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Die Gruppe Arbeiterpolitik und der 17. Juni 1953

von Gregor Kritidis (sopos)

Gedenktafel 17. Juni

Gedenktafel für die Opfer des 17. Juni 1953. Leipziger Straße 7 Ecke Wilhelmstraße, Berlin-Mitte. Enthüllt am 17. Juni 1993.
(veröffentlicht auf commons.wikimedia.org)

Der folgende Beitrag beinhaltet Auszüge aus dem Buch "Linkssozialistische Opposition in der Ära Adenauer" (Hannover 2008, S. 202ff.) von Gregor Kritidis und beleuchtet die Positionen der Gruppe Arbeiterpolitik, die nach 1945 die gleichnahmige Zeitschrift herausgab. Entgegen der vorherrschenden Auffassung, bei der Revolte vom 17. Juni habe es sich um einen Volksaufstand gehandelt, wird in der Analyse der zeitgenössischen oppositionellen Publizistik deutlich, dass es sich keineswegs um eine klassenunspezifische, sondern um eine proletarisch-sozialistische Bewegung handelte, die ihre Zentren vor allem in den kommunistischen und sozialdemokratischen Hochburgen der Arbeiterbewegung hatte. Der während des Kalten Krieges als antikommunistische Volksbewegung zum Feiertag erklärt 17. Juni, wurde nach der Wiedervereinigung – konsequenterweise – als Feiertag abgeschafft. Umso wichtiger erscheint es uns, die Bewegung vom Juni im kollektiven Gedächtnis als wichtige historische Wegmarke der demokratischen Bewegung in Deutschland wach zu halten.

Eine Einführung in die Ereignisse aus persönlicher Sicht gibt der Zeitzeugenbericht "Ausnahmezustand in Leipzig" von Helmut Rammel aus dem Buch "Abhauen oder hierbleiben" wieder, wohingegen sich dieser Artikel mit der Rezeption der Ereignisse durch die Gruppe Arbeiterpolitik beschäftigt.

Die Traditionslinien der Gruppe Arbeiterpolitik (GAP) und ihre Brüche

Eine wichtige Strömung der unabhängigen Linken bildete sich nach 1945 aus dem "rechtskommunistischen" Spektrum: Die Gruppe Arbeiterpolitik (GAP) knüpfte nach der Befreiung nicht nur an den Traditionen der Kommunistischen Partei Opposition (KPO) an, mit den Analysen August Thalheimers über die weltpolitische Lage nach 1945 verfügte die GAP auch über eine theoretische Grundlage, welche die meisten theoretischen Arbeiten sozialistischer Provenienz weit überragte. Die GAP wurde von erfahrenen, theoretisch geschulten ehemaligen Aktivisten der KPO gegründet, die eine eigenständige kommunistische Konzeption verfolgten, die sich scharf vom Parteikommunismus der KPD/SED, von der Sozialdemokratie, aber auch den anderen sozialistischen Strömungen abgrenzte. Eine Zusammenarbeit mit den Besatzungsmächten, insbesondere die Übernahme öffentlicher Ämter, lehnte die GAP kategorisch ab. Die große ideologische Geschlossenheit der Gruppe stabilisierte die GAP als eigenständige politische Kraft, machte sie aber nur begrenzt bündnisfähig. In der zweiten Hälfte der 50er Jahre wurde die GAP zunehmend von inneren Widersprüchen zerrieben, sodaß ein Teil der Gruppe schließlich den Weg in die SPD suchte, während eine Minderheit die eigene Traditionslinie erfolgreich zu aktualisieren begann.

(...)

Im November 1948 erschien die erste Ausgabe der Arbeiterpolitik (Arpo), die maßgeblich von Theodor Bergmann, Waldemar Bolze, Rudolf Hanke und Hermann Jahn redigiert wurde. Die in den ersten Ausgaben vertretenen Positionen beinhalten in modifizierter und aktualisierter Form die Kritik Thalheimers und prägten die Berichterstattung, wobei der Fokus insbesondere auf betrieblichen und überbetrieblichen Konflikten und Streikbewegungen lag.[1] (...)

