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Nachdenken über das Unvorstellbare

Soziale Verteidigung gegen den Islamischen Staat

von Christine Schweitzer

1. Einleitung

Auf den ersten Blick mag es angesichts des Leidens der Opfer naiv und anmaßend erscheinen, überhaupt die Frage zu stellen, ob das Konzept der Sozialen Verteidigung – des organisierten gewaltfreien Widerstandes gegen einen Besatzer[1] – Antworten für den Krieg gegen den sog. Islamischen Staat bereithält. Von allen Konflikten, die derzeit bestehen, scheint es kaum einen zu geben, der so schwierig zu bearbeiten ist. Äußeren Einflüssen scheint der IS unzugänglich und seine über das Internet stolz verbreiteten grausamen Taten ersticken jede Vorstellung einer auf den Prinzipien der Gewaltfreiheit beruhenden Überwindung dieser Gewalt. Aber ist diese Unzugänglichkeit wirklich der Fall, oder lassen wir uns von der Fassade der äußersten Grausamkeit, mit dem die Kämpfer des IS gegen alle vorgehen, die sich ihm nicht anschließen wollen, täuschen?

Zunächst einmal möchte ich mit zwei Konzeptionen aufzuräumen, die des Öfteren zu hören sind:

1. Erleben wir mit dem Aufkommen des IS eine neue Phase internationaler Konflikte? Susanne Luithlen hat letztes Jahr schon auf andere, nicht weniger brutale Kriege und Konflikte hingewiesen, die nur viel weniger Aufmerksamkeit gefunden haben: "Im Kongo sind in den 90er Jahren mehr als drei Millionen Menschen oft auf brutalste Weise ums Leben gekommen. Es gilt als die größte humanitäre Katastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg. Allerdings gingen die dortigen Kämpfer ohne internationale PR-Strategie vor, ohne Kommunikation in unserer Richtung und ohne eine weiterführende Ideologie. Im Irak selbst sind, nachzulesen in 'Body Count' der IPPNW von März 2013, in der Folge des Einmarsches der USA und ihrer Verbündeten zum Sturz Saddam Husseins zwischen 1,2 und 1,8 Millionen Menschen gestorben, die ohne diesen Einmarsch noch leben würden. Die meisten sind Opfer der anhaltenden Gewalt geworden. Damit sind als Folge des Einmarsches ca. 5 Prozent der irakischen Bevölkerung gestorben, halb so viele, wie in Deutschland im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen sind. Weder das massenhafte gewaltsame Sterben im Kongo noch das im Irak hat in der Bundesregierung einen vergleichbaren Positionierungs- oder Handlungsdruck erzeugt."[2] Man könnte hinzufügen: Aus diesen Konflikten haben außerdem nur weniger Flüchtlinge zu uns gefunden.
Auch der transnationale Charakter des IS – sein Wirken über Grenzen hinweg – ist nicht wirklich völlig neu. So haben nach 1994 ruandische Milizen ihre Aktivitäten in die DR Kongo ausgeweitet und sind dort wesentlich mit verantwortlich für die von Luithlen angesprochenen Opferzahlen. Die Lord Resistance Army, eine christliche Miliz, die vor allem durch ihre Rekrutierung von Kindersoldaten berüchtigt wurde, hat vor einigen Jahren Uganda verlassen und terrorisiert jetzt vor allem die Bevölkerung in den Nachbarländern, darunter auch dem Grenzgebiet zwischen der DR Kongo und Südsudan. Was den IS so einzigartig macht, ist die Publikation seiner Menschenrechtsverletzungen. Die Welt soll zusehen – dass sie es tut, ist keine Abschreckung, wie in so vielen anderen Fällen, sondern scheint in erster Linie eine Rekrutierungsstrategie und Kommunikationsstrategie mit den eigenen UnterstützerInnen (und den KonkurrentInnen von Al Qaida) zu sein.

2. Der IS wird gewöhnlich in der Kategorie "Terrorismus" gedacht, die Militärintervention gegen ihn wird u.a. mit dem Krieg gegen den Terror begründet. Der IS droht mit Terroranschlägen in aller Welt und zumindest der Anschlag Mitte März auf das Nationalmuseum in Tunis scheint von seinen Anhängern verübt worden zu sein. Trotzdem führt die Kategorisierung als Terrororganisation in die Irre, sofern man bei Terrororganisation an Gruppen denkt, deren vorwiegende Strategie die Verübung von Attentaten ist. Der IS hingegen ist in erster Linie eine Armee aus irregulären Kämpfern (und Kämpferinnen) , deren Ziel die Kontrolle von Territorium, die eigene Bereicherung und die Errichtung eines Regimes ist. Die Terroranschläge anderenorts sind mehr Begleitmusik als zentrales Element seiner Strategie.[3] Die von ihm kontrollierten Territorien müssen dabei nicht unbedingt zusammenhängen: "Provinzen" (Wilayate) des Kalifats können in verschiedenen Ländern der Welt liegen, in Nigeria, wo Boko Haram dem IS die Gefolgschaft geschworen hat, in Libyen, dem Sinai, Saudi-Arabien, Jemen oder dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet.[4] Der IS hat viel mehr gemein mit den Taliban in Afghanistan als mit Al Qaida. Auch die Taliban begründeten, man wird sich erinnern, 1997 ein Kalifat, das erst durch den NATO-Angriff auf Afghanistan Ende 2001 beseitigt wurde. Allerdings zeigen auch Al Qaida, die nigerianischen Boko Haram, die libysche Ansar al-Sharia, die indonesischen Jemiyaa Islamiya und die philippinischen Abu Sayyaf[5] Tendenzen zur Territorialisierung, d.h. der Kontrolle zusammenhängender Gebiete, in denen sie herrschen. Aber: "Internationale Ableger, zum Beispiel im Jemen und in Nordafrika, gründete auch das Terrornetzwerk al-Qaida. Allerdings unterschieden sich diese deutlich von der Wilayat-Strategie des IS, erläutert der Dschihad-Forscher Aaron Y. Zelin: Al-Qaida wolle seine Filialen nutzen, um Attentate auf westliche Länder zu organisieren. Dem IS dagegen ginge es aber darum, in anderen Regionen sein Kalifat auszuweiten. Für den IS also sind die Ableger selbst das Ziel, für al-Qaida hingegen das Mittel zum Zweck."[6]
Der IS ist eine Organisation, auf deren Konto zahllose schwerste Menschenrechtsverletzungen, willkürliche Morde, Vergewaltigungen, Versklavung und, so stellte die UN in einem neuen Bericht fest, versuchten Genozid an den Yeziden gehen.[7] Wenn man diese Methoden und Verbrechen als Terror bezeichnen will, dann ist der IS eine Terrororganisation. Aber sein Fokus liegt auf Kontrolle von Land und seinen BürgerInnen, nicht darauf, durch kleine Gruppen Anschläge zu verüben. Das ist insofern wichtig, als dass dies ganz andere Möglichkeiten des Widerstandes eröffnet, als gegen eine im Kern nicht-territoriale Organisation bestehen, wie unten ausgeführt werden soll.

