Als Fördermitglied von Radio Flora und distanzierter aber aufmerksamer Beobachter möchte ich zu einigen Aussagen des Artikels "Radiofeature “Die Kampagne” zensiert" Stellung beziehen:
Ich finde es gut, die Geschichte von Radio Flora aufzuarbeiten und auch selbstkritisch in einem Radiofeature zu thematisieren. Es ist sehr bedauerlich, dass das Radio vor den aktuellen Problemen steht, und ich sehe die Qualität des Bürgerfunks in Hannover in Gefahr. Einige Spielräume von Gegenöffentlichkeit, partizipativer Demokratie und alternativer Kultur drohen verloren zu gehen.
Allerdings überzieht der Beitrag an einigen Stellen nicht nur im Ton, sondern auch sachlich. Ergänzungen können den Blick auf die Lage schärfen.
1. Teil I-III des Beitrages legen nahe, dass die Interessenskonflikte von „Bezahlten“ und „Ehrenamtlichen“ zu dem „wenig durchdachten und insgesamt unbefriedigenden“ Programm führten, das schließlich die Angriffsfläche für die Landesmedienanstalt abgab. So sehr zudem die Kritik an den Umfragemethoden berechtigt sein mag, in den entscheidenden Gremien helfen diese Argumente wenig. Und von dort kam und kommt schließlich der Druck, das Programm zu ändern – aus welchen Gründen auch immer. Durch Bürgerfunk den kommerziellen Sendern Konkurrenz um knappe Werbung machen zu wollen, liegt aber vermutlich nicht im Interesse „der Wirtschaft“.
2. Zur Aussage „Der bezahlte Musikkoordinator wurde wegen einer flapsigen Bemerkung zur Landesmedienanstalt während eines Bandinterviews entlassen. Außerdem bekam er Hausverbot.“ ist zu „ergänzen“, dass die betroffene Person bereits vorher nicht unumstritten war, sie vielmehr bereits einige Abmahnungen erhalten hatte. Die Entlassung ist in diesem Zusammenhang zu sehen.
3. Basisdemokratie ist ein großes Wort. Ohne ins Prinzipielle gehen zu wollen, bin ich der Meinung, dass die pathetische Kritik organisatorischer Rahmenrichtlinien der Stimmordnung auch die Frage beantworten sollte, wie der ständige Betrieb zu regeln ist. Einmalige Mobilisierung zu Kampfabstimmungen, ständiges Wiederholen und ein permanentes „bei Null anfangen“ frustriert auch Ehrenamtliche. Zudem fällt es auch den bezahlten Mitgliedern bei Flora nicht leicht, ihre Zeit auf Plena zu verbringen. Auch sie erledigen ohne üppige Gehälter zuweilen auf halben Stellen volle Arbeit.
Zu dem auch durch ein Flugblatt verbreiteten Einleitungstext sei gesagt:
Die „Zensur“, der ein „Seltenheitswert in der Radiogeschichte seit 1945“ zugeschrieben wird, ist eine Dramatisierung, die von der eigentlichen Problemlage des Senders ablenkt.
Die krasse Polarisierung „bezahlte Mitarbeiter“ und „Ehrenamtliche“ verkennt, dass der Druck zur Umgestaltung des Radios von anderer Seite her kam, nämlich von Seiten der Landesmedienanstalt.
Ab dem Punkt, ab dem sich die Maximalposition – Radio wie bisher – nicht mehr durchsetzbar war, mussten Kompromisse gemacht werden. Darüber lässt sich diskutieren, und es wurde auch viel darüber diskutiert. In den Verhandlungen, und das heißt besonders gegenüber der Landesmedienanstalt gewann die Außendarstellung des Senders allerdings enorm an Bedeutung. Sie wurde für die eigene Verhandlungsposition wichtig. Eine Absetzung bzw. eine Verhinderung bestimmter Sendungen in diesem Zusammenhang ist somit etwas anderes als politische Zensur, wie es Überschrift und Einleitung nahe legen. Für den Vergleich „seit 1945“ gilt das gleiche. Nicht jede Einschränkung eines Sendeinhaltes ist ein Eingriff in die Meinungsfreiheit.
Ergänzend sollte gesagt werden, dass, soweit ich informiert bin, im Sender die Abmachung bestand, alle diesbezüglichen Inhalte in der Programmkonferenz abzustimmen. Dies ist, soweit ich weiß, im vorliegenden Fall nicht geschehen.
Trotz der internen und externen Schwierigkeiten von Radio Flora hoffe ich weiter auf einen Erhalt möglichst großer Sendeplätze für traditionelles Flora-Programm. In dieser Zeit der Defensive sollte durch unsachgemäße Dramatisierung keine zusätzliche Frustration verursacht und im Zuge verständlicher Enttäuschung kein unnötiger Fehler begangen werden.