Der 17. Juni und seine Analyse durch die GAP

Der Arbeiteraufstand in der DDR am 17. Juni 1953 wurde von der Arpo lebhaft begrüßt, verknüpfte sich doch damit die – nicht vollkommen unberechtigte – Hoffnung, der revolutionäre Funke könne auch auf Westdeutschland übergreifen.[2] In den folgenden Monaten bildeten die Folgen des 17. Juni in der DDR wie im gesamten sowjetischen Einflußbereich sowie die Reaktionen in der Westdeutschen Arbeiterschaft das beherrschende Thema in der Arpo. In keiner anderen Publikation der Arbeiterbewegung wurde sich derart kenntnisreich und umfassend mit der Bewegung vom Juni auseinandergesetzt, wobei die SED umfassend kritisiert wurde, aber auch die Reaktion der SPD als vollkommen unzureichend verworfen wurde.

Prozess gegen Aufständische vom 17. Juni 1953

Originale Bildunterschrift durch die damalige Bildagentur der DDR:

Zentralbild/Junge, 11.6.1954 Rädelsführer des 17. Juni vor dem Obersten Gericht
Ein Prozess gegen vier Agenten westlicher Spionage- und Terrororganisationen, die als Rädelsführer und Anstifter an der jahrelangen Vorbereitung und der Auslösung des faschistischen Putschversuches vom 17. Juni 1953 massgeblich mitgewirkt haben, begann am 10.6.1954 vor dem 1. Strafsenat des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik.
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Scharf kritisierte die Arpo die These des ZK der SED, der Aufstand sei von westlichen Agenten und faschistischen Elementen initiiert worden und hob den eigenständigen proletarischen Charakter der Juni-Bewegung hervor.[3] In einer Analyse der ZK-Tagung nach dem Juni-Aufstand wurden die ideologischen Verrenkungen der SED mit Spott seziert: Otto Grotewohl behaupte einerseits, starke Agenturen des SPD-Ostbüros und die "mit westlichen Spionageringen verbundenen Brandleristen" hätten die Unruhe unter den Arbeiter gestiftet, andererseits müsse er aber einräumen, daß auch nach dem 17. Juni viele Arbeiter das Streikrecht und die in der Bewegung erhobenen Forderungen nach einer Rücknahme der Normenerhöhung, einem Rücktritt der Regierung und freien Wahlen verteidigt hätten. "Grotewohl gesteht hier ein, daß die alten Arbeiterfunktionäre, die das Vertrauen der Massen haben, überall hervortraten und daß ihnen eine führende Rolle zufiel."[4] Der Vorwurf des Faschismus, der schon vor 1933 von der KPD gegen die SPD und 1948 gegen die Jugoslawen erhoben worden sei, werde keinen klassenbewußten Arbeiter täuschen.

Die Arpo strich besonders heraus, daß die SED indirekt habe zugeben müssen, daß nicht nur der FDGB, sondern auch große Teile der SED und der Volkspolizei durch die Bewegung zersetzt worden seien. Grundsätzlich hänge die weitere Entwicklung in der DDR jedoch maßgeblich von der außenpolitischen Linie der SU ab, nicht von der SED selbst. Zwar sei mittelfristig mit der "Entwicklung der Sowjetunion in Richtung einer Erweiterung und Vertiefung der Arbeiterdemokratie" zu rechnen;[5] die Arbeiter in der DDR müßten jedoch einzig auf ihre eigene Kraft vertrauen. In einem weiteren Beitrag wurde erneut der proletarische, revolutionäre Charakter der Bewegung herausgestrichen: Keinesfalls habe der Aufstand zum Ziel gehabt, "die kapitalistischen Ausbeuter von dereinst zurückzuholen". Dieser Aspekt, hieß es an anderer Stelle, werde "durch die aufdringliche ‚Solidarisierung’ des kapitalistischen Westens" mit den Arbeitern verwischt.[6] Der Aufstand habe für alle vollkommen unerwartet das Potential der Arbeiterklasse offengelegt. "Das ist die bekannte ‚Spontaneität’, die zusammen mit Rosa Luxemburg in die Wolfsschlucht geworfen wurde".[7] Dieses Potential sei aber keinesfalls nur ein ostdeutsches Phänomen. "Der 17. Juni im Osten und der Streik in Frankreich, bei dem sozialdemokratische und christliche Arbeiter ihre Führer in den Kampf zwangen, haben erneut bewiesen, wessen die Arbeiterklasse fähig ist."[8] Die SED bemühe sich, der Lage wieder Herr zu werden, indem sie einerseits die ideologische Offensive gegen angebliche Saboteure und Faschisten forciere, andererseits sozialpolitische Zugeständnisse mache.[9] In seiner weltpolitischen Übersicht wies Heinrich Brandler darauf hin, daß die Aufständischen indirekt auch die SU zu weitreichenden Zugeständnissen gegenüber der DDR gezwungen hätten.[10] So würden die Reparationen gestoppt, Industriebetriebe unter sowjetischer Verwaltung an die DDR zurückgegeben und umfangreiche Kredite gewährt. Dadurch werde sich die Versorgungslage der Arbeiter in der DDR sich deutlich verbessern. Bemerkenswert war in diesem Zusammenhang Brandlers Verweis, aus welchen Gründen eine Wiedervereinigung unmöglich sei: "Die SU ist für die Vereinigung Deutschlands, wenn Gesamtdeutschland nicht an einem militärischen Bündnis gegen die SU teilnimmt und sich mit der Oder-Neiße-Grenze abfindet. Die USA sind umgekehrt nur für die Vereinigung, wenn Gesamtdeutschland ein militärischer Vorposten gegen die SU wird. Andernfalls begnügt sich Amerika mit Westdeutschland innerhalb seines Militärblocks".[11] Folglich werde der Kalte Krieg weitergehen, solange nicht die Arbeiterklasse eine eigenständige Politik einschlage.

