mir hat Dein Beitrag sehr gefallen. Bei der Einschätzung der NGO gehen die Einschätzungen häufig sehr auseinander, was, darauf weist Du hin, mit dem Sammelbegriff NGO selbst zu tun hat. Letztlich ist die konkrete Arbeit der jeweiligen NGO (und die Form ihrer Organisierung) entscheident. Einen Aspekt möchte ich hinzufügen: während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien haben sich viele NGO, ob direkt beteiligt oder nicht, - vorsichtig gesprochen - sehr unkritisch gegenüber den westlichen Interventionen verhalten. So beteiligte sich die Gesellschaft für bedrohte Völker an der Stigmatisierung der "Serben", was ihr von Seiten der Zeitschrift "Konkret" den Titel "Gesellschaft für das bedrohte völkische" einbrachte. Bemerkenswert war auch die Haltung der "Ärzte ohne Grenzen", die ihre griechische Sektion ausschlossen, weil diese Medikamente nach Serbien geliefert hatte.
Viele Grüße,
Gregor
Hi Gregor.
Es freut mich, daß mein Artikel Dir so gut gefallen hat. Die GfbV ist ein gutes Beispiel für die Widersprüchlichkeit von NGOs und deren Ambivalenz aufgrund Einbindung dieser Organisationen in das Konzept der Zivilgesellschaft. Ich kenne mich als Ethnohistoriker und Mitglied der GfbV mit den internen Strukturen ein wenig aus. Der Anspruch der GfbV war ursprünglich Menschenrechtspolitik für ethnische Minderheiten und indigene Kulturen, aber auch Flüchtlingshilfe und das Eintreten für die Rechte von Asylbewerbern hierzulande. Dieses Selbstbestimmungsrecht ethnisch verfolgter Minderheiten war und ist zu Recht eine Forderung der undogmatischen Linken ( Tamilen, Kurden, Indianer, etc.). Tilman Zülch, der Vorsitzende der GfbV zeigte schon 1989 eine merkwürdige Auslegung dieses Grundsatzes, indem er als einer der ersten für die deutsche "Wiedervereinigung", das heißt, das Selbstbestimmungsrecht von Imperialisten eintrat. Es gibt in der GfbV jedoch auch sehr kritische Stimmen. Renate Domnick beispielsweise, die Vizevorsitzende, betreibt eine sehr rege und schonungslose Aufklärungsarbeit über die Verbrechen der US-amerikanischen Regierungen an den Shoshoni und Ute und war eine der ersten, die deren radioaktive Verseuchung durch den Uranabbau in das Interesse der europäischen Öffentlichkeit brachte. Vor und während des Kosovo-Krieges überschlugen sich einzelne Protagonisten der GfbV in Milosevic=Hitler Vergleichen (Tilman Zülch mag diese Vergleiche. Bereits Ende der 80er verglich er Lenin mit Hitler). Andere entdeckten KZs im Kosovo und forderten ein militärisches Eingreifen der für ihre Verteidigung der Menschenrechte ethnischer Minderheiten zum Beispiel für die amerikanische Urbevölkerung, die Bewohner des Bikini-Atolls..., seit jeher bekannten NATO-Staaten. Heute ist im Kosovo alles erreicht, wovor die GfbV damals warnte, Pristina ist nach den öffentlichen Pogromen der UCK roma- und judenfrei und mit der UCK gibt es das erste Mal nach 1945 einen faschistischen Brückenkopf in Europa. Seit einigen Monaten setzt sich die GfbV jetzt für die Rechte der aus dem Kosovo vertriebenen Juden, Serben,Roma, Makedonier und "Ägypter" ein, allerdings ohne die eigene Mitverantwortung für die UCK Gemetzel zu thematisieren.Auch die völkisch fundierte antiserbische Politik im kroatischen Teil Bosniens wird als Apartheidspolitik thematisiert. Insgesamt sind aber völkische Pogrome an Serben im ehemaligen Jugoslawien in den Darstellungen der GfbV deutlich