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Die Zeiten, da die Widersacher der Partei des demokratischen Sozialismus sich darauf beschränken konnten, ihr nur mit souveräner Mißachtung zu begegnen, sind dahin. Dazu haben sie freilich vor allem selbst beigetragen. Es setzt das eigene Verdienst der Gründer und Aktivisten der neuen Partei nicht herab, wenn man feststellt, daß ein Gutteil des Platzes, den sie zu besetzen doch erst begonnen hat, von jenen freigemacht wurde, die jetzt deutlich nervös geworden sind. Mit Nervosität ist deren Zustand noch milde bezeichnet. Auf den Gesichtern und mehr noch in den Gesten der Sprecher der »Volksparteien« in jenen Fernsehdiskussionen, in denen Bürger dusselig geredet werden, spiegelt sich Hektik mit allen ihren Begleiterscheinungen. Zwei Reaktionstypen lassen sich unterscheiden. Der eine, von Politikern der Sozialdemokratie bevorzugte, besteht in dem Versuch, das preisgegebene Terrain selbst wieder zu besetzen. Ihm ließe sich Erfolg prognostizieren, wenn er sich nicht in Versprechen erschöpfen, sondern mit einer Selbstkritik verbinden würde, die das Mea culpa, mea maxima culpa einschlösse. Denn es war die Regierung des Kanzlers Schröder, deren abgrundtief unsoziale Maßnahmen mit sozialdemokratischer Tradition brachen. Dieser Kurs hat seine Fortsetzung im Nachfolgekabinett der Großen Koalition gefunden. Mit bloßen Verheißungen künftiger Wohltaten und einigen Reparaturen, mit letztlich demagogischen Manövern und Brosamen werden sich Mitglieder und Wähler nicht zurückgewinnen lassen. Einen anderen Reaktionstyp, gelegen in den Bahnen des Herkömmlichen, zeigen die Führer der Christdemokraten. Sie bleiben bei der Verleumdung der Partei Die Linke und steigern sie ins Hemmungslose. Die Linkspartei wird verdächtigt, Interessen zu vertreten und Ziele anzustreben, die ihr fremd sind. Ihre Repräsentanten, vorzugsweise Oskar Lafontaine, dann wieder Gregor Gysi, werden herabgesetzt und als eine Art politischer Gangster dargestellt. Minderheitsgruppen innerhalb der Partei. wie groß oder klein sie auch sein mögen und wie gering ihre Einflüsse auf den Parteikurs, werden als ihr Ganzes ausgegeben. Die verhaßte Konkurrenz erhält immer wieder das Etikett »SED« aufgeklebt. Es haftet jedoch auch mit dem Schaum nicht recht, der in besagten Fernsehrunden und in anderen Medien abgesondert wird. Kurzum: Dem Staat und der Gesellschaft droht das Schlimmste, wenn diese Partei sich hier weiter festsetzen würde. Diese Horrorszenarien haben nicht nur in der Partei Tradition, die sie ausmalt, sie lassen sich weit ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Und wie wehren sich die zweifach Bekämpften? Die Kritik an den Manövern der sozialdemokratischen Politiker fällt gewöhnlich äußerst moderat, mitunter geradezu vornehm aus – als wäre es unschicklich, über die relativ bessere Vergangenheit dieses Nachbarn auf der Parteienskala zu reden, geschweige denn ihm und der Öffentlichkeit eine ungeschönte Rechnung zu präsentieren. Und gegen die christdemokratische Hetze – jedes andere Wort wäre eine Beschönigung? Ihr begegnet die Linkspartei mit dem immer wiederholten Nachweis, daß sie nicht ist, für wen sie hingestellt wird. Das reicht bis zu dem in den eigenen Reihen ungestillten Bedürfnis, sich davon auch selbst noch zu überzeugen. Auf diesem Wege wird, ist nicht gerade an einem besonderen Tage Marxens zu gedenken, mit der Distanzierung vom unrühmlichen und verachtenswerten Teil eigener Vorvergangenheit auch geopfert, was hochwahrscheinlich allein dem Unternehmen Die Linke eine geschichtliche Perspektive zu sichern vermöchte: das bedingungslose Eintreten für eine denkbare und mögliche andere Welt. Die kürzlich veranstaltete Fragestunde im Bundestag, die nichts weniger als eine Fragestunde war, weil da nach nichts geforscht wurde, sondern der Beschimpfung eines Mannes und der von ihm repräsentierten Partei diente, hat zudem gezeigt, daß die bevorzugten Reaktionen auf die Fortschritte eben dieser Partei nicht bedeuten, daß ihre Konkurrenten und Gegner nicht imstande wären, sich zu einem Chor zu vereinigen und einen Text und eine Melodie zu singen. Das könnte den Träumern an rot-roten Kaminen Denkstoff bieten und sie und ihre Partei und vor allem deren Wähler vor herben Enttäuschungen bewahren.
Erschienen in Ossietzky 12/2008 |
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