Den Aufsatz kommentieren Du bist nichts, dein Karma ist allesEsoterik und Herrschaftvon Utz Anhalt
Die Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang zwischen Esoterik / New Age und reaktionärem Gedankengut ist nicht neu, sondern wurde von Jutta Ditfurth und Peter Kratz bereits Anfang der 90er, bzw. Ende der 80er Jahre konkretisiert. Der Wind von rechtsaußen hat sich indessen verschärft. Fragestellung in diesem Artikel ist nicht das individuelle "Glaubensbekenntnis" von Menschen, sondern spiritualisierte Herrschaftsideologie. Gab es vor zehn Jahren noch eine breite linksliberale Öffentlichkeit, so ist diese heute aus dem politischen Raum nahezu verschwunden. Konservativ-revolutionäre Bestrebungen, mit dem Ziel demokratische Öffentlichkeit verschwinden zu lassen, scheinen zu greifen. Als "positiv denkende Lichtgestalten" gelten New Economy Manager inzwischen als Helden des Profits. Der Krischnajünger, der mir in der Innenstadt von Hannover die Bhagavad-Gita vermachte, vergaß nicht, zu erwähnen, daß im alten Indien die Frauen nicht abgetrieben hätten und "die Menschen auch nicht (wie die Tiere) einfach überall Sex hatten". Das mag stimmen oder nicht. Historisch ist es außerordentlich schwierig, zu erforschen, welche Art von geschlechtlichem Verkehr Menschen im vorhinduistischen Indien pflegten. Es ist allerdings für diese Gesellschaft, in der wir leben müssen, auch nicht von Bedeutung, wenn es nicht bei einer solch reaktionärer Aussage um die Zerstörung freier Entfaltungsräume von Menschen hier und heute gehen würde. Entscheidend wird das ideologische Ziel zum Verzicht (der gläubigen Anhänger) auf die Aneignung dinglicher und somit sozialer Wirklichkeit in dieser Welt. Ob ein Mensch nun Christ, Buddhist, Moslem, Animist, Hindu oder Anhänger einer anderen Religion sein möchte, sollte dem Individuum selbst vorbehalten bleiben. Immerhin ist religiöse Vielfalt ein Anzeichen für kulturelle Freiheit - so scheint es. Der ganze Unsinn hat Methode und einen gar nicht "transzendenten" Hintergrund: Sei es nun, weil das Schicksal, dem das (nicht mehr vorhandene) Individuum sich unterwerfen darf, im Geburtshoroskop festgelegt ist, sei es, weil die Vorstadthausfrau Judith Jannberg[1] erkennt, daß sie in Wahrheit eine mächtige Hexe ist, sei es, daß der frustierte Hausbesetzer bei Scientology landet und endlich den elektronischen Anschluß an sein Gehirn gefunden hat oder daß ein Siemensmacher fieberhaft den (unterbezahlten) Hostessen auf der Expo 2000 erklärt, sie müßten ätherische Wesen sein.[2] Alle fühlen sich unheimlich wohl, so suggerieren es ihre im Lächeln verkrampften Mundwinkel auf den Einbänden der Esoterikliteratur, die frisch der Waschmittelwerbung entsprungen sein könnten. Nun sollte jeder Ethnohistoriker eigentlich froh sein über das Interesse an Riten und Philosophien verschollener, außereuropäischer und vorchristlicher Völker. Das Experimentieren mit alternativer Medizin und erweiterten Zuständen des eigenen kastrierten Bewußtseins gehört in den Verdinglichungs- und Entfremdungsprozessen der Warengesellschaft zu menschlichen Grundbedürfnissen nach Nähe, Zuneigung und Offenheit, die jedem progressiven Menschen vertraut sein dürften. Auch die Wiederentdeckung von Traditionen der Volkskultur, die durch Staats- und Kirchenterrorismus im neuzeitlichen Europa vernichtet wurden, was zum Beispiel Kräuterkunde oder pflanzliche Rauschmittel betrifft, ist eine spannende Beschäftigung. Die Ethnologie hat im 20. Jahrhundert gezeigt, daß Europa nicht der Nabel der Welt ist. Die Aufgeschlossenheit gegenüber nichteuropäischen Kulturen kann durchaus der Auflösung eigener kolonialer Gedankenstrukturen dienen, wenn das Fremde ersteinmal als Anderes erkannt wird, ohne daß die eigenen Einordnungsmuster greifen. Da müßte doch Esoterik, das mystische Geheimwissen der verschiedenen Völker etwas ganz Tolles und Verbindendes sein. Assoziationen an wohlriechende Räucherstäbchen, duftenden Tee und freundliche Menschen ziehen vorüber. Was ist Esoterik?Hier soll nicht auf die vielen Differenzen innerhalb der Konkurrenz des heutigen Esoterikmarktes eingegangen werden, sondern auf die ihnen gemeinsamen Herrschaftsstrategien. Zuerst einmal eine esoterische Selbstdefinition: "Esoterische Philosophie verbindet die drei Möglichkeiten des menschlichen Bewußtseins - Wissenschaft, Religion und Philosophie - zu einem ganzheitlich fundierten Denksystem, das auf die größten Denker der Geschichte zurückgeht. Demzufolge ist sie die durch Jahrtausende gewachsene überlieferte 'Weisheit der Zeitalter'"[3] Ziemlich anmaßend! Genauer betrachtet allerdings auch voraufklärerisch. Gerade die Trennung von Religion und Wissenschaft (auch die Philosophie ist eine Wissenschaft) war ein Verdienst der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, nämlich die Trennung von Glauben und Analyse, die Lösung der Wissenschaft von religiös formulierten Herrschaftsdogmen, die nicht hinterfragbar sein sollten. Gerade dieser Brei aus verschiedenen Fachdisziplinen, wo sich die meisten "Denker" schwer tun, auch nur eine davon adäquat zu beherrschen, führt nun angeblich zu einem ganzheitlich fundierten Denksystem, welches auch noch durch Jahrtausende gewachsen ist. Die "größten Denker" können dieser Verallgemeinerung nur entsprechen, wenn sie selbst esoterisches Gedankengut vermittelten. "Große Denker" wie Voltaire, Rousseau, Feuerbach, Karl Marx, Michael Bakunin und später Rosa Luxemburg, Erich Mühsam und selbst Friedrich Nietzsche, kurz gesagt aufklärerische Denker, die zumindest tendenziell antireligiös waren, fallen aus diesem Kontext der "großen Denker" heraus - und damit auch ihre Theorien und die Konsequenzen: die Forderung nach materieller Emanzipation des Menschen. Es wird deutlich, wer aus der "Ganzheitlichkeit" ausgeschlossen wird: die, die zeigten, daß die Entwicklungen menschlicher Gesellschaften gar nicht ganzheitlich aus sozialen Konflikten resultieren, die ihre Grundlage in antagonistischen materiellen Interessen haben. Wessen Denksystem ist, nach Meinung der "Esoterischen Philosophie" durch die Jahrtausende gewachsen? Das Denksystem sozialen Widerstands kann es nicht sein.