unterrepräsentiert. Was den Kosovo betrifft, gilt die KONKRET-Bezeichnung "Gesellschaft für Völkische" für Teile der GfbV auf jeden Fall, auch wenn diese Aussage undifferenziert und auch ein wenig polemisch ist, da sich die GfbV von ihrem Ansatz her als antivölkisch, antirassistisch und antifaschistisch versteht (verstand?).Im Bekenntnis zur Gesellschaft der Bürgerrechte werden weiterhin unhinterfragt die Kriegstreiber Fischer und Scharping, deren langfristige ideologische Kriegsvorbereitung seit Jürgen Elsässers Recherchen bekannt ist, als Adresse für politische Forderungen gesehen. Im eigenen Land hört die allgemein formulierte Selbstdefinition betreffs der Wahl von Ante Buhovac, des Aufsehers im Lager "Heliodrom" zum Vorsitzenden des Gemeinderates in Mostar-Süd leider auf: "Die Menschenrechtsorganisation (...) hoffe jedoch nach wie vor darauf, dass Kriegsverbrecher bestraft und nicht mit der Wahl in hohe Verwaltungsämter belohnt würden." Oder auch: "Die Kriegsverbrecher, verantwortlich für Morde, Vergewaltigungen und Vertreibungen, sind oft in ihren Machtpositionen geblieben und sorgen noch immer dafür, dass die ethnische Teilung aufrechterhalten bleibt." Auch damit sind nicht Fischer oder Scharping gemeint. Bei der Jahreshauptversammlung der GfbV durfte denn auch der CDU-Kriegshetzer Stefan Schwarz, der einst von Hundeembryonen log, die satanische Serben Frauen statt Föten in den Leib stecken würden, um die Öffentlichkeit kriegsreif zu reden, die Frauen von Srebnica in die Tradition der Trümmerfrauen stellen, als Symbol dafür, dass Mütter immer wieder Leben schenken. Alles in allem eine sehr bedenkliche Entwicklung in der GfbV. Das Spektrum der Aktivisten der GfbV reicht heute von undogmatisch-links bis zu humanistisch-rechts.
netter aufsatz, auch wenn mir die aussage nicht ganz klar ist.(ausserdem denk ich, du verwechselst ngo´s mit npo´s)
ist das jetzt deiner meinung nach in ordnung, dass professionell mit dem markt umgegangen wird, oder nicht?
was mich ausserdem verwirrt, ist, dass du fundraising ausschliesslich mit fördererwerbung in fuzos gleichsetzt. da gibt es doch hundert andere sachen auch noch. mailing, benefizveranstaltungen, haussammlungen, fernsehspots,... und der klingelbeutel in der Kirche wurde sicher nicht als raffinierte technik aus den usa importiert, den verwenden wir wohl schon länger.
manipulation (oder deren affirmation) scheint ja deiner ansicht nach entweder per se böse - und damit wohl den "guten" Organisationen nicht gestattet - oder eben nur in der welt von pampers, nestle und mcdonalds angebracht.
Vielen Dank für deinen Kommentar. Du hast Recht, ich habe in meinem Artikel NGOs und NPOs synonym verwendet, da die von mir beschriebene Form des Fundraising NGOs betrifft, die gleichzeitig NPOs sind. Die Schlußfolgerungen habe ich übrigens bewusst offen gelassen, gerade auch, damit sich eine Diskussion ergibt, an der du dich ja glücklicherweise beteiligst. Eine Trennung, wie du sie bei mir vermutest, in gute und böse NGOs wird, insbesondere nach Genua von Seiten der Regierungen der Länder in den fortgeschrittenen Kapitalstaaten betrieben. Das heißt, als gute NGOs gelten. die, die sich integrieren, sich auf Verhandlungen einlassen, als böse NGOs die, die auf ihren Forderungen und ihrer "Autonomie" beharren. Die gleiche Spaltung wird in gute und böse Demonstranten ("Globalisierungsgegner usw. betrieben).
