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Wie in den 1920er Jahren zogen sich die USA auf ihr nationales Interesse zurück, freilich mit dem ganz anderen Hintergrund an finanzieller und militärischer Macht, den sie sich seitdem geschaffen hatten. Sie allein waren jetzt in der Lage, die Interessen des globalen Kapitals jederzeit zu schützen und gegen widerstreitende Interessen durchzusetzen. Folglich hatten sie auch das Kapital aller Länder auf ihrer Seite und konnten es für sich mobilisieren. Damals waren sie sowohl real- als auch finanzwirtschaftlich überlegen gewesen, jetzt dagegen mußten sie ihre realwirtschaftliche Schwäche durch finanzwirtschaftliche und militärische Stärke kompensieren. Klammern wir die Rüs-tungspolitik erst einmal aus; von ihr wird im nächsten Heft die Rede sein. Finanzpolitisch kompensierten die USA ihre Schwäche, indem sie sich nicht mehr als Stabilisator der Weltwirtschaft betätigten, sondern zunächst als Destabilisator, um dann nach eigenem Belieben den Stabilisator spielen zu können. Und da der Finanzmarkt im Kapitalismus gegenüber der Realwirtschaft eine Steuerungsfunktion innehat, erlangten sie indirekt die Kontrolle über die Volkswirtschaften fast der ganzen Welt. Das begann Anfang der 70er Jahre mit der Aufkündigung des Systems von Bretton Woods – aus einer Zwangslage heraus, aber eindeutig im eigenen Interesse der USA. Denn wenn der Dollar seine Leitwährungsfunktion nicht mehr erfüllen konnte, so hätte man auch den Keynesplan von 1944 wieder aufgreifen und ein von jeder nationalen Währung unabhängiges übernationales Zahlungsmittel einführen können, wie es seit 1969 in Form der »Sonderziehungsrechte« ansatzweise schon vorhanden war. So aber trat an die Stelle von Währungskooperation eine Konkurrenz, in der nur noch das Recht des Stärkeren galt. Es ist bezeichnend, daß diejenigen Ökonomen, die dazu rieten, den Außenwert des Geldes den Schwankungen des Marktes zu überlassen, zugleich die politische Stabilisierung seines Binnenwertes forderten (die »Chicago Boys« um Milton Friedman). Wieso ist aber das Auf und Ab der Binnenkaufkraft des Geldes ein Übel, das vermieden werden muß, das Auf und Ab der Wechselkurse dagegen keines, sondern sogar etwas Gutes? Dieser eklatante Widerspruch ist nur zu erklären aus der Interessenlage der USA, ihrem großen Binnenmarkt und der traditionellen Weltbedeutung des Dollar. In der nun ausbrechenden Währungskonkurrenz konnten die USA eigentlich nur gewinnen. Der nächste Schritt zur Erhaltung der Hegemonie, den die US-Administration nun in Angriff nahm, nämlich die Sicherung der Geldwertstabilität im Innern, ergab sich scheinbar ganz von selbst. Denn daß der Dollar nach der Kursfreigabe fiel, konnte den USA zunächst zwar recht sein, weil es ihren Export begünstigte. Da aber andrerseits die immer höheren Importkosten inflationstreibend wirkten, wurde 1979 unter Carter beschlossen, zum Monetarismus überzugehen: Die Zentralbank sorgte jetzt für knappes Geld und ließ die Zinsen steigen. Unter Reagan wurde dann nicht mehr nur die aktuelle Inflation bekämpft, sondern die Geldwertstabilität prinzipiell zum Maßstab der Wirtschaftspolitik gemacht, hinter dem Wachstum und Beschäftigung zurückzustehen hatten. (Wir kennen das von der deutschen Bundesbank.) Entsprechend ging es zwar mit dem Industriestandort USA weiter bergab: Die Arbeitslosigkeit stieg 1982 auf elf Prozent, den höchsten Stand der Nachkriegszeit, und die Insolvenzrate erreichte in den folgenden Jahren sogar einen Stand, der über den der Großen Depression hinausging. Dafür wurden die USA als Finanzzentrum jedoch außerordentlich attraktiv. Es gelang tatsächlich, die Inflation einzudämmen, vier Jahre lang wurden Anlegern die höchsten Zinsen des ganzen Jahrhunderts geboten, und der Außenwert des Dollar ging so steil nach oben, daß schon 1985 der Abstieg der 70er Jahre ausgeglichen war. Kehrseite: Diese Politik trug maßgeblich zur Schuldenkrise der Dritten Welt bei, die 1982 ausbrach. Da die losgelassene Währungskonkurrenz wie jede Konkurrenz nicht zu mehr Zusammenhalt, sondern zu mehr Differenzierung führte, zu einer Spaltung in wenige Gewinner und viele Verlierer, in Hartwährungs- und Weichwährungsländer, Dauergläubiger und Dauerschuldner, folgte ein dritter Schritt: Der Internationale Währungsfonds (IWF) erhielt nun die Aufgabe, diese Spaltung zu stabilisieren. Er diente also nicht etwa als ausgleichende Instanz oder Helfer der Verlierer, sondern hatte dafür zu sorgen, daß die Verlierer nicht verloren gingen: Sie mußten den Gewinnern erhalten bleiben, weil es ohne Verlierer bekanntlich auch keine Gewinner gibt. Mit Zuckerbrot und Peitsche nötigte der IWF fortan – ganz im Gegensatz zu seiner früheren Funktion – die Länder der Dritten Welt, trotz Verschuldung ihren Beitrag zum globalen Angebot zu leisten. Indem er ihnen weiter Kredit gab, zwang er sie zugleich, mit sogenannten Strukturanpassungsprogrammen die Binnennachfrage zu reduzieren und den Export zu steigern – auf daß der Schuldendienst noch geleistet werden konnte. Daß der IWF auf diese Weise nicht nur zu einem Instrument des globalen Finanzkapitals, sondern speziell der USA geworden war, zeigte sich schon 1982 am Beginn der Schuldenkrise: Die Zahlungsunfähigkeit des Nachbarn Mexiko wäre für die Gläubigerbanken in den USA, die die Masse der Kredite vergeben hatten und schon im eigenen Land mit einer Lawine von Insolvenzen zu kämp-fen hatten, zu einer Katastrophe geworden. So sprang der IWF mit dem Geld der Steuerzahler der Welt ein und sicherte mit seinen Auflagen zugleich den Billiglohnstandort Mexiko für die amerikanische Industrie. Auf die Deregulierung des Weltfinanzmarktes folgte also mit Reagans Geld- und Rüstungspolitik die Erneuerung seines Zentrums und schließlich die Einrichtung einer von ihm gelenkten Währungspolizei und -feuerwehr. Insofern ist es nicht ganz richtig, von einem deregulierten Finanzmarkt zu sprechen, denn sofern er keine überparteiliche Instanz kennt, ist er zwar dereguliert, aber nur, um von der stärksten Partei des Marktes in deren Interesse reguliert zu werden. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 10/2004 |
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