Den Aufsatz kommentieren Denk' ich an Deutschland am Tage…Überlegungen zur Lage der BRD am Einigungstag 2016von Elmar Klink Die Pegida-Hochburg Dresden, Hauptstadt des Landes Sachsen, wo es im Vorfeld gerade erst zu einer Reihe von Anschlägen mit fremdenfeindlichem und antiislamischem Hintergrund und Zielen wie einer Moschee gekommen ist, versammelten sich dieses Jahr mit über tausend Repräsentanten die politische Staatselite und ihre Gäste zur nationalen Gedenkfeier bei einem ökumenischen Gottesdienst in der Frauenkirche und anschließend zum Festakt in der Semperoper. Das Motto hieß: Brücken bauen. Im Jahr 2000, als die Hauptfeier schon einmal in der oberen Elbstadt stattfand, titelten Medien noch ironisch mit der Zeile "Bratwurst und Barock". 2.600 Polizisten waren zur Sicherung des Spektakels aufgeboten worden. Hunderte Anhänger von Pegida, darunter ihr Chef Baumann, der AfD u. a. hatten sich zu lautstarken Protesten gegen den Prominentenauflauf eingefunden. Politiker wie Merkel und Gauck wurden ausgepfiffen und mit Rufen wie Haut ab und Vaterlandsverräter bedacht. Die Prominenz musste sich verbales "Spießrutenlaufen" durch gebildete Wegespaliere mit Schmähungen und Beschimpfungen aus der pöbelnden Menge gefallen lassen. Pegida veranstaltete mit etwa 4.000 Teilnehmenden einen Demonstrationszug in der Stadt, gegen den es mehrere Gegendemos gab mit einer ungenannten Teilnehmerzahl. Der eigentliche Festakt, begleitet von klassischen Orchesterstücken, Tanzperformances und dem Vortrag eines Schauspielers der sog. Ringparabel aus Lessings Drama "Nathan, der Weise" zum Thema der Religionstoleranz, wurde gestaltet durch die Reden des sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Tillich und Bundestagspräsident Lammert (CDU), der die Hauptansprache hielt. Dieser hielt sich mit Lob und Verdiensten hinsichtlich von Leistungen in den letzten 26 Jahre seit der Vereinigung auffallend zurück, ging dafür auf typische deutsche Befindlichkeiten ein. Die Demokratie, so Lammert, sei in besserer Verfassung als zuvor (!). Zufriedenheit sei jedoch nicht gerade eine deutsche Eigenschaft und er ermunterte zu mehr Selbstbewusstsein und Optimismus. Er griff ein Schopenhauer-Wort auf, wonach die Deutschen das, was zu ihren Füßen läge, allzu oft in den Wolken suchen würden. Die Deutschen hätten mit der Einigung eine neue Chance bekommen, man habe Brücken gebaut nach innen und außen. Als er betont auf von allen ausnahmslos zu beachtende Gesetze und Regeln des Zusammenlebens zu sprechen kam, erhielt er ebenso deutlichen Beifall wie als er mit Beispielen auf die mobile multikulturelle Vermischung in der hiesigen Gesellschaft einging. Bereits die Aussprache im Bundestag in der Woche davor zum Bericht der Bundeskanzlerin zu 26 Jahren deutsche Vereinigung war ein Zeugnis der Differenz und Kontroverse hinsichtlich dessen, was seither erreicht bzw. nicht geschafft wurde. Von Grün bis Rot gab es eher lautere und deutliche Misstöne, von SPD bis CDU/CSU überwogen verhaltenes Positivlob bis Selbstbeweihräucherung der aufgebotenen Redner und Rednerinnen, wie viel man geschafft habe. Und, wie es ein CDU-Sprecher formulierte, man könne das Gejammere von links nicht mehr hören. Wäre eine AfD schon im Parlament, wie sie es nach der nächsten Bundestagswahl zweifellos sein wird, wären vermutlich noch ganz andere nationale und rechte Töne zu vernehmen gewesen. Das dicke Ende für die Parteien kommt 2017 erst noch. Nun hat man zweifellos nach 26 Jahren eine Reihe von Dingen "geschafft", musste es zwangsläufig auch, fragt sich nur wie und in welche Richtung. Noch immer existiert eine erhebliche Differenz beim Ostlohn (um die 20 %) und der Ostrente, beides nicht ganz unbedeutende volkswirtschaftliche Größen und Indikatoren. Die Zahl der Arbeitspendler von Deutschland "Ost" nach "West" übertrifft mit knapp 400.000 die der entgegengesetzt Pendelnden um beinahe das Dreifache. Und wer erinnert sich nicht an die von Norbert Blühm (CDU) abgegebene Sicherheitsgarantie für die Renten. Die mit dem Einigungsprozess übernommene enorme neue Rentenkassenbelastung erschöpfte bald die alte BRD-Reserve. Schon wird die Rentenauszahlung erst ab dem 69. Lebensjahr erwogen, was ein Skandal ist, da das Nahles-Ministerium bekanntlich nicht für gesicherte Beschäftigungs-chancen und genügend Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer ab 55 sorgen kann. Man kann nicht von den Menschen allgemein verlangen, bis kurz vor dem 70. Lebensjahr vollwertig arbeiten zu müssen, bis sie in den Genuss einer vollen Altersrente gelangen. Das Problem verlangt nach vollkommen anderen Lösungen wie Grundeinkommen und Grundrente. Dies läuft für viele nur noch auf eine gigantische betrügerische Kürzung der Rente hinaus, die nicht mehr zum Leben reicht. Aus Deutschland ist sicher kein "Großdeutschland" oder "Viertes Reich" hervorgegangen - bisher -, wie es von nicht wenigen nach der "Zwangsvereinigung", dem "Anschluss" oder wie man möchte, der "Annexion" der ehemaligen DDR im Jahr 1990 befürchtet wurde. Die Sache verhält sich differenzierter und komplexer und kaum weniger problematisch. Deutschland fühlt sich berufen, wie das neue Verteidigungsweißbuch verkündet, "mehr Verantwortung" in der Welt zu übernehmen und man fragt sich zuerst wofür? Auf friedliche Weise für die Dinge, die in Sachen Armut, Wirtschaft, Klima, Konflikten und Kriegen überall im Argen liegen oder nicht vielmehr die eigenen Belange und Interessen auf diesen Feldern? Eine starke "Armee im Einsatz" mit aufgerüsteter Marine und Elitedivision des Heeres soll präventiv-abschreckend für "Sicherheit" und deutsche Präsenz auf der Welt sorgen. Die "Freiheit" soll von Nordafrika bis zum Hindukusch und im Baltikum verteidigt werden. Man übt im NATO-Verbund das vorne präsente Vordringen gen Osten, rückt Russland damit dicht auf den Pelz, was der russische Bär gar nicht gerne hat. Etwa 3.800 deutsche Soldaten und Soldatinnen befinden sich derzeit in Auslandseinsätzen, die meisten im Mittelmeer, in Nah-Mittelost, Afghanistan, Nordafrika und Litauen. Den derzeitigen Krisen- und Kriegsschwerpunkten. Mit der Vereinigung wurde der einstige direkte Warschauer Pakt-Gegner Nationale Volksarmee geschluckt. Ein nüchterner Verdauungsprozess, kein siegreicher Kriegsfeldzug. Wer hätte das gedacht oder jemals vorausgesehen, der z. B. 1982 noch an der Berliner Mauer stand, auf das Brandenburger Tor im Ostsektor blickte und sich Gedanken machte, wie sich die Lage jemals noch mal ändern könnte. Übernommenes NVA-Kriegswerkzeug wie modernste sowjetische MIG-19 Kampfjets und Panzer wurde verschrottet oder ins Ausland verdealt, das schaufelte Devisen in die angestrengte vereinigte Haushaltskasse. Deutschland wurde Rüstungsexport-weltmeister. Viele NVA-Berufssoldaten wurden in die unehrenhafte Arbeitslosigkeit entlassen. Zum wichtigsten wirtschaftlichen Instrument wurde bis 1994, bis man alles Bedeutende soweit "abgewickelt", d. h. verscherbelt hatte, die staatsgelenkte Treuhand. Eine einmalig erfundene BRD-Institution zur Maklung ostdeutschen Volkseigentums einschließlich von Arbeitsplätzen und Immobilien, zum Teil zu Schrottpreisen und mit verheerenden Folgen für die "freigesetzten" Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Eine ganze Wirtschaft zum Feilschen freigegeben für den Bazar des Geldes. Damit kaufte sich westdeutsche und internationale Konzernindustrie billig ein, um ostdeutsche Konkurrenz auf gleichem Terrain zu beseitigen oder Werte äußerst günstig zu erwerben, um sie für den eigenen kapitalistischen Wirtschaftskreuzzug gen Osten einzusetzen. Die dunkle, verdrängte und offenbar auch zumeist vergessene Seite des Geschehens. Man muss in der nach 1945 bald beendeten und gescheiterten Entnazifizierung durch die alliierten Sieger, der Remilitarisierung und der Währungsreform 1948 als bloßer monetärer Geldreform, die den materiellen Bestand der Immobilien- und Bodenbesitzenden nicht antastete, lange nachwirkende, schwere Geburtsfehler der neuen Bundesrepublik erkennen und kritisieren. Eine konservative neue Partei wie die CDU nahm damals bald von ihrem sozialisierenden Ahlener Programm wieder Abschied. Wenn man so will, waren für den Vereinigungsprozess der Einsatz der Treuhand und der kalte Anschluss der DDR die unrühmliche Geburtsfehler-Fortsetzung. Um nicht in Verdacht zu geraten, man habe "den Osten" hinter der Oder und Neiße einfach aufgegeben, sprach man von "neuen" statt den östlichen Bundesländern. Aus Mecklenburg wurde wegen des östlichen Westpommernzipfels Mecklenburg-Vorpommern, darin schwingt noch alte preußische Landhoheit östlich der Oder mit. Eine SPD in der Regierung damals hätte das sicher im Kontext ihrer Ostpolitik seit der sozialliberalen Koalition ab 1969 anders gehandhabt. Einer ihrer politischen Fürsprecher, der aus Danzig stammende Literat Günter Grass, forderte gar für das vereinte Deutschland eine föderale Zweistaatenlösung. Sie war natürlich utopisch. Hatte in den Köpfen und "realistischen" Übernahmeprogrammen keinen Ort, utopos. Die genannte Ostpolitik führte früh 1972 zu den Verträgen mit Moskau und dem Grundlagenvertrag mit der DDR. Sie waren der Grundstein für die konservative patriotische Wiedervereinigungsernte von CDU/CSU und FDP 1989/90, mit der sich die drei Parteien danach für zwei weitere Legislaturen noch an der Macht halten konnten, bis es dann 1998 nach 16 Regierungsjahren für sie eng wurde. Kohl, Genscher, der "Held von Prag" und & Co. waren am Ende, wurden vom vereinten Volk mehrheitlich abgewählt. Das Kapital unter zunehmendem Globaldruck verlangte innen-, sozial- und marktpolitisch nach neuen Konzepten und Lösungen. Die Geburtsstunde für Schröder-Fischers neoliberale austeritäre Agenda 2010-Politik zum Rückbau des Sozialstaats und zur Etablierung des ungerechten Hartz IV-Systems ab 2005. Und schon 1999 betätigte sich die Bundeswehr mit ihrer Luftwaffe unter Rot-Grün grundgesetzwidrig an NATO-Bombardements gegen Ziele in Serbien. Die große Ernüchterung der bei der 98er-Wahl an grundlegendem Politikwechsel Interessierten und ein Verrat ihrer Erwartungen. Es beschleunigte ungeahnt schnell das Abdriften erheblicher Teile der Bevölkerung in Politik- und Wahlverdruss. Alle bürgerlichen Parteien verloren in den 2000er Jahren Hunderttausende Wähler und Mitglieder, die ins Indifferente wechselten, mal dahin oder dorthin tendieren, gegenwärtig stark nach rechts. Die großen Parteien müssen sich heute bei Wahlen mit Stimmkontingenten zwischen 20 und 30 % zufrieden geben. Die staatstragenden Großen Notkoalitionen machen die Sache nicht besser. Im Gegenteil. Sie schaden erheblich der Demokratie, indem sie einen politischen Einheitsbrei anrühren, der Räume nach rechts öffnet. Die FDP ist dabei, ganz zu verschwinden. Eine neue rechtspopulistisch-nationalpatriotische Partei AfD ist seit ihrer Gründung 2013 mit Zulauf aus allen Parteien, von Nichtwählenden und als Staubsauger am rechten Rand mächtig im Aufschwung, die auf ein 15-20 %-Wahlpotenzial zusteuert und die nationale Angststimmung gegen Flüchtlinge und islamische "Überfremdung" schamlos schürt und für sich ausnutzt. Bei der Bundestagswahl 2013 fehlten ihr mit erreichten 4,7 % lediglich etwa 120.000 Stimmen, um die 5 %-Sperre zu überwinden. Wie formulierte es Lammert nochmal? Die Demokratie in besserer Verfassung als zuvor… Der Libanon hat als kleines Land mit 3 Mio. Einwohnern bis 2014 1,2 Mio. Flüchtlinge