Den Aufsatz kommentieren Der Vatikan und der Völkermord auf dem Balkanvon Utz Anhalt (sopos) Die Kritik an Ratzinger, Papst Benedikt, äußert sich vor seinem Deutschlandbesuch. Die Theologin Uta Ranke Heinemann verurteilt die Ächtung von Kondomen durch das Kirchenoberhaupt, die zum millionenfachen Tod von Kindern führe, die Hungers stürben. Die Frauenverachtung des Klerus und die gegen das Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung gerichtete Homosexuellenfeindschaft des "heiligen Vaters" bringen die Betroffenen ebenfalls auf die Barrikaden. Berlins Bürgermeister Wowereit erörtert, dass das Oberhaupt einer Wahlmonarchie in einem demokratisch gewählten Parlament wie dem Bundestag nichts verloren hat. Diese Kritik ist wichtig, richtig und notwendig. Herr Ratzinger saß zuvor auf dem Stuhl des Großinquisitors, das heißt dort, wo Wissenschaftler, Aufklärer und Freidenker zum Tod verurteilt wurden. Der Papst hat sich von diesen Justizmorden nie distanziert. Die heutige Kritik richtet sich gegen ein antidemokratisches Weltbild, das mit den allgemeinen Menschenrechten der Moderne nicht vereinbar ist. So richtig diese Kritik ist, verdeckt sie zugleich, dass, laut Karlheinz Deschner[1], die katholische Kirche ihre größten Verbrechen nicht in grauer Vorzeit, sondern im 20. Jahrhundert verübte. Eins der größten und zugleich am wenigsten bekannten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Weltgeschichte ist der Völkermord an den Serben im Kroatien des zweiten Weltkriegs. Gottfried Niemitz, der Herausgeber des Standardwerks "Jasenovac %ndash; Das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan" von Vladimir Dedijer[2] schrieb dazu: "Der Grund dafür, dass dieses jugoslawische KZ im Unterschied zu Auschwitz in keinem Schulgeschichtsbuch (…) Erwähnung findet, wird (…) klar, wenn man die Komplizen der Faschisten kennt. Was (…) verschwiegen werden soll, ist (…) die führende Rolle der katholischen Kirche (…) bei den Metzeleien, denen insgesamt über 800.000 Menschen zum Opfer gefallen sind." Waren Klerus und faschistische Herrschaft schon in Italien und Spanien eng verflochten, verbanden sich katholische Priesterschaft und Ausrottungsmethoden der Ustascha zu einer Praxis, die den Vernichtungslagern der Nazis in nichts nachstand. Im juristischen Sinne handelte es sich um Völkermord im engsten Sinne wie den der Nazis an den Juden, Roma und Sinti und der Türkei an den Armeniern: Es ging der katholisch-faschistischen Ustascha um die vollständige Vernichtung der Serben, ausschließlich nach dem Kriterium ihrer Volkszugehörigkeit. Mehrere hunderttausend orthodoxe Serben starben in der Regierungszeit von Ante Pavelic durch die Hände der Ustaschen und der katholischen Priester. Die Ustascha und die katholische KircheKirchenkenner wissen, dass Papst Pius XII. das Konkordat mit Hitler schloss. 1933 hatten führende Priester den Nationalsozialismus noch skeptisch gesehen, weil sie diese für Ungläubige hielten. Das lag am "Neuheidentum", dem völkischen Okkultismus. Hitler versicherte aber, dass er die Kirchen unter besonderen Schutz des Staates stellen würde und trotz der Germanenmärchen waren die Gemeinsamkeiten größer als die Unterschiede, insbesondere die gemeinsamen Feinde: Die "bolschewistischen Untermenschen" waren für den Klerus "gottlose Kommunisten", seine Judenfeindschaft zog Hitler neben rassistischen Ableitungen vor allem aus zwei Jahrtausenden christlicher Judenverfolgung; inspiriert hatten ihn die Hetzschriften antisemitischer Katholiken in Wien. Die Slawen sah der Vatikan nicht aus rassistischen Gründen als minderwertig an wie die Nazis, doch deckte sich in Jugoslawien und der Sowjetunion das Slawentum mit dem alten Rivalen, der orthodoxen Kirche. In Jugoslawien versprachen die modernen faschistischen Methoden, das alte Ziel der Päpste zu erreichen: Die Herrschaft der katholischen Kirche auf dem Balkan durch Zerschlagung der serbischen Orthodoxie. 