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Betrachten wir hier nur die angekündigten Einschnitte in den Krankenschutz. Schröder sagt: "Die Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist der wichtigste, auch notwendigste Teil der innenpolitischen Erneuerung, weil wir nur mit einer Reform das hohe Niveau der medizinischen Versorgung für die Zukunft werden sichern können." Und dann wird er konkret: Kein Krankengeld mehr von der GKV, "Praxisgebühren" für jeden Arztbesuch sowie höhere "Zuzahlungen" oder "Selbstbehalte" als "Eigenbeteiligungen" bei Arzt- oder Krankenhausrechnungen. Damit wir uns diese neuerliche Enteignung bisheriger sozialer Standards gefallen lassen, verspricht der Kanzler, "die Beiträge zur Krankenversicherung auf unter 13 Prozent zu drücken". Was von solchen Versprechungen zu halten ist, könnte längst jeder wissen. Rot-Grün wollte die Lohnnebenkosten schon vor vier Jahren auf unter 40 Prozent drücken, tatsächlich liegen sie wieder bei fast 42 Prozent, obwohl die Renten gesenkt wurden und alle Verbraucher Ökosteuer zahlen müssen. Die Arbeitslosigkeit sollte zuerst halbiert, dann auf unter 3,5 Millionen "gedrückt", vor allem sollte die Jugendarbeitslosigkeit beseitigt und mit allem "Sparen", allen "Einschnitten" sollte die Schuldenlast verringert werden - doch immer kam das Gegenteil heraus. Nehmen wir Schröder trotzdem beim Wort und überprüfen seinen angepriesenen Handel: Die versprochene Senkung der Beiträge zur GKV würde ungefähr ein Prozent betragen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden also je 0,5 Prozent weniger Abgaben vom Bruttolohn zu zahlen haben. Wer z.B. 2000 Euro Bruttolohn bekommt, darf sich über zehn Euro mehr auf dem Gehaltskonto freuen. Dafür muß er bei jedem Arztbesuch mit einem Praxis-Eintrittsgeld von wahrscheinlich 15 Euro, bei allen Krankenkosten mit höheren Zuzahlungen und vor allem mit dem Wegfall des Krankengeldes rechnen. Das Krankengeld wird bisher mit 70 Prozent vom Nettolohn nach sechs Wochen Krankheit gewährt - die ersten sechs Wochen besteht noch Anspruch auf Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber. Der Wegfall des Krankengeldes würde bedeuten, daß ein länger Erkrankter ohne jeglichen Anspruch auf Unterstützung vom Sozialstaat dastünde. Arbeitslosengeld kann der Kranke nicht beanspruchen, weil er dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht. Sozialhilfe gibt's erst dann, wenn alle Ersparnisse und Besitztümer, einschließlich Auto, zu Geld gemacht und aufgebraucht sind. So können künftig ein Unfall oder eine andere längere Erkrankung, für die bisher sozialstaatlicher Versicherungsschutz besteht, zu Enteignung und absoluter Verarmung führen. Deshalb spricht auch der Kanzler von der Notwendigkeit, sich gegen das Risiko des ausfallenden Krankengeldes bei längerer Krankheit privat zu versichern. Er behauptet: "Die Kostenbelastung für den Einzelnen durch eine private Versicherung bliebe beherrschbar." Beherrschbar vielleicht, aber zu welchem Preis? Die privaten Versicherungsgesellschaften, deren Lobbyisten dem Kanzleramt diese kreative Maßnahme der "Erneuerung" des Sozialstaates in die Regierungserklärung diktierten, haben die Verträge "für den Einzelnen" schon vorbereitet: Für ca. 20 Euro monatlich man kann sich gegen das von der GKV nicht mehr abgedeckte Risiko privat versichern. Wir bilanzieren den vom Kanzler angepriesenen Handel: Uns wurden 10 Euro Einsparung bei den Lohnnebenkosten versprochen, aber allein die notwendige Privatabsicherung des Krankengeldes kostet 20 Euro. Hinzu kommen Praxisgelder und Zuzahlungen, die allen auf medizinische Hilfe Angewiesenen abverlangt werden. Die Privatversicherer haben schon verlauten lassen, daß diese Kosten bei ihnen nur nach gründlicher Gesundheitsprüfung zu versichern seien, wobei "schlechte Risiken" extrem teuer oder ganz ausgeschlossen würden. So sehen also die Geschäfte des "ehrlichen Maklers" Gerhard Schröder aus. Er sagt: "Die Menschen in den Betrieben und Büros erwarten, daß wir die Belastung durch Steuern und Abgaben senken." Mag ja sein, daß manche von der Bild-Zeitung dumm Gemachten so etwas erwarten. Daß sie dann ihren Anteil an den abgesenkten Lohnnebenkosten privat mit weit mehr als dem Doppelten bezahlen müssen, werden sie wohl nicht erwartet haben. Allerdings gibt es "Menschen in den Betrieben und Büros", nämlich die Firmeninhaber, für die die Senkung der Lohnnebenkosten ein gutes Geschäft wäre: Die Kapitalseite darf ihren Anteil ohne Gegenleistungen auf der Habenseite verbuchen. Das in der Kanzlerrede angekündigte weitere Schreddern des Sozialstaates zeigt in die von Noam Chomsky prognostizierte Richtung: Der Staat wird den Armen genommen, um ihn den Reichen zu geben. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 7/2003 |
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