Das ist ein fast sozialgeschichtliches Gesetz bei jeder sozialen Bewegung der Moderne. Meine Kritik an der Werbung an der Haustür und in den Fußgängerzonen ist keine Ablehnung, sondern das Aufwerfen von Fragen-Kritik. Ich halte Mitgliederwerbung auch in der Form des Fundraising durchaus für sinnvoll, habe allerdings das Problem der Methodik aufgezeigt. Das Problem, was ich sehe, und das ist ein Teufelskreis, dem sich schwer entrinnen läßt, besteht darin, daß die Effizienz der Methode einhergeht mit einer mangelnden Kritikfähigkeit der eigenen Position.
Als ökologisch und sozial engagierter Mensch muß ich in der Lage sein, nicht nur gesellschaftliche Strukturen in Frage zu stellen, sondern mich auch kritisch mit meinen eigenen Positionen auseinandersetzen. In der Arbeit in einer NGO (ich war/bin persönlich im Bereich Naturschutz und Menschenrechte tätig) ist das eine Selbstverständlichkeit, genau wie wir bei sopos jeden Artikel kritisch untereinander diskuttieren. Diese kritische Basis meiner Arbeit habe ich in der Perfektion eines Werbegesprächs nicht. Da aber real ein Unterschied zwischen MC Donalds, Pampers und Menschenrechtsarbeit ist, sehe ich tatsächlich die Gefahr einer MC Donaldisierung der NGO Werbung. Ich sehe die Gefahr, das heißt nicht, daß ich es gleichsetze. Konkret und vor Ort muß ich natürlich das Produkt NGO verkaufen.
Probleme entstehen genau daraus, womit ich hier nicht in gut und böse unterteile und Manipulation per se ablehne, sondern die Gefahr (übrigens auch bei mir persönlich) sehe, daß inhaltliche Perspektiven, wozu zum Beispiel auch Organisationsstrukturen gehören, die zumindest kapitalismuskritisch sind, aufgehoben werden. Die Frage stellt sich, wann die Form den Inhalt ersetzt, oder ob im erfolgreichen Werbegeschäft überhaupt noch gemerkt wird, daß dies der Fall ist. Einen Vorwurf mache ich daraus niemanden. Ich sehe daß durchaus wie Theodor W. Adorno: "Es gibt nichts wahres im Falschen." Einen Ausweg aus dem Dilemma aufzuzeigen, wäre anmaßend. ich weiß den nicht, genau wie die kritische Theorie ihn nicht wußte.
Das Dilemma ist folgendes: Eine effiziente Werbestrategie für eine NPO (NGO) bedingt Konzernstrukturen, die auf dem neoliberalen Konkurrenzmechanismus basieren. Naturzerstörung und Menschenrechtsverletzungen, um nur zwei Beispiele zu nennen sind aber eine Folge dieses neoliberalen Wahnsinns, von dem wir Tag und Nacht geflutet werden. Das ist nicht die Schuld der NGOs, diese sind ja gerade aus dem Widerstand dagegen entstanden und als Teil dieser Gesellschaft auch keine Insel der Seligen. Du hast auch zu Recht davon geredet, daß es sich um Non-Profit-Organisationen handelt.
Das gilt für die Organisationen selbst, nicht für den Bereich der Mitgliederwerbung. Hier existiert eine knallharte Profitlogik. Ich verkaufe ein Produkt und je effizienter ich es verkaufe, desto mehr profitiere ich. Konkurrenzstreben statt Zusammenarbeit, Profite vor Menschen (zumindest für die Werber selbst), Hierarchien von Stufen, die sich über die Zahl der geworbenen Mitglieder definieren usw. Das fördert nicht gerade die Kritikfähigkeit.
