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Ausgerechnet dieser »Kartätschenprinz« wurde dann erster Kaiser des ersten deutschen Nationalstaats (1871–1945), der immer das Militär bereithielt, um den »inneren Feinden« Gewalt anzudrohen oder Gewalt gegen sie einzusetzen. 1918–20 war es ausgerechnet ein sozialdemokratischer Reichswehrminister, Gustav Noske, der reaktionäre Freikorps-Truppen gegen die eigenen Landsleute einsetzte, was den Bürgerkrieg eskalierte und Tausenden das Leben kostete. In der nationalsozialistischen Zeit wurden die Grenzen zwischen Militär und Polizei bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Soldaten bewachten KZs, und Polizisten mordeten hinter den Fronten. Aus diesen durchgängig negativen Erfahrungen zog der Verfassungsgeber der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 die richtigen Konsequenzen: Er schrieb im Grundgesetz die strikte Trennung von Polizei und Militär fest. Die Polizei ist für die Sicherheit im Innern zuständig, das Militär für die Sicherheit nach außen. Entsprechend unterschiedlich werden Polizisten und Soldaten ausgebildet. Ein Polizist lernt, nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu handeln. Ein Soldat denkt und operiert in den Kategorien von Sieg und Niederlage. Deeskalation hat er nicht gelernt. Die Bundesrepublik ist mit dieser Grundgesetz-Regelung nun schon 58 Jahre lang gut gefahren. Gibt es wirklich einen triftigen Grund, diese Errungenschaft preiszugeben? Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble bejaht diese Frage seit langem. Nicht erst seit dem Terrorakt vom 11. September 2001, sondern schon seit der deutschen Einigung. Mal wollte er die Bundeswehr an den Landesgrenzen einsetzen, um den Zustrom illegaler Flüchtlinge zu unterbinden – als ob es keinen Bundesgrenzschutz gäbe! Mal wollte er Fußballstadien durch Soldaten schützen lassen – als ob es keine Polizei gäbe! Nun will er das Grundgesetz geändert sehen, damit potentielle Flugzeugterroristen rechtmäßig durch Flugzeuge der Bundesluftwaffe abgeschossen werden können – als ob es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht gäbe, das unter Hinweis auf Artikel 1 des Grundgesetzes eben dies verboten hat! Man muß sehen: Schäubles Risiko-Szenarien wechselten mehrfach, doch sein politisches Ziel blieb immer das gleiche: Die Regierung soll das Recht erlangen, alle staatlichen Machtmittel, auch das Militär, im Innern einzusetzen, und zwar nicht nach Polizeirecht, sondern nach Kriegsrecht. Angesichts dieses hartnäckigen Festhaltens des heutigen Bundesinnenministers an seinem Ziel fragt man sich: Wo liegen eigentlich die Motive Schäubles? Ist es ein ausgeprägtes, überzogenes Sicherheitsstreben? Oder haben wir es mit einem Verständnis von staatlicher Macht zu tun, das wir aus früheren Phasen der deutschen Geschichte kennen? Muß die Regierung unseres demokratischen Staates wirklich das Recht haben, alle Machtmittel, auch das Militär, im Innern einsetzen zu können? Ist die Polizei wirklich überfordert? Schäuble hat bei seinen politischen Vorstößen, wie erkennbar, nicht einen einzelnen Risikofall im Sinn, sondern etwas Grundsätzliches. In den neunziger Jahren haben wir erlebt, wie wir mit einer strategisch geplanten Salamitaktik widerstrebend an Bundeswehreinsätze »out of area«, also weltweit, gewöhnt wurden. Sollen wir jetzt, in einer Neuauflage dieser Taktik, allmählich an Bundeswehreinsätze im Innern gewöhnt werden? Verteidigungsminister Jung spricht sich ebenfalls für einen militärisch instrumentierten Anti-Terror-Kampf aus. Beunruhigendes liest man über den innenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz. Es spiele ein »Doppelspiel«, vertrete in der Öffentlichkeit die ablehnende Position seiner Partei, sei in Wirklichkeit aber »der heimliche Verbündete Schäubles« ( Badische Zeitung ). Bislang hat die SPD gegen alle Bestrebungen, das Militär auch im Innern einsetzen zu können, eindeutig Stellung bezogen und einen klaren Kurs gehalten. Stellt Wiefelspütz diesen Kurs nunmehr in Frage? Nicht der Frankfurter Sperrholzflieger, der einmal Schlagzeilen machte, ist das Problem. Was auf dem Spiel steht, ist der Verfassungsgrundsatz, daß das Militär in inneren Konflikten nichts zu suchen hat. Politik und Polizei waren bislang fähig, die Risiken zu meistern, auch die an den Grenzen und in den Fußballstadien. Hier kriegsähnliche Situationen zu konstruieren, wie es einigen Politikern der Regierungsparteien vorzuschweben scheint, ist ein Spiel mit dem Feuer. Es muß dabei bleiben: Für die innere Sicherheit ist die Polizei zuständig und nicht das Militär. Gegen Tendenzen zur Militarisierung der Innenpolitik ist Wachsamkeit angesagt. Prof. Dr. Wolfram Wette, früher im Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr tätig, lehrt jetzt an der Universität Freiburg. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 2/2007 |
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