an Beschäftigten - sowohl bei den abhängig Beschäftigten als auch bei den Führungskräften - zeigen deutlich das Bild einer Institution, die zunehmend von betriebswirtschaftlichen Praktiken und Ideologien dominiert wird. Es ist billiger, Personal zeitlich befristet einzustellen. Zudem behaupten die universitären Manager, daß mit befristeter Arbeit flexibler und effizienter dem Personalbedarf und der Zahl der Einschreibungen begegnet werden kann. Dagegen können sich die in der Universität abhängig Beschäftigten kaum von ihrem Gehalt über Wasser halten, sie bekommen nur geringe Zuschüsse zur Krankenversicherung und erleben auszehrende Bedingungen der beruflichen Unsicherheit. Der universitäre Kapitalismus transformiert fundamental das berufliche Leben in den amerikanischen Universitäten und hat ernste Konsequenzen für jede der drei Rollen zur Folge, die den Lehrenden zugewiesen werden. Hinsichtlich der institutionellen Organisation des universitären Lebens bedeutet Kommerzialisierung, Wettbewerb und Prekarisierung für die akademischen Mitarbeiter den Entzug von Entscheidungskompetenzen. So partizipieren z.B. befristet Beschäftigte nicht an der akademischen Selbstverwaltung, und eine sinkende Zahl von dauerhaften Vollzeitkräften erlaubt den Verwaltungsmanagern, die Initiative der Lehrenden in der Lehre und die Kontrolle über die Lehrpläne zu beschneiden. Die Kontrolle über Forschungsvorhaben und -mittel wird ebenfalls zunehmend durch außerhalb der Universität liegende, fremdbestimmte Quellen dominiert - Firmen, universitäre Technologiebüros und den Markt. Grundlagenforschung wird z.B. mittlerweile als "Neugier-motivierte" Forschung abgewertet. Universitärer Kapitalismus verändert zudem die Lehre auf verschiedene Weise. So haben z.B. Universitäten in steigendem Maße versucht, Kosten durch die Substitution von menschlicher Arbeit durch Technologie zu senken und Lehrtätigkeit in unzusammenhängende Veranstaltungsreihen zu zerlegen - Kursdesign, Kursangebot und inhaltliche Aufteilung (Hanley). Die steigende Abhängigkeit von prekarisierter Arbeit hat eine Entprofessionalisierung zur Folge. Ausbildung bestimmt in steigendem Maße die beruflichen Gestaltungsspielräume der Lehrenden, und auf diese Weise wird die Lehre vom fachlichen Wissen entkoppelt. Je enger der universitäre Kapitalismus die Universitäten an den Markt bindet, desto schneller transformiert sich das akademische Leben in den Vereinigten Staaten. Diese Veränderungen wirken sich jedoch auf den verschiedenen Ebenen der akademischen Hierarchie unterschiedlich aus. Die Institutionen auf der untersten Ebene der Hierarchie - mit einer größeren Zahl von Studierenden aus der Arbeiterklasse und stärker prekarisiertem Lehrpersonal - durchlaufen die stärksten Turbulenzen. Diejenigen an der Spitze der Hierarchie sind dagegen in der Lage, stärker an traditionellen Strukturen, Beziehungen und Berufsbildern festzuhalten. Der Universitäre Kapitalismus erweitert und vertieft die beruflichen Statusunterschiede, zumal die beruflichen Hierarchien die Transformation und den Wandel der Universitäten begünstigen. Vereinfacht gesagt profitieren diejenigen vom universitären Kapitalismus - Teile der Wirtschaft, bestimmte Teile der leitenden Angestellten, die auch von der neoliberalen Agenda allgemein profitieren. Der universitäre Kapitalismus hat jedoch auch Widersprüche produziert - oder zumindest hervorgerufen -, die auf seine Schwäche und seine mögliche Grenze verweisen. So hat etwa die Ausrichtung der Ausbildung nach dem Kosten-Kalkül einen Verlust an Qualität des Unterrichts zur Folge; Lehrplanungen und Personalentscheidungen, die unter dem Aspekt der Profitmaximierung stattfinden, stehen im Gegensatz zur öffentlich geäußerten Sorge über die Qualität und den Wert höherer Bildung. Ebenso haben die Bemühungen zur Prekarisierung der akademischen Arbeitskräfte und der Einsatz von Gelegenheitsarbeitern eine neue Welle gewerkschaftlicher Organisierung produziert, insbesondere von Teilzeit-Lehrkräften und promovierten Studenten. Ob und wie sich diese Widersprüche weiterentwickeln ist noch vollkommen offen. Die akademischen Berufsverbände in den USA - wie die Modern Language Association oder die American Historical Association - haben nur sehr langsam auf die Herausforderungen des universitären Kapitalismus reagiert. Im besten Fall haben sie die tiefgreifenden Veränderungen der beruflichen Anforderungen zur Kenntnis genommen. Im schlimmsten und durchaus üblichen Fall haben