PressemitteilungZDF mahnt Satireseite abDas ZDF hat durch eine Tutzinger Rechtsanwaltskanzlei das Internetmagazin Sopos.org für die Erstellung einer Satire abgemahnt. Vorgeworfen wird den Betreibern des Magazins u.a. eine Markenrechtsverletzung. (Hannover, 3. 12. 2006) In der vom ZDF ausgestrahlten und von Johannes B. Kerner moderierten Sendereihe "Unsere Besten" dürfen die Zuschauer über eine Rangfolge der besten deutschen Sportler, Schauspieler, Reiseorte, Schlagerlieder, Erfindungen, Bücher und mal auch der "größten Deutschen" abstimmen. Vorbild ist die britische Sendung 100 Greatest Britains der BBC. Die Reihe ist mit 15 bis 23 Prozent Marktanteil in der Gesamtbevölkerung recht erfolgreich. In der stark umworbenen Zielgruppe der 14 bis 49-Jährigen liegt er jedoch deutlich darunter. In einer Satire auf eine großflächig geschaltete Anzeigenkampagne des ZDF hatte das Internetmagazin Sopos.org eine solche Anzeige persifliert: Unter Verwendung des ZDF-Logos wird statt des Konterfeis Konrad Adenauers oder Mozarts ein Bild vom Reichsparteitag der Nazis in Nürnberg gezeigt, das mit der Unterschrift versehen ist: "Ohne das Zweite sieht man besser, warum es ohne Deutschland besser ist." Marcus Hawel, Redakteur des Online-Magazins, promovierter Soziologe und hauptberuflich wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Leibniz-Universität Hannover, erläutert: "Das ZDF stellt mit der Sendung eine positive Kontinuität einer deutschen Nation her, in der die Zeit des Nationalsozialismus nur als Betriebsunfall erscheint. Hier wird eine neue Normalität der deutschen Nation konstruiert, die die Lehren der deutschen Geschichte vergisst." Die Sendung ist auch dafür in die Kritik geraten, dass ausgerechnet europäische Geistesgrößen wie die Österreicher Wolfgang Amadeus Mozart und Sigmund Freud, der Elsässer Albert Schweitzer sowie der im polnischen Toruñ geborene Nikolaus Kopernikus, um dessen nationale Zugehörigkeit schon im 19. Jahrhundert gestritten wurde, für "Deutschland" vereinnahmt werden. "Das ZDF erträumt sich offenbar noch heute einen großdeutschen Kulturraum von der Maas bis an die Memel, den es historisch nicht gegeben hat und dessen versuchte Zusammenfassung im nationalen Rahmen so viel Schrecken über die Welt gebracht hat. Der Albtraum von einem Großdeutschland, wie ihn die Nationalsozialisten geträumt haben", so Hawel weiter, "gehört ein für alle Male der Vergangenheit an." Dass eine solche Kritik dem ZDF nicht gefällt, leuchtet ein. Hinzu dürfte kommen, dass etwa von der Google-Bildersuche die Karikatur des Online-Magazins noch vor der Seite des ZDF gelistet wird. Überraschend ist jedoch, dass deren Betreibern nun ausgerechnet eine Markenrechtsverletzung vorgeworfen wird: Durch die Tutzinger Rechtsanwaltskanzlei Bettina Krause hat das ZDF am 23.11.2006 das Internetmagazin abgemahnt. Das ZDF genieße einen umfassenden Schutz am Titel "Unsere Besten", wenn nicht sogar den Schutz einer bekannten geschäftlichen Bezeichnung. Die Abbildung verunglimpfe die ZDF-Werbekampagne in unzulässiger Weise. Das Internetmagazin verstoße gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Außerdem stünden aufgrund der zu den Plakaten des ZDF identischen Gestaltung urheberrechtliche Aspekte im Raum. Neben Unterlassungsansprüchen werden auch Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Der Streitwert ist mit 100.000 Euro von den Anwälten des ZDF sehr hoch, die Frist ist hingegen sehr knapp gesetzt: Die Betreiber sollten bis zum 1. Dezember eine umfassende Unterlassungserklärung unterzeichnen. "Hier wird unter dem Deckmantel des Marken- und Urheberrechts versucht, kritische Stimmen mundtot zu machen. Natürlich eckt Kritik an. Täte sie das nicht, wäre sie nutzlos. Gerade weil sie es tut, gehört sie aber zu den Grundfesten der demokratischen Verfasstheit unseres Gemeinwesens", so der Sprecher von Sopos.org. "Eine Marke kann grundsätzlich nur bei geschäftlicher Nutzung geschädigt werden. Eine freie Meinungsäußerung ohne geschäftliche Absicht kann nicht aufgrund des Markenrechtes untersagt werden. Dies käme faktisch einer Abschaffung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gleich. Dass nun ein solcher Vorstoß ausgerechnet von einem großen öffentlich-rechtlichen Rundfunksender mit praktisch unbegrenzten finanziellen Mitteln aus Rundfunkgebühren kommt, macht die Angelegenheit in hohem Maße politisch skandalös." Der gesetzliche Auftrag dieser Anstalt des öffentlichen Rechtes besteht offiziell darin, dem Zuschauer ein umfassendes und ausgewogenes Angebot von Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung zu geben und die Kultur der freien Meinungsäußerung zu pflegen. Nicht ohne Grund wurden ja auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit einer weitreichenden Unabhängigkeit gegenüber den staatlichen Institutionen ausgestattet. Obwohl die Rechtslage zugunsten Sopos.org eindeutig ist, haben die Betreiber des Internetmagazins die Satire aus dem Netz genommen. Als Privatpersonen wären sie finanziell nicht in der Lage, einen Prozeß mit einem Streitwert in Höhe von 100.000 Euro durchzustehen. | ||
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