1941 fiel die deutsche Armee in Jugoslawien ein. Hitler etablierte mit der katholisch-faschistischen Ustascha eine Marionettenregierung. Zu den Ustaschen gehörten von Anfang an eine große Anzahl katholischer Priester, als Parteifunktionäre, KZ-Führer und Staatsgauleiter. "Katholischer Radikalismus" und kroatischer Nationalismus war für Klerofaschisten wie die "Große Kreuzfahrerbrüderschaft" gleich bedeutend. Es handelte sich nicht um Splittergruppen. Zu den engsten Verbündeten des Ustascha-Führers Ante Pavelic gehörte der Zagreber Erzbischof Alojzije Stepinac; er wurde der Mittler zwischen Pavelic und dem Vatikan. Die faschistische Machtergreifung bezeichnete er als "Wirken der göttlichen Hand". Papst Pius selbst wahrte geschickt formal die Neutralität, um zugleich den Ustascha-Staat zu unterstützen. Im Ustascha-Kroatien lebten 1941 5 Millionen katholische Kroaten, 1,9 Millionen orthodoxe Serben und 250.000 Muslime. Bereits im Juni 1941, als die Terrorherrschaft der Ustascha begann, begannen die Gewaltmaßnahmen gegen die Serben. Der Minister Budak verglich die Vernichtung der Serben mit den "Kreuzzügen der katholischen Kirche für die Befreiung des Grabes Christi." Der Pfarrer von Ubdina rief dazu auf, mit "Gewehr und Revolver für den Glauben zu arbeiten." In jeglicher Hinsicht förderte die katholische Kirche Kroatiens den von der Ustascha angekündigten Völkermord, bewaffnete die faschistischen Milizen, ermunterte sie zu ihren Morden. Sie betrieben nicht nur Propaganda, um Bauern in die Kampfeinheiten der Ustascha zu locken, sondern nahmen selbst an den Ausrottungsaktionen gegen Serben teil. Ivo Guberina, Priester in der Katholischen Aktion, bezeichnete die Vernichtung der Orthodoxen als "Entfernung des Giftes aus dem Organismus". Die Unterstützung der Ustascha sei eine "religiöse Verpflichtung". Minister Mile Budak, fanatischer Katholik, sagte im Juli 1941 klar, was die kroatische katholische Kirche und die Faschisten danach umsetzten: "Für Minderheiten wie Serben, Juden und Zigeuner haben wir drei Millionen Kugeln. Wir werden einen Teil der Serben umbringen. Den anderen werden wir abtransportieren und den Rest werden wir zwingen, die römisch-katholische Religion anzunehmen." Der römisch-katholische Priester Sarajevos, Brale Bozidar leitete die Ermordungen in Bosnien, sorgte dafür, dass Pavelic Waffen, Pässe und Fahrzeuge für die schwarze Legion bereitstellte. Deren Massaker bejubelte er mit religiöser Inbrunst. Der Priester Mate Mogus profilierte sich vor allem bei Zwangstaufen und versprach, das serbische Volk auszurotten. Sein Kollege Petar Sivjanovic organisierte die Transporte der Serben in die Konzentrationslager. Der Dekan von Stolac, Marko Zovko, verantwortete die Massenmorde im dortigen Bezirk. Don Ilija Tomas, der Pfarrer von Klepci, sammelte die Ustascha vor Ort und stellte Todeslisten von Serben zusammen. Trotz Zwangstaufen warfen die Faschisten die Serben der umliegenden Dörfer lebendig in die Schlucht von Surmanci. Später bereute er, dass sie nicht alle umgebracht hatten. Don Martin Gudelj ließ 450 Serben umbringen. Die Gemetzel der Franziskaner waren selbst italienischen Faschisten zuviel. Einer von ihnen, Conrado Soli, schrieb: "Sie schlachten, töten, begraben lebendige Menschen in Gräbern, stürzen Tote in Flüsse und Meere oder