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No Staatsbankrott in Greece

Die griechische Bevölkerung kämpft verbissen für den Staatsbankrott - EU, IWF und die griechischen Eliten unternehmen alles, um Griechenland zu "retten"

von Gregor Kritidis (sopos)

"Die sich ablösenden Generationen werden immer schlechter. Es wird die Zeit kommen, in der sie so böse geworden sind, dass sie die Macht anbeten: Macht wird dann Recht für sie sein, und die Ehrfurcht vor dem Guten wird aufhören. Zuletzt, wenn niemand sich mehr über Untaten empört oder angesichts der Unglücklichen Scham empfindet, wird Zeus auch sie vernichten. Und doch könnte selbst dann noch etwas dagegen getan werden, wenn sich nur das einfache Volk erheben und die Tyrannen stürzen würde, die es unterdrücken."
Mythos über das Eiserne Zeitalter


Man kann darüber spekulieren, ob die in erfrischendem deutsch-englisch abgegebene Garantieerklärung des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble für Griechenland in Singapur Mitte Oktober geplant war: "It will not happen that there will be a Staatsbankrott in Greece". Die "bedrückende sprachliche Unbekümmertheit", so die Neue Züricher Zeitung, machte vor allem deutlich, was spätestens nach der Ankündigung der EZB, im Fall des Falles unbegrenzt Staatsobligationen aufzukaufen, jedem klar sein konnte: Eine griechische Staatspleite wird es nicht geben. Genauer: Die Regierungen der EU-Länder werden alles unternehmen, damit die Staatsschulden weiter bedient werden.[1]

Im Kern wird damit eine Politik fortgesetzt, die seit der Pleite der Lehman-Brothers im September 2008 von niemandem ernsthaft in Frage gestellt worden ist: Ist ein Wirtschaftsakteur nur groß genug, um im Falle einer Pleite unabsehbaren Schaden anzurichten, wird alles unternommen, um seine Zahlungsfähigkeit gegenüber den Gläubigern zu sichern. Nun mag umstritten sein, ab welcher Größe ein Player "systemrelevant" ist. Ist eine Bank "to big to fail", so gilt es allemal für einen Staat von der Größe Griechenlands, vor allem dann, wenn neben Anleihen auch Realkapital abgeschrieben werden müsste.[2]

Die Spekulationen bzw. Forderungen nach einem "Grexit", also einem Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone, wie sie von rechtskonservativen und orthodox-neoliberalen Kreisen in Deutschland immer wieder vorgebracht worden sind, bewegen sich daher jenseits aller realen gesellschaftspolitischen Konfliktlinien im luftleeren Raum. Es spricht nicht gerade für den politischen Sachverstand vieler Vertreter von FDP und CSU, dass sie sich ungebremst zu Lautsprechern übelster Stammtisch-Ressentiments gemacht haben. Denn im Gegensatz zu gewieften Populisten wie Geert Wilders oder Jörg Haider muss man einem Alexander Dobrindt oder einem Philipp Rösler unterstellen, dass sie ernsthaft an das glauben, was sie in der Öffentlichkeit verbreiten. Gegen Kanzlerin Merkel und die hinter ihr stehenden, politisch maßgeblichen Interessengruppen wollte bisher allerdings niemand aus der Koalition den Kurs eines Anti-Europa-Nationalismus weiterverfolgen.[3] Nach der eindeutigen Positionierung der Bundesregierung sahen sich auch die großen Medienkonzerne veranlasst, ihre Kampagnen gegen die korrupten Griechen zu modifizieren und der griechischen Regierung signifikante Fortschritte zu attestieren - und das gerade zu einem Zeitpunkt, wo das ganze Desaster offen zu Tage trat.

Die Währungsunion als Instrument ökonomischer Expansion

Betrachtet man die Politik der EU und der ihre Linie maßgeblich bestimmenden Staaten Deutschland und Frankreich, so zeichnen sich trotz aller Wendungen deutliche Kontinuitäten ab. Mit den Kreditverträgen vom Mai 2010 sollte sichergestellt werden, dass der griechische Staat seinen Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern nachkommt. Dadurch wurde eine weitere Finanzkrise abgewendet und den privaten Gläubigern die Zeit gegeben, ihre Anleihen an die EZB zu verkaufen, die damit zur gesamteuropäischen "Bad Bank" avancierte. Gleichzeitig wurde die griechische Bevölkerung, insbesondere die arbeitenden Klassen, für die Staatsschulden in Haftung genommen und eine Politik der "inneren Abwertung", d.h. eine schockartige Senkung von Löhnen, Gehältern sowie Transfereinkommen wie etwa Renten, eingeleitet. Um diese Schocktherapie politisch abzusichern, wurden die griechische Verfassung, europäisches Recht und Völkerrecht ausgehebelt und mit der aus Vertretern der EU, der EZB und des IWF bestehenden Troika sowie der "Task Force" Institutionen mit quasi diktatorischer Vollmacht installiert.[4] Das Programm der "inneren Abwertung" war und ist eine logische Konsequenz aus der Mitgliedschaft Griechenlands in der Eurozone: Von Anfang an war allen Beteiligten bewusst, dass die griechische Wirtschaft auf lange Sicht gegenüber den Ländern Mittel- und Nordeuropas nicht konkurrenzfähig ist. Da die Geldpolitik supranational über die EZB organisiert und das Instrument der Wechselkurspolitik nicht mehr vorhanden ist, blieb und bleibt als Anpassungsvariable nur noch die Lohnpolitik übrig.[5] Mit anderen Worten: Die Währungsunion war und ist ein Instrument, mit dem die wirtschaftlich starken Staaten Mitteleuropas ihre Exporte in die europäische Peripherie massiv begünstigt und die dortigen Industrien zerstört haben.[6] Die negativen Handelsbilanzen wurden dabei durch gigantischen Kapitalexport u.a. in Form von billigen Krediten lange Zeit überdeckt. Solange die griechische Wirtschaft dank gigantischer Investitionen in die Infrastruktur brummte, stellte die wachsende Schieflage der Leistungsbilanz und die zunehmende private wie öffentliche Verschuldung kein Problem dar. Schließlich platzte die Blase, als mit dem griechischen Bankenrettungspaket und der einsetzenden Spekulation die Staatsschulden exorbitant anstiegen.[7]

Widersprüche des Expansionsstrategie Kerneuropas

Allerdings beinhaltet die Politik der EU einen zentralen Widerspruch: Sinkende Löhne und sinkende Staatsausgaben bewirkten eine depressive Abwärtsspirale und ließen die Steuereinnahmen einbrechen. In der Folge stieg die Staatsverschuldung absolut und in Relation zum BIP weiter an. Im Februar 2012 wurde daher ein mühsam ausgehandelter Schuldenschnitt unternommen: Die privaten Gläubiger konnten mit geringen Abschlägen ihre restlichen Titel in neue Anleihen umtauschen, während die öffentlichen Anleger, also der IWF und die EZB davon ausgenommen blieben. Die Hauptlast des Schuldenschnitts wurde den griechischen Anleger aufgebürdet, also insbesondere öffentlichen Institutionen, denen die Regierung den Kauf von Staatsanleihen auferlegt hatte. Die griechischen Banken, die sich teilweise im Besitz von französischen Geldhäusern befinden, wurden dagegen durch die Kredite der Troika rekapitalisiert. Faktisch fand also eine weitere Enteignung öffentlichen Vermögens statt.

Ausverkauf der griechischen Wirtschaft

Die Fortsetzung der Schock-Therapie trotz der sich beschleunigenden wirtschaftlichen Talfahrt folgt dem Interesse, die Abwälzung der ökonomischen Lasten der Finanzkrise auf die griechische Bevölkerung fortzusetzen und die Widerstände gegen einen ökonomischen Ausverkauf zu brechen. Die Gründung einer Privatisierungs-Agentur nach dem Vorbild der deutschen Treuhandanstalt spricht hier für sich. Denn entgegen allen anders lautenden Behauptungen gibt es noch ausreichend lohnende Objekte in Staatsbesitz, etwa die Elektrizitätsgesellschaft DEI, die Wasser- und Gasversorger, Flughäfen, Häfen, Sendefrequenzen oder die staatliche Glücksspielgesellschaft. Neben der liquiden Postbank ist auch die Agrarbank ein lukratives Objekt, da mit ihr der Zugriff auf gut die Hälfte des griechischen Grundbesitzes möglich ist. Aber auch kleinere Objekte dürften lohnend sein: Aufgrund der Verarmung großer Teile der griechischen Bevölkerung stehen von den rund 1 Millionen Mietwohnungen etwa 300.000 leer, und rund 50% der Mieter können ihre Miete nur verspätet zahlen. Bedingt durch die drastischen Besteuerung von Wohneigentum gibt es ein Überangebot von Wohnungen, der Immobilienmarkt ist weitgehend zusammengebrochen.[8] Es dürfte also nur eine Frage der Zeit sein, bis sich große Immobilienfirmen zu Schnäppchenpreisen eindecken. Die offiziellen Zahlen verdeutlichen das ganze Ausmaß des Ausverkaufs: Waren in der "Mittelfristigen Finanzplanung" 2011 noch rund 50 Mrd. € an Privatisierungserlösen vorgesehen, geht die griechische Regierung jetzt von 11,1 Mrd. € bis 2016 aus.[9] Die Art und Weise, wie staatliche Unternehmen ruiniert werden, lässt sich exemplarisch etwa am staatlichen Stromversorger DEI zeigen: Private Unternehmen wie Hellas Power beziehen Strom von der DEI, den sie nicht bezahlen, mit denen quasi kostenfrei gigantische Gewinne erzielt werden. Es folgt der betrügerische Konkurs, der Schaden verbleibt bei der DEI, d.h. der öffentlichen Hand und den Konsumenten.

Diese Neuordnung der Besitzverhältnisse im großen Stil ist eines der in der europäischen Öffentlichkeit wenig diskutierten Geheimnisse der "Griechenlandrettung". Ein Grafitto in Athen hat diese Umverteilung 2011 ebenso drastisch wie zutreffend charakterisiert: "Jetzt wo die Unterhose weg ist, gehen sie uns an die Eier".

Die griechische Wirtschaft in der deflationärer Sackgasse

Rapide sinkende Staatsausgaben und Masseneinkommen, Preisverfall des staatlichen Anlagevermögens und Firmenpleiten - all das ist als Programmatik insbesondere des IWF nicht neu; ebenso ist vollkommen klar, dass ein derartiger ökonomischer Zerstörungsprozess das Gegenteil von Wachstum und damit der Fähigkeit ist, die Schulden zu bedienen. Inwieweit es tatsächlich die Illusion seitens der EU gegeben hat, Lohnsenkungen würden die Voraussetzungen für einen erneuten Aufschwung schaffen, mag dahingestellt bleiben. Griechische Unternehmer haben sich längst anders entschieden und ihre Firmen nach Bulgarien verlagert, wo sich in einem politisch stabileren Umfeld und außerhalb der Eurozone wesentlich billiger produzieren lässt. Wie es auch immer gedreht und gewendet wird: Je mehr die öffentlichen Ausgaben, sowie Löhne und Gehälter im privaten Sektor gekürzt werden, desto geringer die aggregierte Nachfrage. Firmenpleiten sind eine Folge davon, wobei diese die depressive Abwärtsspirale beschleunigen. Je stärker die Rezession, desto stärker wächst der Schuldenberg und desto größer die Abhängigkeit von frischen Krediten.

Die wiederholte Verschiebung des Berichts der Troika - ursprünglich war dessen Veröffentlichung für Anfang September geplant -, mit dem die Auszahlung der nächsten Kreditrate in Höhe von 31 Mrd. € legitimiert werden soll, ist ebenso Ausdruck dieses Widerspruchs wie das Gerangel innerhalb der EU und deren Konflikte mit dem IWF. Trotz bzw. wegen der Etatkürzungen ist der Schuldenberg des griechischen Staates absolut und in Relation zum BIP angestiegen, und - das ist entscheidend - es konnte nicht einmal ein Primärüberschuss erzielt werden. Mit anderen Worten: Wegen der wegbrechenden Steuereinnahmen in das Haushaltsdefizit vor Schuldendienst nicht beseitigt worden, anders lautende Berechnungen des griechischen Finanzministers basieren auf dem Taschenspielertrick, die unbezahlten Rechnungen der öffentlichen Hand nicht zu berücksichtigen. Die Aufteilung der nächsten Rate der Kreditgeber bringt das klar zum Ausdruck: Von den 31,5 Mrd. € sind 23 Mrd. € für die Rekapitalisierung der griechischen Banken bestimmt, 7,9 Mrd. € für den Schuldendienst und 0,6 Mrd. € für den Ausgleich des Staatshaushaltes.[10] Vor diesem Hintergrund sind die Pläne Seitens der deutschen Regierung zu sehen, ein Sonderkonto für die Kredite der Troika einzurichten, auf das auch ein Teil der griechischen Mehrwertsteuer eingezahlt werden soll. Haushaltskürzungen würden damit automatisiert und nicht mehr an Verhandlungen gebunden. Nur: Damit steigt nicht die "Schuldentragkraft", dieses Instrument zementiert nur den ökonomischen Aderlaß: Nach Stand der Verhandlungen sollen bis Ende 2014 13,5 Mrd. € gekürzt werden, d.h. die ökonomische Abwärtsspirale soll noch ein paar Drehungen zulegen, sodass der Schuldenberg absolut und relativ zum BIP weiter steigt. Angesichts der absoluten Verarmung breiter Teile der Bevölkerung sind damit weitere politische Verwerfungen vorprogrammiert. Der ökonomische Autoritarismus macht in der Konsequenz den politischen Autoritarismus notwendig.

Widerstand gegen die Troika

Seit 2010 hat es immer wieder wellenartig massiven Widerstand gegen die Troika sowie die de fakto von ihr kontrollierten Regierungen gegeben. Im Sommer 2011 konnte die Regierung Papandreou nur durch Intervention aus Paris und Berlin im Amt gehalten werden, im Herbst 2011 musste sie schließlich der Regierung des Bankiers Papadimos weichen, an der auch die rechtsradikale Partei LAOS beteiligt war.[11] Der Druck der sozialen Bewegungen erzwang schließlich Neuwahlen im Mai 2012, die einen Zusammenbruch des etablierten Parteiensystems, aber keine klaren Mehrheitsverhältnisse mit sich brachten. Aufgrund des griechischen Wahlsystems, das die stärkste Partei überproportional bevorteilt, konnte nach erneuten Wahlen im Juni eine Regierung aus PASOK, ND und der Demokratischen Linken (DIMAR) gebildet werden, die den bisherigen Kurs fortsetzte.[12]

Bereits im Wahlkampf hatte insbesondere die PASOK begonnen, die rassistische Karte zu spielen. Migranten ohne Papiere, die bei polizeistaatsähnlichen Razzien aufgegriffen wurden, verfrachtete man in das erste der kurzfristig eingerichteten Sammellager. Selbst aus Kreisen der orthodoxen Kirche wurden diese als "Konzentrationslager" kritisiert. Hinzu kam eine vom Innen- und Gesundheitsministerium koordinierte Kampagne gegen den Straßenstrich. Die bei Razzien aufgegriffenen Frauen wurden auf HIV untersucht, Fotos der positiv getesteten Frauen wurden umgehend im Internet veröffentlicht. Die PASOK war sich aber auch nicht zu schade, pakistanische Migranten als Jubelperser für ihre an Kläglichkeit kaum zu überbietende zentrale Wahlkampfkundgebung anzuheuern.