2. Der IS

Seinen Anfang nahm der IS wohl Anfang 2004, wo er als "Al Qaida im Irak" im Widerstand gegen die Invasion der USA im Irak entstand. Wirklich bekannt und unter dem Namen "ISIS" begann er 2013, erfolgreich in (Nord-)Syrien zu operieren.[8] Informationen über einen Zusammenschluss mit der Al Nusra Front haben sich als falsch herausgestellt. Al Qaida hat angeblich darauf gedrängt, dass der IS Syrien der Al Nusra Front überlasse, wozu IS aber nicht bereit war.[9] Heute sind IS und Al Qaida Konkurrenten um Anhängerschaft und Führungsrolle in der islamistischen Bewegung.[10] Die meisten islamistischen Gruppen in Syrien schlossen sich im Dezember 2013 gegen den IS zusammen.[11] Sie eroberten im Januar 2014 große Teile der Provinzen Idlib und Aleppo vom IS zurück. In die kurdischen Gebiete drang der IS bei Kobane, einer der Städte in der Provinz Rojava, vor und stabilisierte sich schon zuvor rund um die Provinzhauptstadt Raqqa.

Seine militärischen Erfolge im Irak seit Juni 2014, die den IS erst in das Scheinwerferlicht der internationalen Aufmerksamkeit rückten, werden u.a. damit erklärt, dass sich ihm andere Gruppen anschlossen, die mit der schiitischen Regierung unter Nuri al-Maliki nicht einverstanden waren, ohne deshalb selbst die Ideologie des IS völlig zu teilen[12]. Auch konnte oder wollte das irakische Militär ihm kaum Widerstand entgegensetzen und es gelang dem IS, große Waffenlager des irakischen Militärs mit modernen Waffen in die Hände zu bekommen.

Es wird geschätzt, dass der IS nach einigen Schätzungen 40.000 qkm, nach anderen bis zu 90.000 qkm Syriens und Iraks kontrolliert. Dazu gehören einige größere Städte wie Mossul, Tikrit (das allerdings jüngst zurückerobert wurde)), Falluja und Raqqa, Ölfelder, Haupt-Verbindungsstraßen und Grenzübergänge. Acht Millionen Menschen sollen ganz oder vollständig in diesem Gebiet leben und der Rechtssprechung des IS unterworfen sein. Dazu kommen die erwähnten "Provinzen", Regionen unter Kontrolle jihadistischer Milizen in anderen Ländern, die sich dem IS zugehörig sehen.

Im Herbst 2015 startete eine "Koalition der Willigen" unter Führung der USA und unter Beteiligung auch einiger arabischer Länder, den IS aus der Luft anzugreifen und Truppen vor Ort – vor allem kurdische Peschmerga, in jüngerer Zeit auch das irakische Militär – mit Waffen und Ausbildungshilfe zu unterstützen. Nach einer von der BBC veröffentlichten Statistik haben bis zum 10.März 1.431 Luftschläge auf irakischem und 1.093 auf syrischem Gebiet stattgefunden.[13] Über die Art der verwendeten Waffen (Drohnen, Sprengköpfe mit abgereichertem Uran?) und über die Zahl der Opfer ist praktisch nichts bekannt.

Die Angriffe hatten bislang ein paar begrenzte Erfolge – Kobane in Syrien ist wieder unter kurdischer Kontrolle, und Tikrit in Irak soll größtenteils zurückerobert worden sein. Als entscheidender Durchbruch werden diese Erfolge aber auch von den Militärbefürwortern selbst nicht gewertet. Ob es überhaupt gelingen kann, den IS militärisch zu besiegen, ist bei weitem nicht sicher, zumindest nicht, solange keine massive Militärintervention mit Bodentruppen durchgeführt wird, zu der aber weder die USA noch ihre wichtigsten Verbündeten bereit zu sein scheinen.

Dies ist einer der Gründe, weshalb es Sinn macht, zu fragen, welche alternativen, wenngleich wohl längerfristigen Perspektiven es gibt, dem IS Widerstand zu leisten. Um es gleich vorweg zu nehmen: Nichts von dem, was hier unten vorgeschlagen wird, verspricht kurzfristige Erfolge. Aber das tut auch die Militärintervention nicht – Präsident Obama sprach im letzten Herbst von einer "langfristigen Kampagne".[14] Von daher stehen hier, was die Kontroverse "militärisch oder zivil" angeht, beide Ansätze vor einem ähnlichen Dilemma, nämlich die Kriegsverbrechen kurzfristig nicht stoppen zu können. Welcher ist dann der nachhaltigere, welcher ist der, der mehr Perspektiven für ein späteres Zusammenleben von Angehörigen verschiedener Religionen und Völker bietet? Welcher kostet voraussichtlich weniger Menschenleben? Welcher birgt weniger Gefahren, dass neue gewalttätige Konfliktkonstellationen aus den derzeitigen entstehen?[15] Dies sind dann die Kriterien, die idealiter eine Entscheidung über Handlungsoptionen leiten sollten.

3. Die Machtquellen des IS

Woher bezieht der IS seine Macht? Die theoretische Basis, die allen Untersuchungen über zivilen Widerstand und sozialer Verteidigung gemein ist, ist die Annahme, dass die Herrschenden abhängig sind von der Zustimmung der von ihnen Beherrschten. Der amerikanische Politologe Gene Sharp hat seine Untersuchungen über gewaltlose Aktion (1973) mit dieser Theorie der Macht untermauert, der sog. "Theorie der Zustimmung" (consent theory). Sie geht auf einen Juristen des 16. Jahrhunderts, Etienne de la Boitié, zurück.[16] Ihr Kern ist, dass letztlich Menschen die Quelle aller Macht sind.

Nach Sharp basiert politische Macht auf externen Ressourcen der Machthabenden:

  1. Autorität (Legitimität), die freiwillig akzeptiert wird
  2. Menschlichen Ressourcen (die Zahl der Menschen, die gehorchen)
  3. Fähigkeiten und Wissen der Beherrschten
  4. Nichtmaterielle Faktoren wie Gewohnheiten und Einstellungen gegenüber Gehorsam)
  5. Materiellen Ressourcen (Geld, Waffen usw.)
  6. Sanktionen, d.h. die Fähigkeit, Sanktionen zu verhängen.

All diese Quellen sind letztlich abhängig von Gehorsam und Kooperation der Beherrschten, und können entzogen werden. Gehorsam ist das Zentrum politischer Macht, und Sharp benennt auch Gründe, warum Menschen gehorchen:

  1. Gewohnheit
  2. Angst vor Sanktionen
  3. Moralische Verpflichtung
  4. Selbstinteresse
  5. Psychologische Identifizierung mit dem Herrscher
  6. Gleichgültigkeit
  7. Fehlen von Selbstbewusstsein, nicht zu gehorchen.