Die Themen der "Esoterischen Philosophie" sind deutlich. Da ist für Freitag, den 29. September 2000 angekündigt: "Vision 2000: Vom Ich zum Wir - Eine Korrektur unseres Denkens". Der Pädagoge A. Gollmann "klärt auf": "Vom Ich zum Wir ist der Schlüssel zu einem friedlichen und kooperativen Zusammenleben. Ob in der Familie, in der Gesellschaft, in dem Verhältnis von Mensch und Natur - die Zukunft liegt im Wir."[4] Solidarität ist ein Bestandteil emanzipatorischen Denkens. Gollmann geht es allerdings nicht um die Solidarität mit den Gebeutelten, Unterdrückten oder Entwürdigten, sondern in der Familie, womit die bürgerliche Kleinfamilie, ihrerseits ein Produkt der und Konstante von bürgerlich kapitalistischen Herrschaftsbedingungen, gemeint ist und "in der Gesellschaft", womit wiederum nur diese, tatsächlich von sozialen Interessengegensätzen gespaltene,Gesellschaft gemeint sein kann. Der technische Begriff des Konzepts oder der politische der Utopie wird durch den religiösen der Vision ersetzt. Aber weiter. Für Freitag, den 4. August ist ein Vortrag "Schicksal - Zufall oder Gerechtigkeit" von S. Laganki, einer Heilpraktikerin, angekündigt mit dem Text: "Was steckt hinter diesem oder jenem scheinbar so zufälligen Ereignis? Wünschen wir uns nicht alle eine ausgleichende Gerechtigkeit, die den Schuldigen bestraft und die Unschuldigen unversehrt läßt? Ist es möglich, Gerechtigkeit in allem zu erkennen, wenn wir unsere Betrachtungsweise ändern oder erweitern?" Wieder "ausgleichende Gerechtigkeit für alle". Angehörige der Oberschicht und Bettler wünschen sich also "alle" eine ausgleichende Gerechtigkeit. Durch - das bleibt unausgesprochen - eine höhere Instanz. Diejenigen, die vom gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen werden, dürfen sich wünschen, daß für Ausgleich gesorgt wird, statt sich den Reichtum, der ihnen vorenthalten wird, selbstbestimmt anzueignen. Zudem negiert Frau Laganki die traditionell christliche Perspektive eines göttlichen Gerichts, das zumindest im Jenseits auf Seite der Schwachen steht (und damit zugleich die "irdische" Ungleichheit absegnet), indem sie rhetorisch fragt, ob Gerechtigkeit bei Veränderung des Blickwinkels nicht "in allem erkannt" werden kann. Alle wünschen sich Ausgleich, dessen Gerechtigkeit in allem erkannt werden kann. Andersherum, was haben ein bundesdeutscher Pädagoge und eine Heilpraktikerin mit "Religion, Philosophie und Wissenschaft" zu tun oder mit von ihrer Organisation definierten "größten Denkern der Menschheit (über Jahrtausende)". Frau Laganki und Herr Gollmann sind weder Theologen oder Religionswissenschaftler, noch Philosophen, noch Geisteswissenschaftler. Der eine hat "Erziehung" (in der spätkapitalistischen Bundesrepublik) gelernt, die andere das "Heilen" von psychisch-physischen Beschädigungen, die durch diese Gesellschaft entstanden sind. Genau das ist, wohlwollend vorausgesetzt, ihre jeweilige fachliche Kompetenz und ihr fachliches Interesse. Wie wäre es denn, wenn ein Historiker, der über das Agrarsystem der römischen Kaiserzeit arbeitet, versuchen würde, anhand seiner Quellenanalyse die Befindlichkeit bundesdeutscher Individuen, die als Heilpraktiker oder Pädagogen "Therapie" betreiben, zu entschlüsseln? Ahistorisch, unwissenschaftlich, lächerlich und absurd. Wenn überhaupt, dann beschäftigen sich doch Historiker mit "Zeitaltern" und nicht unbedingt Heilpraktiker oder Pädagogen.[5] Die Definitionsmacht über "Weisheit" innerhalb historischer Strukturen ist aus deren Gesellschaften zu entschlüsseln und gebunden daran, was in der jeweiligen Schicht und Klasse als "weise" galt (wenn diese Vorstellung überhaupt existierte). Die Wertigkeiten von "Charaktereigenschaften" - selbst ein historisch entstandener Begriff des europäischen Bürgertums der Neuzeit ist an konkrete Bedingungen gesellschaftlicher Verhältnisse in definierbaren Zeitstrukturen geknüpft. In den prosperierenden 80er Jahren des 20. Jahrhunderts galt den Kindern der 68er in der BRD Individualismus als erstrebenswert. In der Verwirrung und Inhaltsleere der 90er Jahre aufgrund des Wegfalls der Attraktivität der "Neuen Linken" durch den Zusammenbruch des Realsozialismus und im Zuge deregulierter Arbeitsprozesse treten geistig-moralisch gewendet "konservative" Werte wie "Geborgenheit" oder "Zuverlässigkeit" in den Vordergrund. Das ist ein Problem der zeitlichen (historischen) Genese, mit dem sich Geschichtswissenschaftler herumärgern müssen. Esoteriker haben ein anderes "Zeitproblem". So lautet das Thema der "Esoterischen Philosophie" vom 13. Oktober 2000: "Haben wir genug Zeit zum Leben?" Referent ist ein Dr. H.-J. Ritz. Er "fragt": "Ist Zeit wirklich knapper geworden? Wie können wir unsere Zeit optimal nutzen?" Wieder dieses ominöse "Wir". Kein Wort davon, daß die "Zeit", die sich ein Individuum einteilen kann, in einer Gesellschaft, die konkrete Formen von Arbeit durch abstrakte Lohnarbeit unterschiedlich "bezahlt", auch damit zu tun hat, welche materiellen Privilegien dieses Individuum hat oder nicht. In hierarchischen Gesellschaften verfügen diejenigen, die in einer höhergestellten Position sitzen, generell über mehr freie Zeit und über eine größere Verfügung innerhalb ihrer Zeit, als diejenigen, die in der Hierarchie weiter unten stehen - und da ihre konkrete Arbeit mit weniger Geld "entlohnt" wird, mehr arbeiten müssen. Ob dann, in der zur Verfügung stehenden Zeit, das Individuum Tauchurlaub auf den Malediven macht, oder sich lediglich eine Bratwurst im Schnellimbiß holt, ist denn auch eine Frage der materiellen Lebensumstände. Der Pädagoge Gollmann meint wohl: "Ich fahre nach Südfrankreich zum Erholen" und nicht: "Wir (der Berber und ich) fahren nach Südfrankreich (indem ich ihm die Reise bezahle)." Kurzgefaßt handelt es sich bei allem größenwahnsinnigen Anspruch "esoterischer Philosophie", "das Panorama einer von Leben, Bewußtsein, Geist und Intelligenz geleiteten Evolution" zu entwerfen, um den realen und materiell bestimmten Anspruch der ökonomisch Privilegierten, ihre Privilegien zu erhalten und in einer Zeit, in der soziale Kämpfe marginalisiert sind, ausbauen zu können. Ein intelligenter Schüler von Herrn Gollmann könnte auf die Idee kommen, sein Leben selbst zu bestimmen und bewußt seinen Geist dazu zu verwenden, sich dem Zensuren- und Anpassungsdruck des bundesdeutschen Schulsystems zu entziehen. Noch fürchterlicher wäre es allerdings, wenn dieses Individuum nicht anthropologisch, das heißt naturwissenschaftlich, über Evolution, dieses Ziel erreichen wollte und damit warten, bis aus dem "Einzeller Schüler" irgendwann der "Mehrzeller" Pädagoge wird, sondern das Panorama einer herrschaftsfreien Gesellschaft entwerfen und diese gesellschaftlich, d.h. revolutionär, einforderte. Täte er dies kollektiv, indem er mit anderen Abhängigen (Schülern) vom Ich zum Wir käme, wäre Herr Gollmann wohl nicht sonderlich glücklich. Einem "Geist" des 19. Jahrhunderts, Michael Bakunin ergab sich die Antwort vom Ich zum Wir denn auch in einer anderen Logik als Herrn Gollmann: "Zwischen dem, der befiehlt und dem, der gehorcht, kann es keine Form der Freundschaft geben." In solch einer emanzipatorischen Erweiterung des Bewußtseins wären esoterische Herrschaftsvermittler wie Herr Gollmann denn auch überflüssig. Wie sagte meine Geschichtslehrerin in der 12. Klasse: "Die Geschichte hat bewiesen, daß eine