aufgenommen. Gemessen am Vergleich der Einwohner müsste Deutschland mit 82 Mio. Einwohnern potentiell 32 Mio. Flüchtlinge aufnehmen. Legt man das Bruttoinlandsprodukt (BIP) beider Länder zugrunde, sieht es noch "schlechter" für die Deutschen aus. Danach müssten sie 96 Mio. Flüchtlinge aufnehmen. Was, so darf man sich also bilanzierend fragen, hat man alles seither "geschafft"? Nicht vorrangig deutschlandpolitische Entwicklungen und Bedingungen führten zur deutschen Vereinigung. Es war in der Sowjetunion der um Jahrzehnte zu spät gekommene, durch Perestroika und Glasnost eingeleitete Prozess von Staats- und Wirtschaftsumbau und Öffentlichkeitstransparenz von oben, der das Aus eines bürokratischen Staatssozialismus ohne Massenbeteiligung einleitete. Dies im Verbund mit der inneren substanziellen Auszehrung durch die enormen Rüstungskosten, die der Wettrüstungszwang des Kalten Kriegs den Ländern des Ostblocks abverlangte. Von den Westmedien aufgebauschter Fluchtrummel und Botschaftsasylzirkus waren im Spätsommer 1989 lediglich laute Begleitmusik, wenn auch mit nicht unwesentlicher öffentlicher Bedeutung und Reichweite. Schon zuvor hatte Ungarn von Bonn beträchtliche Summen in Millionenhöhe erhalten, um sein Grenzregime zu entschärfen und löchrig zu machen. Dies war ein bewusster Akt und gewollter Effekt. Man kam in Österreich durchgewunken in Ostbayern an wie 26 Jahre später die Flüchtlinge aus Syrien, Nordafrika, dem Irak oder Afghanistan über die sog. Balkanroute, nur war man als "Landsleute" von drüben anders als diese weitaus willkommener bei allen. Eine Einladung an die, die es im subjektiv empfundenen "DDR-Staatsgefängnis" nicht mehr länger aushielten, die lange Jahre schon Reiseanträge laufen hatten, viele davon, außer den ihnen dadurch widerfahrenen Nachteilen, ohne jemals mit staatssozialistischen Organen negativ in Berührung gekommen oder politisch in Konflikt geraten zu sein. Man wollte endlich "reisefrei" und "konsumfrei" werden, offensichtlich zwei moderne profane menschliche Grundbedürfnisse. Die bekannte Banane und verlockende Strandmeile von Mallorca. Margot Honecker wunderte und ereiferte sich bei ihren heimlichen Rundfahrten im chauffierten Auto durch die Hauptstadt Berlin-Ost, wann immer sie vor DDR-Läden lange Warteschlangen stehen sah, warum die Genossen in der Planung volkswirtschaftlich nicht fähig seien, diesen Missstand abzustellen. Im Einkaufszentrum des politbüroprominenten Wandlitz gab es doch für die First DDR-Lady auch alles Annehmliche aus dem Westen zu kaufen. Zuletzt stand nach früheren Besuchen von Willy Brandt (sichtlich tief bewegt und berührt) und Helmut Schmidt (arrogant und überheblich) in der DDR noch der Besuch des Staatsratsvorsitzenden und gebürtigen Saarländers Erich Honecker 1987 in der BRD im Blickpunkt. Kalt und distanziert von Kohl und Co. empfangen und fast kurz angebunden abgefertigt. "Schäuble, Sie haben mir das eingebrockt", soll Kohl angesäuert gesagt haben. Einzig Lafontaine und Strauß bereiteten Honecker damals im Saarland und in München ein freundliches Willkommen. Einen politischen Nutzen hatte das späte Treffen für die DDR kaum noch, höchstens Genugtuung für ihre Führung. Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Den Sozialismus in seinem Lauf, hält (halten) weder Ochs noch Esel auf. Die beiden beliebtesten dürftig-populären Kernsprüche Honeckers. Beides erwies sich als fataler Trugschluss. "Ochs und Esel" erwiesen sich sehr wohl fähig, den Sozialismus störrisch aufzuhalten und rückwärts in den Kapitalismus ging's mit der Vereinigung. Wer etwas über die Stimmung und Entwicklung in der DDR erfahren will, lese Erich Loests Roman "Nikolaikirche" (oder sehe dessen Verfilmung) oder das opulente Opus von Uwe Tellkamp "Der Turm" (2012 zweiteilig verfilmt). Sie sind