Ausgestattet mit neuer Legitimation und flankiert von einer rassistischen Kampagne gegen Migranten, die den faschistischen Kräften großen Auftrieb gab, leitete die Regierung der "inneren Troika" eine Offensive gegen die sozialen Bewegungen und die politische Linke ein. Eine besondere Bedeutung kam dabei der gewaltsamen Beendigung des Streiks der Stahlarbeiter zu. Seit Herbst letzten Jahres waren die Griechischen Stahlwerke in Aspropyrgos westlich von Athen bestreikt worden. Die mehrheitlich von der kommunistischen PAME organisierten Arbeiter waren von einer breiten, weltweiten Solidaritätswelle unterstützt worden, sodass diesem Kampf eine herausragende politische Bedeutung zu kam. Der Versuch der KKE, diesen Streik für ihre Strategie zu monopolisieren, hatte jedoch dessen Isolierung zur Folge. Nicht nur war es nicht gelungen, die mehrheitlich von der PASKE organisierten Arbeiter im Stahlwerk in Volos in den Kampf einzubeziehen, auch sonst wurde dieser Kampf eines Kernsegments der Industriearbeiterschaft nicht zum Fanal für eine Verallgemeinerung sozialer Auseinandersetzungen. Der Sieg der Regierung über die Stahlarbeiter markierte damit nach dem desaströsen Wahlergebnis vom Juni die zweite strategische Niederlage der KKE.

Im September setzte eine Gegenoffensive der sozialen Bewegungen gegen den herrschenden Block ein, die sich erstmals im verstärkten Widerstand gegen den rassistischen Terror der Chrisi Avghi ("Goldene Morgendämmerung") zeigte. Mitglieder der Chrisi Avghi hatten nach den Wahlerfolgen vom Mai und Juni mit Duldung der Behörden - im Polizeiapparat gibt es zahlreiche Anhänger und Sympathisanten der Neofaschisten[13] - zahlreichen Mordanschläge verübt und umfangreiche öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entfaltet.[14] So wurden Suppenküchen eingerichtet, Lebensmittel verteilt oder auf Märkten und in Firmen die Papiere von Migranten "kontrolliert". Erst nach und nach gelang es den Verbänden der Migranten, anarchistischen Gruppen und der politischen Linken, effektiven Selbstschutz, den Boykott von Essensausgaben[15] und eine eigene politische Offensive zu organisieren.[16] Mit dem Generalstreik am 26. September kam es erstmals zu Massenmobilisierungen gegen die Regierung, die das politische Klima zu Lasten der Regierung sowie der faschistischen Kräfte veränderten. Ein untrügliches Indiz dafür ist die Positionierung der orthodoxen Kirche, dem wichtigsten Träger reaktionärer Ideologien in Griechenland mit breiter Verankerung in der Bevölkerung. Hatten zuvor Geistliche weitgehend unwidersprochen ihre Sympathie zur Chrisi Avghi äußern können, sah sich der Klerus nun gezwungen, demonstrativ auf Abstand zu den Faschisten zu gehen und die christliche Botschaft mit dem Rassismus für unvereinbar zu erklären. Das ermöglichte in der Folge liberaleren Kräften innerhalb der Kirche, offensiver Position zu beziehen und die Aktivitäten der Nazis auch öffentlich zu verurteilen.

Anfang Oktober kam es zu einem neuen Höhepunkt der sozialen Kämpfe, als Arbeiter der größten Werft des östlichen Mittelmeers, Skaramangas, den Vorhof des Verteidigungsministerium stürmten und die Auszahlung von seit Monaten ausstehender Löhne forderten.[17] Dies ist nicht nur deswegen bemerkenswert, weil es sich um Proteste gegen die Führung der Armee handelte, sondern weil die Werftarbeiter traditionell in der PASKE, dem gewerkschaftlichen Arm der PASOK, organisiert sind. Gleichzeitig kam es zu Protesten von Polizisten, die wegen nicht gezahlter Zuschläge symbolisch eine Polizeikaserne der Sondereinheiten MAT (Monades Antimetopisis Tarachon, Einheiten zur Bekämpfung von Aufruhr) blockierten und damit deren Transfer nach Saloniki, wo traditionell große Mobilisierungen gegen die Eröffnung der internationalen Messe stattfinden. In der Folge kam es zu Verwerfungen innerhalb der ND, die mehrere für die Proteste verantwortliche Gewerkschafter aus der Partei ausschloss.

Der Besuch Angela Merkels am 9. Oktober muss vor dem Hintergrund dieser neuen Welle von Protesten gesehen werden: Selten zuvor ist ein Staatsbesuch so kurzfristig angesetzt und gleichzeitig bei der Planung so geheimgehalten worden wie dieser – von Besuchen in Afganistan einmal abgesehen. Angesichts der realen Vermittlungsstrukturen politischer Herrschaft – viel zu besprechen wird es nicht gegeben haben, dafür gibt es die "Task Force" und die Troika – hatte dieser Besuch ausschließlich symbolischen Charakter, und zwar im doppelten Sinne: Einerseits sollte der Regierung Samaras vor der Abstimmung des vierten Sparpakets demonstrativ der Rücken gestärkt werden. Andererseits war im Besuchsprogramm keinerlei Bezug auf die deutsch-griechische Geschichte und damit auf die offene Frage der Reparationen, die von überlebenden Angehörigen der Massaker, aber auch von politischen Kräften gefordert werden, vorgesehen.[18] So fuhr die Kanzlerin auf ihrem Weg vom Flughafen nach Athen ohne Zwischenstopp an der Ortschaft Koropi vorbei, in der exakt 68 Jahre zuvor von deutschen Soldaten ein Massaker verübt worden war.

Die Proteste ebbten zwar nicht ab - nach den Demonstrationen gegen den Besuch der Kanzlerin folgte der Generalstreik vom 18. Oktober und die Massenmobilisierungen gegen die offiziellen Paraden zum Nationalfeiertag am 28. Oktober -, dennoch konnte das vierte Kürzungspaket im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Haushaltes für 2013 Mitte November durchgesetzt werden, wobei die Regierungskoalition durch Austritte und Ausschlüsse vor allem bei der PASOK und der DIMAR Federn lassen musste.

Stabilisierung des Regimes der Troika?

Die bisherige Dynamik der Entwicklungen wirft eine zentrale Frage auf: Jedes Herrschaftssystem beruht in erster Linie auf Anerkennung und erst in zweiter Linie auf offener Gewalt. Obwohl die Troika und die sie tragenden und legitimierenden Kräfte im In- und Ausland bei der griechischen Bevölkerung mittlerweile praktisch keine Unterstützung mehr haben, ist es dennoch gelungen, dem mit der Implementierung der Kreditverträge zwischen Griechenland und den Staaten der Eurozone sowie dem IWF im Mai 2010 vollzogenen Staatsstreich eine autoritäre Herrschaft von nun mehr zweieinhalbjähriger Dauer folgen lassen. Wie ist das zu erklären?

Der vielleicht wichtigste Grund für die Durchsetzbarkeit des Regimes der Troika ist die Frage der Alternative. Zwar sind die Mittel- und Unterschichten einem dramatischen Verarmungsprozess ausgesetzt, die Aussicht auf einen völligen Zusammenbruch der Wirtschaft hat jedoch insbesondere Teile der Mittelschichten sowie die Bevölkerung auf dem Land und in den Kleinstädten, wo die Auswirkungen der Kürzungen nicht so dramatisch wie in den städtischen Ballungszentren sind, von einer aktiven Unterstützung der sozialen Bewegungen abgehalten. Das klientelistische System hat zwar, da es nichts mehr zu verteilen gibt, keine soziale Basis mehr. Ein offener Bruch mit den bestehenden Machtstrukturen ist aber dennoch mit zahlreichen Risiken behaftet, zumal es international dafür allenfalls Rückhalt bei den sozialen Bewegungen in Nordafrika, Lateinamerika und in den anderen Ländern Südeuropas gäbe.[19] Außerdem habe diejenigen, deren Existenz zerstört worden ist und die mühsam um das nackte Überleben kämpfen immer weniger Ressourcen, Widerstand zu leisten und sich wirksam zu organisieren. Viele jüngere Griech_innen versuchen im europäischen Ausland, in den USA oder Australien Fuß zu fassen.[20]

Bisher ist es nicht gelungen, alle Machtbastionen des herrschenden Blocks zu erschüttern. Neben den staatlichen Apparaten gilt das insbesondere für die privaten Unternehmen sowie deren publizistische Macht. Sowohl die Polizei als auch die Armee sind nach wie vor einsatzfähig. Insbesondere die polizeilichen Sondereinheiten MAT sind ideologisch weitgehend stabil. Zumindest für die Eliteeinheiten der Armee gilt das Gleiche, die Masse der Wehrpflichtigen dürfte dagegen ebenso wenig für die innere Aufstandsbekämpfung taugen wie die ägyptische Armee Anfang 2012.

Der Kampf um die öffentliche Meinung

Was die staatlichen und privaten Unternehmen anbetrifft, so hat es bisher erst wenige Versuche gegeben, diese von innen heraus zu demokratisieren. Das gilt auch und vor allem für die Medienunternehmen: Die einzige Zeitung, die vom Handels- oder Baukapital kontrolliert wurde und daher weitgehend unabhängig berichten konnte, die Eleftherotypia (Freie Presse), wurde mittels der Kappung von Krediten systematisch zerstört. Dennoch ist die veröffentlichten Meinung ein äußerst sensibles Feld, wie eine Reihe erbitterter Konflikte zeigt: So wurde ein Journalist gemaßregelt, der bei der Militärparade zum Nationalfeiertag in Saloniki nur das beschrieben hatte, was zu sehen war, nämlich wütende Proteste gegen die politische Klasse. Ein weiterer Fall betrifft die Suspendierung der Journalisten Kostas Arvanitis und Marilena Katsimi, der ein noch deutlicheres Schlaglicht auf die Pressefreiheit in Griechenland wirft: Nachdem 15 Teilnehmer eines antifaschistischen Motorradkorsos verhaftet worden und laut Vorwürfen ihrer Anwälte im Hauptquartier der Polizei Attikas u.a. mit Elektroschocks gefoltert worden waren, gab es keine Berichte darüber in den griechischen Medien. Stattdessen berichteten der britische Guardian sowie andere internationale Presseorgane und brachten den "Minister zum Schutze der Bürger", Nikos Dendias, in die Defensive. Nachdem der staatliche Sender NET in der beliebten Sendung "Morgendliche Nachrichten" über den Fall berichtet und über einen Rücktritt des Ministers spekuliert hatte, wurden auf Betreiben des Ministeriums beide Journalisten suspendiert - ein drastischer Fall von Zensur, der bereits Arbeitskampfmaßnahmen zur Folge hatte.

