Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Der asoziale WettbewerbsstaatOtto Meyer Bundespräsident Horst Köhler fordert »den Mut der Bundesregierung zu Initiativen, die den Weg der Erneuerung konsequent fortschreiben«. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Ludwig G. Braun, frohlockt schon: »Die soziale Marktwirtschaft ist kein Ideal mehr!« Und der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, redet Klartext: »Wir brauchen einen Systemwechsel.« (stern 30/04) Doch die von Kapital und Kabinett betriebene neoliberale Konter-Reformbewegung stößt auf zunehmenden Widerstand. Mehr und mehr Menschen merken, daß die Schleifung des Sozialstaates und dessen Umbau zum Wettbewerbsstaat unser aller Leben in gefährlicher Weise verändert. Die Regierungspartei SPD zeigt Tendenzen der Selbstauflösung, die CDU verliert ebenfalls an Vertrauen, die Nichtwähler sind zur größten Gruppe geworden. Nur noch unter starkem Polizeischutz kann der Kanzler seine »Reformen« »dem Volk erklären«. Der Wettbewerbsstaat verlangt nicht nur Kampf und Konkurrenz nach außen – mit dem Aufbau von Eingreiftruppen und der Bereitschaft zu neoimperialen Kriegen weltweit –, sondern auch »mehr Differenzierung« und »mehr Wettbewerb« innerhalb der eigenen Gesellschaft. Offen wird propagiert, daß es »größere Unterschiede« geben müsse: generell zwischen Reich und Arm, auch zwischen den Arbeitern eines Betriebes oder den Schülern einer Klasse. Das Streben nach Gleichheit wird als gefährlich stigmatisiert: es würde in die Unfreiheit von Sozialismus und Kommunismus führen. Die »Starken« sollen nicht von den »Schwachen« behindert werden, die »Hochbegabten« nicht von den »Niedrigbegabten« und erst recht nicht von den »Unbegabten«. Elite-Schulen und -Universitäten werden etabliert. Wer dagegen Schulen für alle, freien Zugang auch zu höherer Bildung für jede und jeden verlangt, ist altlinker Tendenzen verdächtig. Die Spaltung der Gesellschaft wird weiter vorangetrieben: zwischen Alt und Jung, zwischen Kranken und Gesunden, zwischen Arbeitslosen und den in der Propagandasprache der Spalter zu »Arbeitsplatzbesitzern« ernannten Lohnarbeitern. Angeblich beuten die Alten die Jungen aus, richten sich Simulanten auf Kosten der Leistungsbereiten wohlig in ihrer Krankheit ein, leben Faulenzer von den Beiträgen der Fleißigen. Also soll der Staat jetzt die schwere Aufgabe übernehmen, bei den Sozialschmarotzern »Privilegien« zu beschneiden. Die in der gesellschaftlichen Wirklichkeit immer noch anzutreffende Solidarität, die sich auch in der Popularität von Forderungen wie »Arbeit für alle« und »Ausreichende Einkommen für jede und jeden« ausdrückt, soll gebrochen werden. Die dominanten Meinungsmacher propagieren den »Kampf der Generationen«, den »Eigennutz« und das »gesunde Mißtrauen aller gegen alle«, um den Menschen solidarisches Denken und Handeln auszutreiben und sie von der Wirklichkeit des verschärften Klassenkampfs von oben abzulenken. Teile und herrsche. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung weist darauf hin, daß zwischen 2000 und 2003 (in der Zeit der rot-grünen Regierung) die Armutsquote in Deutschland von 9,2 auf 12 Prozent zugenommen hat (im Osten gar auf 15 Prozent) und daß die aktuellen Reformen »Armut und Einkommens-Ungleichheit in Deutschland künftig (noch) vergrößern« werden. Zugleich hat sich im Bereich der oberen zehn Prozent der Reichtum in einer Weise vermehrt, die nur als unanständig und asozial bezeichnet werden kann. Auch bei mäßigem oder stagnierendem Wirtschaftswachstum steigt das Geldvermögen, weil den Reichen durch Steuernachlaß weniger genommen, den Unteren durch Senkung von Löhnen und Sozialleistungen weniger gegeben wird. Knapp ein Prozent der Gesamtbevölkerung besitzt jetzt rund 70 Prozent des riesigen Geldvermögens. Slumviertel entstehen an den Rändern der Großstädte oder hinter den Bahnhöfen. Die Zahl der Obdachlosen, Alkoholiker und Drogensüchtigen nimmt wieder zu. Besitzer von Abbruchhäusern wittern Möglichkeiten lukrativer Zwischenvermietung, wenn die von der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau Herabgedrückten in »angemessenen Wohnraum« ausgesiedelt werden. Zugleich fangen die Reichen an, sich in ihren Nobelvierteln abzuschotten, ihre Kinder schicken sie auf Eliteschulen, von Bodyguards chauffiert. In den Drittwelt-Großstädten, aber auch in Chicago oder Los Angeles sind die Vorbilder zu besichtigen. Wollen wir so leben, müssen wir so leben? Friedrich August von Hayek, der Kirchenvater aller neoliberalen Systemveränderer, verlangt Glaube, Gehorsam und Anbetung für den neuen Gott, den er in den »unpersönlichen Kräften des Marktes« ausgemacht haben will. Er behauptet: »Wenn wir uns so (den Kräften des Marktes) unterordnen, tragen wir jeden Tag zur Errichtung eines Baues bei, der größer ist, als irgend jemand von uns voll erfassen kann.« Für Hayek ist »der springende Punkt, daß es unendlich viel schwerer ist, logisch zu erfassen, warum wir uns Kräften (des Marktes), deren Wirkungen wir nicht im einzelnen verfolgen können, unterwerfen müssen, als dies zu tun aus demütiger Ehrfurcht, die die Religion oder auch nur die Achtung vor den Lehren der Nationalökonomie uns einflößte.« Hayeks neoliberale Religion kennt nicht den aufrechten Gang, nicht den »Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit«, nicht das Streben nach einer Gesellschaft, »worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist«. 200 Jahre Aufklärung, Demokratie- und Sozialgeschichte sollen nicht mehr gelten. Und da Hayeks Gott ein strenger Gott ist und die Diener dieser Religion sich immer auf »Sachzwänge« berufen und »keine Alternative« zulassen, erweist sich der Neoliberalismus als ganz und gar illiberal. In unserem Grundgesetz heißt es immer noch in Artikel 20, Absatz 1: »Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat.« Und Absatz 2 bestimmt, wer allein der Souverän aller staatlichen Macht sein soll: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus« – also nicht vom Marktgott. Absatz 4 ermutigt uns: »Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.« Der jetzt angestrebte Wettbewerbsstaat verabschiedet sich vom Verfassungsgebot. Die Zeit zum Widerstand ist angebrochen. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 18/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |