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CDU/CSU und FDP werden die gescheiterte Politik Schröders fortsetzen, und zwar noch radikaler. Diese Lage ruft geradezu nach einem Linksbündnis, das im Parlament eine fundamentale Gegenposition formuliert. Die Umfragen zeigen: Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung sieht das so. Aber wie weit das Linksbündnis wirklich linke Politik vertreten wird, ist zweifelhaft. Das unter maßgeblicher Mitwirkung Gregor Gysis geschlossene Regierungsbündnis im Berliner Rathaus und die dort seitdem betriebene Politik geben zu denken. Oder nehmen wir ein konkretes bundespolitisches Beispielt: die Frage, ob Oskar Lafontaine in Migrationsfragen zu einem humanitären Kurs bereit ist. Denn Mißtrauen ist angebracht, nicht etwa nur wegen des vor kurzem von ihm verwendeten Begriffs »Fremdarbeiter«, wozu Lafontaine noch halbwegs nachvollziehbar erklärt hat, er habe einem Lohndumping entgegentreten wollen. Daß Unternehmer Löhne drücken und Arbeitnehmer gegeneinander ausspielen, ist eine Realität. Um so eigentümlicher klang dann, was er auf dem WASG-Parteitag am 3. Juli 2005 sagte: »Die Nazis waren nicht fremdenfeindlich, sondern in erster Linie rassistisch, denn sie haben Fremde im Deutschen Reich beschäftigt.« Daß die Nazis nicht fremdenfeindlich gewesen seien, ist schon eine kühne Behauptung. Aber selbst wenn man sich nicht an diesem aktuellen Vorgang festbeißt, ist festzustellen, daß Lafontaine in der Vergangenheit schon oft unvertretbare Stimmungsmache betrieben hat. Sehr merkwürdig war beispielsweise der Zuspruch, den Lafontaine dem Frankfurter Polizeichef Wolfgang Daschner spendete, als dieser einem inhaftierten Kindesentführer mit Folter drohte. Obwohl das Grundgesetz, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Anti-Folter-Konvention der UNO die Folter klar verbieten, setzte in der BRD eine Debatte ein, deren eindeutiges Ziel es war, dieses Verbot zu relativieren. Selbstverständlich würden in Deutschland dann bald alle Dämme brechen. Schon jetzt ist deutlich zu beobachten, wie sich diverse Äußerungen von Verständnis für die Anwendung von Folter auswirken: Drei Grundgesetz-Kommentare halten jetzt Folter unter bestimmten Umständen für statthaft. Eine solche Erosion des Grundrechtsbewußtseins wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Vorgearbeitet hat vor allem die Bild -Zeitung – in der Lafontaine lange Zeit regelmäßig eine Kolumne schrieb. Als ihn nun die Grünen deswegen angriffen, suchte er in der taz vom 28. Juni 2005 sein Heil in einem – teilweise berechtigten – Gegenangriff. Wörtlich erklärte er da: »Die Grünen haben doch der Folter unschuldiger Menschen in großem Umfang zugestimmt – nämlich in Jugoslawien und Afghanistan im Rahmen der Angriffskriege. Offensichtlich verschließen sie die Augen vor den Folgen ihres Handelns. Im Fall Daschner haben sie das Problem nicht verstanden. Meine Hauptkritikerin Claudia Roth ist ja der Meinung, daß der Staat tatenlos zusehen soll, wie ein Kind gequält und gefoltert wird und in einer solchen Situation dem feststehenden Täter keine Gewalt androhen darf. Diese von der großen Mehrheit des Volks ebenfalls abgelehnte Prinzipienreiterei teile ich nicht.« Damit legte Lafontaine ein klares Bekenntnis zur Zulässigkeit polizeilicher Folter ab. Im Sommer 2004 verteidigte Lafontaine die Pläne von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), in Nordafrika Lager für Flüchtlinge einzurichten, damit diese nicht mehr versuchen, in Booten die italienische Küste zu erreichen. Diese Abschottung gegen Flüchtlinge, für deren Durchsetzung SPD-Politiker wie Dieter Wiefelspütz sogar den Einsatz der NATO forderten, wurde von allen Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert. Lafontaine dagegen schrieb in einem Beitrag für die Bild- Zeitung, Schily habe Recht mit seinem Vorschlag. Als Begründung benutzte Lafontaine die Behauptung, unter »den 15 Prozent«, die Afrika verließen, seien »nicht die Schwachen, die Alten, die Kranken und die elternlosen Kinder«. Es seien in der Regel vielmehr »die Gesunden, die Leistungsfähigen, die nach Europa wollen, um besser zu leben«. Lafontaine fügte hinzu, es wäre gerechter, die Hilfen für Afrika aufzustocken, statt die Sozialausgaben für die ankommenden Flüchtlinge weiter zu erhöhen. Dieses Gegeneinanderausspielen verschiedener hilfsbedürftiger Gruppen ist ein typisches Argumentationsmuster der Konservativen. In seinem taz- Interview rückte Lafontaine übrigens keinen Millimeter von Schily ab, sondern versuchte sich mit einem Hinweis auf das humanitäre Engagement seiner Frau aus der Affäre zu stehlen. Das wirft die Frage auf: Wie wird ein Linksbündnis im Bundestag bei diesem Thema agieren, denn Schily hat seinen Plan noch lange nicht ad acta gelegt, sondern versucht ihn mit Hilfe der EU durchzusetzen. Sein möglicher Nachfolger Günther Beckstein (CSU) würde nahtlos an diese inhumane Politik anknüpfen. Das Thema »Auffanglager« ist also noch aktuell. Aber lange zurück liegt ein anderer Streit zwischen den Parteien, so daß sich viele nicht mehr daran erinnern werden. Man kann es aber nachlesen: Es war Oskar Lafontaine, der 1989 jene Debatte über angeblichen »Asylmißbrauch« in Gang setzte, die 1993 in die faktische Abschaffung des Asylrechtes mündete. Lafontaine brachte als erster in der SPD die sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ins Gespräch mit dem Ziel, Flüchtlingen aus diesen Ländern Asyl zu verwehren. Die taz schrieb am 23. September 1992: »Der Quertreiber und stellvertretende SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine findet die neuesten CDU-Vorschläge gut. Flüchtlinge aus Ländern, in denen es keine politische Verfolgung gebe, so Lafontaine, hätten auch keinen Anspruch auf eine individuelle Prüfung von Asylanträgen.« Und es war Lafontaine, der als damaliger Ministerpräsident des Saarlandes noch lange vor der Einführung eines Asylbewerberleistungsgesetzes die Sozialhilfe für Flüchtlinge nicht mehr auszahlte, sondern auf Sachleistungen umstellte. Mit seiner Rhetorik, zusammen mit einer Kampagne in der konservativen Presse, gelang es, das Asylrecht sturmreif zu schießen. Schrittweise zog Lafontaine die Sozialdemokratie auf seine Seite, bis sie den Widerstand gegen die CDU/CSU aufgab und in einer faktischen großen Koalition der faktischen Abschaffung des Asylrechtes zustimmte. Kernstück das damals (1993) so genannten Asylkompromisses war die »Drittstaatenregelung«. Damit wurde es möglich, Asylbewerber, die aus »sicheren« Nachbarländern oder per Flugzeug aus anderen »sicheren Drittstaaten« in die BRD einreisen wollten, ohne weitere Prüfung zurückzuweisen, eine frühe Form der heute leider in der EU allseits gebräuchlichen »Auslagerung« des Flüchtlingsschutzes. Lafontaine sprach damals »von einem wirklichen Schritt nach vorne«. Weitsichtiger als Lafontaine erwies sich damals SPD-Vorstandsmitglied Peter von Oertzen (inzwischen auch bei der WAGS). Er meinte, möglicherweise habe die SPD sich über die Konsequenzen ihres Parteitagsbeschlusses zum Asyl getäuscht: »Tatsächlich bedeutet diese Vereinbarung, daß die Bundesrepublik praktisch so gut wie keine Asylbewerber mehr aufnehmen muß.« Heute liegt die Zahl der Asylanträge in der BRD auf einem historischen Tiefststand, die Anerkennungsquote ist gering. Damit hat das Bundesamt für Migration viel Arbeitskapazität frei. Diese nutzt der Präsident des Bundesamtes, Albert Schmid (SPD) für massenhafte Asylwiderrufsverfahren. Betroffen sind Flüchtlinge, die oft schon zehn Jahre und länger als anerkannte Asylbewerber in Deutschland leben. Das vor einem Jahr beschlossene Zuwanderungsgesetz war ein weiterer Baustein zur Abschottung, nicht etwa ein Türöffner für Migranten. Die Abschiebepraxis ist unmenschlicher denn je. Erst vor wenigen Tagen hat sich ein Pilot geweigert, eine Familie nach Slowenien auszufliegen. Die Mutter der Flüchtlingsfamilie hatte zwei Selbstmordversuche hinter sich. Die Abschiebung wurde dennoch einen Tag später vollzogen. Die Innenministerkonferenz schreckte am 24. Juni 2005 nicht davor zurück, Abschiebungen ins Kosovo und nach Afghanistan anzuordnen. Dort droht den Flüchtlingen Gefahr für Leib und Leben. Und Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) hat den Wahlkampf mit der Warnung vor »massenhafter Zuwanderung« (die es in Wahrheit gar nicht gibt) begonnen, wohl wissend, daß er damit fremdenfeindliche Reflexe bedient. Oskar Lafontaine muß sich die Frage nach seiner Mitschuld an der heutigen rigiden Ausländerpolitik gefallen lassen. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 14/2005 |
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