Wie dramatisch der Kampf um die herrschende Meinung mittlerweile geworden ist, belegt auch deren internationale Dimension: Sowohl die Friedrich-Ebert-Stiftung als auch die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Heinrich-Boell-Stiftung haben kürzlich Büros in Athen eröffnet. Die deutsche Seite hat gemerkt, dass ihr politisch die Felle davon schwimmen und versucht nun, durch Networking vor Ort antideutschen Stimmungen gegenzusteuern.[21] Diese Bemühungen sind mit unüberwindbaren Widersprüchen behaftet: Einerseits unterstützen die deutschen Parteistiftungen im Wesentlichen die Linie der Bundesregierung respektive der Troika. Andererseits ist im Gegensatz zu Deutschland in Griechenland der Besatzungsterror der Wehrmacht tief im kollektiven Gedächtnis verankert und in der gegenwärtigen Krise erneut in Erinnerung gerufen worden.[22] Die Ausschreitungen in Saloniki anlässlich der Tagung der Deutsch-Griechischen Versammlung, bei der die Vertreter der deutschen Seite von streikenden Kommunalangestellten mit "Nazis-raus"-Rufen bedacht wurden, belegen ebenso wie die Proteste gegen den Griechenland-Beauftragten Merkels, Hans-Joachim Fuchtel, wie dünn das Eis für die deutschen Diplomaten geworden ist.[23] Vor diesem Hintergrund kann die symbolische Bedeutung der Solidaritätsreise von Gewerkschaftern aus Deutschland, Österreich, Serbien und der Schweiz nach Griechenland im September 2012[24] sowie der Auftritt des Vorsitzenden der Linkspartei, Bernd Riexinger, im Oktober kaum unterschätzt werden.

Das Anwachsen von Rassismus und Antisemitismus

Eine weiterer wichtiger Grund für den Erfolg der bisherigen Politik ist eine klassische Sündenbock-Politik, die sich wie bereits oben beschrieben, vor allem gegen Migrant_innen richtet. In der Tat stellt die Zuwanderung nach Griechenland ein reales Problem dar, da es teils aus Unwillen, teils aus Unfähigkeit, keine staatlichen Migrationspolitik gab und gibt und die Migrant_innen aufgrund des Dublin-II-Abkommens nicht in andere europäische Staaten weiterreisen können.[25] Die Faschisten der Chrisi Avghi beziehen ihre politische Zustimmung vor allem aus ihrem staatlich geduldeten, gewaltsamen Vorgehen gegen die Migrant_innen. Bisher hat sich das Spielen der rassistischen Karte als sehr erfolgreich erwiesen, auch wenn damit keine Programmatiken verbunden sind, die sich in irgendeiner Weise von denen der EU unterscheiden würden. Die Funktion der Chrisi Avghi als parastaatliche Hilfstruppe wird deutlich, wenn man ihre Positionen insgesamt berücksichtigt. So sind die Faschisten gegen eine Besteuerung der Reedereien sowie für die Politik der Troika.

Symbolische Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung

Es wäre jedoch vermessen, die traditionellen Methoden einer Simulation von politischer Handlungsfähigkeit auszublenden. Ein herausragendes Beispiel dafür ist das exemplarische Vorgehen gegen Steuerhinterziehung. Immer wieder werden auch Prominente öffentlichkeitswirksam verhaftet und abgeurteilt, ohne dass damit eine systematische Reform der Besteuerung von Vermögenden verbunden wäre. Vor allem, wenn wichtige Personen des politischen Apparates betroffen sind, wird mit zweierlei Maß gemessen. Deutlich wird das beim Umgang mit der "Liste Lagarde". Diese Liste mit Namen von über 2000 Personen mit Konten in der Schweiz wurde von den französischen Behörden der PASOK-Regierung zugespielt, die diese verschwinden ließ. Nachdem die Regierung Samaras erneut bei der französischen Regierung vorstellig werden wollte, entdeckte PASOK-Chef Venizelos den USB-Stick mit der Liste in seinem Schreibtisch. Gegenüber einem Untersuchungsausschuss im Parlament erklärte Venizelos, die ersten drei Namen der Liste seien "jüdischer Herkunft".[26] Der Journalist Kostas Vaxevanis, der die Liste in dem von ihm herausgegebenen Magazin Hot Doc[27] veröffentlichte, wurde kurzerhand verhaftet, musste dann aber wieder freigelassen werden. Allerdings ist ein Verfahren gegen Vaxevanis weiterhin anhängig.

Die Angelegenheit zeigt, wie umkämpft die Frage des politischen Ansehens der griechischen Oberschicht ist, strukturelle Konsequenzen werden unter den gegebenen Machtverhältnissen daraus aber nicht gezogen werden, sodass einzelne exemplarisch abgeurteilt werden, und zwar vor allem, wenn es sich um soziale Aufsteiger wie den ehemaligen Verteidigungsminister Tsochatsopoulos handelt, der mittlerweile samt Familie im Gefängnis Korydallos einsitzt.