Von der Politik der SPD erwartete die Arpo keine positiven Impulse. In Übereinstimmung mit ihrer These, daß die inkonsequente Politik der SPD nur der Ausdruck des reformistischen Bewußtseins der breiten Masse der Arbeiterschaft sei, war das eine folgerichtige Haltung. Es war Fritz Opel, ebenfalls aus der KPO kommend, der in den Funken eine alternative Programmatik im Sinne einer gesamtdeutschen sozialistischen Perspektive entwickelte. Die Erschütterung der SED, so Opel, wäre erheblich verstärkt worden, "Wenn die Arbeiterschaft des Westens, und vor allem West-Berlins, sofort in mächtigen Sympathiestreiks ihren Brüdern im Osten zu Hilfe geeilt wäre."[12] Der SPD sei es ein leichtes, am 1. Mai Hunderttausende am Brandenburger Tor zu versammeln, am 17. Juni hätte man "im Nu" das arbeitende Berlin auf die Straße bringen können. Die Voraussetzung dazu wäre freilich ein Aktionsprogramm gewesen, in dem festgehalten worden wäre, wie sich die SPD "eine Wiedervereinigung der beiden Deutschland im Zeichen des Sozialismus" vorstelle. Eine derartige Politik hätte sehr schnell gezeigt, "daß man handfeste sozialistische Politik mit Billigung oder gar mit Unterstützung der Besatzungsmächte nicht machen kann, weder hüben noch drüben".[13] Die Presse habe darüber berichtet, daß die Westalliierten und die SU über die Aufrechterhaltung der Ruhe in Berlin verhandelt hätten.[14] Die westalliierte Kommandantur habe den Berliner Senat angewiesen, jede Versammlung zu melden und eine Genehmigung abzuwarten. "Die wirklichen Inhaber der Macht", kommentierte Opel, "im Westen wie im Osten, haben anscheinend mehr Verständnis für die Möglichkeiten der Situation als die Führer der SPD …".[15] Die Politik der SPD habe die Opfer, welche die Juni-Bewegung in der DDR gefordert habe, sinnlos gemacht.

Politische Einschätzungen des 17. Juni durch das rechtssozialdemokratische Spektrum um Willy Brandt

Vergleicht man die Analysen der Arpo mit politischen Einschätzungen aus dem rechtssozialdemokratischen Spektrum, ergeben sich zahlreiche Überschneidungen. So hob etwa Willy Brandt ebenfalls in Anlehnung an Luxemburg den revolutionär-proletarischen Charakter der Juni-Bewegung hervor und strich heraus, daß die Bewegung auf eine Neubegründung eines vereinigten Gesamtdeutschland abgezielt habe: "Man sollte nicht übersehen, daß an keiner Stelle auch nur andeutungsweise die Forderung erhoben wurde, daß die Großbetriebe im Prozeß der Wiedervereinigung einfach zu reprivatisieren seien."[16] Eine Programmatik für eine offensive Wiedervereinigungspolitik der SPD entwickelte Brandt daraus jedoch nicht. Im Gegenteil: Brandt blieb dem herrschenden Antikommunismus verhaftet, wenn er betonte, "daß es die politische und gewerkschaftliche Arbeiterbewegung war, die den Einfluß des Kommunismus im deutschen Westen auf ein Minimum reduzierte und damit einen der entscheidenden Erfolg im ‚kalten Krieg’ erzielte."[17] Im gewissen Sinne handelte es sich bei diesem Antikommunismus Brandts um eine Umkehrung seiner unkritischen Position gegenüber der SU in der Zeit der Weimarer Republik: Unter dem Eindruck des stalinistischen Terrors hatte Brandt zwar seine Position gegenüber der SU korrigiert, methodisch-analytisch stand seine Ablehnung des Parteikommunismus aber auf wackeligen Beinen.[18]