werfen sie in Schluchten. (…) Es gab Mörderbanden, die von katholischen Priestern (…) aufgehetzt wurden (…)." Der Franziskaner Srecko Peric sagte: "Kroatische Brüder, geht und schlachtet alle Serben ab. (…) Wenn ihr damit fertig seid, kommt zu mir in die Kirche, damit ich euch die Beichte abnehmen kann und eure Sünden vergeben werden." Im Bezirk ermordeten die Ustaschen 5.600 Serben. Laut Vladimir Dedijer stellten römisch-katholische Priester Söldnertruppen auf, die die jugoslawische Armee bekämpften und unterstützten damit die Soldaten der Nazis. In unzähligen Publikationen verteidigte die katholische Kirche den faschistischen Staat in Kroatien als Gottes Wille. Der Papst persönlich ernannte den obersten Militärvikar des Ustascha-Regimes, der in jeder Kampfeinheit der Faschisten einen Feldkaplan einsetzte. Diese Kaplane dienten der "Moral der Truppe", feuerten die Mordbrenner bei ihren Gräueltaten an Kroaten, Juden, Roma und fortschrittlichen Kroaten an. Die Zwangstaufe von 240.000 orthodoxen Serben führten die katholische Kirche und der faschistische Staat gemeinsam durch. Das "Schleifen" von orthodoxen Kirchen gehörte neben dem Mord der orthodoxen Führer zu den Spezialitäten der Ustaschen unter Obhut des Klerus. Katholische Priester leiteten das Vernichtungslager in Jasenovac, leiteten das Abschlachten von hunderttausenden von Serben. Die Methoden dieses Völkermordes reichten vom Erstechen mit Messern, dem Erschlagen mit Beilen, Holzhämmern, Eisenhämmern, Eisenstangen und Hacken über Erschießen mit Revolvern, Karabinern und Maschinengewehren, vom lebendigen Verbrennen bis zum verhungern lassen, von erfrieren lassen bis zum zertreten und lebendig begraben. Unter den Ermordeten waren mehr als 7000 Kinder. Der Franziskaner Miroslav Filipovic leitete das Lager vier Monate und gab an, dass alle Juden und Roma, die in dieser Zeit dort gefangen waren, getötet wurden. Die Zahl der getöteten Serben schätzte er insgesamt auf eine halbe Million, die im Gefecht getöteten einbezogen. Die Vernichtung sämtlicher Serben in Kroatien sei Programm gewesen. Er hätte persönlich ungefähr hundert Häftlinge erschossen. Dabei blieb, so Dedijer, Marcone, der Gesandte des Papstes, seit 1941 in Kroatien und wusste über die Einzelheiten des Völkermords Bescheid. Er demonstrierte offen sein Bündnis mit den Ustaschen, präsentierte sich zusammen mit Ante Pavelic. Pius begrüßte die katholische Diktatur und die Nazis: "Der Heilige Vater hegt eine besondere Zuneigung für das edle katholische Kroatien (…) und dies besonders in einer Zeit, in der die ganze Welt unter der Last der großen Not gebeugt zu sein scheint." Der faschistische Dikator schickte Papst Pius XII. Glückwunschkarten, in denen er den "Heiligen Vater" bejubelte; der hatte ihm schon 1941 einen Rosenkranz geschenkt. Die Vernichtungsaktionen der Faschisten unterstützte der Papst: "Die heilige katholische Kirche verfolgt die Ereignisse mit großer (…) Liebe zu den Kriegern an der Front und den Gefallenen im Lande." Nach dem Sieg der Partisanen über das Ustascha-Regime organisierte der Vatikan für Pavelic und zweihundert seiner Hauptverbrecher die Flucht nach Südamerika. Papst Johannes XXIII. erteilte dem Völkermörder 1959 auf dem Krankenbett seinen Segen. Insbesondere bei den Zwangstaufen handelte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine direkte Anweisung des Vatikans, wie, laut Dedijer, aus einem Schreiben von Radoslav Glavas, dem Vorstand der Religionsabteilung der Ustascha, ersichtlich wird. Bei seinem Besuch in Rom im Mai 1942 bekräftigte der Papst gegenüber Erzbischof Stepinac den guten Eindruck, den er vom