Ich finde deinen Vortragstext sehr (!) gut. Wir befinden uns in einer Uni, die im Sinne eines humanistischen Bildungsgedankens kaum noch eine sein wird. Die Abfertigung der kritischen Millieus zeigt, wie instabil der strukturelle Widerstand war.
Wir sind heute mit einer umgekehrten Situation wie in den 1970ern konfrontiert. Damals wurden die Universitäten ein öffentlicher Raum, die
Zahl von Arbeiterkindern an den Universitäten stieg - heute nimmt sie rapide ab. In dem Umfeld der Bildung ist die Situation noch prekärer. Die Subventionen für Volkshochschulen werden eingefroren, die Kurse werden teurer bei Verarmung. Die Armen können sich diese Bildung nicht mehr leisten, die VHS müssen Lehrer entlassen. Aufgrund des Einstellungsstopps sollen Ein-Euro Akademiker an Volkshochschulen eingesetzt werden. Studenten werden zu Auszubildenden in einem Betrieb, Auszubildende in den Betrieben haben weniger Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Heute müsste man nicht erst nach 13 Semestern überlegen, wie die Zukunft aussieht. Hier manifestiert sich- neben einem gefährlichen Antiintellektualismus- die Abschaffung der Bildung und Persönlichkeitsentwicklung. Die Lebensphase Studium, in der kritische Intellektuelle eben die Erfahrungen machen, auf denen ihre späteren Theorien basieren, gehört nicht mehr zur Biografie. "Zukunft" als Prozess entwickelter Erfahrungen wird ausgeblendet.
Welche Vorstellungen ein 19 jähriger Gymnasiast hat, dem "Jobpower"-Berater "Perspektiven" erörtern, kann man sich lebhaft ausmalen. Der Vergleich wäre ein Geisteswissenschaftler,der in Initiativen, im Fachbereich mitgearbeitet hat. Aufgrund der künstlichen Sachzwänge verschwindet die Infrastruktur von Unigruppen, Unicafes etc. Die Studierenden, die in Cafes, Bafög-Beratung etc. arbeiten, werden zu Drop-Outs, so dass die Bereitschaft in studentischen Initiativen zu arbeiten, abnimmt. Die Ökonomisierung der Uni zerstört eben die Lebensqualität, in der sich Studierende mit geringem materiellem Niveau Bildung aneignen können. Die Selbstorganisation der Studierenden wird damit ins Mark getroffen.
Den Juso- oder Junge Union Aktiven, dem die Partei als Bestandteil seiner Karriere das Studium finanziert, trifft es nicht.
Mit dem "Kunde Student" verzerren sich die Maßstäbe, was unter Qualifikation oder Effizienz zu verstehen ist. Die Abfolge einer Guido Knopp Sendung zusammenfassen, dafür reicht es - für eine kontextbezogene Analyse nicht. Eben das ist gewollt, handwerklich qualifizierte Deppen, die Texte wiedergeben, nicht aber kritisieren können. Die Ökonomisierung, die künstlichen Sachzwänge, verblendet nicht nur - sie schafft den Fachautomaten, den sie benötigt. Der "Studi-Malocher" wird eine Arbeitseinstellung entwickeln wie andere Malocher: Pünktlich um vier ist Feierabend. Danach habe ich meinen Spaß und will von der Arbeit nichts mehr wissen. Vorträge und Veranstaltungen außerhalb der ausgesuchten Vorlesungen werden nicht mehr als Teil eines Unilebens wahr genommen. Warum auch? Ein KFZ-Mechaniker, der in seiner Freizeit aus Spaß an Autos bastelt, wäre schon ein komischer Typ.
Mit dem Auszubildenden, der zugleich "Kunde" ist, verschwindet die Integration des Lebens in der Uni - Uni wird etwas Äußeres, wie die Schule oder der Betrieb. Die Profs werden zu Meistern, unter deren Augen man funktioniert und -wenn sie nicht gucken- herumwurstelt.