die vielleicht wichtigsten DDR-Romane über die achtziger Jahre, wie es davor Reiner Kunzes literarische Montage in Prosa "Die wunderbaren Jahre" (1976) war, die als Vorlage auch eindrucksvoll verfilmt wurde, heute nur noch wenigen bekannt und selten im Fernsehen gezeigt. Und natürlich der Film "Das Leben der Anderen" (2006), die "Sonate vom guten Menschen" über die methodische Bespitzelung der kritischen Kultur- und Literaturschaffenden durch die Stasi. Franz-Joseph Strauß, der sich treu bleibende Kalte Krieger, sorgte 1983 bürgend für einen 2-Milliardenkredit westdeutscher Banken für die an maroder Zahlungsbilanz inflationär leidende DDR. Nicht um ihr zu helfen, sondern langfristig ihre Talfahrt nur noch zu beschleunigen. Konkret erreicht wurde damit ein Abbau der Selbstschussanlagen an der Grenze. Auch beachtlicher Fortschritt auf dem Gebiet digitaler Mikroelektronik konnte die DDR nicht mehr retten, die im volkswirtschaftlichen Welt-Ranking an 10. Stelle stand. Manche witzelten, man könne die neuen DDR-Mikrochips in Japan auf dem Trödelmarkt bekommen. Beträchtliche Schulden und Negativdefizite haben die großen Nationen alle. Man geht unter "freien" Marktbedingungen unter Banken, Regierungen und herrschender politischer Klasse nur anders einvernehmlich damit um. Siehe die schnell übernommenen staatlichen Stützungen in Milliardenhöhen für die bankrotten Banken in der 2008er-Finanzkrise. Auf dem Energiesektor sah es schon deutlich schlechter aus. Nach dem Aus für die kostspieligen DDR-Atomkraftwerkepläne gab es nur noch die Kohle als Hauptenergieträger, nur begrenzt weltmarktteures Erdöl, wofür es an nötigen Devisen fehlte. Sogar die zweitgeborene kleine Enkelin von Honecker war an einer schweren Atemwegserkrankung früh gestorben. Die sehr negative Ökobilanz des Landes hatte neben der verfallenden Bausubstanz der Innenstädte einen nicht unbeträchtlichen Anteil an seinem schleichenden Niedergang vor allem in den Köpfen und Herzen der Menschen. Die DDR-Führung ließ keine grüne Systemkritik zu. Wohnraum war für alle in Plattenbauten ja genügend vorhanden. Wer über die Mauer klettern wollte, musste sich nicht wundern und war selbst schuld, wenn er dabei erschossen wurde (O-Ton M. Honecker). Junge Aktivisten der "Umweltbibliothek" wurden mindestens ebenso rigide von der Stasi observiert und drangsaliert wie die kulturelle und literarische kritische Elite. Sich aus diesen Staatsüberwachungskorsetts und trostlosen Perspektiven befreit zu haben, ist eine der positiven Aspekte und Leistungen des spontanen gewaltlosen Volksaufstands vom Herbst 1989, der taktisch geschickt vom Westen für seine Zwecke be- und ausgenutzt wurde. Wenn man sich auch über die ökonomische Kahlschlag-Prozedur nur entsetzt wundern kann und man auch vom Regen in die Traufe kam, von der Umweltverschmutzung in der DDR in die globale Klimakatastrophe der freien Welt. Alls ist eben auch relativ, auch die Widersprüche. Immer wieder wird das soziale Vermächtnis der DDR schlecht gemacht und kleingeredet. Wohlgemerkt nicht der SED als zuletzt nur noch Untergangspartei. Sie hatte ihr Erbrecht verwirkt. In der DDR war die Herrschaft des Kapitals, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft. Soziale Lebenswelt war sicher. Die Landwirtschaft vergenossenschaftlicht, was die einzelnen Bauern entlastete. Das staatssubventionierte alltägliche Leben war für alle erschwinglich. Kindergarten- und Krippenplätze gab's kostenlos für alle. Das Berufsbild und der Selbständigkeitsstatus der Frau war dem westdeutschen überlegen. Der Umgang mit Zeit war in der DDR ein ganz anderer als in der BRD, weit gemächlicher. Die Menschen konnten systembedingt begrenzt frei reisen, an die Ostsee, nach Ungarn (Plattensee) und Bulgarien an das Schwarze Meer. Wer besonders staatstreu war, konnte