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Julia Tymoschenko, Vertraute des neuen ukrainischen Präsidenten, sprach sich nach einem Bericht der Tageszeitung Die Welt für die Integration in die EU aus, »mit treuherzigem Augenaufschlag in Richtung Moskau«: Putin könne es doch nur recht sein, wenn sich die Ukraine etwas schneller dorthin bewege, wohin auch Rußland unterwegs sei. Daß der Westen und allen voran die US-Regierung es im Dezember 2004 endlich erreichten, ihren Kandidaten Wiktor Juschtschenko zum Präsidenten küren zu lassen, wurde von den meisten Medien als der Beginn einer demokratischen Entwicklung inklusive Marktwirtschaft, Öffnung des Landes zum Westen und Abkehr vom russischen Einfluß gedeutet. Offensichtlich hatten zuvor in der Ukraine Chaos und Altkommunisten geherrscht. Tatsächlich war aber der frühere Präsident Kutschma, dessen Amtszeit verfassungsgemäß 2004 auslief, ein enger Freund des Westens; er arbeitete mit dem Internationalen Währungsfonds zusammen, sprach sich für eine EU-Mitglied-schaft aus, stellte im Mai 2002 sogar einen formellen Antrag auf NATO-Mit-gliedschaft und entsandte 2003 Truppen in den Irak, um die US-amerikanische Besatzung des Landes zu unterstützen. Jedoch ließ er nie die geringsten Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen, an der Unabhängigkeit der Ukraine festzuhalten. Denn sie ist der Garant für den Reichtum der ukrainischen Elite. Die Auflösung der Sowjetunion, die Kutschmas Vorgänger Krawtschuk Ende 1991 gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Boris Jelzin und dem weißrussischen Stanislaw Schuschkewitsch besiegelt hatte, schuf die Voraussetzung für die Konzentration des gesellschaftlichen Reichtums in den Händen einiger weniger Oligarchenclans. Diese »wilde Privatisierung« vollzog sich während der neunziger Jahre in der Ukraine ebenso wie in Rußland und wurde vom Westen vorbehaltlos unterstützt. Juschtschenko stand Kutschma in der Zeit der wilden Privatisierungen loyal zur Seite. Er hatte bereits 1993 den Vorsitz der ukrainischen Zentralbank übernommen und diente als Verbindungsmann zur internationalen Finanzwelt. 1999 berief Kutschma ihn zum Premierminister, entließ ihn aber im April 2001. Offenbar stieß Juschtschenkos Bestreben, durch eine Reform des Energiesektors das Land viel weiter für internationales Kapital zu öffnen, auf den Widerstand der einheimischen Oligarchen. Nach einer Übergangslösung ernannte Kutschma Wiktor Janukowitsch zum Ministerpräsidenten, der als loyaler Repräsentant des ukrainischen Raubkapitalismus galt. Möglicherweise gründen hier die Vorbehalte, die Washington veranlaßten, einen willigen Kandidaten für das ukrainische Präsidentenamt zu suchen. Es geht um die Kontrolle über die Öl- und Gaspipelines und deren Nutzung. Rußland braucht die Ukraine als wichtigstes Transitland für seine Öl- und Gasexporte. Die großen Pipelines, die seit den siebziger Jahren zwischen den sowjetischen Öl- und Gasfeldern und Westeuropa gebaut wurden, führen über ukrainisches Territorium. Die USA und die Europäische Union ihrerseits bemühen sich seit langem, eine Transportroute für das Öl aus dem Kaspischen Raum zu errichten, die an Rußland vorbeiführt, und wollen dazu auch die Ukraine nutzen. Zu diesem Zweck wurde die Pipeline von Odessa nach Brody gebaut, die das Schwarze Meer mit der polnischen Grenze verbindet. So wurde es theoretisch möglich, das kaspische Öl durch Georgien hindurch ans Schwarze Meer und nach einem kurzen Seetransport direkt in polnische Raffinerien und weiter nach Europa zu pumpen. Nicht nur Rußland, sondern auch der Flaschenhals Bosporus würden umgangen. Die 674 Kilometer lange Pipeline wurde bereits im Mai 2002 fertig gestellt und steht seither leer. Zum einen fehlt das Öl aus dem kaspischen Raum, zum andern der Anschluß in Polen, mit dessen Bau noch gar nicht begonnen wurde. Die ukrainische Regierung verhandelte schließlich mit russischen Ölkonzernen über eine Nutzung der Pipeline in anderer Richtung. Russisches Öl könnte in Odessa verladen, über das Schwarze Meer verschifft und auf den Weltmarkt exportiert werden. Fünf Monate lang wurde ein Teilstück der Pipeline