Für die Arpo ebenso wie für die linken Sozialisten setzte dagegen die Wiedervereinigung eine revolutionäre Bewegung in ganz Deutschland, d.h. ein Überspringen des revolutionären Funken auf Westdeutschland voraus. Das aber versuchten die Westmächte und die antikommunistischen Kräfte in der SPD zu verhindern. So weigerte sich der Westberliner RIAS nicht nur, einen Aufruf zum Generalstreik zu senden, weil man befürchtete, mit einer Eskalation die Kriegsgefahr zu erhöhen. "Die Westalliierten waren sogar darum bemüht, von der SPD unterstützte Demonstrationen von Westberlinern an der Sektorengrenze zu unterbinden. Ebenso sorgten sie dafür, daß sich der Rückflug von Bürgermeister Ernst Reuter, der sich zum Internationalen Städtetag in Wien aufhielt, verzögerte. Sie befürchteten offenbar, der charismatische Politiker und brillante Rhetoriker könnte zu einer Eskalation der Situation und einem Übergreifen der Aufstände auf den Westen beitragen."[19] Die Westmächte und die auf sie gestützte Regierung Adenauer betrachteten intern das Eingreifen der SU als legitimen Vorgang – trotz aller antikommunistischen Rhetorik. Laut Alexander Gallus schien hier "kurzzeitig die Politik des 'dual containment' durch, die nicht nur danach suchte, die kommunistische Gefahr einzudämmen, sondern auch den deutschen Nationalismus".[20] Die Eindämmung des deutschen Nationalismus war aber eine sekundäre Frage; die reale Gefahr lag in der spezifischen Kombination von nationaler und sozialer Frage, d.h. in der Perspektive, die Bundesrepublik als Teil des kapitalistischen Westens aufgeben und ein neutrales, demokratisch-sozialistisches Gesamtdeutschland zulassen zu müssen. Von daher ist Hans-Peter Schwarz zuzustimmen, der die Möglichkeit einer Intervention der Regierung Adenauer negiert.[21] Einerseits hätte das die Westintegration, die Adenauer vorrangig betrieb, ausgeschlossen; andererseits hätte eine offensive Unterstützung der Aufständischen durch die westdeutschen bürgerlichen Kräfte zu einer Verschärfung der Kriegsgefahr führen müssen. Einzig die SPD hätte mit einer Offensive gegen die Regierung Adenauer respektive die Westmächte und mit einem Programm der sozialistischen Neuordnung eines neutralen Gesamtdeutschlands wirksam intervenieren können. Dazu war die SPD aufgrund ihrer mehrheitlich antikommunistischen und antirevolutionären Ausrichtung jedoch nicht Willens und in der Lage.[22] Der von Willy Brandt herausgestellte Beitrag der SPD zum Kalten Krieg wirkte sich dahingehend aus, entgegen aller Freiheits-Rhetorik die Spaltung Deutschlands und der Welt auf Kosten der Lohnabhängigen zu vertiefen. Es sollte Wolfgang Abendroth sein, der in Konsequenz aus dem 17. Juni ein realistisches Programm zur Wiedervereinigung erarbeitete.[23]

Anmerkungen

[1] Wittemann, Klaus Peter: Kommunistische Politik in Westdeutschland nach 1945. Der Ansatz der Gruppe Arbeiterpolitik. Darstellung ihrer Grundlegenden politischen Auffassungen und ihrer Entwicklung zwischen 1945 und 1952. Hannover 1977, S. 139 ff. Vgl. Arbeiterpolitik, 1948–1950.

[2] Vgl. Arpo Nr. 13 v. 5.7.1953.

[3] Nichts gelernt und nichts vergessen! Die 15. Tagung des ZK der SED vom 24.-26. Juli 1953. Arpo Nr. 16 v. 20.8.1953, S. 6ff.

[4] Ebd., S. 7.

