Zur normalen Fassung

Linke Illusionen über die funktionale Differenzierung

Zur These vom gegen die Kapitalverwertung mobilisierbaren Eigensinn der ökonomie-externen Bereiche

von Meinhard Creydt

Der progressive Verstand setzt hoffnungsvoll auf Gegensätze zwischen der Kapitalverwertung einerseits, den ihren Logiken nicht direkt unterworfenen Sphären (Bildung, Wissenschaft, Sozialwesen u. a.) andererseits. Dieter Klein, für die Ausrichtung der PDS bzw. Linkspartei und ihr Moderneverständnis einflussreich, formuliert dies so: "Die Linke hat die Chance, den Eigensinn der gesellschaftlichen Teilsysteme gegen die Profitdominanz zu nutzen und ihre transformatorischen Potentiale auszuschöpfen. Sie muss dies tun, indem sie sich mit Menschen verbindet, die eher der spezifischen Eigenlogik der Subsysteme als dem Herrschaftsinteresse der Machteliten verpflichtet sind, weil sie als WissenschaftlerInnen, Juristen, Künstler oder Gläubige anderen Zielen als dem Profit verpflichtet sind" (Klein 2006, 97 – Hervorhebungen durch mich). Diese Sphären bilden auch für Autoren außerhalb der Linkspartei – z. B. den unten zitierten Horst Müller – einen positiven Bezugspunkt, der emanzipatorische Perspektiven fundieren können soll. Ich skizziere im folgenden den in dieser Position enthaltenen rationalen Kern (1), stelle die Annahme eines den verschiedenen, der kapitalistischen Ökonomie gegenüber externen Gesellschaftsbereichen jeweils zugeschriebenen Eigensinns infrage (2) und umreiße Probleme, die mit der progressiven Inanspruchnahme des Eigensinns der nicht direkt kapitalistisch betriebenen Gesellschaftsbereiche verbunden sind (3).

1

Tatsächlich gibt es in den verschiedenen Sphären, die der kapitalistischen Ökonomie gegenüber extern sind, für emanzipatorische Praxis relevante Konflikte. Im Erziehungswesen legt die Sympathie für pädagogische Reformversuche und Schulkritik davon Zeugnis ab, dass die Arbeitsfähigkeiten und -sinne von Lehrern in Distanz bis Widerspruch geraten zu staatlichen Kriterien für Schule. Im Ge­sund­heitsbereich wird einer Minderheit der dort Arbeitenden deutlich, dass den Sinn für die Ursachen von Krankheiten ernst zu nehmen heißt, nach gesell­schaft­lich vermeidbaren Ursachen von Krankheit und Krankheit begünstigenden Momenten des Ge­sund­heitswesens zu fragen. In der ‚Agraropposition’ von Bauern und Natur­schützern ist aus den Fähigkeiten und Kenntnissen des Umgangs mit der Natur eine Ahnung davon zu spüren, dass die kapitalistische Bewirtschaftung der Natur in Diskrepanz zu einer pfleglichen Landwirtschaft steht. In der Ökologie- und Nachhal­tig­keitsdiskussion kommt es zu einer Mobilisierung technischer, naturwissen­schaft­licher und sozialwissenschaftlicher Intelligenz und Fähigkeiten gegen die herrschenden Zustände.[1]

Heinrich Hardensett, der im progressiven Flügel der Technokratiebewegung (vgl. Willeke 1995) eine zentrale Rolle spielte, entfaltete bereits 1932 die Perspektive, bestimmte technische Sinne und Fähigkeiten gegen kapitalwirtschaftliche Maßgaben zu mobilisieren. Der von Hardensett gewiss einseitig positiv zum Typus stilisierte technisch orientierte Mensch "schätzt Berufe nicht nach Einkommen und als Wert der Arbeit nicht ihren Geldwert, sondern er schätzt Berufe und Arbeit nach ihrer baumeisterlichen Kraft, ihrem handwerklichen Können, ihrer Schaffensfreude und ihrem Gestaltungswillen und Verantwortungsgefühl" (Hardensett 1932, 123). Vom Standpunkt der Freude an dem im weiten Sinne ‚handwerklichen’ Gelingen der Arbeiten (Sennett 2008) lässt sich ein massiver Vorbehalt gegenüber modernen und kapitalistischen Imperativen gewinnen. "Die industrielle heutige Arbeitsordnung ist … keineswegs technisch. Sie ist nicht angelegt auf Entfaltung technischer Menschentypen, sondern angelegt auf maximalen Geldgewinn. Taylors Sekundenökonomie ist durchaus untechnische rationalistische Maßnahme. Denn sie liefert zwar vielleicht eine maximale Produktionsmenge, jedoch verhindert sie das baumeisterliche Erlebnis" (Hardensett 1932, 83).