"Es sind nicht die Sanktionen selbst, die Gehorsam produzieren, sondern die Angst vor ihnen", sagt Sharp an anderer Stelle[17].

Sehen wir uns nun die Machtquellen des IS aus dieser Perspektive an.[18]

3.1 Autorität (Legitimität)

Der Führer des IS, Abu Bakr al-Baghdadi, hat sich zum Kalifen ausgerufen, was in der islamischen Theologie den Anspruch bedeutet, ein Nachfolger Mohammeds zu sein. Der IS hat bei seinen Anhängern und generell bei radikal islamistischen Gruppierungen in aller Welt recht hohe Legitimität. Mit seinen Erfolgen wuchs auch seine Anhängerschaft – jüngst (Anfang März 2015) schwor der Anführer der nigerianischen Boko Haram die IS die Gefolgschaft.[19] Auch einige der anderen islamistisch-terroristischen Organisationen sollen ihre Sympathien von Al Qaida auf den IS übertragen haben.[20]

Außerhalb dieser fundamentalistischen Kreise wird der Legitimität des religiösen Anspruchs des IS widersprochen. Das gilt für die überwiegende Zahl aller Muslime und die muslimische Gelehrtenschaft.[21] Die Infragestellung der Legitimität des Anspruchs des IS scheint, soweit von außen beurteilbar, auf theologischen Grundlagen einfach zu sein. Allerdings ist diese theologische Dimension eine, die inner-islamisch bearbeitet werden muss – Argumentationen dieser Art aus einem christlichen Kontext dürften eher kontraproduktiv wirken, da sehr viele Muslime, nicht nur radikale, die christlichen Länder als in einer Fundamentalopposition ihnen gegenüber wahrnehmen.[22]

Seine Autorität kommt aber noch aus einer zweiten Quelle: schlicht seinem militärischen Erfolg – den verhassten USA (und Israel, dem Westen, den Christen …) die Stirn zu bieten. Dies ist das gleiche Phänomen wie das, was nach 2001 Al Qaida so populär in bestimmten Kreisen machte. Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg.

Ungleich des ersten Punktes können an diesem Punkt auch die westlichen Länder und ihre BürgerInnen eine wichtige, wenngleich mittelbare Rolle spielen: Die Überwindung der Feindschaft zwischen Christentum und Islam, der Feindbilder und Vorurteile, des gegen Muslime offen gerichteten Rassismus und der Diskriminierung und Ungleichbehandlung von Muslimen in westlichen Ländern (z.B.: Kopftuchverbot für muslimische Frauen) dürften unzweifelhaft wichtige Faktoren sein, die der Radikalisierung von AnhängerInnen des Islam entgegenwirken würden.

Ein weiterer Punkt, der dem IS Legitimität verschafft, ist anscheinend eine gewisse Ordnungsleistung , wenngleich die Informationen hierzu widersprüchlich sind: Im Irak hat es IS anscheinend geschafft, ein Minimum an funktionierender Staatlichkeit wieder herzustellen: Viele Menschen hatten wieder Zugang zu einer einigermaßen funktionierenden Wasser- und Energieversorgung, die medizinische Infrastruktur verbesserte sich. Dies gilt vor allem für die sunnitischen Gebiete, die von der schiitischen Maliki-Regierung systematisch benachteiligt wurden.[23] Diese Situation hatte bereits lange vor Erscheinen des IS zu lokalen Aufständen geführt. Der IS erschien dort als Befreier und vermochte es, Sicherheit zu schaffen. Dies sorgte zumindest bei Teilen der (sunnitischen) Bevölkerung für Akzeptanz.

Auf der anderen Seite ist zu lesen, dass die große Zahl an ausländischen Kämpfern zumindest in Syrien den IS teilweise als nicht-syrische Organisation erscheinen lassen. Der Slogan "Nur Syrer werden Syrien befreien", unter dem Menschen in Syrien im Januar 2014 gegen den IS protestierten, ist hierfür ein Indiz (zu den Protesten unten mehr).[24]

3.2 Menschliche Ressourcen

Die Stärke des IS wird von KennerInnen der Region, Geheimdiensten und journalistischen Quellen höchst unterschiedlich eingeschätzt – inzwischen wird von mindestens 10-15.000 Mann in Irak und bis zu 50.000 in Syrien ausgegangen. 15-20.000 KämpferInnen kommen aus dem Ausland (vor allem aus arabischen und nordafrikanischen Ländern, daneben aus Russland bzw. Tschetschenien, Türkei, Großbritannien und weiteren europäischen Staaten, auch Deutschland).[25] Einreisen tun sie gewöhnlich über die Türkei.[26]

Der IS zahlt anscheinend wesentlich mehr Sold als die anderen Terrorgruppen, was viele Kämpfer, die schon in der Region sind, motiviert, zu ihm überzulaufen. So schwanken die Angaben über den Sold zwischen 800 $/Monat und 150 $/Tag. Gewaltig sind auch die Handgelder, die bei der Anwerbung von Kämpfern gezahlt werden: Vor zwei Jahren lagen diese in Tunesien zwischen 6.000 und 10.000 $. Auch die Beerdigungskosten für "Märtyrer" werden übernommen.[27]

Nicht alle, die im IS kämpfen, sind genuine islamische ExtremistInnen. Dem Irak-Experten Hisham al-Hashimi zufolge sind lediglich 30 Prozent "Ideologen", die anderen kämen aus Zwang oder Angst zu ihm.[28] Der Erfolg des IS im Irak war nur dadurch möglich, dass sich ihm im Irak Angehörige der Armee, ehemalige Baathisten und Staatsfunktionäre anschlossen. Sie waren durch die sektiererische, einseitig auf die schiitische Dawa-Partei gerichtete Politik Nuri al-Malikis enttäuscht.[29] Eine dauerhafte Allianz ist dies allerdings nicht. Kurz nach der Eroberung von Mossul und Tikrit sollen bereits Milizen, ehemalige Baath-Partei Angehörige, den Verbund aufgekündigt haben.[30] Einige andere sunnitischen Milizen, die sich auf Aktivitäten in bestimmten Regionen konzentrieren, arbeiten z.T. mit dem IS zusammen, viele aber auch nicht.[31]

Es wird auch berichtet, dass der IS mit lokalen Stammes- oder Clanführern Abkommen schließt, wo diesen eine gewisse Autonomie zugesichert wird, sofern sie sich dem IS unterwerfen.[32] Das erinnert erneut sehr an die Taliban in Afghanistan, von denen das Gleiche berichtet wird. Dort gelang es in der Zeit des sowjetischen Angriffs auf Afghanistan (1997) den Hazaras im Distrikt Jaghori sogar, mit den Taliban auszuhandeln, dass sie sich aus dem Krieg heraushalten und ihre Gemeinschaft weiter selbst verwalten durften, einschließlich des Offenhaltens von Mädchenschulen, was die Taliban ansonsten selten duldeten.[33]