herrschaftsfreie Gesellschaft unmöglich ist." Die gegenteilige Aussage quittiert dieser Staat verbeamteten Pädagogen denn auch mit Berufsverboten. Herr Gollmann geht weiter als die damalige linksliberale Lehrerin. Nicht allein die Herrschaftsvermittlung, das heißt, Individuen zu funktionierenden Befehlsempfängern zu erziehen, gibt er als seine Aufgabe an, sondern möchte ihnen sogar die Möglichkeit entziehen, Herrschaftsstrukturen als von Menschen und materiellen Zwängen gemacht zu erkennen. D.h. er verteidigt nicht nur die Repressionsmechanismen dieser Gesellschaft, sondern stellt die Unterordnung unter diese mit dem Begriff Vision in einen religiösen Zusammenhang, der auf Jahrtausende alten Denksystemen basiert. Was für Denksysteme? Solche, die vor 1789 zurückfallen und sogar vor das europäische Mittelalter mit seinen teilweise genossenschaftlichen Sozialsystemen. Wahr daran ist nur, daß verschiedenste autoritäre Herrscher ihre speziellen Astrologen, Hofmagier und Ratgeber hatten, die ihre Herrschaft "spirituell" unterfütterten. Hier nicht historisch, sondern im Sinne von Levi-Strauss strukturalanthropologisch zu argumentieren, ließe eine strukturelle Ähnlichkeit von Herrschaftssystemen in verschiedenen Epochen durchaus erkennbar werden.[6] Selbstredend nicht aufgrund einer religiösen oder philosophischen Schicksalshaftigkeit, sondern aufgrund einer Analogie im Interesse der Herrschaftsausübung, die esoterisiert, geheimgehalten werden muß, da sonst die Beherrschten die Herrschaft übernehmen könnten. Von Religion mag man halten, was man will; Emanzipation in der Moderne fängt da an, wo religiöser Glaube aufhört. Naturzerstörung im Dienste von Profiten für Kapitaleigner liegt in der ökonomischen Logik begründet und hat relativ wenig mit religiösen Vorstellungen von Menschen zu tun. Wie Menschen schonender mit der nichtmenschlichen Natur umgehen können, hat mit Glauben ebenfalls nichts zu tun, sondern mit der Entwicklung von Technik, die der Natur nicht schadet - was zuerst bedeutet, Alternativen zu entwickeln, die den Trägern naturzerstörender Techniken wie der Atom- oder Gentechnik konfrontativ und antagonistisch gegenüberstehen, da diese Träger in der Logik ihrer Profitmaximierung handeln. Kooperation würde hier Unterwerfung unter deren Interessen bedeuten. Esoterik als "ganzheitliches" Denksystem kann in der gesellschaftlichen Wirklichkeit begründete Systemkritik nicht enthalten. Willy Brandts nationalistischer Traum einmal umgedreht: Hier wird zusammengewachst, was nicht zusammengehört. Der Kitt, um soziale-gesellschaftliche Antagonismen zu kitten, muß denn auch die Mystik sein, die Religion, da es in der erkennbaren und begreifbaren Wirklichkeit diese Ganzheitlichkeit zwischen Kapitalverwaltern, Angestellten und Arbeitern nicht gibt. Dadurch, daß alles seinen Platz erhält, werden bestehende Gewaltstrukturen ganz im Sinne der Gewaltausüber für unveränderbar erklärt. Der Clou an der Sache ist, daß, wenn heutige esoterische Psychologen, Pädagogen oder Heilpraktiker mit dem Ziel (dafür werden sie schließlich bezahlt), Individuen in dieser Gesellschaft zum positive thinking, dem freudigen Unterwerfen unter hierarchische Strukturen, zu bringen, das antiemanzipatorische Ziel esoterisch (im Geheimen) bleibt. Seit Jahrtausenden bestehende Denksysteme zur Herrschaftssicherung schließen Revolutionen, materielle Umwälzungsprozesse durch beherrschte gesellschaftliche Mehrheiten, eine in Jahrtausenden weltweit immer wieder erlebte Qualität des sozialen Widerstandes, aus. Das ist ihr ideologischer, praktischer, gar nicht kosmischer Sinn. Ob es sich um das unaussprechbare Tao handelt oder um die Königin des Lichts, um den Phallus des Gottkönigs Dalai Lama, die Reinkarnation als Stubenfliege oder die Selbstzerstörung des Quadrats zwischen Pluto und Mars, der Sinn hinter diesem Unsinn ist nicht, wie es verwirrten Ex-Linken scheinen mag, eine Neuauflage des Herrn der Ringe oder ein besonders abgedrehtes Anarchokollektiv, sondern Herrschaftsideologie mit dem Ziel, Selbstbestimmung von Menschen wegzulügen oder entstehende im Keim zu ersticken. Wenn eine Zeitarbeitsfirma (TonSteineScherben sangen noch von Sklavenhändlern) sich Elfen 2000 nennt oder die Stadtwerke Hannover mit positive energy werben, so steckt kein Ausbruch von Sensitivität seitens neoliberaler Menschenmakler und von oben bestimmter dahinter, sondern das Gegenteil. Elfen, mystische Wesen, die seit Tolkien als die edleren (adligeren) Menschen bekannt sind, mit übermenschlichen Eigenschaften wie Langlebigkeit, Naturliebe und Zauberkünsten ausgestattet, werden zur Selbstbezeichnung für eine Firma, die, untertariflich, an dem Verkauf der Lohnarbeit von Arbeitskräften in kurzfristige und ungesicherte Arbeitsverhältnisse verdient. Die Stadtwerke, eine unangenehme ehemalige Behörde, die aber ein zentrales Element von Herrschaftssicherung verwaltet: die Stromversorgung, bringt sich in einen Zusammenhang mit dem, was die Esoterikindustrie als "Positives Denken" verkauft. Der selbst schon reaktionäre, weil von dialektischen Prozessen losgelöste, Aufbau von "guten Gedankenstrukturen" durch die Esoterik, vermittelt per Bildern von Lebensenergie, Vitalität, Kraft (durch Freude?) wird von den Stadtwerken übernommen und für das Prestige der Stromversorgung verwendet. Abgesehen von der allerabstraktesten und naturwissenschaftlichen Banalität, daß alles Energie ist, soll vermittelt werden, daß die Energie (Strom), die der Konzern Stadtwerke in die Wohnung liefert, positiv ist, ja, daß die Behörde selbst, die nichts anderes tut, als Geld für die Versorgung mit Strom abzuknöpfen, positiv ist. Die positive Botschaft hier: "Zahle weiter jede Erhöhung der Strompreise, zum Beispiel für Atomstrom, ohne - wie es eine an den Bedürfnissen von Menschen angelegte Gesellschaftsutopie wäre - für kostenlose Stromversorgung einzutreten." Das wäre dann wohl negative Energie. Zugegeben, 64 DM im Monat ist für ein Esoterikseminar vergleichsweise wenig. Verwundern muß die Einfachkeit und Ähnlichkeit der frommen Botschaften, die in der Esoterikliteratur vermittelt werden, bei sehr komplexen und in der Ethnologie, Religionsgeschichte und Kulturanthropologie wissenschaftlich schwer zu fassenden Themenbereichen wie indianischer Philosophie, Schamanismus, keltischer Religion, tibetischer und indischer Kulturen, magischer Weltentwürfe oder Okkultismus. Die reale Beschäftigung mit den gesellschaftlichen Strukturen der Kulturen, aus denen ihre Weltsysteme stammen, findet in keinem Esobuch statt. Außer einigen grinsenden Mönchen keinerlei (schon gar nicht kritischer) Umgang mit der blutigen Geschichte der tibetischen feudal Buddhokratie. Wenn Carlos Castaneda zivilisationsmüden Amerikanern und Mitteleuropäern frei erfundene Romane mit der Anleitung zum Drogengebrauch schreibt, so tut das niemanden weh, auch wenn es die Tatsache verschleiert, wie wenig gesellschaftliche Bedeutung die "Wissenden", die Schamanen in der Erhaltung kultureller Eigenständigkeit von Indianern des amerikanischen Südwestens heute haben, während diese Ethnien bei andauerndem Geno-, Ethno- und Demozid um ihr materielles Überleben kämpfen müssen. Leider sind es allzuhäufig abgehalfterte Linke, die an der immer schwieriger werdenden Verwirklichung sozialer Utopien verzweifelten und zu Jüngern und Opfern der esoterischen Gehirnwäsche mutierten.