Der technischen Aufmerksamkeit für "das baumeisterliche Erlebnis" und "die baumeisterliche Tat" (ebd., 86f.) sowie der technischen Rationalität entspricht als Zweck die "vollendete technische Lösung, so sehr die Lösungsmöglichkeiten auch unbegrenzt erscheinen mögen" (Ebd., 101). Der technische Mensch ist insofern "in seinem Schaffen begrenzt" und "kein faustischer Typ. Goethe lässt durchaus zu Recht seinen Faust sich bescheiden zum Baumeister" (Ebd.). Anders das unbegrenzte kapitalistische Gewinnstreben. Es muss als "maßlos, dynamisch, unbeherrscht, hemmungslos, ungebunden, unersättlich, ewig unruhig und ewig unternehmend" gelten, weil es "nie zum Ende kommen kann, nie eine volle Endung, eine Vollendung ihm Halt gebietet" (Ebd., 101).[2] Demgegenüber zielt "die Rationalität des technischen Menschen auf die vollkommene Lösung, und das ist Beherrschung und Planung auch des technischen Erfolges und nicht nur der Mittel. Das fordert ein gesetzbeherrschtes Leben, konstruktiven Gesamtwillen, nicht Glück und Zufall und Spekulation, sondern Planung und Standard und Typ und Norm" (Ebd.). Im Unterschied dazu geht es im kapitalistischen Wirtschaftssystem um "ein unberechenbares und unbeherrschtes Wirtschaftssystem, Abenteuerlust, Spekulation, Kampf, Zupacken, Findigkeit, Instinkt und Glück" (Ebd.). Das kapitalistische Wachstum geht auf "unendlichen Fortschritt um des unendlichen Profits willen. … Immer wieder wird das neue 'zeitsparende' Verfahren nicht zur Verminderung der Arbeitszeit, sondern zur Ausdehnung der Produktion benutzt. Immer wieder wird eine große technische Tat ihres humanitären, befreienden, beschwingenden oder heiteren Gehalts beraubt, um kapitalistisch ausgebeutet zu werden" (Ebd., 33).

Der progressiven Anknüpfung an den Eigensinn der der kapitalistischen Ökonomie gegenüber externen Gesellschaftsbereiche liegt das in der Soziologie weit verbreitete Theorem der funktionalen Differenzierung zugrunde. Es hat sein Recht gegenüber den Vorstellungen eines lenkenden Zentrums, das unmittelbar in alle Bereiche hineinregiert. Ebenso wie gegen eine gesellschaftliche Spitze, von der aus alles entschieden wird, wenden sich Theorien funktionaler Differenzierung gegen Kennzeichnungen ‚der’ Gesellschaft mit einem Begriff, egal ob nun auf ‚instrumentelle Vernunft’, ‚Warengesellschaft’ oder was auch immer plädiert wird. Es ist gewiss zutreffend und im guten Sinne modern, gegenüber der Vorstellung eines in alle gesellschaftlichen Bereiche ausstrahlenden herrschenden Prinzips, in dem alle Sachverhalte als gleich nahe zum herrschenden Wesen oder Unwesen gelten ("expressive Totalität" – Althusser), die gesellschaftliche Differenziertheit analytisch zu begreifen. Etwas anderes ist es aber, das soziologische Konstrukt ‚funktionaler Differenzierung’ zu akzeptieren. Gewiss möchte der eingangs zitierte Dieter Klein die "Profitdominanz" zurückdrängen, geht also von einem Übergewicht der Kapitalverwertung, also von einer Dominanz einer Sphäre gegenüber anderen ‚Systemen’ aus. Dies ist dann aber auch seine einzige Kritik am Denkkonzept der funktionalen Differenzierung. Dabei bildet dieses nur das einfache Gegenteil zu einer monolithischen Vorstellung von Gesellschaft. Sie stellt alle verschiedenen Bereiche als eigentlich der Einheit unterworfen vor und ordnet die dann bloß vermeintliche Verschiedenheit als oberflächliches oder täuschendes Moment der vorwaltenden Einheit unter. In der modernetheoretischen soziologischen Vorstellung wird umgekehrt auf jedes Konzept gesellschaftlicher Einheit verzichtet zugunsten der Pluralität auf einander und auf die Gesellschaftsformation nicht zurückführbarer Systeme. Schimank (1996, 189) spricht dann auch ganz affirmativ in der Charakterisierung des Theorems 'funktionale Differenzierung' von der "Ansammlung von Teilsystemen, die einander gewissermaßen auf gleicher Ebene gegenüberstehen, ohne von sich aus viel voneinander wissen zu wollen."

2

Der progressive Verstand setzt auf den Gegensatz zwischen den Perspektiven der Kapitalverwertung und den Perspektiven der im Gesundheitssektor Tätigen, der Wissenschaftler, der Pädagogen u. a. So sehr es auch diesen Gegensatz in den genannten Bereichen gibt und so sehr er ein Anknüpfungspunkt für emanzipatorische Praxis ist, so fragwürdig wird es, den Bereichen als Bereichen einen Gegensatz zur kapitalistischen Ökonomie zuzuschreiben. Nur weil es im Gesundheits- und Schulwesen nicht unmittelbar um Profitproduktion geht, folgt daraus nicht, es stünde im jeweiligen Bereich die Spezifik der jeweiligen Thematik (‚Gesundheit’, ‚Lernen’) im Vordergrund.

Bereits aus der Organisationsförmigkeit von Schulen, von Krankenhäusern usw. resultieren die zu jedem arbeitsinhaltlichen Eigensinn diskrepanten Imperative des Funktionierens der Organisation und ihrer Effizienz und Effektivität. Die bürokratisch-standardisierte Form der Organisation gesellschaftlicher Lebensbereiche bringt Abstraktionen mit sich, die die Gewährleistung des Betriebs und die Einordnung der ihm unterworfenen Materie betreffen. Lenhardt (1984) und Holzkamp (1992) zeigen dies am Beispiel der Schule. Auch im Krankenhaus wird die Diskrepanz deutlich zwischen der Logik der Organisation und der Technologieamortisation einerseits sowie dem der Medizin sei es normativ, sei es naiv faktisch zugeschriebenen Ziel ‚Gesundheit’.