Der IS rekrutiert aggressiv neue KämpferInnen – muss er wohl auch, denn er dürfte in den Gefechten und durch die Luftangriffe der US-geführten Koalition ja erhebliche Verluste erleiden, auch wenn keine Zahlen bekannt sind. Was macht Jugendliche und junge Männer und Frauen[34] geneigt, sich einer dschihadistischen Organisation anzuschließen? Abenteuerlust, Allmachtsphantasien, finanzielle Not, Angst vor Repression durch den IS gegenüber den Angehörigen? Dies ist ein Thema, das in unseren westlichen Ländern eine recht große Rolle in der Diskussion spielt. Die Konzepte, wie man verhindern könne, dass westliche Jugendliche sich dem IS anschließen, reichen von sozialarbeiterischen Ansätzen in der Jugendarbeit bis hin zu bürgerrechtlich höchst problematischen Vorschlägen wie Entziehung des Personalausweises / Passes.

Diese Diskussionen lassen vergessen, dass die weitaus größte Zahl der KämpferInnen aus den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens stammt und vor Ort rekrutiert wird.[35] Die Tatsache, dass der IS anscheinend viele Kinder zwangsrekrutiert oder dies zumindest in Syrien getan hat, wo er Jungen ab 12 Jahren ausbildet[36], und Berichte, dass neuangeworbene Kämpfer als erstes ein Verbrechen zu begehen haben[37], deutet darauf hin, dass er es – wie die Lord Resistance Army in Ostafrika und andere Milizen – nötig hat, massives Brainwashing durchzuführen und den "Weg zurück" zu versperren, um seine KämpferInnen bei der Stange zu halten.[38]

Aus Syrien und Afghanistan wie auch von anderen bewaffneten Bewegungen weiß man, dass es für die Führung solcher Gruppierungen nicht ganz einfach ist, die eigenen Kämpfer dauerhaft an sich zu binden. Zum einen gibt es oftmals Konflikte innerhalb der Gruppen, die zu Spaltungen und dem Entstehen neuer Gruppen führen – manche dann noch 'radikaler' als ihre Herkunftsgruppe, manche aber auch, die einen anderen, gemäßigteren Kurs anstreben.[39] Und es gibt es auch immer Menschen, die sich aus persönlichen Gründen wieder zurückzuziehen suchen. Sei es aus Desillusionierung oder Erschrecken darüber, worauf man sich eingelassen hat. Oder wenn der Glanz bröckelt, wenn die anfänglichen militärischen Erfolge aufhören, vielleicht Schlachten verloren oder die Gruppe zum Rückzug aus bestimmten Gegenden gezwungen wird. Auch die Furcht vor Strafverfolgung mag hier manchmal eine Rolle spielen, sofern eine realistische Gefahr (aus Sicht der KämpferInnen) besteht, vor diesem Strafgerichtshof zu landen.

In Syrien sah man in den beiden Jahren vor dem Siegeszug des IS, wie instabil die bewaffneten islamistischen Gruppierungen waren, wie schnell Kämpfer von einer Gruppe zur nächsten wanderten, und wie leicht sie anfingen, sich gegenseitig zu bekämpfen. Das gleiche gilt für die Taliban in Afghanistan und Pakistan. Die gegenwärtige Wahrnehmung der Stabilität des IS könnte auch kurzlebig sein. Es steht zu erwarten, dass es solche Spaltungen und zentrifugale Tendenzen früher oder später auch beim IS geben wird. Von internationaler Seite könnte überlegt werden, ob es Wege gibt, Desertionen vom IS zu unterstützen – sei es finanziell oder durch Zusicherung von Straffreiheit. Solche Überlegungen sind angesichts der schweren Kriegsverbrechen des IS heikel, aber realpolitisch eigentlich nichts Ungewöhnliches.

3.3 Fähigkeiten und Wissen

Was die Machtressource "Fähigkeiten und Wissen" betrifft, so ist im Falle des IS untrennbar mit der Ressource "Menschen" verbunden. Besondere Rolle spielen hier die oben erwähnten ehemaligen Soldaten der irakischen Armee mit dem notwendigen Know-How zur Bedienung moderner Waffen und Funktionäre mit Verwaltungswissen. Es waren diese Personenkreise, die administratives Wissen einbrachten und in den vom "Kalifat" kontrollierten Gebieten eine funktionierende Verwaltung aufbauten. Durch die Presse ging eine Meldung, dass für die Leitung einer Ölraffinerie der IS sogar per Jobanzeige einen Spezialisten suchte.[40]

Zu dem Maß, zu dem IS Menschen aus den besetzten Gebieten für sich heranzieht, entstehen auch neue Möglichkeiten, diese Ressource zu entziehen. Wohl angesichts der rücksichtslosen Gewalt des IS derzeit weniger durch offene Weigerung, aber durch Methoden des nicht-öffentlichen Widerstandes – Langsamarbeiten, Missverstehen oder nicht vollständige Erfüllung von Anweisungen, Sabotage usw. Alles Methoden, die seit Jahrhunderten, wenn nicht seit Jahrtausenden von Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker angewendet werden.

3.4 Immaterielle Faktoren

Eine positive Einstellung gegenüber Gehorsam ist ein weiterer Machtfaktor, der von Gene Sharp identifiziert wurde. Hier geht es nicht wie beim ersten Faktor um die Legitimität als solcher, sondern um Überzeugungen und Einstellungen wie 'man muss der Regierung gehorchen'. Solche Einstellungen sind zumindest in Syrien mit dem 2011 begonnenen Aufstand gegen Assad nachhaltig gebrochen worden. Und in der Tat beziehen sich die Berichte über zivilen Widerstand gegen den IS insbesondere auf Widerstand solcher Menschen, die schon Erfahrung mit zivilem Widerstand in Syrien gesammelt haben. Dazu unten mehr. Im Irak wurden solche Erfahrungen weniger gesammelt – die Haupterfahrung dort war die eines durch massiven Krieg und vorherige Sanktionen aufgezwungenen Regimewechsels von außen und Jahre militärischer Besatzung durch die westlichen Alliierten und anschließenden Bürgerkrieg. Aber das bedeutet nicht, dass es dort weniger Potenzial an möglichem Widerstand gäbe – die Geschwindigkeit, mit der sich gewaltlose Aufstände im arabischen Raum ausgebreitet haben, zeigt, wie schnell sich solche Techniken angeeignet und sie adaptiert werden, sofern der Funke erst einmal gezündet ist. Ein nicht zu unterschätzender immaterieller Faktor ist natürlich die Religion und die tiefe Überzeugung, dass man das Richtige tue, dass man Gottes Wort befolge. Wenn in diesem Artikel bislang die eher materiellen Seiten der Attraktion des IS angesprochen wurden, dann deshalb, weil es diese Seiten sind, die in der Medienberichterstattung eher unterbeleuchtet sind. Der IS wird oftmals ausschließlich als eine Gruppe fundamentalistischer, keinerlei rationaler Argumentationen zugänglicher Fanatiker dargestellt. Das ist gewiss auch nicht ganz falsch, aber man sollte darüber nicht übersehen, dass solcher Fanatismus ganz handfeste, materielle Vorteile mit sich bringen, und dass die Wahrnehmung, Erfolg und (weltweite) Unterstützung zu erfahren, Motivation sehr bestärken kann. Das Thema der Religion wurde oben schon beim Faktor "Legitimität" angesprochen – die Bearbeitung der theologischen Seite muss den Theologen und den Mitgläubigen überlassen bleiben.

