Den Aufsatz kommentieren Ein geheimer KriegDas Kommando Spezialkräfte (KSK) bleibt in Afghanistanvon Tobias Pflüger Die rotgrüne Bundesregierung verabschiedete sich, wie sie angefangen hat: mit Kriegspolitik. Auf ihr Betreiben beschloß der Bundestag am 8.11. mit 519 gegen 67 Stimmen die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der Enduring Freedom-Mission. Bereits 2001 hatte der Bundestag unter Berufung auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1368 und Artikel 5 des NATO-Vertrages beschlossen, daß deutsche Streitkräfte mit den Truppen der USA und anderer Staaten bei der militärischen Bekämpfung des "internationalen Terrorismus" zusammenarbeiten. In diesem Rahmen finden der Bundeswehrkampfeinsatz in Afghanistan und der Einsatz der Marine am Horn von Afrika statt. Die Führung von Enduring Freedom liegt beim US-amerikanischen Regionalkommando USCENTCOM, dessen Hauptquartier in Tampa/ Florida untergebracht ist. Die Bundeswehr ist dort mit einem Verbindungskommando vertreten. Bereits seit vier Jahren wird unter Hinweis auf das "Selbstverteidigungsrecht" Deutschlands in Afghanistan Krieg geführt. Dieser Krieg hat Tausenden von Zivilisten das Leben gekostet. Bei der nun erfolgten Entscheidung des Bundestages handelt sich um einen eklatanten Vorratsbeschluß: Derzeit sind im Rahmen von Enduring Freedom nach Bundeswehrangaben 260 Soldaten eingesetzt, künftig sind bis zu 2.800 Einsatzkräfte vorgesehen. Bewußt verschwiegen wird dabei, daß seit November 2001 auch das Kommando Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan im Kriegseinsatz ist. Das KSK umfaßt zurzeit etwa tausend Soldaten, deren Identität nach offizieller Lesart angesichts der hochsensiblen Militäroperationen streng geheim gehalten wird. Die Spezialeinheit gehört zu den Einsatzkräften der Division Spezielle Operationen (DSO). Das KSK wurde 1996 gegründet und ist in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw stationiert. Nach Definition der Bundeswehr ist sie ein "Truppenteil des Heeres für die Durchführung militärischer Operationen im Rahmen der Krisenvorbeugung und -bewältigung sowie im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung". Das KSK ist die einzige Truppe, die im Auslandseinsatz direkt vom Verteidigungsministerium aus geleitet wird. Dies macht das KSK zu einer (rein national organisierten)Truppe der Exekutive. Offiziell hat die Afghanistan-Operation der KSK im Rahmen von Enduring Freedom zum Ziel, "Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor Gericht zustellen." Es gibt jedoch bisher keinen einzigen Fall, in dem das KSK mutmaßliche Terroristen inhaftierte und einem Gerichtsverfahren zuführte. Die Öffentlichkeit wird nicht darüber informiert, was die KSK-Soldaten in Afghanistan tun, wie viele Gefangene sie gemacht oder anderen Truppen überstellt haben, wie viele Menschen durch ihre Aktionen umgekommen sind und ob es Todesopfer unter den KSK-Soldaten gegeben hat. Deshalb sind viele Gerüchte über diesen geheimen Krieg im Umlauf. Die Misere hat auch ein europäisches Gesicht. Die EU schmückt den Enduring Freedom -Einsatz mit "zivilem" Beiwerk. Dazu gehört der Aufbau afghanischer Polizei- und Militärtruppen, die oft nichts anderes als fortgesetzte Warlord-Strukturen sind, sowie des Justizapparates. Diese zivilmilitärische Vermischung ist typisch für die EU. Neben dem Euro-Korps im Rahmen der NATO-geführten ISAF-Mission (International Security Assistance Force) ist auch die Internationale Sicherheitsbeistandstruppe von ihrem Stützpunkt in Termes/Usbekistan aus in Afghanistan präsent. In Usbekistan werden Menschen offen unterdrückt, die EU hat Sanktionen verhängt, dennoch betreibt die Bundeswehr den für den Afghanistan-Einsatz angeblich absolut "notwendigen" Umschlagplatz Termez. Aus friedenspolitischer Sicht gibt es zum Abzug des KSK aus Afghanistan, zur Auflösung der dort stationierten Bundeswehrtruppen und zur Schließung von Termez keine Alternative. Tobias Pflüger ist Mitglied des Europäischen Parlamentes und Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung (IMI).
sopos 3/2006 | |||||||||
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