Eine Teilmenge der Organisationsförmigkeit von Schule und Gesundheitswesen bildet die Diagnostik. Sie weist eigene Affinitäten zu verwaltungsförmiger Subsumtion unter abstrakte Eigenschaften und Ausblendung der lebensweltlich-sozialen Kontexte auf. Menschen werden daraufhin beurteilt, ob und in welchem Maße sie "(un)begabt", "(un)motiviert", "aggressiv", "bindungs(un)fähig", "ich-schwach oder –stark", "verwahrlost" o. a. sind. Substanzartige Eigenschaften werden den Menschen zugeschrieben. Solcherlei Substanzen (ent)äußern sich auch in den "Beziehungen" der Menschen. Auch die Probleme der Menschen werden substanzförmig formuliert. "Die so beschriebenen Menschen verhalten sich anscheinend zu nichts und niemandem, sondern haben Eigenschaften und Verhaltensweisen und Komplexe … , sie beziehen sich nicht aufeinander, sondern haben Beziehungen... . Sie haben keine Gründe für das, was sie tun, sondern verhalten sich so, wie sie es tun, weil sie so sind" (Ulmann 1989, 113). Es geht nicht mehr um das In-der-Welt-Sein der Menschen. Vielmehr werden sie von innen nach außen aufgefasst, aus der Über- bzw. Unterausprägung bestimmter Eigenschaften. Diese Eigenschaften liegen den Menschen sozusagen wie Elemente zugrunde. Ihre jeweilige Verteilung im besonderen Fall macht dann das Individuum aus. Wie es in der Welt bestimmte Fähigkeiten und Sinne im Bezug auf andere Menschen und in der tätigen Auseinandersetzung auf welche Weise entwickelt, wird dann nicht mehr Thema. Stattdessen passen die ‚Diagnosen’ erstaunlich gut zum jeweils von der Spezialprofession anbietbaren Procedere. Wo man Konzentrationstrainings verabreichen kann, ist die Diagnose ‚Konzentrationsstörung’ pragmatisch sinnvoll, wo nicht, eignet sie sich jedenfalls als Hinweis darauf, den jeweiligen Klienten an andere Institutionen weiterzuleiten. Diagnosen verdoppeln oft nur das zu beobachtende Erscheinungsbild in einen angenommenen Grund, der aber das Beobachtete nicht aus den Bedingungen seiner Möglichkeit und aus seiner Konstitution erklärt: ‚Wer prügelt, muss Aggressionen haben.’ Und: Wer von Aggressionen aufs Prügeln kommt, muss unfähig sein, ‚seine Aggressionen zu beherrschen’. Weitere Kontexte, in denen die abstrakte Substanz ‚Aggressionen’ und die ebensolche Substanz ‚Impulskontrolle’ stehen und die sie überhaupt erst auf das Terrain von Praxis, also von Sinnes- und Fähigkeitsentwicklung in sozialer und gegenständlicher Welt öffnen, werden von solcher Diagnostik eher verstellt. Zudem fungieren Diagnosen als Voraussetzung zur Zuweisung von Mitteln sowie als Verwaltungshilfe und besagen insofern mehr über die in der betreffenden Einrichtung und in ihrem Umkreis vorfindlichen Methoden und Ressourcen als über die jeweilige Problematik selbst.

Es fällt auf, dass Dieter Klein und andere, die die funktionale Differenzierung als Denkkonzept zur Fundierung ihrer politischen Hoffnungen heranziehen, sie nur ganz selektiv zur Kenntnis nehmen und auch eine dritte Querschnittsthematik übergehen. Ignoriert wird die den einzelnen Bereichen eigene "Problemverschiebung" (Luhmann 1970, 119), die mit der Außen-Innen-Transformation von Problemen aus der Umwelt des Systems ins jeweilige Subsystem-Innere verbunden ist. Sie erklärt, "wie mit Hilfe von Systembildungen Probleme verengt und dadurch unter Eliminierung von Komplexität in lösbare Probleme verwandelt werden" (Ebd.). Ignoriert wird in positiven Hoffnungen auf die funktionale Differenzierung die mit ihr einhergehende technokratische Problembearbeitung. Sie besteht darin, "die Vielschichtigkeit und Komplexität von Problemen (zu) ignorieren (Folge der Spezialisierung), die Ursachen von Problemen (zu) vernachlässigen (Symptombehandlung), ... die strukturpolitisch vorsorgende Komponente zugunsten nachträglicher Maßnahmen aus(zu)blenden" (Jänicke 1987, 60).

Dem Verfahren, Probleme in der Welt in von ihren gesellschaftlichen Ursachen abstrahierende Ersatzprobleme zu verwandeln und als Nachfrage nach Stückwerkhandeln zu organisieren und auch so an die für die Antworten zuständigen Apparate anzupassen, diesem Verfahren entspricht die Neigung, Probleme aus der eigenen Lebenstätigkeit auszugliedern, sich für unzuständig und Professionelle für zuständig zu erklären. Nicht überall spricht sich dieser Mangel in der Form des selbstverständlich mangelnden Bewusstseins vom Mangel aus wie bei einer Schauspielerin (Ursula Karven) in einer Talkshow (Biolek 2002). Ihr jüngster Sohn war im Vorjahr in einem kalifornischen Swimmingpool ertrunken. An ihrem Bericht über die ersten Stunden nach dieser Katastrophe stach nicht nur hervor, dass bereits binnen Tagesfrist drei verschiedene einschlägig erfahrene Psychologen engagiert wurden (jeweils für den Ehemann, für sie und für ihren zweiten Sohn). Entwaffnend auch Karvens Kommentar: "Dafür (also: Bewältigung dieser Situation) bin ich nicht ausgebildet".