Wo aber auch internationale Unterstützung u.U. Sinn machen würde, wenn sie sensibel erfolgt und sich den Einschätzungen und Initiativen der Menschen vor Ort anpasst (statt umgekehrt ihre Agenda aufzuzwingen zu suchen), wären lokale Ansätze der Verständigung und Versöhnung zwischen Schiiten und Sunniten im Irak oder Dialogförderung zwischen anderen verfeindeten Gruppen. Dies wäre kein Ansatz, der den IS direkt angeht, aber die Menschen darin stärkt, sich nicht zu radikalisieren oder dem IS freiwillig anzuschließen.[41]

3.5 Materielle Faktoren

Bei den materiellen Faktoren stehen Waffen und Geld (und Güter, die zu Geld gemacht werden können) im Vordergrund.

Die "Erstversorgung" mit modernem Kriegsgerät stammt, wie oben angesprochen, anscheinend vorrangig aus Waffendepots im Irak, die geplündert wurden. Einfachere Waffen (Kleinwaffen und leichte Waffen) sind zudem über Syrien seit 2011/12 in großen Zahlen in die Region gekommen.[42] Auch heute scheinen die Grenzen immer noch für solche Waffen weit offen zu sein – alle Appelle an die Anrainerstaaten, solche Exporte zu stoppen, scheinen wenig zu fruchten. Dabei ist es wohl nicht nur angesichts der langen, dünn besiedelten Landgrenzen schwierig, eine solche Kontrolle durchzuführen, sondern auch der politische Wille scheint bei den Anrainerstaaten nicht wirklich vorhanden zu sein.

Was die Ressource "Geld" betrifft, so hat der IS beträchtliche finanzielle Ressourcen zur Verfügung – vor der Einnahme von Mossul wurde sein Vermögen, das wohl auf Spenden von Personen aus Kuwait und Saudi-Arabien und/oder auf Beteiligungen an Erpressungs- und Schutzgeldern[43] zurückging, auf 900 Millionen USD geschätzt. Nach der Eroberung von Mossul und der Ausplünderung der irakischen Zentralbank in der Stadt beläuft sich sein geschätztes Vermögen auf 2 Milliarden USD.[44] Einnahmen "erwirtschaftet" der IS aus "Steuern" (insbesondere Kopfsteuern von nicht sunnitischen Personen, Wegezöllen an Straßensperren …), Schutzgelderpressungen, Banküberfälle, Entführungen, Verkauf von Rohöl[45] und Altertümern und Lösegelder. Der IS kontrolliert sieben Ölfelder und zwei Raffinerien im Nordirak und sechs der zehn Ölfelder in Ostsyrien. Über "türkische Mittelsmänner" wird das Öl vermarktet, etwa zum halben Preis der Börsennotierungen.[46]

Alle bisherigen Versuche, den Schwarzhandel mit Öl und Altertümern zu unterbinden, scheinen wenig erfolgreich zu sein. Der IS ist inzwischen von seinen Geldgebern (aus Katar und anderen Ländern) weitgehend unabhängig und finanziert sich aus "eigenen Ressourcen". Die Frage stellt sich, ob und inwieweit auch Banken in seine Geschäfte verstrickt sind – wie der Bund für Soziale Verteidigung schon letztes Jahr schrieb[47], ist es schwer vorstellbar, dass das Geld in Säcken herumgetragen wird. Zu dieser Überlegung ist auch der UN-Sicherheitsrat gelangt, der in seiner Resolution Nr. 2170 vom 15. August 2014 Maßnahmen gegen jene androhte, die die IS, die als Zweig von Al Kaida bezeichnet wird, finanzieren.[48]

Spätestens hier zeigt sich, dass diese Praktiken offensichtlich vom Westen toleriert werden, um die eigenen strategischen Bündnisse (mit den NATO-Partner Türkei und mit Saudi-Arabien) nicht zu gefährden: Die im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise gegen Russland verhängten Sanktionen illustrieren, wie präzise und teilweise auf Personen bezogen Sanktionen ausgesprochen und auch durchgesetzt werden können, wenn der politische Wille vorhanden ist. Gegenüber "türkischen Mittelmännern" aber scheint unsere Politik hilflos, obwohl gerade solche Sanktionen und Boykottmaßnahmen Wirksamkeit besäßen, wenn man den Terrorismus an seinen Wurzeln bekämpfen wollte.

Sanktionen

Der Begriff "Sanktion" ist ein beinahe verharmlosender Begriff für die Brutalität, mit der IS nicht nur seine Gegner, sondern alle als Andersgläubige Eingestufte behandelt. Derzeit, anders als vor dem Sommer 2014, scheint nach den Berichten von vor Ort die durch ihn ausgeübte Gewalt so groß zu sein, dass niemand mehr wagt, offen gegen ihn aufzutreten.

Die Frage ist, ob diese Gewalt längerfristig auch seine Schwäche ist. Sie bringt dem IS nicht nur Anhänger, sondern sie kostet ihn auch Unterstützung, wie man an den zahlreichen Verurteilungen aus der gesamten islamischen Welt sehen kann. Je mehr der IS allein auf Terrorisierung der Bevölkerung setzt, um Gehorsam zu erzwingen, umso mehr dürfte dies ihm Sympathien kosten.

Es ist bekannt, dass extreme Gewalt auch Widerstand bestärken kann. Niemand hält sich mit brutalem Terror allein ewig an der Macht – das mussten schon viele solche Regimes vor dem IS erfahren. Ein Klima der Gewalt richtet sich schnell gegen die eigenen Leute – Friktionen werden rasch zu bewaffneten Kämpfen. Außerdem setzt früher oder später eine Müdigkeit ein und das Streben nach geregelteren Verhältnissen. Viele ehemals bewaffnete Gruppen haben unbesiegt den bewaffneten Kampf verlassen.[49]

Um die Fähigkeiten des IS zu beschränken, schlägt McCarthy[50] vor, dass lokale Gemeinschaften den direkten Kontakt mit den KämpferInnen suchen sollten, und die Schaffung von lokalen Monitoring-Teams, die, so meint er, vielleicht vom IS geduldet würden.