Die aus den Wahnideen des Rassisten Rudolf Steiner hervorgegangene Waldorfpädagogik gilt zu Unrecht unter Linken noch heute oftmals als bessere Pädagogik. Jener Steiner erkannte beispielsweise: "Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse."[7] Hier könnte Steiners Aussage: "Das Gute muß hinein, das Böse hinaus" durchaus auf die Praxis des Innenministers Otto Schily (sozialisiert in einer Anthroposophenfamilie) bezogen werden, wenn er per Einwanderungsgesetz die Verwertbarkeit von Menschen nach ökonomischen Kriterien sortiert. Aber auch eklektischen Staatskommunisten war esoterisches Denken gelegentlich vertraut. So verwand die DDR das Leninzitat: "Die Lehre von Karl Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist." Nicht verwunderlich, daß in solch religiöser Verzückung eine autoritäre Exkommunistin wie Antje Vollmer nach dem Ausschluß der ökologischen Linken (aus der ökoparteilichen Ganzheitlichkeit?) dafür eintrat, die Verbindung der Grünen mit den "Wertkonservativen" ( gemeint waren die Biologisten der ÖDP) wiederherzustellen und dem durch "Reinkarnation" erwählten autokratischem Dalai Lama einen Bergkristall (in Tibet Symbol für den Phallus des herrschenden Patriarchen) überreichte. Otto Schily fragte ganz esoterisch Herrn Gyatsu nach "Bewußtsein ohne Gehirn". Damit war nicht die Gehirnwäsche an untergeordneten Mönchen gemeint, die den Gottkönig Gyatsu verehren müssen und auch nicht die Homosexuellenverachtung des buddhokratischen Herrschers.[8] Grundlage der heutigen Esoterik (New Age) ist unter anderem die Geheimlehre von Helena Blavatzky, ein "ariosophisches" und rassistisches Konzept, das neben Steiner auch Adolf Hitler in den Bann zog.[9] Das Interessante an dieser "Wurzelrassenideologie" für Herrschaftseliten besteht darin, daß aufgrund "karmischer Verflechtungen" nicht etwa kolonialistische und kapitalistische Gewalt für die Verelendung des Großteils der Weltbevölkerung verantwortlich sind, sondern daß Genozid im "Karma", im Schicksal zu Kulturen ernannten Gruppen von Menschen selbst begründet liegt. Weitergedacht mußten also sechs Millionen jüdische Menschen durch die Taten der faschistischen Henker sterben, weil dies ihr aus früheren Leben begründetes Schicksal war. Konsequenz des Karmadenkens ist es und das macht den Reiz für die Eliten und ihre Zuträger heute aus, daß die Opfer von Gewaltherrschaft für die Gewalt, die an ihnen ausgeübt wird, auch noch schuldgesprochen werden. Im Nationalsozialismus verband sich so "natürlich-biologische" Landwirtschaft mit esoterischem "Blut und Boden" und Antisemitismus.[10] Die Archetypenlehre des Freudschülers, Antisemiten und Hitlerverehrers C.G. Jung wurde sowohl im historischen "New Age", der Nazi-Ideologie, als auch im jetzigen New Age, das Jungs faschistisches Weltbild leugnet, zum Bezugspunkt für die menschenfeindliche Verortung von Teilen der Mittelschichten. Dieser Jung erläuterte 1934: "Der Jude als relativer Nomade hat nie und wird voraussichtlich auch nie eine eigene Kulturform schaffen, da alle seine Instinkte und Begabungen ein mehr oder weniger zivilisiertes Wirtsvolk zu ihrer Entfaltung voraussetzen... Das arische Unbewußte hat ein höheres Potential als das jüdische."[11] Im Gegensatz zu Alice Miller, die den Ursprung des harmonisierenden Endes von Kindermärchen in den verdrängten familiären Grausamkeiten sieht, die gesellschaftliche Barbarei von Generation zu Generation aufrechterhielten,[12] verortete Jung die Entstehung eben dieser Märchen und Mythologie als solches in einem "kollektiven Unbewußten." Rassismus als unbewußte, somit nicht hinterfragbare Struktur, Volk, Nation und sonstige Konstanten von Herrschaft als unbewußtes unveränderliches Naturprodukt. Waren es im Feudalsystem die "Kaiser von Gottes Gnaden" oder bei dem Führer der nationalsozialistischen Schlächter die "Vorsehung" bietet jetziges New Age und Esoterik Karma, Planeten, maya und Höheres Selbst, Kristallmagie und andere Fallen an. Ein Beispiel: "Um den vollen Glanz und die Wahrheit der Liebe zu erkennen, können die Fische, wenn sie wollen, auf die Unschuld des Widders, die Geduld des Stiers, das Bewußtseins des Zwillings, das Wahrnehmungsvermögen des Krebses, die Vornehmheit des Löwen, das Unterscheidungsvermögen der Jungfrau, die Urteilskraft der Waage, den Scharfsinn des Skorpions, die Ehrlichkeit des Schützen, die Weisheit des Steinbocks- und die Menschlichkeit des Wassermanns zurückgreifen."[13] Basis des gesellschaftlichen Seins von menschlichen Individuen sind nicht etwa die sozialen und materiellen Verhältnisse, die Individuen sind auch keine Subjekte, die sich in einer, von der Herrschaft und Ausbeutung durch Wenige, befreiten Gesellschaft allseitig entfalten könnten, sondern Stereotypen, die allein die Möglichkeit haben, in einem Vegetieren, das durch den Zeitpunkt ihrer Geburt von den Sternen bestimmt ist, sich den Interessen der ausgeübten Gewalt unterzuordnen. Herrschaft wird nicht in Frage gestellt, sondern "planetarisiert". Die astrologische Typologisierung im Jahre 2000 deckt sich auffallend mit den "Charakterprofilen", die neoliberale Menschenverwerter an ihre "Mitarbeiter" stellen. Selbstständig Denken und Kritik könnte ja gefährlich sein. "Löwen" gehören nun einmal in die Spitzenpositionen und "Widder" an die Front. Wenn sich dann ein ausgebeutetes "Humankapitalsklavengeschöpf" wider Erwarten nicht vollkommen prostituiert, liegt in seinem Horoskop bestimmt ein "Wassermann" (Rebell und Wissenschaftler) versteckt. Soziale Antagonismen in Klassengesellschaften? In der Esoterik wird "aufgeklärt": "Manche Fische folgen der Meerjungfrau in die Tiefe und vergessen, daß menschliche Lungen unter Wasser nicht atmen können. Sie werden zu Drogensüchtigen, Alkoholikern, Hoffnungslosen, Verzweifelten, Heruntergekommenen."[14] Die Opfer der Verhältnisse, Menschen ohne Arbeit und Obdach, Junkies und Berber bedürfen folgerichtig nicht einmal mehr der bürgerlichen Gewissensberuhigung, da ihr Schicksal ja in den Sternen steht und nicht vielleicht damit zu tun hat, daß ihr Boss sie gefeuert oder ihr Vermieter sie nach Sanierungsmaßnahmen aus der Wohnung gejagt hat. "Viele Fische, besonders die, die zum Mystizismus neigen, sind sich bewußt, daß sie - und die Menschheit - eine Art Zwischenstufe zwischen dem Animalischen und dem Göttlichen sind." Eine Zwischenstufe zwischen dem grunzenden Germanen, der aufgrund eines Animalismus mordet und vergewaltigt und dem göttlichen Herrenmensch? "Mitgefühl und unpersönliche, unvoreingenommene Liebe sind ebenfalls Fische-Tugenden, die auf diese Stellung im Tierkreis zurückgeführt werden können." Na klasse, wenigstens die Stellung im Tierkreis könnte dazu verhelfen, daß sich zumindest die im März geborenen Menschen zu einer solidarischen Gesellschaft zusammenschließen. "Mitgefühl" und Solidarität sind demnach an die Stellung im "Tierkreis" gebunden, entstehen nicht etwa aus dem Widerstand gegen die Entwertung von Menschen in feudalen bzw. kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen und totalitären Regimen. Wolfgang Reinicke, in den 70ern Prominentenberater, ansonsten Jung-Verehrer, redet Klartext: "Man hat unter anderem darauf hingewiesen, daß während des zweiten Weltkriegs Millionen von Menschen gefallen sind, deren Geburtshoroskope durchaus nicht auf einen gewaltsamen Tod hindeuteten. Der Astrologe kann hierauf entgegnen, daß nicht nur der einzelne Mensch, sondern ganze Völker ihre Nativität haben, d.h. dem Einfluß der Sterne unterliegen."