Die eigene Beschäftigung mit kranken und alten Mitmenschen, mit dem Lernen von Kindern usw. – all diese Tätigkeiten stellen vor dem Hintergrund der als überlastend verfassten Erwerbsarbeit eine zweite Überlastung dar. Und all diese Tätigkeiten überfordern Menschen, deren Existenz gesellschaftlich um Erwerbstätigkeit und das Sich-nützlich-machen für den abstrakten Reichtum zentriert ist. Zum herrschenden Erwerbs- und Geschäftsleben, in dem die Sinne und Fähigkeiten der Menschen vorrangig Mittel sind für durch sie zu erbringende Leistungen, gehört eine Verdrängung und (räumliche) Verschiebung von Problemen und Leid. Das Problem liegt nicht in der Spezialisierung, nicht in der Tatsache, dass es Lehrer, Ärzte, Altenpfleger usw. gibt. Vielmehr ist die Verkehrung das Problem, in der die Inbesitznahme des jeweiligen Problems durch die zuständige Profession und die wegdelegierende Nichtbefassung der Umwelten mit dem jeweiligen Problem einen Zustand gegenseitiger Steigerung bilden. "Es wird etwas herausgezogen, entnommen, woanders zusammengezogen, wie umgekehrt hier etwas konzentriert wird, was woanders herausgezogen wird. Es ist, als würden die einzelnen Räume als Akkumulatoren spezifischer Befugnisse wirken, welche die umliegenden Räume hinsichtlich dieser einen speziellen Zuständigkeit leerpumpen, ein Vakuum in ihrer Umwelt erzeugen" (Haug 1993, 143). Die besonderen Kompetenzen von professionell Tätigen werden nicht als Ressource in der eigenen Auseinandersetzung der Bevölkerung mit diesen Problemen genutzt. Vielmehr werden die Probleme an die Professionen abgeschoben bzw. deren Deutungen sozusagen als Sprache vor der eigenen Auseinandersetzung und Erkenntnis übernommen. Auch den Professionellen wird so eine praktische Reflexion ihrer Praxis durch deren Reflexion im Kontext der praktischen Lebenszusammenhänge des Alltags entzogen.

Um die Suggestion des emanzipatorischen Eigensinns der der kapitalistischen Ökonomie gegenüber externen Gesellschaftsbereiche materialiter infragezustellen, verweise ich auf meine Skizze des faktisch weit weniger positiv wirkenden Eigensinns der Medizin in der modernen kapitalistischen Gesellschaft und des mit ihr verbundenen Bewusstseins, des Habitus und der einschlägigen Mentalitäten (Creydt 2006).

Eine vierte Querschnittsproblematik innerhalb der funktionalen Differenzierung besteht in der ("fachidiotischen") Absorption der jeweiligen Profession auf ihr Wissen und Tun unter Ausblendung der Kontexte, in denen es steht und wirkt.

Auf den Vorhalt, die Physiker hätten die Atom- und Wasserstoffbombe geschaffen, antwortete der Schweizer Physiknobelpreisträger Heinrich Rohrer: "Nein, das halte ich nicht für wahr. Die Physiker haben zwar diese technischen Systeme gebaut, aber das Problem haben die Politiker geschaffen" (zit. n. Vilar 1996, 62).

Bei der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen schafften es die sie entwickelnden Techniker und Wissenschaftler, sich auf den Reiz ihrer Arbeit zu konzentrieren. Jungk (1963, 432) zitiert eine Äußerung eines der Konstrukteure der US-amerikanischen Atombomben von 1945: "Ich fürchtete den Einsatz dieser dritten Bombe. Ich hoffte, man würde sie nicht verwenden, und zitterte bei dem Gedanken, was sie anrichten könnte. Und doch, wenn ich ganz aufrichtig sein soll, reizte es mich zu erfahren, ob diese Bombe die in sie gesetzten Erwartungen rechtfertigen kann, kurz ob sie 'funktionieren' würde". "Die glückhafte Erregung über die neuen Dimensionen menschlichen Wissens und Könnens, die sich da auftaten, ließ diese Männer meist ganz vergessen, dass sie ja eigentlich hier zusammengekommen waren, um ein Todesinstrument zu entwerfen" (Ebd., 466). So auch Oppenheimer: "Wenn man etwas sieht, was einem 'technically sweet' erscheint, dann packt man es an und macht die Sache, und die Erörterungen darüber, was damit anzufangen sei, kommen erst, wenn man seinen technischen Erfolg gehabt hat. So war es mit der Atombombe" zit. n. Jungk 1963, 490). Typisch auch Fermis Antwort auf Einwände gegen den Einsatz der Bombe: "Lasst mich in Ruhe mit euren Gewissenbissen, das ist doch so schöne Physik" (zit. n. Ullrich 1977, 234f.).

Der nationalsozialistische Rüstungsminister Albert Speer schreibt in seinen Memoiren: "Im Grunde nutzte ich das Phänomen der oft kritiklosen Verbundenheit des Technikers mit seiner Aufgabe aus. Die scheinbare moralische Neutralität der Technik ließ bei ihnen die Besinnung aufs eigene Tun gar nicht erst aufkommen" (Speer 1979, 124).

Der Gegensatz zwischen der Ambition bzw. der Gelegenheit, sich subjektiv in der Tätigkeit einbringen zu können, und der Aufmerksamkeit für ihren menschlich-sozialen Wert findet sich auch in der Arbeit an Rüstungstechnologie. "Bestes Einvernehmen mit Militär, Verteidigungsbehörden und politischen Entscheidungsträgern (deren beruflicher Wechsel im Lauf der Karriere zum Auftragnehmer notorisch war und ist …), eine hohe Subventionierung aus öffentlichen Geldern und das 'cost-plus'-Vertragsprinzip ermöglichten dem industriellen Rüstungsmanagement einen fast wettbewerbsfreien Handlungsraum: Kalkulationen zu (nach eigenen Aussagen) Höchstkosten, kostenlose Vorfinanzierung, problemlose Anpassungen bei Kostensteigerung, Abnahmegarantien trotz nach oben hin offener Preisentwicklungen und auf diese Weise überdurchschnittliche Gewinne. Kein Wunder, dass nicht nur das Management sondern auch die übergroße Mehrheit der Rüstungsbeschäftigten zu solchen Bedingungen nicht Nein sagte. Denn diese boten insbesondere Ingenieuren, Technikern und Forschern nicht nur den Reiz technologisch höchst anspruchsvoller Aufgaben und bester Ausstattung in einem dazu geheimnisumwitterten und machtbesetzten Bereich ('toys for the boys'); auch die sonstigen Arbeitsbedingungen, Bezahlung und sozialen Leistungen waren im Vergleich zu anderen Branchen überdurchschnittlich" (Bullens 1994).

