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In Sachsen entließ Wissenschaftsminister Matthias Rößler (CDU) fristlos den 59jährigen PDS-Spitzenkandidaten zur Landtagswahl, Peter Porsch, als Germanistik-Professor an der Universität Leipzig. Das Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczy begründete die Kultusministerin damit, daß sich der angehende Lehrer in der »Antifaschistischen Initiative Heidelberg« politisch betätige. Diese Initiative engagiert sich gegen fremdenfeindliche und neonazistische Bestrebungen. Eigentlich ein anerkannt löbliches Tun, rufen doch selbst regierende Politiker zuweilen zu einem »Aufstand der Anständigen« auf. Doch die Antifa-Initiative des Lehramtskandidaten, die tatkräftig ernst mit ihrem Anliegen macht, zählt nicht zu den offiziell anerkannten »Anständigen«. Denn sie sei »linksextremistisch« und befürworte Militanz gegen Neonazis und Rassisten, so der »Verfassungsschutz«, der Csaszkóczy schon seit mehr als einem Jahrzehnt hinterherschnüffelt. Ausgerechnet die zweifelhaften Quellen und Bewertungen des Geheimdienstes nähren die Zweifel der Kultusministerin an der Verfassungstreue des Bewerbers: Wer Mitglied einer »extremistischen Vereinigung« sei, könne nicht Lehrer an einer öffentlichen Schule werden. Schließlich habe der Betroffene sich nicht von der Antifa-Initiative und ihren Zielen distanziert, obwohl das Ministerium dies von ihm verlangt hatte. Mit ihrer Entscheidung hält die Ministerin einen unbeugsamen Antifaschisten, ohne ihm persönlich irgendein geringstes Fehlverhalten vorwerfen zu können, aus Gesinnungsgründen vom Schuldienst fern – ein klarer Verstoß gegen die Grundrechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Berufsfreiheit. Viele Organisationen und Einzelpersonen, auch Schülerinnen und Schüler, hatten sich vergeblich für den bestens qualifizierten Lehramtsanwärter eingesetzt – denn gerade solche Lehrer braucht das Land. Man fühlt sich zurückversetzt in die 70er und 80er Jahre, als der »Verfassungsschutz« auf Grundlage des »Radikalenerlasses« Hunderttausende Stelleninhaber und Bewerber für den Öffentlichen Dienst systematisch überprüfte. Etwa zehntausend Berufsverbotsverfahren und über tausend Berufsverbotsmaßnahmen resultierten aus dieser Praxis, die das politisch-kulturelle Klima der damaligen Bundesrepublik vergiftete. Betroffen war die gesamte Linke, von Kommunisten bis hin zu jungen Liberalen, die eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst suchten oder aber dort bereits tätig waren, ob als Wissenschaftler, Lehrer, Postboten, Bahnschaffner oder ausdrücklich auch als Friedhofsgärtner. Für diese Berufsverbotspraxis ist die Bundesrepublik Deutschland schon einmal vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt worden – wegen Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und damit wegen Verletzung von Menschenrechten. Zuvor hatten sämtliche bundesdeutschen Gerichte, auch das Bundesverfassungs-gericht, diese Praxis im Einzelfall als grundrechtskonform abgesegnet. Mit dem Urteil der Straßburger Richter glaubte man, die Berufsverbote seien endgültig auf dem »Müllhaufen der Geschichte« gelandet, auf den sie nach den Worten Egon Bahrs gehören. Nach dem Anschluß der DDR an die Bundesrepublik zeichnete sich aber schon Anfang der 90er Jahre die Gefahr einer neuen Berufsverbotspraxis ab. Auf Grundlage des Einigungsvertrags und des Stasi-Unterlagen-Gesetzes wurden Stellenbewerber aus der ehemaligen DDR einer Art Regelanfrage unterzogen. Es ging um die Feststellung von Stasi-Kontakten und SED-Mitgliedschaften. Selbst bloße »Staatsnähe« konnte zum Ausschluß aus dem Öffentlichen Dienst führen. Die bayerische Staatsregierung beispielsweise hatte seinerzeit angeordnet, daß jeder Bewerber für den öffentlichen Dienst einen »Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue« ausfüllen mußte. Die Aspiranten hatten anzugeben, ob sie »extremistische Organisationen« unterstützten (womit unter anderen die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes oder die PDS gemeint waren, nicht aber »Die Republikaner« oder die DVU), ob sie Mitglied einer DDR-Massenorganisation gewesen waren (zum Beispiel der Freien Deutschen Jugend oder des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter), ob sie für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit spioniert hatten oder als inoffizielle Mitarbeiter des MfS (nicht des »Verfassungsschutzes« oder anderer westlicher Geheimdienste) geführt worden waren. Tatsächlich sind nach der »Wende« über eine Million Menschen aufgrund ihrer ehemaligen beruflichen Stellung oder politischen Betätigung überprüft und weit mehr als 10 000 durch Sonderkündigungen aus dem Öffentlichen Dienst entfernt worden – großenteils Lehrer, aber auch Ärzte, Juristen, Wissenschaftler und Künstler. Vierzehn Jahre nach der Vereinigung ist diese Schnüffelei nun auch dem Germanistikprofessor und PDS-Politiker Peter Porsch zum Verhängnis geworden. Just drei Wochen vor der sächsischen Landtagswahl – die PDS war in den Umfragen zweitstärkste Partei – wurden belastende Unterlagen über den Spitzenkandidaten der PDS an die Presse lanciert. Die Birthler-Behörde, von der das Material stammt, hatte ihm weder Akteneinsicht noch die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. In der entscheidenden Phase des Wahlkampfs wurde ihm öffentlich zum Vorwurf gemacht, 1984 als »IM Christoph« der Staatssicherheitsbehörde Bericht erstattet zu haben – etwa über einen privaten Literatur-Zirkel, dem auch seine spätere Frau angehörte. Porsch bestreitet diesen Vorwurf: Er könne sich allenfalls vorstellen, ohne sein Wissen »abgeschöpft« worden zu sein. Trotz dieser widersprüchlichen und ungeklärten Situation wurde er – ohne vorherige Anhörung – vom Wissen-schaftsminister in aller Eile fristlos als Professor an der Universität Leipzig entlassen. Porsch erfuhr von dieser Entscheidung der Personalkommission aus dem Radio. Eine fristlose Kündigung ist nach dem Einigungsvertrag möglich, wenn der Mitarbeiter gegen »Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit« verstoßen hat oder wenn er für die früheren Staatssicherheitsbehörden der DDR tätig war und die Weiterbeschäftigung »unzumutbar« ist. Auf dieser Rechtsgrundlage kam es in der Vergangenheit immer wieder zu schematischen Entscheidungen ohne Prüfung des konkreten Einzelfalls. Zwar stand dieses Sonderkündigungsrecht des Einigungsvertrages schon einmal auf dem gerichtlichen Prüfstand, wurde aber nicht für verfassungswidrig befunden. Denn mit diesen Regelungen werde, so das Bundesverfassungsgericht, dem Umstand Rechnung getragen, »daß durch eine solche Tätigkeit (für die Stasi; R.G.) die Integrität des Betroffenen sowie seine innere Bereitschaft, Bürgerrechte zu respektieren und sich rechtsstaatlichen Regeln zu unterwerfen, nachhaltig infrage gestellt wird. Die systematische Ausforschung der eigenen Bevölkerung mit nachrichtendienstlichen Mitteln war ein besonders abstoßendes Herrschaftsinstrument«, argumentierte das Gericht. Im Fall Porsch ist jedoch noch längst nicht bewiesen, daß der Verdächtigte an systematischer Ausforschung beteiligt war; aus Gründen der Unschuldsvermutung hätte sich also eine Entlassung verbieten müssen. Michael Csaszkóczy und Peter Porsch – zwei Menschen, zwei Berufsverbotsfälle, die unter-schiedlicher kaum sein könnten. Porsch, der erfolgreich parteipolitisch arbeitet, als Landtags-abgeordneter abgesichert ist (und bleibt) und dessen Ruf nun auf dem Spiel steht, weil ihm Vorwürfe aus grauer DDR-Vorzeit gemacht werden. Csaszkóczy, ein aktiver Antifaschist jenseits des Parteienspektrums, der am Anfang seiner Berufslaufbahn steht – ein qualifizierter, politisch unbequemer Lehrer, dessen Auskommen und Lebensperspektive auf dem Spiel stehen. Hartz IV ist keine Perspektive.
Erschienen in Ossietzky 19/2004 |
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