2015 sollen, durchgeführt von Nonviolent Peaceforce und Cure Violence (früher: Chicago Ceasefire) Trainings mit der syrischen Zivilbevölkerung stattfinden, um BürgerInnen in lokalen gewaltpräventiven Ansätzen weiterzubilden. Wie erfolgreich dies sein wird, bleibt natürlich abzuwarten.[51]

Auch ein Appell oder Protest von EinwohnerInnen an die Führung des IS scheint nicht grundsätzlich aussichtslos zu sein: Es gibt Berichte, dass der IS eigene Kämpfer wegen Übergriffen bestraft hat.[52]

4. Perspektiven zivilen Widerstands

Man kann annehmen, dass der "Krieg gegen den Terror" die äußerste Rücksichtslosigkeit des IS gegen jeden, der sich weigert, sich ihm anzuschließen, nur stärkt. Krieg macht es immer leichter, extreme Menschenrechtsverletzungen zu rechtfertigen, und schwieriger für die Zivilbevölkerung, gegen den IS Widerstand zu leisten.

Trotzdem gibt es eine Reihe von Berichten über zivilen Widerstand gegen den IS; die Mehrzahl davon aus Syrien aus den Jahren 2012 bis Mitte 2014:

Aber auch im Irak gibt es Widerstand.

Diese Beispiele stammen vorwiegend aus der Zeit, als der IS noch nicht so mächtig war wie später, und noch nicht so gefürchtet. Trotzdem: Auch heute gibt es Berichte über solchen Widerstand. Er findet anscheinend derzeit wenig auf der Straße, sondern eher im Internet über die erwähnten Twitter- und Facebook-Themenseiten und durch Satire statt. [59].

Es kann gut sein, dass es schließlich die Menschen vor Ort, jene, die dort leben, wo der IS operiert, sein werden, die ihn besiegen werden. Nicht (allein) durch militärische Mittel, wie der Westen hofft, sondern durch zivilen Widerstand. Längerfristig gesehen wird der IS nicht fähig sein, ohne die Kooperation der Menschen in den Gebieten, die er kontrolliert, auszukommen – je größer diese Gebiete, umso schwieriger wird das. Dadurch entsteht eine Situation, wo Strategien gewaltfreien Widerstands (bzw. Sozialer Verteidigung) eine Chance haben. Die Machtbasis des IS ist bei Weitem nicht so stabil, wie sie scheint. Der IS braucht die Kooperation aus der Bevölkerung (und von Unterstützern in anderen Ländern), und wird, je größere Gebiete er zu regieren sucht, sie immer mehr brauchen. Schon heute bekommt er diese Kooperation teilweise nur unter Zwang. Auf die Dauer wird er diesen Zwang nicht aufrechterhalten können. Deshalb könnte das scheinbar Unvorstellbare, Soziale Verteidigung gegen den IS, u.U. schneller Realität werden als man vermuten mag.

Der Vortrag wurde im März 2015 ausgearbeitet und auf dem Studientag des IFGK in Heidelberg am 28.3. gehalten. Die Internetlinks wurden im April 2015 überprüft.

Dr. Christine Schweitzer ist Mitarbeiterin im Institut für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung (www.ifgk.de) und Co-Geschäftsführerin im Bund für Soziale Verteidigung (www.soziale-verteidigung.de). Kontakt: CSchweitzerIFGK@aol.com

Anmerkungen

[1] Das Konzept der Sozialen Verteidigung wurde nach dem 2. Weltkrieg von FriedensforscherInnen aus Westeuropa und den USA entwickelt, u.a. von Gene Sharp, Adam Roberts, April Carter und Theodor Ebert. Sein Kerngedanke ist, dass ein militärischer Aggressor oder ein Putschist die Zusammenarbeit der Bevölkerung benötigt, und diese Zusammenarbeit ihm verweigert werden kann. Es geht also nicht um die Verteidigung von Grenzen oder Territorium, sondern darum, zu erreichen, dass der Aggressor seine Ziele nicht erreicht und letztlich aufgeben muss.

[2] Susanne Luithlen (2014) Dämonisierung ist keine Politik. Köln: ForumZFD. (http://www.forumzfd.de/daemonisierung_ist_keine_politik)

[3] Das hat auch Audrey Kurth Cronin geschrieben: 'ISIS Is Not a Terrorist Group. Why Counterterrorism Won’t Stop the Latest Jihadist Threat.' in: Foreign Affairs March/April 2015 (http://www.foreignaffairs.com/articles/143043/audrey-kurth-cronin/isis-is-not-a-terrorist-group?cid=nlc-foreign_affairs_this_week-021915-isis_is_not_a_terrorist_group_5-021915&sp_mid=48064185&sp_rid=Y3NjaHdlaXR6ZXJpZmdrQGFvbC5jb20S1)

[4] Gebauer, Matthias und Salloum, Raniah (2015) Terrorpakt für einen großen Gottesstaat. Spiegel online 15.3.2015. (http://www.spiegel.de/politik/ausland/is-islamischer-staat-terrorpakt-mit-boko-haram-a-1022568-druck.html)

[5] Boko Haram in Nigeria hat 2014 nach der Eroberung verschiedener Ortschaften im Nord-Osten Nigerias kürzlich ebenfalls ein "Kalifat" ausgerufen. Ansar al-Sharia in Libyen hat am 31. Juli 2014 einen ähnlichen Schritt vollzogen, nachdem es Bengasi in Ost-Libyen weitgehend unter seine Kontrolle bringen konnte. Im Jemen rief Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel bereits 2012 "Emirate" aus, konnte sie aber nur teilweise halten.
Siehe Joseph Chinyong Liow, "ISIS goes to Asia" in Foreign Affairs 21.9.2014;
und Gebauer & Salloum a.a.O
und "Libya: Ansar al-Shariah militants declared an Islamic Emirate in the city of Derna and made a parade with ISIS flags" Before it's News, Tuesday, October 7, 2014 (http://beforeitsnews.com/war-and-conflict/2014/10/libya-ansar-al-shariah-militants-declared-an-islamic-emirate-in-the-city-of-derna-and-made-a-parade-with-isis-flags-2454346.html)

[6] Gebauer & Salloum a.a.O

[7] Verbrechen an Jesiden im Irak: UN werfen IS Völkermord vor, tagesschau.de, 19.03.2015 (http://www.tagesschau.de/ausland/voelkermord-islamischer-staat-101.html)

[8] Rosiny, Stephan (2014) "Des Kalifen neue Kleider": Der Islamische Staat in Irak und Syrien. GIGA Focus Nr 6, 2014 (http://www.giga-hamburg.de/de/publication/des-kalifen-neue-kleider-der-islamische-staat-in-irak-und-syrien), Blaschke, Björn (2014) "Islamischer Staat im Irak und Syrien" Die reichste Terrorgruppe der Welt. Tagesschau.de 23.6.2014, (http://www.tagesschau.de/ausland/hintergrund-isis-102.html)

[9] Siehe u.a. Sayigh, Yezid (2014) What will the Jabhat al-Nusra and the Islamic State Do Next in Syria? Al Hayat, 20.11.2014.