3

Kleins These lautet, dass "Politik, Recht, Wissenschaft, Kultur, Sozialsphäre, Religion, Ethik und andere Subsysteme ihre eigenen Logiken und eigenen Maßstäbe der Entwicklung" haben (Klein 2006, 97). Kleins emanzipatorische Inanspruchnahme der funktionalen Differenzierung denkt weniger an eine Auseinandersetzung in den Bereichen (s. Abschnitt 1), als vielmehr an eine den Bereichen als Bereichen immer schon zugrundeliegende kritische Distanz zur Kapitalverwertung.

Zur Kritik an diesen Bereichen und zur Selbstkritik in ihnen existiert seit Jahrzehnten eine Debatte. Klein und der später noch zitierte Horst Müller ignorieren die einschlägigen, in der Sozialwissenschaft, in den Berufsfeldern und in der Linken geführten Diskussionen[3] souverän. Thema sind die Problemformeln, Ziele und stillschweigenden Voraussetzungen der medikalisierenden, pädagogisierenden, psychologisierenden u. a. Herangehensweisen. Ineins mit den einzelnen Bereichen jeweilig vertraute und konstitutionstheoretische und formkritische Literatur liegt vor bspw. zur Schul- und Pädagogikkritik[4], zur Kritik der Sozialarbeit[5], zur Medizin und zur Sozialwissenschaft (vgl. die Literaturangaben bei Creydt 2006 bzw. 2001).

Die eigene ‚Produktivität’ von Professionen liegt darin, die tatsächlichen Zwecke, Ursachen und Verlaufsformen von (Schul-)Lernen, Medizin im Gesundheitswesen, Sozialarbeit usw. professionell als pädagogisch, medizinisch oder sozialarbeiterisch unumgänglich oder wertvoll aufzufassen. Die unspezifischen Ideale, die den Arbeiten und Tätigkeiten in den hier thematisierten Bereichen ihren guten Sinn verleihen (Lernen, Erziehen, Bilden, Heilen usw.) sind in ihrer Spezifik zu dechiffrieren, indem die Unmittelbarkeit der Ideenrede bezogen wird auf Notwendigkeiten und Zwänge, die die moderne und kapitalistische Form der Gesellschaft mit sich bringen. Es macht einen Unterschied, ob man das Erziehungswesen als vom Erziehungs- und Bildungszweck angeleitet auffasst, oder ob man die Selektion, die Einübung von Konkurrenz, die Gewöhnung an einen instrumentellen, gratifikationsorientierten Umgang mit Inhalten, die Erziehung zur Kälte (Gruschka) usw. als Momente des impliziten Lehrplans ausweist.

Das linke Politisieren kapriziert sich beim Lob bestimmter Sphären der Gesellschaft als vermeintlicher Bündnispartner auf deren Gegensatz zur Kapitalverwertung und ignoriert, wie sie eigene Momente enthalten, die dem ersehnten Bündnis entgegenstehen. Wer den Gegensatz eines Momentes der einen Sphäre (A) gegen die andere Sphäre (B) nutzt, muss damit rechnen, dass andere Momente aus der Sphäre A sich positiv auf die Sphäre B einstellen und damit in Sphäre A gegen die kritisch (= gegen B) in Anspruch genommene Position stehen. Bspw. sorgt die staatliche Politik für Voraussetzungen und verarbeitet Folgen, die in der kapitalistischen Ökonomie nicht generiert bzw. nicht bewältigt werden können und gerät auch insofern bisweilen in Gegensätze zur Wirtschaft. Zugleich ist der Staat im Kapitalismus als Steuerstaat auf das Florieren der kapitalistischen Ökonomie als Voraussetzung seiner Ressourcen angewiesen und darf diese schon im eigenen Interesse nicht gefährden.

Vor dem Hintergrund der notwendigen kritischen Durcharbeitung der Inhalte der nicht unmittelbar auf die Kapitalverwertung bezogenen Professionen ist die Kritik an der "systemisch benachteiligten Stellung der sozialwirtschaftlichen Dienste unter dem Kapitalregiment" und an der "folgenreichen nicht-paritätischen Organisation zwischen den ökonomischen Hauptabteilungen der industriellen Warenproduktion und der sozialwirtschaftlichen Dienste" (Müller 2007, 55) zwar richtig, aber greift zu kurz. Müllers Perspektive der "komplementär" und "paritätisch" austarierten Proportion zwischen den beiden Abteilungen (ebd. 54)[6] übergeht souverän, dass bspw. in Bezug auf die Arbeit für gesündere Lebensbedingungen und -weisen die bisherige Medizin nicht nur wegen äußerer Schranken (aus "Profitdominanz") problematisch ist. Die Perspektive einer Parität zwischen industrieller und sozialwirtschaftlicher Abteilung verbleibt im Horizont funktionaler Differenzierung und ihrer Trennung der ‚Systeme’. Demgegenüber käme es gerade darauf an, das Arbeiten, die Techniken, die Organisationen, den Konsum, die soziale Gegenstandswelt selbst unter gesundheitlichen Gesichtspunkten präventiv zu durchdringen und durchzuarbeiten. Das Lob der "sozialwirtschaftlichen Produktionen" als "ausdehnungsfähiges Feld gesellschaftlicher Emanzipation" (ebd. 55) verknüpft die Eigeninteressen der z. B. in der Medizin Tätigen (an möglichst viel Gelegenheiten, als Arzt tätig werden zu können) zu unmittelbar mit einer emanzipatorischen Perspektive. Eine präventive Durchdringung und Durcharbeitung aller Lebensbereiche dürfte auch zu einer Schrumpfung der medizinischen Reparatursektoren beitragen. Auch in der "Sozialwirtschaft" und nicht nur in der unmittelbaren Kapitalverwertung herrscht die Unsitte, den Mangel nicht als Mangel aufzuheben, sondern ihn als Gelegenheit wertzuschätzen, unter seiner Voraussetzung und seinem Fortbestehen ein Angebot lancieren zu können. Die "'Emanzipation der sozialwirtschaftlichen Dienste' als 'andere Hälfte der Wirtschaft'" allein zu verstehen als "deren Entfaltung als gemeinwirtschaftliche ökonomische Form und als paritätisch wertbildende Wirtschaftsabteilung" (ebd.) ist Kritik an den äußeren Schranken, denen die ‚Sozialwirtschaft’ unterliegt, nicht Kritik und Selbstkritik ihrer immanenten modi operandi.

