Den Aufsatz kommentieren Osama Bin Laden - US Kommando killt Mitarbeiter a.D.Von Utz Anhalt (sopos) Eine zehn Jahre währende Jagd ist beendet. Eine Special Force der US-Navy tötete den mutmaßlichen Al Qaida Führer in Pakistan, keine hundert Kilometer von Islamabad entfernt. Barack Obama kommentierte: "Bin Laden war kein Islamistenführer, sondern ein Massenmörder." Obamas Vorgänger, Clinton und Bush, beglückwünschten den amerikanischen Präsidenten zum erfolgreichen Ausgang der Jagd. Bin Laden gilt als Kopf hinter dem Anschlag auf das World Trade Center und anderen Angriffen auf westliche Einrichtungen, unter anderem auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania. Ein Massenmörder war Bin Laden zweifelsohne, ebenso ein Islamistenführer. Diese Massenmörder hießen für den Westen im Afghanistankrieg der Sowjetunion Freiheitskämpfer, und auch damals waren sie Massenmörder. Gegen die UDSSR stand Osama Bin Laden seinerzeit im Dienst der CIA. Das gilt auch für etliche andere Al Qaida Terroristen. Die vom CIA ausgebildeten Terroristen entglitten ihren US-Eltern jedoch. Der Sieg über die Russen, der Rückzug der Sowjets aus Afghanistan und der Zusammenbruch des Ostblocks machte die CIA-Kinder siegestrunken. Sie sahen sich selbst als Überwinder der "Ungläubigen". Nach "Satan Nr. 1", der Sowjetunion und dem Kommunismus, war nun "Satan Nr. 2", die USA und der Westen an der Reihe. Sie waren zuvor nicht menschenfreundlicher gewesen als danach. Der Unterschied war, für wen sie als Massenmörder arbeiteten. Und jetzt ging es auch gegen ihre vorherigen Arbeitgeber und Ausbilder, die CIA, die US-Army, die US-Regierung. Amerikanische Pazifisten demonstrierten gegen den Afghanistankrieg des damaligen Präsidenten George W. Bush mit einem Konterfei Bin Ladens und Bushs, unter dem stand "Mr. Frankenbush and his monster". Frankenstein erzählt die Geschichte eines Wissenschaftlers, der einen künstlichen Menschen schafft. Doch sein Geschöpf gerät ihm außer Kontrolle. Der Vergleich zu Bin Laden ist insofern richtig, dass die Dschihadisten in Afghanistan durch die USA und ihre Verbündeten in Saudi-Arabien an die Front geschickt wurden. Der Vergleich stimmt aber insofern nicht, weil das Geschöpf im Frankenstein-Roman deshalb ein Monster wird, weil es keinen Platz in der Welt findet - eine tragische Geschichte. Die Dschihadisten waren aber keine tragischen Figuren, sondern ausgebildete Killer. Statt Al Qaida müsste es richtigerweise heißen: Al CIAda. Barack Obama gehört selbst nicht zu den US-Falken und Geheimdienstoffizieren der älteren Generation, die die dschihadistischen Mordbrenner gegen die Sowjetunion hetzten, er führt lediglich die Politik seiner Vorgänger weiter. Dazu gehört auch, mit der Schaltzentrale des Terrors, dem saudischen Herrscherhaus, nach wie vor blühende Geschäfte zu machen. Die Dschihadisten entstanden keinesfalls naturwüchsig aus dem Konflikt zwischen Islam und Westen, zwischen Islam und Kommunismus, sondern wurden gezielt für eine "asymetrische Kriegführung" gegen die Sowjetunion eingesetzt, in einem der unzähligen Stellvertreterkriege im Ost-West-Konflikt. Bin Laden war nur eine Figur in diesem Spiel. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center war die Sympathie der Tyrannen in Saudi-Arabien für ihre Taliban und Al Qaida Freunde den Amerikanern ein Dorn im Auge. Nachdem die Königsfamilie sich offiziell mit ihrer Unterstützung für die Dschihad-Terroristen etwas zurückhielt, blieb sie nach wie vor wichtigster Partner der USA in der Golfregion. Denn sie lieferten nach wie vor das Öl, im Unterschied zu den Freischärlern Bin Ladens. Es gilt bei dem amerikanischen "Der Gerechtigkeit ist genüge getan worden" Pathos, die Augen aufzuhalten. Die neuen Freiheitskämpfer im Nato-Jargon sind die Rebellen in Libyen. Ein UN-Mandat erlaubt eine militärisch abgesicherte