Die Widersprüche der oppositionellen Kräfte

Der vielleicht wichtigste Grund für das Überleben des Troika-Regimes sind die inneren Widersprüche der Oppositionsbewegung selbst. Zwar ist die Koalition der radikalen Linken SYRIZA innerhalb der Linken hegemonial geworden, SYRIZA selbst ist jedoch ein heterogenes Bündnis verschiedener Kräfte, in dem zentrale Fragen wie die Möglichkeiten der Regierungsübernahme auf Basis von Wahlen, die Positionierung gegenüber der EU und das Verhältnis zu den sozialen Bewegungen heftig umstritten sind. Scharfe Kritik an SYRIZA kommt aus den Reihen der außerparlamentarischen Linken sowie der KKE, die sich bisher äußerst sektiererisch gegenüber allen anderen Kräfte der Linken verhalten hat. Inwieweit diese Spaltungslinien überwunden werden können, ist eine offene Frage. Das Manifest der 1000, das vor allem von Gruppierungen aus dem trotzkistischen Spektrum initiiert worden ist, zeigt allerdings, dass der Druck auf die KKE in Richtung eines kooperativeren Kurses zugenommen hat.[28] Die Ausstrahlungskraft der Linken wird zweifelsohne zunehmen, je mehr die Debatte auf die realen Probleme und Möglichkeiten fokussiert wird. Unter dem Druck der Basis werden Organisationsegoismen in den Hintergrund treten und der Gedanke der Einheitsfront an Boden gewinnen.[29]

Bisher ist eine Transformation des politischen Systems nach arabischem Vorbild, d.h. dem Sturz der bisherigen politischen Eliten, durch die EU blockiert worden. Ein grundlegender Kurswechsel, so scheint es, wird nur möglich sein, wenn sich die Kräfteverhältnisse im Verlauf der Krise innerhalb der EU insgesamt verschieben. Das gilt insbesondere für Deutschland, wo die Debatte über den autoritären Kurs der EU noch weitgehend unthematisiert ist.[30] Bislang werden immer breitere Bevölkerungsschichten von jeglichem Einfluss auf Kernfragen staatlicher Politik ausgeschlossen. Auf Dauer ist dieser Zustand unhaltbar. Man kann alle Blumen zertreten - den Frühling wird das nicht aufhalten.

Anmerkungen

[1] NZZ v. 16.10.2012. http://www.nzz.ch/aktuell/international/berliner-muehen-mit-der-euro-sprachregelung-1.17685697

[2] Neben Siemens, der Telekom und Hochtief sind eine Reihe von deutschen Unternehmen in Griechenland engagiert.

[3] Das ist umso bemerkenswerter, als nun erstmals auf "reales" Geld verzichtet wird: 2013 wird erstmals ein Teil der Zinsgewinne der Notenbanken aus der Griechenland-Rettung für die weitere Stützung des Landes verwendet. Nach Berechnung des Münchener Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung hat der deutsche Staat bislang rund 100 Mrd. € an Zinsgewinnen infolge der Krise in Südeuropa erzielt. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft kommt immerhin auf 70 Mrd. €. SoZ 1/2013. Freilich wird damit weiter die Spekulationsblase aufgebläht. Das vereinbarte Rückkaufprogramm von griechischen Staatsanleihen hat innerhalb kürzester Zeit den Anlegern saftige Gewinne beschert - dabei wäre es vollkommen überflüssig gewesen, Papiere mit einer Laufzeit zwischen 10 und 30 Jahren zu diesem Zeitpunkt zurückzunehmen.

[4] Giorgos Kassimatis, EU verstößt gegen demokratische und europäische Rechtskultur. Zum Kreditabkommen der Troika mit Griechenland. In: Widerspruch 61. 31. Jg. 2. Hj. Zürich 2011. S. 49-60.

[5] Vgl. Torsten Windels, Griechenland – Testfall für die Euro-Zone? In: Joachim Lange, Griechenland und die Lehren für die Euro-Zone. Was ist für die Bewältigung der Finanz- und Verschuldungskrise zu tun? Loccumer Protokolle 12/11. Rehburg/Loccum 2011. S. 93–108.

[6] Vgl. Tomasz Konicz, Die inneren Widersprüche der EU in Zeiten der Krise. In: Loccumer Initiative (Hrsg.), Mit der Krise leben? Europäische Konflikte, innergesellschaftliche Verwerfungen, Perspektiven. Kritische Interventionen Bd. 12. Hannover 2011. S. 63-86.

[7] Vgl. Karl Heinz Roth, Griechenland und die Euro-Krise. In: Sündenbock Griechenland. Ossietzky Themenheft 1. 5.1.2013.

[8] Kathimerini v. 25.10.2012.

[9] Prin v. 27.10.2012. FAZ v. 31.10.2012.

[10] Diese Zahlen haben sich stetig verändert: Laut FAZ v. 28.11.2012 sind für den Haushalt incl. Schuldendienst 10,6 Mrd. € vorgesehen, 23,8 Mrd. € für die Bankenrekapitalisierung. Weitere 9,3 Mrd. € sollen bis März 2013 ausgezahlt werden.

[11] Vgl. Gregor Kritidis, Die Demokratie in Griechenland zwischen Ende und Wiedergeburt. In: Peter Birke/Max Henninger (Hrsg.), Krisen.Proteste. Beiträge aus Sozial.Geschichte Online. Hamburg 2012. S. 101-131.

[12] Die ND konnte besonders in der von der Krise noch nicht in vollem Ausmaß betroffenen Provinz Stimmen gewinnen; in den Städten gibt es dagegen keine Mehrheiten für die Politik der Troika.