Die richtige Unterscheidung zwischen der Praxis der sozialstaatlichen Bereiche und der Produktion industrieller Waren verleitet Müller dazu, den Unterschied zum Gegensatz zu stilisieren und überdies diesen Gegensatz zum zentralen Moment der gesellschaftlichen Dynamik zu erheben.[7] Müller abstrahiert dafür von den mit diesen Bereichen verbundenen Praxen, die bei allem Unterschied zu den Kriterien und Eigendynamiken der kapitalistischen Ökonomie ihren eigenen Beitrag zur Reproduktion einer modernen bürgerlichen Gesellschaftsform leisten, die nicht auf die kapitalistische Ökonomie reduzierbar ist, ohne dass deshalb die nichtkapitalistischen Sphären irgendwie latent antikapitalistisch ausfielen.

Klein und Müller gehen von einem äußerlichen Verhältnis zwischen der kapitalistischen Ökonomie und den ökonomieexternen Sphären der modernen kapitalistischen Gesellschaft aus ("Profitdominanz"). Beide Autoren kritisieren zu Recht die durch die mit der kapitalistischen Ökonomie einhergehende materielle Unterausstattung, Beschränkung und Unterordnung der ökonomieexternen Sphären. Klein und Müller interessieren sich aber nicht für die Arbeitsinhalte in diesen Sphären. Sie verdoppeln damit in der Theorie eine in der Realität vorfindliche Mystifikation. Die Unterordnung und Einschränkung dieser Sphären verleitet die in ihnen Tätigen dazu, sich als über die kapitalistische Ökonomie und ihre Gepflogenheiten erhaben und zu ihr different vorzustellen[8] und nicht als auf bestimmte Weise an ihrem bestimmten Ort und mit ihrer eigenen Praxis beitragend zur Reproduktion der Gesellschaftsformation.[9] Es liegt dann nahe, in der medizinischen, pädagogischen u. a. Tätigkeit bereits etwas zu sehen, das über die Plusmacherei der kapitalistischen Ökonomie hinaus ist, also zu ihr nicht nur die komplementäre Seite, sondern die Alternative bildet. Die alte Entgegensetzung der (nun nicht mehr kriegerisch, sondern professionell verstandenen) ‚Helden’ zu den ‚Händlern’ kommt zu neuen Ehren. Für Müller ist die in den sozialstaatlichen Sphären vorfindliche Praxis auszudehnen und aus ihrer ökonomischen Unterordnung unter die kapitalistische Ökonomie zu befreien. "Sozialwirtschaft als Systemalternative" (Müller 2007a, 239). Diese Position ist strukturanalog zu jenem Alltagsfeminismus, der aus dem isoliert und abstrakt wahrgenommenen Moment der Unterordnung und mangelnden Wertschätzung der ebenso verdinglicht stilisierten‚weiblichen’ Praxen mit der Retourkutsche aufwartet und in der ‚Feminisierung der Gesellschaft’ die Lösung für die Probleme der modernen bürgerlichen Gesellschaft sehen zu können glaubt(e) (zur Kritik vgl. Creydt 2001a). Bei Müller fällt auf, wie er – trotz aller "Praxisphilosophie" – gesellschaftstheoretisch in das Anziehungsfeld eines evolutiven Transformations-Automatismus gerät, wenn er die bestehende kapitalistische Gesellschaft als "Übergangsgesellschaft[10] des 21. Jahrhunderts" auffasst, weil in ihr mit den "sozialwirtschaftlichen" Sphären "der Übergang zu einer neuen Produktionsweise und Gesellschaftsform bereits eingeleitet ist" (Müller 2007a, 205).