[5] Ebd., S. 8.

[6] Zum Charakter des 17. Juni. Kritik und Antikritik des Aufrufs in Arpo Nr. 13. Arpo Nr. 16 v. 20.8.1953, S. 9f.

[7] Ebd., S. 9.

[8] Bundestagswahlen 1953. Arpo Nr. 17 v. 1.9.1953, S. 1.

[9] Die "Faschisten" ernten… Die Früchte des Kampfes. Ebd., S. 7f.

[10] Weltpolitische Übersicht. Ebd., S. 4.

[11] Ebd.

[12] M.[ax] S.[tein, d.i. Fritz Opel], Berlin – Aktion der Massen. Funken Nr. 2. Juli 1953, S. 1ff. Hier: S. 2.

[13] Ebd.

[14] Opel bezog sich hier auf die Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20. Juni 1953.

[15] Opel, Berlin, S. 2.

[16] Willy Brandt, Der 17. Juni 1953. Die geschichtliche Bedeutung des Arbeiteraufstandes gegen Diktatur und für Freiheit und Einheit. Der Gewerkschafter 8/9/1953, S. 15-25. Hier: S. 23.

[17] Ebd., S. 22.

[18] In der einschlägigen Literatur, etwa bei Schmidt, wird dieser Aspekt nicht behandelt. Peter von Oertzen merkte dazu an: "[Peter Blachstein kam] aus der SAP, ja. Aber er war nicht in der stalinistischen Fraktion der SAP wie Willy Brandt, sondern der demokratischen, einer der demokratischen, der linkssozialistischen. Also er war in der Fraktion von Anna Siemsen und so. Willy Brandt war in der pro-kommunistischen, also pro-stalinistischen Fraktion. Ich habe dem Willy gesagt: weißt du, was ich an dir am meisten schätze, ist, daß du in der SAP warst. Aber ich muß sagen, du warst da in der falschen Fraktion. Da hat er immer gelacht. Er freute sich, daß einer das wußte. Das wußte ja sonst keiner, das interessierte ja auch keinen, seine Vergangenheit. Ich habe ihn immer deswegen geschätzt, weil ich immer noch den alten Linkssozialisten, den unabhängigen Linkssozialisten in ihm gesehen habe, und irgend etwas davon hat er bis an sein Lebensende bewahrt. Der Sozialdemokrat, der rechte Sozialdemokrat." Mitteilung von Peter von Oertzen v. 7.11.2002, S. 18. Die Analysen der SU waren, abgesehen von der zur SAP gestoßenen KPO-Minderheit um Jakob Walcher, in der SAP unterentwickelt. Vgl. Hanno Drechsler, Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD): Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung am Ende der Weimarer Republik. Meisenheim am Glan 1965, S. 214. Sowie: Jörg Bremer, Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP). Untergrund und Exil 1933-1945. Frankfurt/M. und New York 1978, S. 198ff.

[19] Gallus, 17. Juni. In Veen, [Hans-Joachim (Hrsg.), Die abgeschnittene] Revolution [Der 17. Juni 1953 in der deutschen Geschichte. Köln 2004], S. 90.

[20] Ebd., S. 92.

[21] Hans Peter Schwarz, Die geteilte Welt: Deutschland und die Freiheit in Europa. In: Veen, Revolution, S. 15-39. Hier: S. 29ff.

[22] Benno Sarel hat den sozialistisch-revolutionären Charakter des Juni-Aufstandes in der DDR herausgearbeitet. Die gesamtdeutsche Dimension des Juni-Aufstandes wird in zwei Punkten besonders deutlich: Durch den Westberliner Bauarbeiter-Streik 1953, über den in der ostdeutschen Presse positiv berichtet wurde. Faktisch wurden damit die Kämpfe der Bauarbeiter in Ost-Berlin ideologisch mit vorbereitet. Und zweitens durch die Forderung nach einer Wiedervereinigung. Es ist Bezeichnend für die Forschungsliteratur über den 17. Juni, daß die Position Sarels (Arbeiter gegen den Kommunismus, [Zur Geschichte des proletarischen Widerstandes in der DDR 1945-1958. München 1975. Erstmals Paris 1958] v. a. S. 121ff., S. 142f.) praktisch nicht zur Kenntnis genommen worden ist.

[23] Vgl. Kapitel 3.3. [Kritidis, Linkssozialistische Opposition in der Ära Adenauer, Hannover 2008, S. 309ff].

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sopos 6/2013