[13] Polizisten gelten nicht ganz zu unrecht mittlerweile als "Chrisavghites" in Uniform.

[14] Die Öffentlichkeitswirksamkeit war allerdings vor allem ein Resultat der äußerst umfangreichen, freundlichen Berichterstattung zahlreicher Medien. Vgl. Aris Chatzistefanou, Why are the Golden Down members the darlings of popular greek TV-shows? Guardian v. 23.9.2012.

[15] Erfolglos die Essensausgabe nur für Griechen. Alterthess v. 19.9.2012. Es ist übrigens nicht so, dass keine Essensausgaben von linken Organisationen gäbe. Im Gegenteil, fast die gesamte alternative Struktur, die das Überleben in den Städten sicherstellt, wird von demokratischen und linken Kräften getragen, sieht man einmal von den Suppenküchen der orthodoxen Kirche ab.

[16] Hier sind vor allem die zahlreichen lokalen Straßenproteste gemeint, aber auch alle sonstigen Kampagnen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung und der politischen Kräfteverhältnisse. Eine erste Demonstration gab es bereits im August auf Initiative von Organisationen pakistanischer Migrant_innen.

[17] Gegenwärtig arbeitet die Werft im Auftrag der griechischen Armee.

[18] Im Gegensatz dazu hatte der deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker Ende der 1980er Jahre bei seinem Besuch in Griechenland demonstrativ der Opfer des deutschen Besatzungsterrors gedacht. Vgl. Goethe-Institut Athen (Hg.), Deutscher Widerstand im besetzten Griechenland. Athen 1987. (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung). Bundespräsident Rau folgte dieser Linie bei seinem Besuch in Kalavryta im April 2000. Zur Reparationsfrage siehe auch: Karl Heinz Roth, Die offene Reparationsfrage. In: Lunapark 21. Heft 15. Herbst 2011. S. 51-55.

[19] Das war während des Widerstandes gegen die deutsche Besatzung definitiv anders, da es mit der Sowjetunion scheinbar einen starken Machtfaktor im Hintergrund gab und die Neuordung Europas auf der Tagesordnung stand. Gegenwärtig versucht die griechische Linke, Kooperationsmöglichkeiten mit lateinamerikanischen Staaten auszuloten.

[20] Genaue Zahlen liegen nicht vor; es gibt aber zahlreiche Hinweise, dass zehntausende Griech_innen in den letzten Monaten das Land verlassen haben. Vgl. die Einschätzung der Boell-Stiftung: http://www.boell.de/publikationen/publikationen-dossier-krise-und-migration-15148.html

[21] Es dürfte kein Zufall sein, das die KAS ein Seminar für griechische Journalisten anbietet - die Aktivitäten zielen auf eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Griechenland, aber auch die "Expertise" für Öffentlichkeit in Deutschland.

[22] Vgl. Hans Bickes/Eleni Butulussi/Tina Otten/Janina Schendel/Amalia Sdroulia/Alexander Steinhof, Die Dynamik der Konstruktion von Differenz und Feindseligkeit am Beispiel der Finanzkrise Griechenlands. München 2012.

[23] Es sei daran erinnert, dass neben Paul Thompson, der den IWF vertritt, die Troika aus den beiden Deutschen Klaus Masuch (EZB-Vertreter) und Matthias Mors (Kommission) besteht. Mit Horst Reichenbach als Chef der "Task Force" hat ein weiterer Deutscher eine Schlüsselposition inne. Es ist bezeichnend, dass diese personelle Zusammensetzung in der deutschen Öffentlichkeit weitgehend ausgeblendet geblieben ist.

[24] http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/aktionen/2012/griechenreise.pdf

[25] Die Politik der griechischen Regierung besteht in Kooperation mit ihren europäischen Partnern vor allem in Abschottung: So ist die Landgrenze zur Türkei mittlerweile mit einem Stacheldrahtzaun gegen Grenzübertritte gesichert. In der Folge haben sich die Fluchtrouten in die Ägäis verlagert, sodass immer wieder Ertrunkene Migranten an die Strände der griechischen Inseln gespült werden.

[26] Das hat der grischische Journalist Zean Koen (Jean Kohen) in einem offenen Brief an Venizelos publik gemacht: http://cohen.gr/newsite/index.php?option=com_content&view=article&id=2457%3A2012-10-13-07-35-13&catid=34%3Amiddle-east&Itemid=60 Offenbar weiß sich die PASOK in solchen Situationen nur noch mit offenem Antisemitismus zu helfen.

[27] http://www.hotdoc.gr/

[28] http://www.protovoulia-metopo.gr/

[29] Freilich gibt es auch einen rationalen Kern für die Vorbehalte gegen eine breitere Kooperation: Die Frage, wo man denn mit einem solchen Bündnis hin will, ist naturgemäß umkämpft.

[30] Vgl. Forschungsgruppe "Staatsprojekt Europa" (Hrsg.), Die EU in der Krise. Zwischen autoritärem Etatismus und europäischem Frühling. Münster 2012. Sepp Wall-Strasser/Heinz Füreder/Gerhard Gstöttner-Hofer/Gerlinde Breiner/Manuela Hotz (Hrsg.), Europa am Scheideweg. Marktkonforme Demokratie oder demokratiekonformer Markt? Wien 2012.

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sopos 1/2013