Müller sieht in den Bereichen des weit verstandenen Sozialstaats die nachkapitalistische Reproduktionsweise angelegt. Der zentrale Mangel, den dieser Sozialstaat gegenwärtig aufweise, gründe darin, dass er durch die kapitalistische Ökonomie "disparitätisch und repressiv behandelt" werde (Müller 2007a, 226). "Im Gegensatz zu seinem sachlichen oder gesellschaftlichen Naturell" – welches Kompliment ! – würden der Sozialstaat bzw. die ihm zurechenbaren "sozialwirtschaftlichen Produktionen" "restriktiven und entstellenden Formzwängen der Kapitalverwertung unterworfen" (Ebd.). Müllers Votum dafür, den widersprüchlichen Charakter der Gesellschaft zu begreifen, bezieht sich ausschließlich auf den von ihm behaupteten Gegensatz zwischen der kapitalistischen Ökonomie und den sozialstaatlichen Praxen, nicht auf die Widersprüche [11] in ihnen. Hier vermag Müller seine philosophische Präferenz für die Wahrnehmung "zweidimensionaler, gemischter, doppelsinniger, hybrider" Phänomene nicht gesellschaftstheoretisch umzusetzen (Müller 2007, 218). Unklar bleibt in Müllers Ausführungen zudem erstens, wie die friedliche Koexistenz der kapitalistischen Warenproduktion und der sozialwirtschaftlichen Produktion aussehen soll, wie zweitens die wertbildende Gleichheit der als inkommensurabel beschriebenen Produktionsweisen funktionieren soll und wie Müller drittens den Gegensatz in seiner Rede von einerseits Koexistenz der Sozialwirtschaft mit der kapitalistischen Produktion und andererseits der Vorstellung der Sozialwirtschaft als Vorbild der nachkapitalistischen Produktionsweise analytisch auflöst.

Müller arbeitet zu Recht in seinen Artikeln zur Praxisphilosophie[12] die Aufgabe heraus, im Unterschied zu einer abstrakten Negation die eindimensionale Stilisierung des Gegebenen zu vermeiden und offen zu sein für "die Potentialität oder die Latenzen, innerlich bereits arbeitende, zur Überschreitung drängende Tendenzen" (Müller 2007a, 218). Etwas anderes ist es aber, Gesellschafskritik als Affirmation einer ‚guten’ Substanz und als Angriff auf die diese gute Substanz bloß äußerlich einschränkende und entstellende kapitalistische Ökonomie zu konzipieren. Systemtransformation erscheint dann als Expansion des Guten und als Verringerung des Schlechten.[13] Das erinnert an die in vielen 'Marxismen' verbreitete These von den guten Produktivkräften, die mit der kapitalistischen Ökonomie einem einzigen Hemmnis ausgesetzt seien. Klein und Müller transponieren jeweils verschieden diese Argumentationsfigur in einen anderen Stoff. An die Stelle der Produktivkräfte tritt nun der Eigensinn der nichtökonomischen Sphären.

Wie wenig das Konzept aufgeht, das Verhältnis zwischen der Ökonomie und den nichtökonomischen Sphären mit den politischen Perspektiven von Klein und Müller zu verknüpfen, zeigt sich auch daran, dass eben dies Verhältnis in den 70er Jahren von "links" (Offe) und "rechts" (CDU-Generalsekretär Geißler[14]) unter den Stichworten "Disparitätentheorie" (Offe) bzw. "neue soziale Frage" (Geißler) verhandelt wurde – ohne jene Hoffnungen, die Klein und Müller hegen.

Anmerkungen

[1] Siehe ausführlicher zu diesen Konflikten Creydt 2008.

[2] Die Ablehnung des Fortschritts ins Unendliche findet sich ebenfalls 1932 in Jüngers Plädoyer für "einen Zustand der Perfektion – ist dieser erreicht, so wird die Entwicklung abgeschlossen sein. Vergleicht man etwa eine fortlaufende Reihe von technischen Modellen in einem jener neuartigen Museen, die, wie das Deutsche Museum in München, als Arbeitsmuseum zu bezeichnen sind, so wird man finden, dass die Kompliziertheit nicht ein Kennzeichen der späten, sondern der Anfangszustände ist" (Jünger 1982, 174).

[3] Vgl. dazu Creydt 2008. Einen anderen Diskussionsstrang bilden Überlegungen im Gefolge von Althussers Theorie der 'ideologischen Staatsapparate' (vgl. bspw. Charim 2002).

[4] Adorno, Theodor W. 1969: Tabus über den Lehrerberuf. In: Ders.: Stichworte. Kritische Modelle 2. Frankf. M.
Arbeitskreis Bildung 1978: Schule (I): Auslese. Kassel
Arbeitskreis Bildung 1978a: Wie man ein guter Lehrer wird (II). Kassel
Arbeitskreis Bildung 1979: Programmatische Erklärung des Arbeitskreis Bildung. In: Ders.: Bildung (Zeitung des AK Bildung) Nr. 5. Göttingen
Beck, Johannes 1994: Der Bildungswahn. Reinbek bei Hamburg
Fleischer, Axel 1980: Über das notwendige Scheitern herkömmlicher Schultheorien. Zum Zusammenhang von verfehlter Schultheorie und misslungener Schulpraxis. In: Randgänge der Pädagogik, Bd. 12. Marburg
Geissler, Karlheinz A. 1994: Vom Lebensberuf zur Erwerbskarriere. Erosionen im Bereich der beruflichen Bildung. In: Negt, Oskar (Hg.) Die zweite Gesellschaftsreform. Göttingen
Gruschka, Andreas 1994: Bürgerliche Kälte und Pädagogik. Moral in Gesellschaft und Erziehung. Darmstadt
Gutte, Rolf 1994: Lehrer – Ein Beruf auf dem Prüfstand. Reinbek bei Hamburg
Holzkamp, Klaus 1993: Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Frankf. M.
Huisken, Freerk 1991: Die Wissenschaft von der Erziehung. Hamburg
Huisken, Freerk 1992: Weder für die Schule noch fürs Leben. Hamburg
Lenhardt; Gero 1984: Schule und bürokratische Rationalität. Frankf. M.
Lippe, Rudolf zur 1997: Adornos Pädagogik. Ein Gespräch mit Rudolf zur Lippe. In: Pädagogische Korrespondenz. Bd. 19. Münster
Waldrich, Hans-Peter 2007: Der Markt, der Mensch, die Schule. Köln

[5] Bader; Kurt 1985: Viel Frust und wenig Hilfe. Die Entmystifizierung sozialer Arbeit. Weinheim. Ders. 1990: Methoden der Analyse Sozialer Arbeit. Weinheim

[6] Müller Perspektive ist, dass "waren- oder industriewirtschaftlicher Arbeit und alle sonstigen gesellschaftlich notwendigen, nützlichen und sinnvollen Arbeit als gleich wertbildend rangieren" (Müller 2007a, 228).