[15] Millionen von Menschen, die in dem von den Nazitruppen ausgehenden Angriffskrieg und für die Interessen der Eliten der einzelnen Kapitalstaaten als Kanonenfutter dienten, starben demnach, da es im Horoskop ihres "Volkes" festgeschrieben war. "Du bist nichts, dein Volk ist alles" betitelten schon die historischen Nazis ihre Entwertung menschlichen Lebens. "Jedem das Seine", stand in Buchenwald. Wie Peter Kratz aufdeckte, steckt hinter dem faustischen Denken[16] von Esoterik und New Age, das auch die wahnhafte Machbarkeit der Technokratie auf der Expo 2000 kennzeichnete, eine neue alte Rückbindung (Religion) von potentiell progressiven Teilen der Eliten an Kapitalinteressen. Mittels "Naturreligiösität" und "Ganzheitlichkeit" sollen auch die möglichen Opfer faustischer Technik (heute Gen-, Bio- und Atomtechnik) die Auflösung von sozialen Standards und ihre damit einhergehende Entrechtung als schicksalhaft verinnerlichen. Die Traditionslinien reichen dabei vom "heroischen Realismus" des rechtsextremistischen Gurus Ernst Jünger über die "Rassentheorien" von Gobineau und Langbehn bis zum Vordenker Hitlers, dem völkischen Dichter Chamberlain, dessen antisemitische Viehzüchterphantasien eins zu eins in heutigen esoterischen Theorien wiedergefunden werden können. Wem dient die jetzige Esoterik?Heutige Esoterik, New Age geht davon aus, daß "die Menschheit" am Übergang vom Fisch- zum Wassermannzeitalter steht und somit vor einem kosmischen Evolutionssprung der "Menschheit." Diese abstrakte "Menschheit" ist nicht mehr gesellschaftlich definiert, sondern kosmisch. Wem diese ganzheitliche Harmonisierung in Gesellschaften, die von sozialen Konflikten zerrissen sind, dient, ist eindeutig, da sie den herrschaftstragenden Eliten ihr Privileg von Anfang an überläßt: der Herrschaft. Ganzheitlichkeit hat nichts mit Kosmos oder Universum zu tun, sondern mit Herrschaftssicherung. Soziale und politische Gewalt wird naturalisiert und spiritualisiert. Interessant wird dies für die Ideologieproduzenten des Kapitals, da sich viele indigene Kulturen magisch definierten, in einer Welt lebten, die von Geistern und Ahnen und in Abhängigkeit von der nichtmenschlichen Natur, Jagdglück, Wetterumschwüngen bestimmt war, also Ereignissen, die nicht beeinflußbar sind und durch Magie, durch Zauber handhabbar gemacht werden. Siemens, Höchst & Co übertragen diese "übersinnliche Natürlichkeit" auf sich, in einem höchst unspirituellen Interesse: ihrem eigenen. Hier stimmt die Feststellung von Karl Marx: "Der Mensch ist das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse." Auch in indigenen Kulturen erfinden Menschen die Mythologien und nicht die Mythologien die Menschen. Wenn ein brasilianischer Regenwaldindianer in der gesellschaftlichen Aufgabe eines "Schamanen" Individuen in seiner Dorfgemeinschaft hilft, sich in dem tradierten Bezugssystem der umgebenden Natur zurechtzufinden, ist die Basis das dortige Lebensumfeld. Wenn ein esoterischer Guru oder Psychoeinflüsterer "ganzheitlich" Menschen "therapiert", die in deregulierten Ausbeutungsverhältnissen verunsichert und isoliert sind, so ist der "Regenwald" die Firmenstruktur. Durch deren Spiritualisierung wird dem Individuum das Bewußtsein über seine sozialen, in jahrhundertelangen Kämpfen erreichten Rechte genommen. Magie bedeutet Mimesis. In Jagdzaubern wird beispielsweise Jagdglück dadurch beschworen, daß das Verhalten der verehrten Tiere nachgeahmt wird. Etwas Besseres kann Managern in den Spitzenpositionen gar nicht passieren, als daß ihren Mitarbeitern eingeimpft wird, daß sie das Verhalten ihrer Vorgesetzten kopieren müssen. Die zwangsintegrierten Teile einer sich auflösenden Mittelschicht können sich so magisch per "Illusionszauber" einbilden, an der Macht beteiligt zu sein. Ganz banale Konzepte zur Effizienzsteigerung mutieren zu "Visionen". Damit werden Konzernstrategien, deren Interesse völlig unspirituell auf der Ausbeutung der Ressourcen der menschlichen Arbeitskraft und der nichtmenschlichen Natur basiert, zu Priestern. Die Heilsbotschaft ist eindeutig: "Paß Dich an, gib Dich selbst auf!" Egal, ob in der Esoszene von Indianern, Tibet, Buddha oder den Druiden gefaselt wird, diese Botschaft bleibt immer die Gleiche. Kulturanthropologisch[17] ist ein "Evolutionssprung" Schwachsinn. Zur GeschichteEsoterik in verschiedensten Variationen gibt es seit Jahrtausenden. Bei Teilen der gnostischen Gruppen, den Iluminaten, den Rosenkreuzern und hermetischen Zirkeln läßt sich fragmentarisch aufklärerisches Gedankengut nachweisen. Was einerseits in Abkehr vom christlich-patriarchalisch definierten Gottesbild als geistiges Vorläufertum von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit erschien, blieb andererseits als rosenkreuzersche Idee einer Weltreform immer von den Fürstenhöfen finanziert. Der Weisheitsbegriff der Rosenkreuzer lag, analog zur Esoterischen Philosophie immer quer zur Moderne. Die Basis der politischen Moderne und erst recht der demokratische Gedanke war immer Öffentlichkeit, die Basis von Gnosis, Rosenkreuzern und Hermetikern immer "altes Wissen", Geheimwissen in verschiedensten theistischen Erklärungssystemen, die die Welt durch "unsichtbare" Mächte und Götter erklärten. Neben der Liberto-Gnosis als Kontrapunkt zum Frühchristentum sind hier insbesondere die von der katholischen Kirche des Mittelalters verfolgten Ketzerorden der Katharer, Templer und Waldenser[18] zu nennen. Vor der europäischen Aufklärung definierte sich die Stellung esoterisch-okkulter Zirkel oftmals in Opposition zu christlichen Großkirchen.[19] In der Aufklärung wandten sich Rationalismus und Materialismus, vor allem Marx und Feuerbach gegen die theologische Spekulation. Noch bei Hegel und Hölderlin[20] ist dagegen die Rede von einer "höheren Aufklärung", einer "höheren Vernunft".[21] Die Begriffe Wahrheit und Vernunft sind im 18. Jahrhundert in der Aufklärung mehrdimensional. Dies ist nur verständlich durch den damaligen Bruch der Aufklärer mit einem klerikal-totalitär verordnetem Herrschaftskonzept, dessen Kinder sie waren und dessen sie sich sich mühsamst entledigten. Der klassische Okkultismus war "heidnisch", letztlich gehen alle okkult-esoterischen Bezugssysteme auf vorchristliche Traditionen zurück. Im Okkultismus ist alles der "Dialektik der Gegensätze" wie männlich/weiblich, schwarz/weiß unterworfen, einem patriarchalen Weltbild, das von der Ungleichheit aller Menschen ausgeht. Zusammen stellen diese Gegensätze ein harmonisches Gleichgewicht her. Demnach ist das ganze Universum ein Organismus. Die erleuchteten "Übermenschen", die dies erkannt haben, können ihr "Wissen" nichterleuchteten "Untermenschen" nur über Symbole mitteilen. Historisch betrachtet bedeuteten Ideologien, die die Harmonie zwischen Herrschenden und Beherrschten forderten immer autoritäre Formation der Herrschaft. Demokratie und erst recht sozialistische Basisdemokratie bedeutet hingegen das zähe Austragen von Konflikten gleichberechtigter Menschen. Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts holte die Transzendenz auf diese Welt, in der Nachfolge Evas, auf dem Wege der Erkenntnis. Die menschliche Vernunft sollte zu einer göttlichen Vernunft werden. In dieser göttlichen Vernunft liegt vieles von dem enthalten, was von den Faschisten im 20. Jahrhundert als Herrenmenschentum umgedeutet wurde und von jetzigen reaktionären Apologeten wie Langhans oder Bahro als "Gattungsfragen" bezeichnet wird. Was nur im Kontext der Ablösung vom christlichen Feudalgedankengut historisch einzuordnen ist, denn auch Aufklärer denken nicht losgelöst von ihrer Zeit, wurde im 20.Jahrhundert fester Bestandteil einer hypermodernen Vernichtungsideologie im Sinne militärischer Großraumpolitik. Vor dem ersten Weltkrieg entzückte sich der Kriegshetzer Kaiser Wilhelm II., bevor er Millionen in den Tod jagte: "Ich sehe keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche." Selbstverständlich teilte er die beschworene Einheit nicht harmonisch mit denjenigen, die für die Interessen des ihm gar nicht kosmisch, sondern sehr weltlich verbundenen Großkapitals, mit zerrissenen Gedärmen in den Schützengräben krepierten. Genau an diesem Punkt hören "kosmische Einheit" und "mystische Bande" nämlich auf. Heinrich Heine, selbst esoterisch angehaucht, warnte Anfang des 19. Jahrhunderts: "Doch noch schrecklicher als alles wären Naturphilosophen, die handelnd eingriffen in eine deutsche Revolution und sich mit dem Zerstörungswerk selbst identifizieren würden."[22] Sozialrevolutionäre wie Erich Mühsam und Gustav Landauer waren in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts in naturmystischen Gruppen organisiert und verknüpften das kollektive Leben in der "freien Natur" mit der Forderung und Umsetzung von sozialer Freiheit. In der historischen Genese von Esoterik, Okkultismus und Neuheidentum setzten sich die antiautoritären Tendenzen nicht durch. Die "feinstofflichen" Bezugssysteme dienten vielmehr dem Aufbau von autoritärer Herrschaft. Die naturliebenden Jugendbewegungen der Weimarer Republik wurden von völkischen Faschisten vollkommen instrumentalisiert. Die "handelnden Naturphilosophen" des Dritten Reichs ermordeten denn auch, naturreligiös begründet, alles "Nichtarische", zum Beispiel den Anarchisten Erich Mühsam, als er sich im KZ weigerte, das "Horst-Wessel-Lied" zu singen und statt dessen die Internationale anstimmte. Meinten Mühsam und Landauer die nichtentfremdete Entfaltung von menschlichen Individuen in der Natur, so leiteten die Nazis gerade die Vernichtung dieser Entfaltung aus angeblichen "Naturgesetzen" ab. In der nichtmenschlichen Natur gibt es ein Wahlrecht oder Arbeitsrecht, keine Selbstbestimmung oder Egalität. Die heutige naturmystische Esoterikszene (New Age) basiert nicht mehrheitlich auf einem libertären Naturmystizismus, sondern auf den völkischen Traditionen. An heutigen Kultstätten wie den Externsteinen werden "unpolitische" New Ager mit faschistischem Gedankengut infiltriert. Und heute?Immer mehr von der materiellen Verelendung bedrohten Teile der Mittelschichten, seit Jahrhunderten von der protestantischen Erwerbsethik ("jeder ist seines Glückes Schmied") und katholischer Doppelmoral indoktriniert, aber zu aufgeklärt, um den Dogmen katholischer und protestantischer Herrschaftssicherung Folge zu leisten, beginnen sich in der Zerstörung des öffentlichen Raumes und der Auflösung sozialer Rechte in der "New Economy" "spirituell" zu definieren. In dem Durchbruch neuer Arbeits- und Produktionsstrukturen, den die Linke nicht emanzipatorisch zu nutzen und Theorie nicht neu zu entwickeln wußte, laufen Modernisierungsprozesse ab, in denen sich die alten Einordnungsmuster auflösen und zu einer Gesellschaftsdefinition über Symbole führen, die diese Prozesse begreifbar machen sollen. Dieses Vakuum an emanzipatorischer Perspektive innerhalb laufender Gesellschaftsprozesse füllt Esoterik. Einen "Dritten Weg", diesen Slogan sowohl der Nationalsozialisten als auch Teilen der Alternativszene der 80er Jahre, kann es, bedingt durch ökonomische Prozesse im emanzipatorischen Sinne nicht geben, sondern eine Hinwendung zu "Neuheidentum" in diffuser Ablehnung christlicher Herrschaftsstrukturen fällt ideologisch hinter die im Christentum geforderte grundsätzliche Gleichheit der Menschen "vor Gott" zurück. Ein diffuser Antimodernismus bedingt reaktionäre gesellschaftliche Verortung, da technische Modernisierung irreversibel ist. Ziel der "spiritualisierten" Blut- und Boden Poeten war nie eine wirklich ökologische und der nichtmenschlichen Natur angemessene Produktionsweise, sondern die naturzerstörerische, mit einem antiemanzipatorischen "Naturrecht" begründete totale Herrschaft kapitalverwaltender und feudal-ständestaatlicher Eliten. Auch der "naturreligiös" definierte Nationalsozialismus wurde ideologisch zusammengelogen, da er real ein damals hypermodernes Wirtschaftskonzept verfolgte. Wenn heute der reale Regenwald abgeholzt wird, baut VW biotechnisch (Regenwaldhaus) eben einen neuen. Wenn die reale sinnliche Erfahrung durch entfremdete Produktionsbedingungen vernichtet wird, darf die esoterische "Kompensation" für diese Vernichtung gar nicht kosmisch, sondern materiell bezahlt werden.[23] 400 DM für den selbsternannten Wochenendschamanen inklusive Schwitzhüttenritual, wobei traditionelle nordamerikanische Indianer nichts so sehr ablehnen wie die Vermarktung ihrer Kultur. So sind es nicht die wirklichen indianischen Schamanen, die ihre politische Funktion immer mehr verlieren und darum kämpfen müssen, Fragmente ihrer Kulturen vor dem Ethnozid bewahren zu können, sondern das sehnsüchtig nach dem "Fremden" stierende Verlangen der nur fiktiv bestehenden "Neuen Mitte"[24] mit beliebigem Wohlfühlmüll die eigene innere Leere, Folge des Verzichts auf bürgerlich-demokratisches Engagement, aufzufüllen. Fernab jedes wirklichen Zusammenhangs, in dem Rituale, Zeremonien entstehen und ihren Sinn ergeben, lernt der Manager in der "wilden Natur" den Sozialdarwinismus. Durch Völkermord und Zwangsassimilation zerstörte Kulturen werden so ein zweites Mal ausgeplündert. Das mit Millionenumsatz verkaufte "indianische Bewußtsein", was sich neben Tarot und Karma in die Esoterik einfügt, funktioniert nur, wenn die wirklichen Indianer ausgeblendet werden. Neu ist das nicht. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die gerade in die Reservate gepferchten indian tribes im weißen Mittelschichtsamerika zu den Komparsen und Statisten der Wild-West-Shows. Die Besiegten werden integriert, um die vermeintliche Überlegenheit zu feiern. Das New Age tötet ihre Wirklichkeit heute. Die "Spiritualität" von indianischen Schamanen ergab sich aus den materiellen Notwendigkeiten in ihren Gesellschaften, die fundamental andere waren als die der gehobenen weißen mitteleuropäischen und nordamerikanischen Mittelschicht (Hauptzielgruppe der Esoterik). So protestierte Renate Domnick von der Gesellschaft für bedrohte Völker 1988 beim Bundesvorstand der Grünen: "es ist eine, wenn auch unbewußte Übernahme imperialistischer Haltungen zu glauben, daß die oft streng gehüteten Zeremonien indigener Völker jedermann zugänglich sein müßten."