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Sie hielten eine Fraktionssitzung ab, während Lafontaine auf einer vom Stadtvorstand der Partei organisierten Veranstaltung seine Argumente gegen die Verschleuderung öffentlichen Eigentums erläuterte. Gegen alle programmatischen Ankündigungen, Wahlversprechen und Beschlüsse von Parteigremien lieferte dann die Mehrheit der Linkspartei-Stadträte die entscheidenden Stimmen für die Privatisierung. Genau ein Jahr nach Lafontaines Warnungen vor dem Verlust von kommunalpolitischem Einfluß auf die Miethöhe, vor dem Abbau von demokratischer Mitwirkung, vor der Illusion einer längerfristigen Schuldenfreiheit der Stadt erhielten jüngst die ersten 3000 Mieter der an den US-Finanzfonds Fortress verkauften Wohnungen Bescheide, daß sie bis zu 15 Prozent mehr Grundmiete zu zahlen hätten. Die Befürworter der Privatisierung in der Linkspartei.PDS halten das für normal. Lokale und überregionale Medien wie die FAZ berichten von einer möglichen Spaltung der Partei in der Stadt. Dresden ist nur ein Beispiel für das Markenzeichen der Linkspartei.PDS: Wo sie mitbestimmen kann, von Gemeinden bis zu Landesregierungen, verhalten sich ihre Mandatsträger so, als hätten sie mit der eigenen Partei nichts zu tun. An Zynismus gegenüber den Mitgliedern und Wählern fehlte es nie. Sie gelten den Parteioberen durchweg als »rückständig«, »nicht angekommen«, oder ihnen wird vorgerechnet, wie gut sie es haben, wenn ihnen die Einkommen gekürzt werden – so nach dem fristlosen Austritt des Berliner SPD/PDS-Senats aus den Arbeitgeberverbänden für den öffentlichen Dienst Anfang 2003. Der »rot-rote« Senat spielte (Stichworte: Wohnungsverkauf und Sparkassenprivatisierung) immer wieder eine Vorreiterrolle bei der Durchsetzung neoliberaler Politik in der Bundesrepublik. Die Streichung der Lernmittelfreiheit geschah nahezu geräuschlos, und vornehm hielt man sich von jedem Protest gegen Bush fern – in Ostberlin, wo die PDS bei den Abgeordnetenhauswahlen 2001 fast die absolute Mehrheit errungen hatte, sorgte die Partei für Ruhe. Wenn man »Verbesserung der Lebenslage von Armen, Patienten, Kindern, Jugendlichen und Alten« als Kriterium für kluge und gute Politik nimmt, wird man bei der PDS kaum fündig werden. Der Jurist Hermann Klenner sprach kürzlich (in seiner Laudatio auf den Philosophen Hans Heinz Holz in der Berliner Humboldt-Universität) von einem »Diätenklüngel«, der in der Linkspartei.PDS das Sagen habe. Dieser Klüngel, in früheren Zeiten war auch die Rede von einem »Küchenkabinett«, bestimmt wesentlich das Erscheinungsbild der Partei in der Öffentlichkeit. Durch penetrante Anbiederung an die Schröder-SPD, zu deren »Westentaschenreserve« er sie reduzierte, vergeigte er im Wahlkampf 2002 ihre bundespolitische Rolle; nur zwei direkt gewählte Abgeordnete, Gesine Lötzsch und Petra Pau, kamen in den Bundestag. Die Fehleinschätzung der Lage durch die Wahlkampfmanager der Partei korrespondiert mit dem abstrusen Gesellschaftsbild, das in der Programmatik vorherrscht. Es läuft darauf hinaus, kontrafaktisch im Kapitalismus eine Tendenz zu Demokratie und Harmonie zu halluzinieren, für die es zwar wenig Argumente, aber eine starke emotionale Basis gibt: Haß auf den realen Sozialismus und die DDR. Die Entschuldigung für die DDR war eine Zeitlang erste Pflichtübung bei Auftritten der Parteioberen, wenn nicht gar primitiver Antikommunismus à la Adenauer verbreitet wurde. Musterfälle waren die Präambel zum Koalitionsvertrag von SPD und PDS 2002 in Berlin mit ihrer Reduzierung der DDR auf »Totalitarismus« und »Menschenverachtung« sowie die Rede zum 20. Juli 2005, in der Berlins Bürgermeister und Wirtschaftssenator Harald Wolf den Widerstand gegen Hitler im Aufstand vom 17. Juni 1953 und der Beseitigung der DDR 1989/90 fortgesetzt fand. Die Klassifizierung von