auch nach Kuba fliegen. Das war natürlich vielen mit der Zeit deutlich zu wenig, die von Bahamas und Karibik träumten. Der dröhnende stinkende Plastezweitakter Trabant als Fortbewegungsmittel der Massen - heute seltener Kult - war vielen eine einzige Zumutung, doch konnte ihn so gut wie jede/r halbwegs geschickte Schrauber/in selbst reparieren. Man musste auch nicht jahrelang darauf warten, wenn man die ganze Familie und Verwandte namentlich Bedarfsanträge ausstellen ließ. Die DDR-Autoplaner wären mithilfe von Renault beim Wartburg-Bau als Viertakter zu weit Besserem fähig und in der Lage gewesen. Bürokratische Einengung, planerische Fehlsicht und engstirniger ideologischer Westvorbehalt ließen es nicht zu. Wartburg, tschechischer Skoda und polnischer Lada boten dennoch gewisse "gehobenere", wenn auch teurere Ausgleiche. Man konnte auf den damaligen holprigen DDR-Autobahnen auch kaum gefahrlos schneller als vielleicht 120 km/h fahren. Delegitimierende Infragestellung fing damit an, dass man, wo es nur ging, die PDS als SED-Nachfolgepartei diffamierte und schlecht redete, sie unentwegt mit dem "Unrechtsstaat" DDR, einer unter unabhängigen objektiven Kriterien zweifelhaften Rechtskategorie, in Verbindung brachte. Ihr aufrichtig bemühter parteiinterner Klärungs- und Demokratisierungsprozess wurde von Medien und Politik entweder komplett ignoriert oder bewusst zerredet und verfälscht. Es konnte und durfte einfach nichts Gutes an einer solchen kritisch gewandelten Nachfolge sein. Lechts ist wie rinks oder links ist wie rechts. Eine ohnehin völlig fehlgehende Totalitätsgleichsetzung. Ein weiterer Beitrag zum Konto fortgesetzter Geburtsfehler des vereinigten Deutschland. Das Bekenntnis zum "DDR-Unrecht" wurde wie im Kniefall bei der Thüringer Koalitionsbildung Rot-Rot-Grün unter dem "Wessi" Bodo Ramelow sogar für die Partei Die Linke eine Voraussetzung für BRD-Staatstreue wie einst das geforderte Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Zeiten von Berufsverboten für Linke und der Verfolgung von Kommunisten und Kommunis-tinnen, vornehmlich der DKP. Hier setzte sich untergründig wie offen der alte Antikommunismus der Adenauerära fort. Auch ein vereintes Deutschland schaffte es bisher nicht, das KPD-Verbot endlich aufzuheben wie man es unter Anführung aller möglichen Gründe bis Ausflüchte nicht schafft, rechtsextreme Parteien wie die NPD gegebenenfalls zu verbieten. Die Partei Die Linke ist als Opposition die einzige im Berliner Reichstags-Treibhaus, die ihre Stimme klar erhebt gegen Krieg, Aufrüstung und Kriegsvorbereitung neben den beiden Bündnissen der außerparlamentarischen Friedensbewegung. Das Verdrängen ist groß, daher gilt es die angesprochenen Punkte gegen alle Feierreden in Erinnerung zu rufen und wach zu halten. © Elmar Klink, Bremen, 3./4.10.2016. ElK-Texte (Politische Dossiers). Kontakt: Elmar.Klink(at)gmx.de. Mit freundlicher Genehmigung des Autors Literatur/QuellenNikolaus Koch: Staatsapparat und Gewissensprimat. An die deutschen Parteien in Bundestag und Volkskammer. Arbeitstext Nr. II. Witten-Bommern 1988 Nikolaus Koch: Die Deutschen in der vierten Revolution. Arbeitstext Nr. III. Witten-Bommern 1989 Ekkehard Lieberam: Der Kniefall von Thüringen. Die LINKE und die Unrechtsstaat-Debatte - eine Dokumentation. Bergkamen 2014 Ludwig Elm / Ekkehard Lieberam: Rechte Geschichtspolitik unter linker Flagge. Eine Gegenposition. Sonderdruck/Textauszug. Bergkamen, o. J., in Vorb. (Kurzbeschreibung: Die Thüringer "Linkskoalition" orientiert auf völlige Delegitimierung der DDR und den Anschluss an antikommunistische Geschichtsbilder). Die Broschüren können angefragt bzw. bezogen werden über: pad-Verlag, Am Schlehdorn 6, 59192 Bergkamen. pad-verlag@gmx.net Kontext:
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