[25] Sie setzte noch voraus, daß es um die wirklichen Zeremonien gehen würde. Von Bedeutung ist aber das (pseudo-) religiöse Element. Hier ein wenig "indianischer" Mythos, da ein bißchen Vaudouzauber zugepackt und irgendwo ein Hohepriester, z.B. Techno-DJ, der das ersehnte pseudoarchaische Ritual einleitet, damit das Individuum sich mittels "Stammessymbolik" geistig abschalten kann. Geplündert wird im Eso-Supermarkt, was das Zeug hält. Selbstverständlich steht nicht der radioaktiv verseuchte Shoshoniindianer im Mittelpunkt des Interesses, oder die alkoholkranke Navahofrau, die inmitten des kapitalstärksten Staates der Erde ein 4. oder 5. Welt Dasein fristen darf und auch nicht der an Diabetes leidende Pimaindianer, sondern der "weise vorausschauende", so manchem Softwarespezialisten gar nicht unähnliche, Übervater (wahlweise indianisch, indisch, tibetisch), der Psychotips gibt, wie das Betriebsklima zwecks Leistungsmaximierung, verbessert werden kann. Meditation statt einklagbaren Rechten. So erklärt Karl Everding, einer dieser keltisch-indianisch-druidischen Gurus 1983[26] und dies sei nur der Beliebigkeit halber ausgewählt: "Es geht nicht um deine äußeren Lebensumstände, es geht um deine innere Fähigkeit, dein Leben so zu kreieren, wie Du es willst." Er lügt, denn die horrenden Preise seiner und der meisten anderen esoterischen Seminare sind auf die gehobene Mittelschicht zugeschnitten, ein bestimmter äußerer Lebensumstand ist Voraussetzung. Vielmehr ist diese Verheißung der "Genügsamkeit", auch so ein esoterischer Topos, eine Verleugnung der banalsten individuellen Erfahrung: Wenn ich im Gefängnis sitze, kann ich leider nicht im Park spazierengehen. Innere Freiheit bei äußerer Unfreiheit gibt es nicht. Es ist eine Frechheit, Bezugssysteme, die aus lebenslangen Erfahrungen in einem äußeren Lebensumstand gewonnen werden, in Wochenendseminaren vermarkten zu wollen. Der Kapitalismus macht, das unterscheidet ihn übrigens ganz massiv von vielen indigenen Kulturen, alles zur Ware. Für seine esoterischen Lehren sind bestimmte Primitivismen interessant, die in Kulturen hineinprojiziert werden, die in starker Abhängigkeit zur nichtmenschlichen Natur lebten: Schicksalsergebenheit, Ethnozentrismus, Faustrecht, soziale Entrechtung, "natürliches" Sterbenlassen der Kranken und Schwachen, das Gesetz des Totschlägers, bedingungsloses Einordnen in antidemokratische Hierarchien. Den Mitläufern und Opfern mit ihrem Bedürfnis nach nichtentfremdetem Zusammenleben wird vorgegaukelt, daß Freiheit ohne eine Veränderung der materiellen Verhältnisse möglich sei. Ganzheitlichkeit bedeutet somit alles andere als die Ganzheit eines selbstbestimmten Individuums mit einer intakten Umwelt, das seiner sozialen Vervollkommnung frönt, sondern das Opfer des konkreten Lebens von Menschen für ein abstraktes "Ganzes", womit nicht das "Ganze", sondern die gegen die Mehrheit der Bevölkerung gerichteten Interessen Einzelner gemeint ist. Ein New Age Verständnis der Einheit zwischen Leben und Tod führte historisch in Eugenik und Euthanasie. Alte oder behinderte Menschen sind von dieser "Einheit des Lebens" auch ausgeschlossen. Der alte neue "Pantheismus" völkischer und faschistischer Sekten definiert selbst das Töten als Gottestat.[27] Daß Versatzstücke solcher "Spiritualität" in einem Territorium, in dem Demut, Spießer- und Denunziantentum, Opportunismus und Speichelleckerei nach wie vor als Primärtugenden gelten, postmodern verkitscht einen neuen Anstrich erhalten, zeigt - ganz und gar unspirituell - eine sozialgeschichtlich gewachsene Untertanenmentalität, Ergebnis gescheiterter bürgerlicher (1848) und vergessener proletarischer (1918) Revolutionen. So kann dem Euphemismus von Ralph Tegtmeier nicht zugestimmt werden, wenn er schreibt: "Nicht, daß die Bevölkerung der Industrieländer heute schon mehrheitlich "okkultistisch" dächte. Aber sie übernimmt immer häufiger, oft auch völlig fraglos, Werte und Denkstrukturen, die im okkulten Lager beheimatet sind. Letztlich handelt sich dabei nur um einen langfristig anzusetzenden Normalisierungsprozeß."[28] Ein ganz spezielles Beispiel für okkulte Beschäftigung gab Helmut Kohl, der sich, nach dem okkulten (geheimen) Verschwinden von Geldern auf seine "Ehre" berief, auf das "spirituelle" Recht des Feudalherren im Unterschied zu dem Bürgerrecht der Gesetzestreue. Sein spezieller Esoterikberater, der Pfaffe Basilius Streithofen rechtfertigte dies damit, daß das "Naturrecht" ein höheres Recht sei, wohlgemerkt, für den Ex-Bundeskanzler einer parlamentarischen Demokratie. Die Übernahme okkulter Denkstrukturen zeigte sich in der Bevölkerung primär darin, daß öffentlicher Protest weitestgehend ausblieb. In verschiedenen Jugendkulturen, insbesondere in der Gothic- und Technoszene, sind esoterische Weltbilder verbreitet. Per Esoterik wird rechtsextremes Gedankengut über Musik vermittelt. So geiferte Michael Moynihan, der Sänger von Blood Axis im Sommer 1996: "Selbstverständlich gehört das Blut mit der Rasse zusammen, wenn es um das Blutsband und die Ahnen geht.... Blood Axis will die europäische Volksseele wieder zum Leben erwecken."[29] Mit der Initiative "Grufties gegen Rechts" gibt es in der Gothic-Szene allerdings auch eine Tendenz, rechtsradikaler Propaganda entgegenzutreten. ResuméFestzuhalten bleibt, daß es heute gemeinsame Interessen zwischen esoterischen Gurus, kapitalstrategischen Interessen und Rechtsextremisten gibt. Dieses Interesse ist kein kosmisches oder spirituelles, sondern ein weltliches: die Stabilisierung elitärer und antidemokratischer Macht. Vielen Anhängern der Esoterik, die aufgrund des Zusammenbrechens sozialer Strukturen verunsichert sind, ist dieser Zusammenhang nicht bewußt. Eliten, die sich esoterischer Topoi bedienen, wissen um die materiellen Hintergründe ihrer Interessen. Es geht um die Aufhebung demokratischer Rechte und deren Umwandlung in transzendente "Realitätsschichten." Um nicht mißverstanden zu werden: Das Interesse an außereuropäischen Bezugssystemen ist wichtig und bereichernd. Esoterischer Gedankenmüll ist das Gegenteil davon. Wenn in diesem Artikel einigen liebenswürdigen Individuen auf die Füße getreten wurde, die "Esoterik" anwenden, um anderen Menschen zu helfen, so ist dies unabdinglich. Dies ist nicht als Ablehnung des spirituellen Bedürfnisses von Menschen zu verstehen, sondern als Ideologiekritik an der Umdrehung dieses Bedürfnisses für Machtpolitik. Auch im Esoterikbereich gibt es nicht nur Gurus, Lamas, Psychoberater - also Täter - sondern auch eine Menge Opfer, da es gerade die Verunsicherten und Sensiblen sind, die in die Fänge der autoritären Propagandazirkel geraten. Auch soll hier nicht einer technisierten Rationalisierung das Wort geredet werden. Subjektivität ist wichtig und von der dogmatischen Linken als Basis gesellschaftlichen Seins nicht erkannt worden. Heilpraxis, Homöopathie, Skepsis gegenüber der Schulmedizin und Unmut über die etablierte Wissenschaft werden wie auch die Erforschung von Grenzbereichen wie Parapsychologie, Traumarbeit oder die Beschäftigung mit dem Tod keinesfalls abgelehnt. Die Sektenarbeit der katholischen und evangelischen Wirtschaftsunternehmen ist als Konkurrenz um den Seelenmarkt anzusehen und nicht als die bessere Alternative zum New Age. Es ist wichtig, darauf zu achten, in welcher Logik, in wessen Auftrag und von wem finanziert gezaubert wird. Daran zeigt sich meistens, ob es nicht vor allem um energetische Kapitalflüsse geht. Hier soll nicht, denn das wäre esoterisch, Spiritualität verteufelt werden. Was immer "entfaltete Spiritualität" sein mag, die Basis dafür kann nicht in der Vollbringung angepaßter Höchstleistungen liegen (Ziel der Esoterik). Noch einmal Wolfgang Reinicke: "Stark tritt beim Löwen der
Wille zur Macht hervor... Der starke Sonneneinfluß drückt sich
aus in Selbstschätzung, Selbstüberschätzung,
Herrlichkeit." Neben unzähligen Opfern kam mit dem Nachfahren
des Sonnenkönigs Louis XIV in der französischen Revolution ein
Instrument zu mindest an einem nicht Unschuldigen zur Anwendung: die
Guillotine. Leider wurde danach wieder für Nachfolger gesorgt.