tatsächlich für diesen Zwecke benutzt. Das ließ in Washington die Alarmglocken schrillen. Im Februar 2004 gab die ukrainische Regierung nach; seitdem steht die Pipeline wieder still. Ferner betrachteten die Vereinigten Staaten mit Argwohn, wie russische Energiekonzerne sich die Nutzung der ukrainischen Erdöl- und Gaspipelines sicherten. So legt ein Abkommen zwischen der russischen Gasprom und der ukrainischen Naftogas fest, daß alle Entscheidungen über das internationale Gas-Transitsystem durch die Ukraine von beiden Gesellschaften gemeinsam getroffen werden müssen. Damit erhält Gasprom ein Vetorecht über ukrainische Entscheidungen hinsichtlich des Gas-Transitsystems. Die Regierung Bush versteht sich als verlängerter Arm der eigenen Ölindustrie; sie zögerte deshalb nicht, massiv in die Innenpolitik der Ukraine einzugreifen und im Vorfeld der Präsidentenwahl 2004 einen eigenen Kandidaten aufzubauen: Von Juschtschenko wird eine pro-amerikanische Haltung erwartet. Allerdings gelang es erst im zweiten Anlauf, den eigenen Mann durchzusetzen. Geschickt von westlichen Medien in Szene gesetzt und von Nichtregierungsorganisationen finanziell unterstützt – auch von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung –, fand in der Ukraine die sogenannte orangene Revolution statt. Die Botschaft ist eindeutig: Mit Juschtschenko als Präsident beginnt das demokratische Zeitalter. Was ist damit gemeint. Hierzu der Kommentar der Süddeutschen Zeitung: »Eines wird Juschtschenko sicher nicht leisten können: die Monopole der Industrieoligarchen schnell zu brechen. Er wird behutsam vorgehen müssen, doch die Chancen, sie mittelfristig in eine Marktwirtschaft einzubinden, stehen gar nicht so schlecht. Denn die Oligarchen, die ihr Vermögen in den neunziger Jahren zum Teil mit kriminellen Methoden zusammengerafft haben, sind selber an Rechtssicherheit interessiert – und an Prestige: Sie wollen nämlich auch international als Teil der ukrainischen Elite anerkannt werden. [...] Der wilde Mafiakapitalismus will sich einen gediegenen Anstrich geben – und dies paßt sich durchaus in das Programm zur Demokratisierung des Landes ein. Daß die meisten Oligarchen, sollten sie zu guten Steuerzahlern werden, ungeschoren davonkommen dürften, weil ihnen kaum kriminelles Handeln nachgewiesen werden kann, wird wohl ein Preis für den Neuanfang sein.« Das also ist die ukrainische Demokratie: Rechtssicherheit für die Oligarchen, die ihr Vermögen mit kriminellen Methoden zusammengerafft haben, und ein gediegener Anstrich für den Raubkapitalismus. Die erste Voraussetzung für die Einführung demokratischer Verhältnisse, die diesen Namen verdienen, bestünde darin, die Vormacht der Industrie- und Fi-nanzoligarchen zu brechen. Dazu müßten die unrechtmäßig erworbenen Vermögen eingezogen und für gesellschaftliche Aufgaben zur Verfügung gestellt werden: Altersversorgung, Bildung, Krankenversorgung, Sicherung von Arbeitsplätzen und Ausbau der Infrastruktur. Eine solche Perspektive würde die Kluft zwischen dem Osten und dem Westen des Landes, die die Ukraine zu zerreißen droht, rasch überwinden und die wirklichen gesellschaftlichen Widersprüche offenlegen – den Gegensatz zwischen der neureichen Elite und der Masse der Bevölkerung. Dies allerdings steht nicht auf der Tagesordnung. Die sogenannte orangene Revolution hat bei all ihrem pompösen Gehabe nichts umgewälzt. Sie hat lediglich eine Clique der besitzenden Elite durch eine andere ersetzt. Bemerkenswert übrigens, daß bei der umfangreichen Berichterstattung der deutschen Massenmedien über die Machtverschiebungen in der Ukraine eine naheliegende Erinnerung an die Geschichte gar nicht aufkam: Im Ersten und im Zweiten Weltkrieg zielte die deutsche Expansionspolitik darauf ab, das ukrainische Terrain unter die Oberhoheit des Deutschen Reiches zu bringen. Die dortigen agrarischen Güter und Rohstoffe waren begehrt. 1917/1918 und 1941/43 schienen solche Absichten kurzzeitig realisiert. Nun scheint das, was mit zwei Weltkriegen angestrebt wurde, per »Revolution« zu gelingen. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 2/2005 |
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