Flugverbotszone, um Zivilisten vor Gaddhaffis Luftwaffe zu schützen. Die "Unterstützung der Rebellen", der neue "humanitäre Einsatz" sieht so aus, dass die Nato mit Raketen den Sohn von Gaddhaffi und drei seiner Enkel tötete. Was hat das mit dem Schutz von Zivilisten zu tun? Statt Zivilisten vor Flugangriffen zu schützen, killt die Nato Zivilisten mit Flugangriffen. Oder ist jemand ein militärisches Top-Ziel, weil er den falschen Großvater hat? Was ist diese Tötung bitte anderes als gewöhnlicher Mord? Gaddhaffi schön zu reden, wäre falsch. Zugleich geht es darum, sich nicht erneut von der Propaganda der Kriegstreiber, ob orwellgrün oder blutrot, einlullen zu lassen. Redet in der öffentlichen Debatte über die Unterstützung der Rebellen jemand von den Ölquellen im Osten Libyens? In den Mainstreammedien scheint Konsens zu sein, dass es sich bei den Rebellen ausschließlich um edle Freiheitskämpfer handelt, die sich gegen ein psychopathisches Monster namens Gaddhaffi zur Wehr setzen. Nur komisch, dass Sarkozy, Berlusconi und der Rest der Bande mit diesem "Monster" eben noch beste Ölgeschäfte machten. Jetzt ergeben sich allerdings neue Möglichkeiten. Der "militärische Schutz" der Rebellen im Osten eröffnet den direkten Zugang zu den Ölquellen des Landes. Denn das Modell, das die Kriegsführer seit dem Nato-Überfall auf Jugoslawien etabliert haben, lässt sich hervorragend auf Libyen anwenden. Die Nato greift ein, übernimmt die Kontrolle über einen Teil des Landes, der sich für unabhängig oder autonom erklärt, kontrolliert dort den "demokratischen Prozess", das heißt, willfährige Regierungen erhalten eine Scheinsouveränität und die Besatzer beste Konditionen für die Ausbeutung der Rohstoffe. Ganz ähnlich sah, nebenbei, das System der britischen Kolonialherrschaft des 19. Jahrhunderts aus. Nun gibt es beim tradierten Antiimperialismus der Traditionslinken in Europa ebenfalls ein Problem, und das macht eine differenzierte Analyse und Kritik nicht einfach. "Antiimps" verherrlichten von Gaddhaffi bis zu Mugabe in Simbabwe und von Idi Amin bis Pol Pot jeden noch so schlimmen Blutsäufer, wenn er nur kein Freund der Amerikaner war und ein wenig "befreite Völker"-Rhetorik beherrschte. Dieselben zu grünen Realos mutierten damaligen "Antiimps" bejubeln heute jeden noch so durchschaubaren Angriffskrieg der westlichen Staaten als "humanitäre Intervention": Differenzierung und Aufklärung war noch nie ihre Sache. Der Fehler, den sie machen, bleibt der gleiche. Die Gaddhaffis, Pol Pots, Bin Ladens oder Mugabes sind nicht deswegen Befreier oder Freunde der Menschenrechte, weil ihre Feinde meine Feinde sind, wie in der irrigen Auffassung mancher traditioneller Antiimps. Sie bauten ihre mörderischen Regime auf ihrer Rolle im nationalen Befreiungskampf auf und nutzten diesen Mythos als Feigenblatt für ihre Bereicherung am gesellschaftlichen Reichtum und ihre Terrorherrschaft. Gaddaffi war ein Top-Unterstützer des internationalen Terrorismus, ebenso wie die Freunde der USA in Saudi-Arabien. Er galt lange im Westen als Schurke, bis er für Europa die EU-Mauer gegen afrikanische Flüchtlinge nach Libyen ausdehnte und das Öl des Landes kostengünstig lieferte. Gaddhaffi ist ein umgekehrter Bin Laden. Er war zuerst Schurke und dann Partner, Bin Laden zuerst Partner, Freund und Mitarbeiter des Westens, dann Schurke, weil er den Terror gegen den Westen richtete, und nicht, wie erwünscht, gegen die Feinde des Westens. Die Demokraten und die Freiheit liebenden Menschen in Tunesien, Ägypten und auf den Straßen des Jemens haben den Teufelskreis des Terrors durchbrochen. Sie sollten aufpassen und Kriegführer des Westens nicht als Freunde ansehen. Die jüngere Geschichte zeigt nur zu deutlich, dass Demokraten und Menschenrechtler, die solche Freunde haben, keine Feinde mehr brauchen. Es war das "Volk", das die korrupten Folterregime