Hoffentlich nicht bis in alle Ewigkeit. Anmerkungen[1] Judith Jannberg als Protagonistin der von Alice Schwarzer und Jutta Ditfurth massiv kritisierten "spirituellen Frauenbewegung" definiert patriarchale Gewalt nicht sozial, sondern göttlich. Durch "Göttinnen" bestimmt, sind Frauen die besseren Menschen. Dieser antihistorische und antiemanzipatorische Ansatz deckt sich, wenn auch unbewußt, mit "Hexenbildern", die durch die Hexenjäger der frühen Neuzeit geschaffen wurden. Diese Art von "femininer Spiritualität" raubt den realen Opfern der historischen Hexenprozesse ihre Identität und den Tätern ihre wirkliche Schuld, denn wenn sie Frauen ermorden ließen, weil sie Männer waren, bleibt die kirchenterroristische, politische Funktion der Hexenprozesse ausgeklammert. [2] Kein Witz! Praktisch bedeutete dies, daß die Hostessen sechs Stunden lang nicht essen, trinken oder sitzen durften. Unsere Ätherisierung durch Radioaktivität seitens dieser Atomtechnokraten könnte ja bald Realität werden. Vielleicht werden dann ja, wie im Rollenspiel "Shadowrun" von Schamanen die Giftgeister beschworen. - Alle angeführten Beispiele sind real. [3] Esoterische Philosophie, Studiengesellschaft (Broschüre), Hannover 2000. - Allein die Methode das Denksystem Ganzheitlichkeit, das heißt ein Fazit als Basis der Arbeit zu nehmen widerspricht der Technik (geistes-)wissenschaftlichen Arbeitens und erst recht linker Wissenschaftskritik. [4] Die Vermittlung von New-Economy-Bedürfnissen wie Teamwork und "flachen Hierarchien" füllt nicht nur die Taschen der Esoterikverkäufer, sondern auch die von Disney. Zeigte sich im Film König der Löwen noch die Strategie eines individualisierten Sozialdarwinismus, so müssen wenige Jahre später Dinosaurier für "brainpools" und Gruppenarbeit herhalten, wohingegen der Einzelgänger gefressen wird. Hier scheint es aber unterschiedliche Kapitalstrategien zu geben. So warb ein Managermagazin für ein Saurierbuch mit den Worten: "Blick in eine Zeit, als Fressen und Gefressen werden zum täglichen Geschäft gehörte." [5] Auch bei manchen Psychotherapeuten ist Esoterik sehr beliebt, verspricht sie den Patienten doch eine rasche Heilung. Für die wirkliche Behandlung psychischer Krankheiten, bei der das Ergebnis der Therapie nicht feststeht sind diese Heilsversprechungen katastrophal. Im Unterschied zum Millerschen Erleben des kindlichen Traumas dient esoterische "Psychotherapie" nicht der Emanzipation durch Erkennen der eigenen Realität, sondern der Verleugnung durch Anpassung. Solche "schwarze Pädagogik" bietet die Ursache der Krankheit als deren Heilung an. "Positiv denken" entspricht der Verdrängung bei Freud. [6] Strukturell lassen sich gewisse Ähnlichkeiten zwischen der Aztekenkaste der Mexicagesellschaft und den Hofastrologen europäischer Feudalherren des Mittelalters feststellen, was auch damit zusammenhängt, daß stände- bzw. kastengesellschaftliche Verteilungswirtschaften ähnlich notwendigen Bedingungen unterliegen. [7] Rudolf Steiner: Gesamtausgabe. Bd. 349. Vortrag vom 3. März 1923. S. 52-67. [8] Colin Goldner: Bewußtsein ohne Gehirn? In: Konkret. Heft 9. September 2000. S. 58 f. - Esoterische Logik ist beliebig. Als ich einer mir bekannten Verehrerin von Herrn Gyatsu das Buch von Ditfurth Entspannt in die Barbarei schenkte, in dem brillant recherchiert, die Menschenverachtung des tibetischen Lamaismus entlarvt wird, stellte die Beschenkte fest, daß, "wo ich doch sonst eine so wundervolle Art hätte, jetzt wieder meine düsteren Seiten hervortreten." Die Benennung der Wirklichkeit der Opfer ist düster, nicht etwa die Verhältnisse die sie zu Opfern machen, ein klassischer Mechanismus der Esoterik. [9] Die in Jahrtausenden entwickelten Ideologeme esoterischer Herrschaftssicherung fingen keinesfalls mit der relativ unoriginellen Sammlung von Blavatsky an - In diesem Artikel ist jedoch kein Raum, um diese Strömungen adäquat darzustellen. [10] Jutta Ditfurth: Gegen die Entwertung des Menschen. Hamburg 1997. S. 285. [11] C.G. Jung: Ges. Werke X. 1974. S. 190 f. [12] Alice Miller: Du sollst nicht merken. Variationen über das Paradies-Thema. Frankfurt a.M. 1983. [13] Ich mag den vielseitigen Fisch. Heiter-Besinnliches über einen unverwechselbaren Menschen. Bern, München, Wien 1996. S. 16. [14] Ebd., S. 13. [15] Wolfgang Reinicke: Praktische Astrologie. So erstellen Sie Ihr Horoskop selbst. München 1997. [16] Hiermit sind Weltanschauungen gemeint, in der der an Goethes Faust angelegte "Gottmensch" abseits jeglicher sozialer Verantwortung nur noch mit sich selbst ringen muß - ob er autokratisch Technologien, die nicht nur ihn selbst, sondern auch die gesamte Welt zerstören können, anwendet oder nicht. Solche Selbstvergöttlichung nahmen, nicht esoterisch, sondern historisch verschiedenste Herrschaftseliten für sich in Anspruch. Bei Goethe blieb im "Teufelspakt" die Frage offen. Im faustischen Denken geht es darum, ob das herrschaftstragende forschende Individuum alles tun darf, was technisch möglich wäre. Für Emanzipationsbewegungen muß es darum gehen, Individuen die Möglichkeit dieser Willkür zu nehmen. [17] Kulturanthropologie ist die Wissenschaft, die sich damit auseinandersetzt, welche Prozesse in menschlichen Gesellschaften naturwissenschaftlich (anthropologisch) und welche Mechanismen gesellschaftlich (kulturell) zu erklären sind. Reaktionäre, völkische und esoterische Herrschaftsideologien zeichnen sich dadurch aus, daß sie kulturelle Prozesse zu anthropologischen und evolutionären umdeuten. Dies dient dem Erhalt materieller Privilegien, die keinesfalls evolutionär, sondern kulturell entstanden sind. [18] Dies führte bei den Nazis zu einer "Ketzerromantik", in der die Ketzerbewegungen des Mittelalters zu einer "germanisch-völkischen Rassendefinition" mißbraucht wurden. Auch das Hexenbild des "spirituellen" Teils der Frauenbewegung hat seine Ursprünge teilweise in diesem "arischen Naturweib". Hier wäre Ideologiekritik von seiten des (links-)politischen Teils der Frauenbewegung angesagt. [19] Okkultismus war insbesondere im christlichen Mittelalter oftmals deshalb "geheim", konspirativ, da seine Anhänger konkreter Verfolgung ausgesetzt waren. [20] Gerade Hölderlin ist deshalb bei heutigen Esoterikern neben Rilke und Goethe sehr beliebt. Das liegt insbesondere an seiner "entpolitisierten" Gefühligkeit. [21] Werner Schneiders: 300 Jahre Aufklärung in Deutschland, in: Ders. (Hg.): Christian Thomasius 1655-1728. Interpretationen zu Werk und Wirkung (= Studien zum 18. Jahrhundert 11). Hamburg 1989. S. 19. [22] Zit. nach: Peter Kratz: Die Götter des New Age. Im Schnittpunkt von "Neuem Denken", Faschismus und Romantik. [23] Siehe dazu Kratz. Da ich mich im gesamten Artikel auf ihn beziehe, entfallen die Seitenangaben. Zur genaueren Einsicht auf den Angriff des New Age auf die Linke empfiehlt sich die Lektüre dieses Standardwerks, eines der besten zum Thema. [24] Eine Untersuchung der ideologischen Bedeutung des Begriffs "Neue Mitte" in Bezug zur Esoterik steht noch aus. Beiden gemeinsam ist, daß sie allein auf der Selbstdefinition derer basieren, die sich ihr zugehörig fühlen, beide eher Haltungen und Einordnungen definieren als materielle Wirklichkeiten. [25] Zit. nach: Jutta Ditfurth, a.a.O., S. 273. [26] Daß dieses Beispiel 17 Jahre zurückliegt, ist unerheblich. Das Geschäft der esoterischen Ausplünderung kultureller Bezugssysteme boomt heute viel mehr als damals. [27] Peter Kratz, a.a.O., S. 258 f. [28] Ralph Tegtmeier. Magie und Sternenzauber. Okkultismus im Abendland. Köln 1995. S. 267. [29] Reader. Texte von Alfred Schobert und andere Materialien zum Thema "Rechte Tendenzen in der Darkwave-Szene". Kontext:
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