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Und zweitens: Gerade Investitionen in Bildung und Forschung würden die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben. Zum Ersten: Warum muß der Staat überhaupt sparen? Weil er hoch verschuldet ist. Und warum ist er so hoch verschuldet? Hauptsächlich, weil er den Vermögenden und den Unternehmen zwanzig Jahre lang Steuergeschenke gemacht hat. Dafür sollten sie Wachstum und Arbeitsplätze schaffen, das war der Deal. Aber das haben sie nicht ausreichend getan: Die Wirtschaft wuchs nur wenig, und die Arbeitsplätze wurden nicht vermehrt, sondern vermindert. Daher nahm der Staat nicht, wie erhofft, mehr Steuern ein, sondern mußte mehr für Soziales ausgeben und sich das Geld dafür borgen. Es war also ein schlechtes Geschäft, das der Staat mit den Vermögenden und Unternehmen gemacht hat. Denn das Geld, auf das er erst verzichtet hatte, bekam er nun zwar wieder, aber nur geliehen und gegen Zinsen. Und da Schulden und Zinsen immer mehr anstiegen, mußte irgendwann der Punkt kommen, wo es so nicht mehr weiterging. Nun soll das Sparen also zu mehr Wachstum führen. Aber was heißt »Sparen«? Bund, Länder und Kommunen entlassen Personal, kürzen die Sozialausgaben und investieren immer weniger. So ist die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent reduziert worden; das sind rund 1,5 Millionen. Von den Menschen, die da ihre Arbeitsplätze verloren, fand nur ein geringer Teil Erwerbsmöglichkeiten in der Privatwirtschaft. Ganz abgesehen von den Defiziten, die dadurch in Kindergärten, Schulen, Universitäten, Krankenhäusern oder im Verkehrswesen entstanden sind: Die in die Arbeitslosigkeit Verstoßenen tragen nun nicht mehr zum Sozialprodukt bei und können sich auch nur wenig leisten. Wo ist da der Wachstumseffekt? Auch wenn die Sozialausgaben, wie gerade beschlossen, gekürzt werden, führt das zu geringerer Kaufkraft und damit zu weniger Wachstum. Zwar sollen die Arbeitslosen zur Arbeitsaufnahme genötigt werden. Aber wie soll das gelingen, wenn zum Beispiel in Ostdeutschland auf 26 Arbeitslose nur eine offene Stelle kommt? Schließlich investieren Bund, Länder und Kommunen immer weniger. Die öffentlichen Investitionen sind seit den 70er Jahren von 4,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 1,7 Prozent zurückgegangen. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit auf einem der hintersten Plätze. In den USA ist der Anteil mit 3,4 Prozent doppelt so hoch. Das bedeutet zum einen, daß die Unternehmen zu wenig Aufträge bekommen und deshalb Mitarbeiter entlassen – wieder ein negativer Wachstumseffekt. Und zum anderen, daß die Infrastruktur immer schlechter wird und damit die Chancen für künftiges Wachstum weiter sinken. Wenn der Staat das eingesparte Geld seinen Gläubigern zurückgibt oder keine neuen Schulden macht, dann erwartet er offenbar, daß die Privatwirtschaft seine Aufgaben übernimmt. Sie soll jetzt allein oder zumindest hauptsächlich für Wachstum sorgen. Denn sie hat ja nun mehr als genug Geld. Sie hat Steuergeschenke bekommen und bekommt sie weiter. Sie erhält ihre Kredite zurück oder jedenfalls beträchtliche Zinsen. Und sie wird durch die Kürzung der Sozialleistungen zusätzlich entlastet. Aber wir haben ja schon gesehen, wie wenig Verlaß auf die Wirtschaft ist. Und wir sehen es gerade jetzt, denn haben wir nicht trotz aller Unterstützung, die sie bekommen hat, schon drei Jahre Krise? Die Vermögenden werden nicht viel mehr Geld ausgeben, und wenn, dann fällt das gesamtwirtschaftlich nicht ins Gewicht. Sie werden ihr Geld vielmehr möglichst günstig anlegen. Wer garantiert uns aber, daß das angelegte Geld für reale Investitionen verwendet wird? Man kann mit ihm auf dem globalen Finanzmarkt viel größere Gewinne machen. Wird es aber tatsächlich für Investitionen verwendet, dann oft zum Zweck der Rationalisierung, also des Stellenabbaus. Die Sparpolitik dient nicht dem Wachstum der Volkswirtschaft, sondern dem der Geldvermögen. Zumal in einer Wirtschaftskrise ist sie das Dümmste, was man machen kann. Meine zweite, komplementäre These war: Investitionen in Bildung und Wissenschaft treiben die wirtschaftliche Entwicklung voran. Man traut sich das kaum noch zu sagen, es klingt fast trivial. Keine Partei bestreitet diese These. Alle betonen, Bildung und Wissenschaft seien eine »Schlüsselressource«, weil wir uns im Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft befänden. Um so erstaunlicher ist es, daß niemand entsprechend handelt. Die staatlichen Aufwendungen für die westdeutschen Hochschulen stiegen nur bis Mitte der 70er Jahre bedarfsgemäß. Danach erhöhten sich die Studienanfängerzahlen drei Mal so steil wie die Finanzzuwendungen. Die jetzige Bundesregierung hat im Wahlkampf 1998 versprochen, die Investitionen in Bildung und Forschung innerhalb von fünf Jahren zu verdoppeln. Die fünf Jahre sind jetzt abgelaufen, aber die Verdoppelung oder auch nur nennenswerte Erhöhung ist ausgeblieben. Wo liegt die Erklärung für diesen Widerspruch zwischen Worten und Taten? Wahrscheinlich im kurzsichtigen Denken von Politikern. Investitionen in Bildung und Wissenschaft zahlen sich immer erst längerfristig aus. Die Wahlperiode dauert aber bekanntlich nur vier oder fünf Jahre. Das ist zugleich der Grund, weshalb hier so ungeniert gespart werden kann: Auch die Auswirkungen des Sparens sind nicht gleich erkennbar, auch die Verluste zeigen sich erst in der Zukunft. Folgen die Parteien also etwa dem Prinzip »Nach uns die Sintflut«? Diese Kurzsichtigkeit des Staates muß sich vor allem deshalb katastrophal auswirken, weil der Markt allemal kurzsichtig ist. Ihm gegenüber hat der Staat gerade die Aufgabe, langfristig zu denken. Er darf nicht den Markt nachäffen, sondern muß gegensteuern. Und wenn er das nicht mehr tut, erledigt er sich selber. Auch liberale Ökonomen sprechen von einem »Marktversagen«, das der Staat ausgleichen muß; sie nennen Bildung und Wissenschaft ein »öffentliches Gut«, für das der Staat sorgen muß, weil es der Markt eben nicht bereitstellt. Die großen Innovationen, die heute mit wirtschaftlichem Fortschritt gleichgesetzt werden, sind nicht von der Privatwirtschaft, sondern von der öffentlichen Hand ausgegangen. Das gilt für die Halbleitertechnologie wie auch für das Internet wie auch für die Biotechnologie. Denn solche Forschung und Entwicklung bringt eben kurzfristig keinen Gewinn für ein Privatunternehmen, ermöglicht aber langfristig um so größeren Gewinn für alle. Doch wir brauchen nicht nur große Innovationen, wir brauchen eine Atmo sphäre, in der Lernen, Studieren und Forschen Freude macht. In einer solchen Atmosphäre würde auch die Wirtschaft wieder in Schwung kommen.
Erschienen in Ossietzky 2/2004 |
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