Editorial
Nachdem die bipolare Welt Anfang der 90er Jahre aufgelöst wurde, läßt sich erkennen, daß der Sozialstaat aus Sicht der Eliten historisch überholt ist. Gleichwohl gibt es eine soziale Notwendigkeit für das Fortbestehen und den Ausbau sozialer Absicherungen der Menschen im Kapitalismus, die aber im Vergleich zur historischen Notwendigkeit nur einen weichen Faktor darstellt. Zu einem harten Faktor wird diese soziale Notwendigkeit immer nur dann, wenn die subalternen Klassen auf der Straße für den Erhalt des Sozialstaats kämpfen und mächtige Verbündete in den Gewerkschaften finden.
Die Situation der unteren Klassen ist dabei einer permanenten Verschlechterung unterworfen, was dazu führt, daß auch die reichsten und mächtigsten Staaten Europas ein immer größeres Subproletariat herausbilden.
Einhellig ist man innerhalb sämtlicher Parteien der Ansicht, der Sozialstaat sei in seiner jetzigen Form nicht mehr zu erhalten. Das Prinzip der Umverteilung von oben nach unten, ein sozialdemokratisches Dogma der Nachkriegszeit, von welchem auch die CDU unter Helmut Kohl auf den ersten Blick noch nicht gänzlich abgewichen war, wird ausgerechnet von einer SPD/Grünen-Bundesregierung liquidiert. Der Paradigmenwechsel in der gesamten Parteienlandschaft Deutschlands steht aber nicht alleine: Fast alle Parteien Europas haben diesen Kurswechsel im Interesse des Kapitals betrieben. – Die Ausgleichsfunktion der Sozialdemokratie ist aus den Fugen geraten. Die subalternen Klassen haben von ihr nichts mehr zu erwarten als genau das, was ihnen widerfährt, wenn sie tagtäglich ihre Haut zu Markte tragen: die Gerberei.
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