Menschen in ein Gespräch einzuwickeln, möglichst effizient und zum Unterschreiben zu bringen, ist gerade keine Frage des Engagements, des Idealismus oder des sozialen Impetus, diese Voraussetzungen wirken für das Gespräch eher hinderlich. Das ist real ein Problem. Neoliberalismus bedeutet Primat von Konzerninteressen über alle gesellschaftlichen Bereiche. NGOs kümmern sich aber gerade um gesellschaftliche Bereiche. Neoliberalismus exekutiert das Element der Ethik aus dem gesellschaftlichen und politischen Geschehen. NGOs verteidigen das Prinzip der Ethik. Die Form der professionalisierten Werbung in den Fußgängerzonen kommt ja eben aus der Durchsetzung der neoliberalen Ideologie in der BRD in den 90er Jahren, daher, daß kaum noch jemand ehrenamtliche Tätigkeiten übernehmen will oder kann.
Da sehe ich übrigens einen gewaltigen Unterschied zwischen NGOs und MC Donalds. Die Arbeit von NGOs liegt meines Erachtens nach in dem Aufzeigen an Alternativen zum Bestehenden, in Aufklärung und Kritik begründet. Damit gibt es einen elementaren qualitativen Unterschied zwischen NGOs und Mc Donalds. Wie soll ich denn real für Menschenrechtspolitik oder Naturbewahrung eintreten, wenn das Mittel, daß ich dafür wähle mit meinem Gegenüber identisch ist? Fragen, auf die ich keine Antwort weiß. Natürlich kann ich in dieser Gesellschaft umso mehr verändern, je mehr Geld ich zur Verfügung habe.
Das mit dem Klingelbeutel hast du gut beschrieben. Mir fällt dazu die Textzeile ein: "Klingelbeutel, Kirchensteuer, der Segen wird verkauft, doch der ist teuer."
Selbst der Antisemit und Befürworter der Hexenverfolgung, Martin Luther verurteilte bekanntlich den Ablaß. Und genau diese aufgeblähten Apparate, die in der Gemeinde, im Dorf soziale Kontrolle ausübten (der hat soviel in den Beutel getan, der soviel...) und dem Sünder innerhalb ihres eigenen Machterhalts die Beichte abnahmen, sind ja durchaus eine archaische Variante des Fundraising in den Fußgängerzonen. Hier stellt sich die Frage, ohne daß ich die Antwort gebe: Wieviel Sozialdisziplinierung kann Emanzipation vertragen? Wieviel Manipulation ist mit Emanzipation vereinbar? Verletzt nicht der Medien- und Werbetotalitarismus, mit dem wir ständig manipuliert werden, die Menschenrechte?
Kann es eine emanzipatorische Alternative sein, wenn irgendwann Millionen sagen: "Alles Amnesty oder was?" Du merkst, ich übertreibe. Werbung heißt Manipulation, Manipulation heißt Propaganda. Propaganda ist sich strukturell sehr ähnlich. Im Sinne einer emanzipatorischen Vorstellung von Zivilgesellschaft würden NGOs bisherige staatliche Funktionen übernehmen, basisdemokratisch, überprüfbar, vor Ort. Diese basisdemokratische Zivilgesellschaft ist allerdings keine kapitalistische Zivilgesellschaft. Das bedeutet auch, daß der Einfluß von Non-Profit-Organisationen nicht stehen und fallen darf mit ihrer Marktdominanz, sondern mit ihrer gesellschaftlichen Bedeutung. Diese muß überprüfbar und basisorientiert sein.
Ich denke nicht daran, daß wir wie in den Anfängen wieder die "Deppen" werden sollten, die mit schlammverkrusteten Gummistiefeln ihre Wochenenden im Moor verbringen, sondern uns den modernen Vernetzungsmöglichkeiten durchaus anpassen. Nicht jedoch, indem wir die Form dessen annehmen, was wir kritisieren. Damit nehmen wir nämlich auch dessen Inhalt an. Meine Meinung. Aber eine Antwort habe ich auch nicht. Indymedia zeigt zum Beispiel, daß es durchaus möglich ist, die modernen Medien zu nutzen, ohne ihnen gleich zu werden. Ganz ohne Werbung in den Fußgängerzonen.