in Tunesien und Ägypten wegfegte, unterschiedliche Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten und Milieus, die eines gemeinsam hatten: Sie ertrugen die Missachtung der Menschenrechte durch die herrschenden Autokraten nicht länger, sie forderten ihre Bürgerrechte ein. Und sie waren zu freiheitsliebend, um sich von den falschen Versprechen der Dschihad-Terroristen über den Tisch ziehen lassen. Sie hatten auch von deren Terror die Schnauze gestrichen voll. Die Nato, Sarkozy, Berlusconi und die US-Geheimdienste sind nicht der militärische Arm der um Freiheit kämpfenden Menschen in den arabischen Ländern. Sie sind ein Teil des Problems und nicht der Lösung. Es geht der Nato nicht darum, Demokraten in Libyen vor den mörderischen Angriffen eines Diktators zu schützen, sondern um das Öl des Landes. Das Programm der Nato in Libyen ist nicht das Modell Tahrir-Platz, sondern das Modell Afghanistan. Die Menschen in Ägypten haben der Welt bewiesen, dass es nicht die westlichen Armeen sind, die vom Irak bis Afghanistan Krieg im Namen der Demokratie führen, die die Demokratie und Freiheit bringen. Nicht die westlichen Besatzer, die Terroristen für ihre Zwecke ausbildeten und in die Schlacht schickten, die im Namen der Demokratie Zivilisten in den Tod bombten und bomben, sind es, die die Freiheit bringen. Die soziale Bewegung der Menschen in den einzelnen Ländern brachte die Regime in Ägypten und Tunesien zu Fall. Sie sind glaubwürdig, und nicht ihre falschen Freunde in den westlichen Regierungen, die diese Regime am Leben hielten, die Osama Bin Laden aufbauten, ausrüsteten und in die Schlacht schickten, solange er in ihrem Sinne funktionierte. Es geht also nicht nur darum, die Menschenrechtler in den arabischen Ländern vor ihren Terrordespoten zu schützen, sondern auch vor der tödlichen Umarmung durch die westlichen Kriegsführer. Der Rachefeldzug der USA in Afghanistan hat den Menschen nicht etwa Freiheit gebracht, sondern nur neues Leid und neuen Terror. Und im Irak sieht es ähnlich aus. Ganz anders allerdings in Tunesien und Ägypten. Dort sind die Menschen offensichtlich dabei, ein demokratisches Gemeinwesen zu organisieren. Wer heute einen Osama bin Laden ausbildet, um morgen gegen ihn Krieg zu führen, ist kein Freund der Menschen, die aus dem Teufelskreis des Terrors herauswollen, die für Demokratie und Freiheitsrechte kämpfen. Die Menschen in Arabien haben sich ihre Freiheit erkämpft. Die Regierungen des Westens spielen ihr altes Spiel weiter, Terroristen auszubilden, wenn sie gebraucht werden, und sie zu verfolgen, wenn sie sich gegen ihre Auftraggeber wenden. Afghanistan wimmelt heute von kleinen Bin Ladens. Finanziert vom Ölgeld des Westens, rüstet das Regime in Saudi-Arabien die Dschihadisten immer wieder neu aus. Menschenrechtler haben die Pflicht, die falsche Alternative zu durchbrechen: Entweder für die Bin Ladens und Gaddhaffis oder für die Kriege der USA und ihrer Verbündeten zu sein, ist keine Alternative. Die Aufklärung kann der Propaganda immer nur hinterherlaufen. Sie sieht sich in einer ähnlichen Situation wie Herkules: Herkules hatte die Aufgabe, die Ställe des Augias zu reinigen. Während er sie reinigte, produzierten die Rinder ihren Mist weiter. Für Menschenrechtler im Westen gilt es, jetzt und weiterhin die kritischen Fragen zu stellen. Wer stellte Osama Bin Laden als Mitarbeiter ein? Wer lieferte Gaddhaffi die Waffen? Wer arbeitet mit dem Herrscherhaus in Saudi-Arabien, dem internationalen Zentrum des dschihadistischen Terrors zusammen? Die Position zwischen den Fronten ist unbequem, sie erfordert geistige Arbeit, eigenständige Recherche und als Dank dafür Angriffe von den Kriegführern auf beiden Seiten. Für freiheitsliebende Menschen ist diese Stellung aber die richtige. Kontext:
sopos 5/2011 | |||
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