[10] Siehe Zelin, Aaron Y. (2014) The War Between ISIS and al quaeda for Supremacy of the Global Jihadist Movement. Research Note 20, Washington Institute

[11] Zu diesen Gruppen gehören die Syrische Islamische Befreiungsfront und die Syrische Islamische Front, die sich Ende 2013 zusammengeschlossen haben, sowie die Islamische Front, die Al Nusra-Front und andere. Die meisten bestehen ihrerseits aus einer Mehrzahl kleinerer Gruppierungen; viele von ihnen werden von Saudi-Arabien und anderen Ländern in der Region unterstützt. Siehe: Kira Frankenthal und Stefan Hansen (2014) Syrien zwischen Säkularisierung und Islamisierung: Die oppositionellen Akteure des syrischen Bürgerkrieges. ISPK Policy Brief Nr. 3, Kiel

[12] Siehe Grobe, Karl (2014) ISIS im Irak. Die Geister, die ich rief .... Friedensforum 4/2014, S. 3-4

[13] Battle for Iraq and Syria in maps, BBC 14.04.2015 (http://www.bbc.com/news/world-middle-east-27838034)

[14] "Obama macht Ernst gegen ISIS", Tachles, September 2014 (http://www.tachles.ch/news/print/obama-macht-ernst-gegen-isis) und Berichte in Tageszeitungen vom Oktober 2015

[15] Es wäre nicht das erste Mal, dass Gruppierungen, die zuerst Verbündete waren, später zu Feinden erklärt und dann bekämpft wurden. Die Möglichkeit eines pan-kurdischen Aufstandes ist nicht von der Hand zu weisen, und auch nicht, dass dies zu einem neuen Krieg in der Region führen könnte.

[16] Etienne de la Boitié (1530-1563) Von der freiwilligen Knechtschaft. Geschrieben ca. 1550; nach de la Boitiés Tod 1974 erstmalig gedruckt.

[17] Sharp, Gene (2005) Waging Nonviolent Struggle. 20th Century Practice and 21st Century Potential. Boston: Extending Horizon Books/Porter Sargent Publisher, S.34

[18] Die gleiche Fragestellung hat Eli S. McCarthy für seinen kürzlich erschienenen Aufsatz verwendet: McCarthy, Eli S. (2015) ISIS: Nonviolent Resistance? Huffpost World, April 2015 (http://www.huffingtonpost.com/eli-s-mccarthy/isis-nonviolent-resistanc_b_6804808.html)

[19] Gebauer & Salloum a.a.O

[20] Aaron Y. Zelin (2014): The War Between ISIS and al-Qaeda for Supremacy of the Global Jihadist Movement. Washington Institute, Research Notes 20 (http://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/view/the-war-between-isis-and-al-qaeda-for-supremacy-of-the-global-jihadist)

[21] Rosiny 2014 a.a.O.

[22] So schreibt z.B. die syrische Aktivistin Marcell Shehwaro in der Winter 2014/2015-Ausgabe von Adopt a Revolution: "[Die Djihadisten] kamen auch, weil westliche Vorurteile gegenüber bärtigen Männern jede Solidarität mit unseren Opfern verhinderten. Bizarrerweise war es erst diese fehlende Unterstützung, die die Extremisten in unserem kaputten Land Fuß fassen ließ." Marcell Shehwaro (2014/15) Wie ISIS Syrien schwarz färbte. Adopt a Revolution, Winter 2014/2015 (https://www.adoptrevolution.org/wp-content/uploads/2014/12/aar-zeitung14-web.pdf)

[23] Siehe ein Dossier zum Irak der Bundeszentrale für politische Bildung: Irak (http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54603/irak)

[24] Taleb, Julia (2014) "Only Syrians can free Syria": From Assad to ISIS, a tale of Syrian resistance. (http://wagingnonviolence.org/feature/assad-isis-tale-resistance/) Eine deutsche Übersetzung wurde im Friedensforum 1/2015 veröffentlicht.

[25] Der BBC spricht von insgesamt 31.000 Kämpfern nach US-Quellen. Siehe Battle for Iraq and Syria in maps, BBC 14.04.2015 (http://www.bbc.com/news/world-middle-east-27838034)

[26] Siehe International Crisis Group (2015) Syria Calling: Radicalization in Central Asia. ICG Policy Briefing Nr. 72, January 2015

[27] Werner Ruf (2015) Blutige Grenzen: Wie Öl, Gas und Geostrategie die Landkarte des Nahen und Mittleren Ostens verändern. The Huffington Post 18.3.2015. (http://www.huffingtonpost.de/werner-ruf/blutige-grenzen-wie-oel-nahen-osten-veraendert_b_6894138.html)

[28] What is Islamic State? BBC 26 September 2014 (http://www.bbc.com/news/world-middle-east-29052144)

[29] Grobe, Karl (2014) ISIS im Irak. Die Geister, die ich rief .... Friedensforum 4/2014, S. 3-4

[30] Ludwig, David (2014) ISIS Executions Signal Sunni Infighting in Iraq, The Wire 15.7.2014, http://www.thewire.com/global/2014/07/isis-executions-signal-sunni-infighting-in-iraq/374464/

[31] UNAMI/OHCHR (2014) Report on the Protection of Civilians in the Non International Armed Conflict in Iraq: 5 June – 5 July 2014, Bagdad (http://www.ohchr.org/Documents/Countries/IQ/UNAMI_OHCHR_POC%20Report_FINAL_18July2014A.pdf). Dort werden mehrere sunnitische Gruppen namentlich aufgeführt.

[32] Stephan, Maria J. (2015) 'Resisting ISIS'. In: Sojourners (http://sojo.net/magazine/2015/04/resisting-isis); Gareth Porter (2015) 'Local Syria ceasefires: The way out of a US policy dead end?' Middle East Eye 16.01.2015 (http://www.middleeasteye.net/columns/local-syria-ceasefires-way-out-us-policy-dead-end-849203599)

[33] Anderson, Mary B. und Wallace, Marshall (2013) Opting Out of War. Strategies to Prevent Violent Conflict. Boulder/London: Lynne Rienner Publishers

[34] Vereinzelt haben sich auch Mädchen und Frauen dem IS angeschlossen, siehe ‚Bericht über ISIS in Syrien‘ tagesschau.de, 23.6.2014 (http://www.tagesschau.de/ausland/irak-isis-kindersoldaten-100.html); "Muslim women's rights campaigner writes heartfelt letter to girls thinking of joining Isis", The Independent 23.4.2015 (http://www.independent.co.uk/news/uk/home-news/muslim-womens-rights-campaigner-writes-heartfelt-letter-to-girls-thinking-of-joining-isis-10069825.html); "The Mystery of Women and ISIS" NBC News (http://www.nbcnews.com/watch/nbcnews-com/the-mystery-of-women-and-isis-403768899895)

[35] Es sind geschätzt bis zu 20.000 ausländische Kämpfer beim IS; davon stammen die meisten aus Tunesien und Saudi-Arabien. Danach folgen Russland (Tschetschenen vor allem), Jordanien und Marokko.