Ustascha-Regime hätte. Stepinac, der den Genozid an den Serben unter seiner Obhut hatte, wurde später mit dem Kardinalstitel belohnt. Er hatte dem Papst gegenüber das Ziel verdeutlicht, "die Wogen des orthodoxen Byzantinismus an dem kroatischen Bollwerk zu brechen." Die Vernichtung der Serben fiel also direkt in die Geopolitik des Vatikans. Im Unterschied zu den Verbrechen der katholischen Inquisition im Spanien des 15. Jahrhunderts, zu den Gräueltaten der Kreuzzüge oder der Hexenverfolgung, zum millionenfachen Tod der amerikanischen Indianer durch Mord, Hunger, Zwangsarbeit und Sklaverei der katholischen Herren, reicht die Frontlinie des Völkermordes an den orthodoxen Serben bis in die Geschichte der Jugoslawienkriege der 1990er Jahre. Der Vatikan förderte die einseitige Unabhängigkeit Kroatiens mit Milliarden – eines Kroatiens unter einem Präsidenten Tudjman, der aus seiner Sympathie für die Ustascha nie einen Hehl machte. Und die Kriege in Jugoslawien begannen damit, dass Neo-Ustaschen die Serben aus der Krajina vertrieben. Der Vergleich der serbischen Truppen mit Auschwitz durch Joschka Fischer und mit der SS durch Scharping ließ tief blicken: Milosevic, der letzte Staatsführer Jugoslawiens, wurde zu Hitler, die Nachfahren der Opfer des verschwiegenen Völkermords wurden zu Tätern ernannt. Die Grenzziehung zwischen Kroatien und dem Serbien war die gleiche wie im zweiten Weltkrieg. Aus dem perversen Konstrukt des serbischen Auschwitz wird umgekehrt eine Wahrheit: Jasenovac war tatsächlich ein Teil des Komplexes Auschwitz, die katholische Variante der faschistischen Vernichtungslager – die Serben aber waren Opfer, ebenso wie 60.000 Juden und 20.000 Roma, die die Ustaschen vernichteten. Die Serben in der Krajina der 1990er Jahre waren nicht von einem "extremen Nationalismus" getrieben, sondern fürchteten um ihr Leben. Man stelle sich vor: In Deutschland kommt fünfzig Jahre nach dem Fall Hitlers die NPD an die Macht, Soldaten in SS-Uniform zünden die Synagogen und die Häuser heute in Deutschland lebender Juden an, führen einen Blitzkrieg gegen diese; dann stimmt der Vergleich. Was bei Joschka Fischer eine pathologische Projektion seines Milieus darstellte, nämlich auf der Seite der Alliierten gegen das Nazi-Deutschland der Eltern zu marschieren, war für den Vatikan Kalkül. Das alte Ziel, die Grenzen der römisch-katholischen Kirche im Balkan zu verschieben, ist längst nicht aufgegeben. Eine Entschuldigung des Papstes für den Völkermord an den orthodoxen Serben steht selbstredend aus. Ein Parteikumpan des Kriegsgrünen Joschka Fischer, Winfried Kretschmann, ist erster grüner Ministerpräsident. In seiner Jugend war er Mitglied im Kommunistischen Bund Westdeutschlands, der autoritärsten Sekte innerhalb der damaligen Westlinken. KBW-Funktionäre feierten Pol Pot auch dann noch, als die Killing Fields in Vietnam längst bekannt waren. Heute behauptet Kretschmann, diese Erfahrung hätte ihn vom Totalitarismus geheilt. Er bezeichnet sich als liberalen Katholiken. Auf ein kritisches Wort von ihm zum nicht eben liberalen Jasenovac dürfen die Serben wohl nicht hoffen. In der Verurteilung des "Serben-Hitlers Milosevic" war er sich mit seiner Kirche und seinem Parteifreund einig. Und der Vatikan wird wohl auch weiterhin seine Weltmission für den Frieden in der Welt predigen.Literatur[1] Karlheinz Deschner: Ein Jahrhundert Heilsgeschichte. Band II. [2] Vladimir Dedijer: Jasenovac – das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan. Herausgegeben von Gottfried Niemietz. Ahriman-Verlag 1988.
sopos 10/2011 | |||
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