Den Aufsatz kommentieren Solidarität mit Kuba? Verzicht auf das eigene UrteilKuba-Kontroversevon Klaus MeschkatDie jüngste Repressionswelle in Kuba hat weltweit heftige Reaktionen ausgelöst. Von besonderem Gewicht sind dabei sicherlich die Stimmen bisheriger Freunde der kubanischen Revolution, die als kompromißlose Kritiker der Bush-Administration hervorgetreten sind, und die niemals einen Zweifel daran gelassen haben, daß sie die aggressive US-Politik gegenüber Kuba entschieden ablehnen und im Falle einer durchaus möglichen Invasion an der Seite Kubas stehen würden. Aber im Namen der Linken treten auch Wortführer auf, die es für ihre revolutionäre Pflicht halten, auf jede offene Kritik an der kubanischen Führung zu verzichten oder sogar repressive Maßnahmen zu rechtfertigen - im besten Falle mit pflichtschuldigem Bedauern der Todesstrafen und ihrer Vollstreckung. Es fehlt nicht an religiös anmutenden Bekenntnissen zur kubanischen Revolution: von "der" Revolution wird vollmundig gesprochen, wenn es sich doch um die nüchterne Bewertung von Maßnahmen handeln sollte, die eine konkrete Führungsgruppe zu verantworten hat. Offenbar scheint diese über jede Kritik erhaben zu sein, nur weil der historische Führer der Revolution von 1959 immer noch an der Spitze des Staates steht. Den verschiedenen Argumentationsfiguren zur Rechtfertigung des kubanischen Vorgehens ist gemeinsam, daß sie aus der realen Bedrohung Kubas durch die USA eine notwendige, ja wünschenswerte Härte der Repression gegen alle inneren Feinde ableiten. Das geht bis zu der Behauptung, Fidel habe als erfahrener und umsichtiger Stratege auch den Verlust an Sympathien einkalkuliert, die die neue Repressionswelle mit sich bringen würde. Wenn er sich dennoch dazu entschlossen habe, dann zeige dies eben, daß die kubanische Führung von Gefahren wisse, die der Außenstehende nicht ermessen könne. Solch ein Verzicht auf das eigene Urteil angesichts der Weisheit eines genialen Führers hat traurige Vorläufer. Auch wenn sich die Abschreckungsurteile gegen die kubanischen Dissidenten nicht mit dem stalinistischen Terror der 30er Jahre gleichsetzen lassen - die Argumentationsmuster zur Rechtfertigung der jüngsten Repressionswelle wecken schlimme Erinnerungen. Viele antifaschistische Intellektuelle haben die Moskauer Prozesse als Verteidigung des Vaterlands aller Werktätigen gegen die faschistische Gefahr gerechtfertigt und ernsthaft daran geglaubt, daß die angeklagten alten Führer der Bolschewiki im Dienst der Gestapo die Sowjetmacht zerstören wollten. Es zeugt mindestens von mangelnder Sensibilität des Führers einer Kommunistischen Partei für die stalinistische Vergangenheit der eigenen Bewegung, wenn Fidel Castro in seiner Rede zur Rechtfertigung der Repression die Dissidenten nicht als politische Gegner, sondern als Vaterlandsverräter, gekaufte Söldner und Agenten im Dienste der USA angreift. Als Dissident wird niemand geboren. Auch wenn man das Vorgehen der meisten Dissidenten für falsch hält, vor allem ihre Bereitschaft zur Kooperation mit der US-Vertretung, muß doch die Frage gestellt werden, welche Möglichkeiten es in Kuba gibt, von der Parteiführung abweichende politische Konzeptionen zur Diskussion zu stellen und für sie zu werben. Eine ehrliche Antwort auf diese Frage wäre der Beginn einer kritischen Auseinandersetzung mit dem politischen System Kubas, für die an dieser Stelle kein Raum ist. Dabei ist die Gefahr eines von den USA gesteuerten Umsturzes kein Hirngespinst Fidel Castros, sondern durchaus real. Und es ist auch wahr, daß die von der US-Führung gestützte Konterrevolution zerstören würde, was von der kubanischen Revolution übrig geblieben und unbedingt verteidigungswert ist. Auch wenn die Errungenschaften in der offiziellen Propaganda allzu penetrant gepriesen werden - es gibt sie wirklich, die Kinder, die nicht unterernährt sind und in die Schule gehen, im Gegensatz zu fast allen Ländern Lateinamerikas, sowie eine Gesundheitsversorgung, auf die jeder Anspruch hat. Überall in Lateinamerika hat neoliberale Barbarei vernichtet, was an Chancengleichheit und sozialer Absicherung schon erkämpft worden war, und Kuba nach einem politischen Umsturz wäre sicher keine Ausnahme. Deshalb verbietet sich für eine kritische Linke jede Art von Kooperation mit US-geförderten Bestrebungen, in Kuba den Übergang zu einer Demokratie nach ihren Vorstellungen zu bewerkstelligen, wobei das Ende des Kommunismus in Osteuropa als Beispiel und Vorbild angepriesen wird. Es wäre seltsam, wenn die Weltherrschaftspläne der gegenwärtigen US-Führung Kuba aussparen würden. Und es ist sicher nicht verfrüht, sich schon heute zu überlegen, wie auf ein US-amerikanisches Eingreifen in Kuba weltweit zu reagieren ist. Das schlimmste an der letzten Repressionswelle besteht darin, daß sie die Bereitschaft zur Verteidigung des revolutionären Kuba geschwächt hat, in Kuba selbst und bei seinen Freunden in der ganzen Welt. Klaus Meschkat ist Soziologe an der Uni Hannover Kontext:
sopos 7/2003 | ||||||
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