Vielen Dank für diese hervorragende, notwendige und längst überfällige Analyse. Ich denke, ihr habt den Beitrag nicht von ungefähr mit einem Zitat der anarchosyndikalistischen CNT aus Spanien eingeleitet. Ergänzen möchte ich einen Punkt, den ihr bei dem aufkommenden Personenkult implizit erwähnt. Die historische Erfahrung hat gezeigt, dass eine autoritäre Positionierung der herrschenden Eliten auf der Seite der Linken die Sehnsucht nach "Einheit" und "Effektivität" befördern kann. Dem stehen demokratische Verfahren, gelebte Egalität, all das nicht funktionale, nicht kontrollierbare, nicht maschinelle, eben allzu menschliche, im Weg. Und da sind die Tore offen für neostalinistische Strategen, die dann ebenfalls die formaldemokratische Hülle nicht abstreifen, sondern aufrechterhalten würden. Schlüsselstellen besetzen, geheimer Ausbau von Befugnissen, Ämterhäufung, Ausgrenzung von Dissidenten als parteischädigend... es geht ganz schnell, wenn dem keine Struktur entgegensteht, die derlei Verfahren unmöglich macht. Bei der zum Teil extrem autoritären Parteibasis in manchen Regionen Ostdeutschlands mit ihren in der Watte gefärbten Führern aus der FDJ-, SED- und Stasihierarchie sehe ich diese Gefahr als sehr real an. Und im Unterschied zu den Grünen, wo sich die Fischer-Gang in eine basisdemokratische Struktur hineinputschte, war die "Linke" niemals basisdemokratisch.
Das spanische Beispiel 1936 ist ein trauriges Lehrstück dafür, wie die Bereitschaft "mit allen Kräften der Linken" zusammenzuarbeiten sich für Anarchisten, Syndikalisten und demokratische Sozialisten als Grab entpuppte, in das die Maschinengewehre der Stalinisten sie hineinfeuerten.
wenn Du schon zitierst, dann bitte auch richtig. Brecht hat niemals den Satz "Stell Dir vor es ist Krieg..." gesagt, sondern:
"Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt
Und lässt andere kämpfen für seine Sache
Der muss sich vorsehen: denn
Wer den Kampf nicht geteilt hat
Der wird teilen die Niederlage.
Nicht einmal den Kampf vermeidet
Wer den Kampf vermeiden will: denn
Es wird kämpfen für die Sache des Feinds
Wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat."
Und ehrlich gesagt, die Partei "DIE LINKE" kämpft nicht für die Sache der Linken, dazu wird es auch nicht kommen, sondern eher zu einer Säuberungsaktion, wenn sie sich genügend etabliert haben. Und das "spanische Lehrstück" ist doch gerade ein Beispiel dafür, wie solche Parteien linken Widerstand brechen, oder ist Dir das Vorgehen der Stalinisten unbekannt. Es mochte zwar im Spanischen Bürgerkrieg notwendig erscheinen, Gewehre aus der Sowjetunion zu beziehen, allerdings wurden diese dann nicht an der Front eingesetzt, sondern zur Verhaftung der Linken.
Aber was den Kampf anbelangt, inwiefern hast Du Dich denn eingemischt?
Und um bei Brecht zu bleiben:
"Der Unterdrücker Hu-ih konnte sich nicht mit der Abgabe hochgesinnter Versicherungen bei seinen Leuten begnügen. Sein bester Schutz waren ihre Verbrechen. Indem sie sich an der Unterdrückung beteiligten, setzten sie sich der Bestrafung durch die Unterdrückten aus, das versicherte den Hu-ih am besten ihre Treue."
es ist keineswegs so, daß wir nur für den Osten eine autoritäre Strömung konstatiert haben, im Gegenteil.
Grundsätzlich ist es doch so, daß die Linke - im weitesten Sinne - ebenso wie die gesamte Gesellschaft regressiven, wenn auch widersprüchlichen, Tendenzen ausgesetzt ist. Die Partei die Linke ist dabei Ausdruck dieses Prozesses in verschiedenen Milieus - mit ebenso widersprüchlichen Tendenzen. Wer diesen Zustand überwinden will, muß folglich an den positiven Seiten der Beteiligten anknüpfen, die durchaus keiner politischen Formation zuzuordnen sind, die Widersprüche laufen vielmehr quer durch alles Spektren. Spekulationen über "Säuberungen" (Parteiausschlüsse sind keine Säuberungen) halte ich für abwegig - wer sollte das tun, mit welchem Interesse und vor allem: gegen wen sollten sich diese richten?
Selbst wenn man unterstellt, die Partei wolle zu einem Teil der Herrschaftselite werden - kann sie das? Teil der politischen Elite sind sie de fakto schon, wenn auch einer, der in zentralen Fragen in Widerspruch zum Rest der Parteienlandschaft steht. Aber ist das ein dauerhafter Zustand? Ist die Partei nicht selbst auch Ausdruck der sozialen Erosionskrise und eben allenfalls in Teilen ein Bestandteil ihrer Überwindung? Und wenn das so ist, warum soll man dann die Partei zersetzen? Ist es nicht eher ein Problem, daß es keine krisenadäquaten Organisationsformen gibt? Inwiefern soll denn eine Partei deren Organierung im Wege stehen? Wer auch nur ein wenig die Entwicklung der radikalen Linken in den letzten 20 jahren verfolgt hat, wird kaum zu dem Ergebnis kommen, daß die PDS in einem näheren Zusammenhang mit ihrer Krise steht.