sie sich in Formen der beruflichen Selbstidealisierung geflüchtet. Die Gewerkschaften der Universitätsangestellten haben mittlerweile eine Anzahl guter Analysen des universitären Kapitalismus hervorgebracht. Aber bisher haben sie sich unfähig - oder unwillig - gezeigt, diese Analysen in Programmatiken oder Aktivitäten zu umzusetzen. Dieser Zustand bringt die allgemeine Situation der Amerikanischen Gewerkschaften angesichts von zwei Jahrzehnten neoliberaler Politik zum Ausdruck. Das vorherrschende Modell des "Business Unionism" blockiert die Gewerkschaften und verhindert weiterhin - innerhalb und außerhalb der Universitäten - die Übersetzung von Bewußtsein und Analysen in Aktionen. Auf unterer, lokaler Ebene in den Fabriken und Büros brodelt die Unzufriedenheit; aber diese beginnende Opposition muß noch eine geeignete Form finden. Intellektueller Pessimismus ist reichlich vorhanden, Optimismus des Willens dagegen kaum. Diesem Beitrag liegt ein Vortrag von Larry Hanley mit dem Titel "Taking the University to Market: Academic Capitalism in the United States" zugrunde. Der Vortrag wurde auf der Tagung "Bildung zwischen Freiheit und Verwertung" der Loccumer Initiative Kritischer WissenschaftlerInnen gehalten, die vom 12. - 14. November 2004 in Kassel-Fuldatal stattgefunden hat. Larry Hanley ist Professor am City College of the City University of New York, Herausgeber der Zeitschrift Academe, dem Organ der progressiven Hochschullehrervereinigung, und Aktivist politischer Basisbewegungen. Kontakt: hanley@bway.net Anmerkungen:[1] Informationen über Studierende, Mitarbeiter und Institutionen befinden sich in: Digest of Education Statistics (2002), National Center for Education Statistics. Quelle Internet. [2] Informationen über die Arbeitsbelastung in den jeweiligen Institutionen befinden sich in: Digest of Education Statistics (2002), National Center of Education Statistics. Quelle Internet. [3] Der maßgebende Studie über die Differenzierung der Fachkulturen im System der höheren Bildung der USA ist Burton R. Clarks, The Academic Life: Small Worlds, Different Worlds. Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching, Princeton 1987. [4] Sheila Slaughter and Larry Leslie, Academic Capitalism: Politics, Policies, and the Entrepreneurial University. Johns Hopkins University Press. Baltimore 1999. [5] Gary Rhoades / Sheila Slaughter, Academic Capitalism in the New Economy: Challenges and Choices. American Academic. Juni 2004. Quelle Internet. [6] Vgl. Jeffrey Selingo, The Disappearing State in Higher Education. Chronicle of Higher Education v. 28. Februar 2003. Quelle Internet. [7] Aims McGuiness, The States and Higher Education. In: American Higher Education in the Twenty-first Century. Johns Hopkins University Press. Baltimore 1999, S. 183-215. [8] Vgl. Robert Birnbaum, Management Fads in Higher Education. Jossey-Bass. San Francisco 2000. [9] Informationen darüber finden sich in: Greg Winter, Public College Tuition Rose 14% in'03, Survey Finds. New York Times v. 22. Oktober 2003. (Section A , Page 14 , Column 5); Elizabeth Farrell, Public College Tuition Rise Is Largest in 3 Decades, The Chronicle of Higher Education v. 31. Oktober 2003. Quelle Internet; Trends in College Pricing 2003. The College Board. Washington 2003. [10] Informationen über die Neustrukturierung des Systems der Studienfinanzierung sind zu finden in: Reality Check: Unequal Opportunity in Higher Education. The Century Foundation 2004. Quelle Internet; Empty Promises: The Myth of College Access in America. A Report of the Student Advisory Committee on Financial Assistance for the U.S. Senate Committee on Health, Education, Labor, and Pensions. 2002; Donald Heller, The Changing Nature of Financial Aid. Academe Juli/August 2004, S. 36-38; Paying for College. National Center for Education Statistics. US Department of Education. 2004. [11] Eyall Press / Jennifer Washburn, The Kept University. Atlantic Monthly, März 2000. [12] Henry Etkowitz / Loet Leydesdorff, Universities and the Global Knowledge Economy. Continuum. New York 2001. [13] David L. Kirp, Shakespeare, Einstein, and the Bottom Line. Harvard University Press. Cambridge 2004. [14] Sarah Bonewits / Lawrence Soley, Research and the Bottom Line in Today's University. American Academic Juni 2004. Quelle Internet. [15] Vgl. Contingent Appointments and the Academic Profession. AAUP. November 2003. Quelle Internet. Kontext:
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