[36] Bericht über ISIS in Syrien‘ tagesschau.de, 23.6.2014 (http://www.tagesschau.de/ausland/irak-isis-kindersoldaten-100.html)

[37] Zur Rekrutierung von Kindern: "Islamischer Staat: Terrormiliz rekrutiert Kinder als Soldaten", handelsblatt.com, 24.11.2014 (http://www.handelsblatt.com/politik/international/islamischer-staat-terrormiliz-rekrutiert-kinder-als-soldaten/11023072.html)

[38] Siehe z.B. "Islamischer Staat: Beginnend mit Worten, endend mit Blut", S. 5 "Blutige Rache der Überflüssigen", Zeit-Online, 15.02.2015 (http://www.zeit.de/kultur/2015-02/islamischer-staat-dschihadisten-aus-europa-essay/seite-5)

[39] Siehe Dudouet, Véronique (Hrsg.) (2014) Civil Resistance and Conflict Transformation. Transitions from Armed to Nonviolent Struggle. London/New York: Routledge

[40] Jack Crone: "Wanted - experienced oil plant manager, pay £140,000 p.a....send CV to ISIS: Jihadists advertising for skilled professionals to man its failing oil fields after string of fatal accidents", Mail Online, 01.11.2014 (http://www.dailymail.co.uk/news/article-2816755/Wanted-experienced-oil-plant-manager-pay-140-000-p-send-CV-ISIS-Jihadists-advertising-skilled-professionals-man-failing-oil-fields-string-fatal-accidents.html)

[41] McCarthy 2015 (a.a.O.) schlägt so etwas Ähnliches vor.

[42] "Islamic State Weapons in Iraq and Syria", Conflict Armament Research, Dispatch 09/2014 (http://conflictarm.com/wp-content/uploads/2014/09/Dispatch_IS_Iraq_Syria_Weapons.pdf)

[43] Allam, Hannah (2014) Records show how Iraqi extremists withstood U.S. anti-terror efforts. McClatchy, http://www.mcclatchydc.com/2014/06/23/231223/records-show-how-iraqi-extremists.html

[44] 'Syria Iraq: The Islamic State militant group' BBC 2.8.2014 (http://www.bbc.com/news/world-middle-east-24179084), Blaschke a.a.O. 2014

[45] Cockburn, Patrick (2014) "Iraq crisis: How Saudi Arabia helped Isis take over the north of the country." The Independent 13.7.2014 (http://www.independent.co.uk/voices/comment/iraq-crisis-how-saudi-arabia-helped-isis-take-over-the-north-of-the-country-9602312.html) Deutsche Übersetzung unter http://irananders.de/nachricht/detail/756.html

[46] Siehe u.a. "How is Islamic State funded?" BBC News, 12.12.2014 (http://www.bbc.com/news/world-middle-east-30315092), Ruf 2015 (a.a.O.)

[47] Islamischer Staat, Irak und Syrien. Herangehensweise an die aktuelle Krise – Hintergrundpapier. Von: Georg Adelmann, Stephan Brües, Ute Finckh-Krämer und Christine Schweitzer. Herausgeber: Bund für Soziale Verteidigung, 19.8.2014 (http://www.soziale-verteidigung.de/uploads/tx_ttproducts/datasheet/IS-Irak-Syrien_20140820.pdf)

[48] Resolution 2170 (2014), Adopted by the Security Council at its 7242nd meeting, on 15 August 2014 (http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N14/508/49/PDF/N1450849.pdf?OpenElement); Security Council Adopts Resolution 2170 (2014) Condemning Gross, Widespread Abuse of Human Rights by Extremist Groups in Iraq, Syria (http://www.un.org/press/en/2014/sc11520.doc.htm)

[49] Siehe Dudouet 2014 a.a.O.

[50] McCarthy 2015, a.a.O.

[51] Siehe Nonviolent Peaceforce (www.nonviolentpeaceforce.org/); McCarthy 2015 a.a.O.

[52] IS disciplines some emirs to avoid losing base. Al-Monitor, 09/2014 (http://www.al-monitor.com/pulse/tr/security/2014/09/is-takfiri-caliphate.html).

[53] Turkmani, Rim; Kaldor, Mary; Elhamwi, Wisam; Ayo, Joan und Hariri, Noel (2014) Hungry For Peace. Positives and Pitfalls of Local Truces and Ceasefires in Syria. Hrsg. SIT, LSE und Madani

[54] Dieses und die folgenden Beispiele stammen von Julia Talebs oft zitiertem Artikel: Taleb, Julia (2014) "Only Syrians can free Syria": From Assad to ISIS, a tale of Syrian resistance. (http://wagingnonviolence.org/feature/assad-isis-tale-resistance/) Eine deutsche Übersetzung wurde im Friedensforum 1/2015 veröffentlicht.

[55] Taleb 2014 a.a.O. Siehe auch Informationen zur Kampagne "Same Shit" in der Zeitung von Adopt a Revolution 2014/2015 a.a.O. Die Kampagne wehrt sich dagegen, dass das Assad-Regime zum Partner im Kampf gegen den IS gemacht wird. Eine zweite Quelle: Activism in Difficult Times. Civil Society Groups in Syria 2011-2014. von Rana Khalaf, Oula Ramadan und Friederike Stolleis. Hrsg. Badael/Projekt und Friedrich Ebert Stiftung 2014. Der Bericht beschreibt – wie alle anderen Berichte – die großen Schwierigkeiten für AktivistInnen in den Regionen, die unter Kontrolle des IS sind, erwähnt aber auch klandestine Aktivitäten, die fortgesetzt werden. Auch Verhandlungen mit ISIS werden zumindest als Möglichkeit erwähnt (S. 46)

[56] Siehe Zeitung von Adopt a Revolution von Januar 2015 a.a.O.; Local Coordination Commitees (http://www.lccsyria.org/en); Stephans 2015 a.a.O.; Syrian Nonviolence Movement (https://www.facebook.com/SyrainNonviolence)

[57] Hashtags #WeAreN, and #IamNasrani auf Twitter.

[58] Dieses und der nächste Punkt: Stephans 2015, a.a.O.

[59] Siehe Adopt a Revolution a.a.O, Stephans 2015 a.a.O.; One weapon against ISIS brutality emerges in Arab world: Satire. CBSNews 01.09.2014 (http://www.cbsnews.com/news/arab-satire-ratchets-up-against-isis-as-militant-group-grows/)

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sopos 4/2015