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Das Zeitalter der imperialistischen Kämpfe und Kriege um Weltmarktanteile ist also keineswegs vorbei, wie uns noch bis vor kurzem die Propheten der schönen neuen Globalisierung erzählen wollten. Die Kriegsherren der "Neuen Welt" und des "Neuen Europa", Bush und Blair, mögen mit ihren Terrorarmeen vorerst im Irak und anderswo triumphieren - die Führer des "Alten Europa", Schröder und Chirac, rüsten für die Zeit danach, wenn Amerikaner und Briten mit ihren neokolonialen Kriegen die Enttäuschung und den Haß der Eingeborenen kanalisieren müssen und Schwierigkeiten haben werden, neben ihrer Kriegsökonomie noch genügend Potential für die Eroberung der zivilen Märkte aufzubauen. Im allgemeinen Erschrecken über die Bomben auf Basra und Bagdad will der deutsche Kanzler ganz schnell seine "Agenda" abarbeiten: Weg vom Sozialstaat, hin zum "aktivierenden Staat", auf daß die Löhne und Lohnnebenkosten weiter sinken und deutsche Unternehmer noch leichter siegen können auf den internationalen Märkten. 127 Milliarden Euro Handelsüberschuß wie 2002 sind nicht genug! Damit der Handelskrieg auch in Zukunft gewonnen wird, muß an der Heimatfront der Kampf gegen die abhängig Beschäftigten und ihre bisherigen sozialen Absicherungen verschärft werden. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz spricht von einem "Epochenwechsel" und von einer "neuen Dynamik"; Rücksichten auf alte Verbündete wie die Gewerkschaften seien nun hintanzustellen. Insbesondere jene, deren Arbeitsplätze der besseren Rendite wegen schon wegrationalisiert worden sind, und diejenigen, die in nächster Zeit noch aus dem Produktionsprozeß ausgestoßen werden, sollen die staatlichen Grausamkeiten derart zu spüren bekommen, daß man tatsächlich von einem "Krieg gegen Arbeitslose" sprechen muß: Kürzung des Anspruches auf Arbeitslosengeld von bisher 32 Monaten auf 18 Monate für über 55-Jährige, Kürzung auf zwölf Monate für alle unter 55 Jahren. Wer länger arbeitslos ist, wird nur noch Anspruch auf Sozialhilfe haben, weil die bisherige Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe zusammengelegt werden soll, und zwar auf dem Niveau der Sozialhilfe. Noch weiter abwärts geht es durch Anrechnung von Partner- und Verwandteneinkommen. Für jemanden, der mit 50 Jahren arbeitslos wurde und bisher Anspruch auf 900 Euro monatlicher Unterstützung hatte (nach einem früheren Nettoeinkommen von etwa 1500 Euro), kann das bedeuten, daß er nach zwölf Monaten nichts mehr bekommt, wenn z. B. seine Partnerin oder die Eltern über Einkommen oberhalb des Anrechnungssatzes der Sozialhilfe verfügen. Erspartes (wozu auch größere Gebrauchsgüter wie das Auto zählen) muß zuvor aufgebraucht werden. Für jetzt schon 1,7 Millionen Arbeitslosenhilfebezieher, in Zukunft infolge der abgesenkten Anspruchszeit für etwa 2,7 Millionen Arbeitslose bedeutet das die absolute Enteignung. Auch für deren Rentenanwartschaften soll nichts mehr eingezahlt werden, Langzeitarbeitslose bleiben dann bis zum Lebensende abhängig vom Sozialamt. Hierüber und über gewisse Übergangszeiten möchten SPD-Linke noch mit der Regierung verhandeln, um die "im Prinzip für nötig gehaltenen Reformen sozialverträglicher zu gestalten" (Frankfurter Rundschau 12. 4.). Die Sozialhilfe steht ebenfalls zur Disposition: Wer als arbeitsfähig eingestuft wird und einer "zumutbaren" Arbeit nicht nachkommt (wer entscheidet darüber?), soll auf 70 Prozent des Sozialhilfesatzes herabgestuft werden. Ob das mit der vom Grundgesetz-Artikel 1 geforderten Unantastbarkeit der "Würde des Menschen" vereinbar ist, wird noch geprüft; bei Asylbewerbern ist man bisher schon so verfahren, ohne Prüfung. Generell soll über die Höhe der Sozialhilfe neu entschieden werden. Die Arbeitgeber verlangen eine deutliche Senkung, weil sonst die Löhne im Niedrigsektor zu hoch blieben. Andererseits beklagen Sozialverbände, daß schon das bisherige Niveau viel zu niedrig angesetzt ist, um ein menschenwürdiges Leben und ein bisher vom Gesetz gefordertes "sozialkulturelles Existenzminimum" zu gewährleisten. Alle Arbeitslosen, die nicht ganz schnell wieder einen Job finden, werden zu Feinden erklärt. Befriedigt referiert Der Spiegel die Rede des "Radikalreformers" Schröder vor den "Gewerkschaftsbossen" in der SPD-Zentrale am 1. April: "Von den 4,6 Millionen Arbeitslosen sei nur ein Drittel arbeitswillig (›die suchen und finden‹), ein weiteres Drittel lasse sich immerhin ›ziehen und locken‹, das restliche Drittel hingegen müsse der Staat ›schieben‹. Bei diesen Menschen gelte es eine Mentalität zu brechen." Die Unternehmer ermuntern den Kanzler, sich nicht von den "ewig Gestrigen" beirren zu lassen. Diether Klingelnberg, Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, verspricht: "Unsere Unterstützung kann ich Ihnen jedenfalls zusagen." Und der Chef des Zentralverbandes der Elektrotechnik- und Elektroindustrie, Dietmar Harting, freut sich, daß es bisher wenig Proteste gab, "keinen Volksaufstand, ...für mich ein klarer Hinweis, daß die Bevölkerung zu Einschnitten bereit ist." Eins ist sicher: Wenn Stoiber, Merkel und Westerwelle jetzt regierten und die Schröderschen Kampfmaßnahmen gegen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger durchsetzen wollten, gäbe es den Volksaufstand. Wollen die Verantwortlichen in den Gewerkschaften aus falsch verstandener Treue zur SPD wirklich zulassen, daß die Millionen Arbeitslosen wie am Ende der Weimarer Republik aus der Arbeitslosenunterstützung "ausgesteuert" und den Faschisten in die Arme getrieben werden? Wer "bei diesen Menschen" eine "Mentalität brechen" will, ist ein Feind der Arbeiterklasse - auch der Menschen, die noch Arbeit und Lohn haben. Denn die sich neu verschärfenden imperialistischen Wirtschaftskriege werden so etwas Veraltetes wie "Arbeitsplatzgarantie" immer weniger zulassen. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 8/2003 |
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