Kapitalismuskritik als »altes« Denken, »Gewißheiten von gestern«, »Stalinismus« oder – wie jüngst mit Bezug auf die Erklärung Christian Klars für die Rosa-Luxemburg-Konferenz – als »verstaubt« ist ein durchgängiger Faden in der Geschichte der PDS. Kurz, die Distanzierung von jedweder sozialistischen Tradition war das oberste Gebot der PDS, das sich hinter dem oft beschworenen »Gründungskonsens«, dem »Bruch mit dem Stalinismus«, verbarg. Prominente Linke wie Diether Dehm oder Uwe Hiksch, die aus der SPD in die PDS gekommen waren, sahen sich dort zu ihrer Überraschung schnell als Linksradikale identifiziert. Ihnen half auch die Beteuerung nicht, daß sie klassisch sozialdemokratische Grundsätze vertreten – sie wurden, ganz in der Manier, die angeblich nur unter Stalin herrschte, vornehmlich von den ostdeutschen PDS-Landesvorsitzenden aus ihren Ämtern als stellvertretender Parteivorsitzender beziehungsweise Bundesgeschäftsführer gedrängt. Das war 2003. Zwei Jahre später änderte sich die Situation grundlegend. Die »untote« PDS wurde wiederbelebt, als sich Oskar Lafontaine entschloß, bei der vorgezogenen Bundestagswahl zu kandidieren, und auch Gregor Gysi gewonnen werden konnte. Mit den beiden Zugpferden erhielt die Linkspartei.PDS mehr als vier Millionen Stimmen. Die Linksfraktion unterhält im Bundestag gestützt auf Staatsgelder seitdem einen mittelständischen Betrieb von etwa 350 Personen. Es schwinden allerdings die Parteimitglieder. Die Linkspartei hat noch etwa 60.000 (1990: 285.000, 1995: 115.000, 2000: 71.000), davon etwa zwei Drittel im Rentenalter. Die Hälfte ist über 70 Jahre alt, lediglich 7,7 Prozent sind jünger als 41 Jahre. Immerhin soll es 2005 einen leichten Zuwachs gegeben haben. Mit dem Wahlerfolg von 2005 mußte die Perspektive der PDS als ostdeutscher Regionalpartei (vorläufig?) aufgegeben werden. Welche Gefahr die meisten ostdeutschen Landesverbände darin sehen, stellte sich zuletzt heraus, als die »Konferenz der Fraktionsvorsitzenden« Mitte Februar die »Dessauer Erklärung« verabschiedete – ein Papier, das die Errungenschaften des Mitregierens in Berlin, Schwerin und des Tolerierens in Magdeburg preist, aber kein Wort darüber verliert, woraus die zum Teil drastischen Niederlagen bei Landtagswahlen (Halbierung der Stimmenzahl in Berlin) resultieren. Es darf als Anti-Lafontaine-Papier gewertet werden, da der ehemalige SPD-Vorsitzende immer wieder Kriterien für eine Regierungsbeteiligung genannt hat, die in der Dessauer Erklärung nicht auftauchen. Zu einer offenen Auseinandersetzung wird es in naher Zukunft nicht kommen, aber Munition wird gesammelt, Bataillone werden aufgestellt. Sollte »Die Linke« unter dem Vorsitzenden Lafontaine Wahlen deutlich verlieren, könnte die Phase des demonstrativen Ignorierens, der indirekten Polemik oder der individuellen verbalen Entgleisung rasch vorüber sein. Ein Test findet bereits im Mai bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen statt. Die Linkspartei.PDS war, das Resümee läßt sich ziehen, von ihren führenden Kräften offenbar stets als eine Übergangspartei gedacht – für den friedlich-schiedlichen Übergang eventuell rebellierender Teile der ostdeutschen Bevölkerung in die Bundesrepublik. Ihr Ziel war nie die Mobilisierung von Opposition, sondern deren Sedierung, nicht das Erkämpfen von menschenwürdigen Verhältnissen für Arbeitslose und Abgewickelte, sondern das »Ankommen«. Diese Mission ist beendet. »Die Linke« und ihre Zukunft sind ein anderes Thema. Bemerkenswert ist das Tempo, mit dem die Bundeskanzlerin die CDU für den nächsten Wahlkampf als ökosoziale Erfolgstruppe aufstellt. Die neue Partei wird viel in Programm, Strategie und Personal investieren müssen, wenn sie bestehen will. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 5/2007 |
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