[7] Müller spricht diesbezüglich von der "im modernen Wirtschaftsleben bereits angelegten Sollbruchstelle oder der "entscheidenden systemischen Differenz" (Müller 2007a, 230).

[8] Für diese Position gilt: "Kritisch gegen ihren Widerpart, verhielt sie sich unkritisch zu sich selbst" (MEW 1, 384).

[9] Man muss dafür ja nicht gleich den starken Ausdruck "Befriedungsverbrecher" (Basaglia 1980) bemühen.

[10] Müllers Verwendung dieses Terminus ist irreführend: 'Übergangsgesellschaften' hießen in der einschlägigen Theoriedebatte in den 70er Jahren jene Staaten, in denen der Kapitalismus abgeschafft war und der Übergang zum Sozialismus und dann Kommunismus das offizielle Ziel und Selbstverständnis der politisch führenden Kräfte bildete.

[11] Im Unterschied zum Gegensatz enthält laut Hegel jeder Pol des Widerspruches dasjenige, wogegen er sich setzt bzw. wovon er sich absetzt, an sich selbst. Beim Gegensatz könnte noch das von Müller in seiner politischen Perspektive enthaltene Subtraktionsverfahren (Absprengen des negativen Pols) greifen, beim Widerspruch nicht.

[12] Die von Müller betriebene verdienstvolle Internetseite – eine reichhaltige Fundgrube – hat die Adresse www.praxisphilosophie.de

[13] "Für Herrn Proudhon hat jede ökonomische Kategorie zwei Seiten, eine gute und eine schlechte. Er betrachtet die Kategorien, wie der Spießbürger die großen Männer der Geschichte betrachtet: Napoleon ist ein großer Mann, er hat viel Gutes getan, er hat auch viel Schlechtes getan. Die gute Seite und die schlechte Seite, der Vorteil und der Nachteil zusammengenommen bilden für Herrn Proudhon den Widerspruch in jeder ökonomischen Kategorie. Zu lösendes Problem: Die gute Seite bewahren und die schlechte beseitigen" (MEW 4, 131). "Hätten zur Zeit der Herrschaft des Feudalismus die Ökonomen, begeistert von den ritterlichen Tugenden, von der schönen Harmonie zwischen Rechten und Pflichten , von dem patriarchalischen Leben der Städte, von dem Blühen der Hausindustrie auf dem Lande, von der Entwicklung der in Korporationen, Zünften, Innungen, organisierten Industrie, mit einem Worte von Allem, was die schöne Seite des Feudalismus bildet, sich das Problem gestellt, Alles auszumerzen, was einen Schatten auf dies Bild wirft –- Leibeigenschaft, Privilegien, Anarchie – wohin wäre sie damit gekommen ? Man hätte alle Elemente vernichtet, welche den Kampf hervorriefen, man hätte die Entwicklung der Bourgeoisie im Keime erstickt. ... Die schlechte Seite ist es, welche die Bewegung ins Leben ruft, welche die Geschichte macht, dadurch, dass sie den Kampf zeitigt" (MEW 4, 140).

[13] In einer linksliberalen Publizistik ist Geißler inzwischen gern gesehener Gast, ohne dass noch erinnert würde, was er in seinem aktiven Berufspolitikerleben in den 70er und 80er Jahren vertrat. Willy Brandt warf Geißler am 12. Mai 1985 vor, der "schlimmste Hetzer seit Goebbels " zu sein.

Literatur

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Ders. 2008: Kritik an den Wissenschaften und den Inhalten professioneller Tätigkeiten. In: Utopie kreativ, H. 6

(Meine Texte finden sich im Netz unter www.meinhard-creydt.de)

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Haug, Wolfgang Fritz 1993: Elemente einer Theorie des Ideologischen. Hamburg

Jänicke, Martin 1986: Staatsversagen. Die Ohnmacht der Politik in der Industriegesellschaft. München

Jünger, Ernst 1982: Der Arbeiter. Stuttgart (1932)

Jungk, Robert 1963: Die Zukunft hat schon begonnen.

Klein, Dieter 2006: Notwendigkeit und Möglichkeit sozialer Reformen im Kapitalismus - und über ihn hinaus. In: Maurer, Ulrich; Modrow, Hans (Hg): Links oder lahm? Die neue Partei zwischen Auftrag und Anpassung. Berlin

Lenhardt; Gero 1984: Schule und bürokratische Rationalität. Frankf. M.

Luhmann, Niklas 1970 : Soziologische Aufklärung Bd. 1. Opladen

Müller, Horst 2007: Historische Schranken der Kapitalwirtschaft und konkrete Alternative. In: Sozialismus H. 2

Müller, Horst 2007a: Alternativkonzepte der politischen Ökonomie – Sozialismus des 21. Jahrhunderts ? In: Ders. (Hg.): Die Übergangsgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Norderstedt

Schimank, Uwe, 1996: Theorien gesellschaftlicher Differenzierung. Opladen

Sennett, Richard 2008: Handwerk. Berlin

Ullrich, Otto 1979: Technik und Herrschaft. Frankf. M.

Ulmann, Gisela 1989: Gedanken beim Lesen von Praxisberichten. In: Forum Kritische Psychologie, Bd. 24

Vilar, Esther 1996: Der betörende Glanz der Dummheit. München

Willeke, Stefan 1995: Die Technokratiebewegung in Nordamerika und Deutschland zwischen den Weltkriegen. Frankf. M.

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sopos 6/2010