Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Zur Vorgeschichte des § 129aEberhard Schultz Die Geschichte deutscher Polizeistaatlichkeit reicht ins 18. Jahrhundert zurück, als sich Feudaladel und Bourgeoisie gegen revolutionäre demokratische Entwicklungen verbündeten. Damals begann auch gleich die Geschichte der sogenannten Organisationsdelikte, das heißt der staatlichen Verfolgung bloßer Mitgliedschaft in bestimmten politischen Organisationen. Menschen, die sich gegen bestehende politische Verhältnisse zusammenschlossen, wurden zu Kriminellen erklärt – auch wenn ihnen keinerlei kriminelle Taten anzulasten waren. Dies war also zugleich der Anfang der rechtsstaatswidrigen Präventivverfolgung. 1789 erließ Preußen aus Sorge vor Ausbreitung der Französischen Revolution das Edikt zur Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen, die »der allgemeinen Sicherheit nachteilig werden könnten«. Der Erlaß knüpfte an Vorschriften des Allgemeinen Preußischen Landrechts an, in denen es hieß: »Heimliche Verbindungen mehrerer Mitbürger des Staates müssen, wenn sie auf den Staat selbst und dessen Sicherheit Einfluß haben könnten, von den Verbundenen bei Vermeidung nachdrücklicher Geld- und Leibesstrafe der Obrigkeit zur Prüfung und Genehmigung angezeigt werden.« 1818 folgte die Preußische Verordnung gegen »geheime Gesellschaften«. Damit war das erste Gesinnungsstrafrecht geschaffen, und auf dieser Grundlage entstand die erste Datei über unliebsame Personen. In den Karlsbader Beschlüssen von 1819 einigten sich die deutschen Fürstentümer auf »Maßregeln« gegen die Forschungs- und Pressefreiheit, und ein Erlaß von 1824 verbot Burschenschaften als politische Verbindungen; ihre Mitglieder sollten strafrechtlich verfolgt und von öffentlichen Ämtern ferngehalten werden (Berufsverbote). Kommissionen zur Ermittlung »demagogischer Umtriebe« arbeiteten der Frankfurter Zentralstelle zu, die politisch unliebsame Personen in einem schwarzen Buch alphabetisch auflistete. Im Paragraphen 129 des Reichsstrafgesetzbuchs von 1871 wurde dann »die Theilnahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigung gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften« zum Straftatbestand. Angeblich richtete sich dieser Paragraph gegen das in sogenannten Gangstervereinen organisierte ordinäre Ganoventum, doch bald wurde er vor allem gegen die Arbeiterbewegung angewandt, zu deren Bekämpfung sich das Deutsche Reich 1878 zudem das juristische Instrumentarium der »Sozialistengesetze« zulegte. Wie extensiv der Paragraph 129 im Kaiserreich ausgelegt wurde, zeigt das Beispiel der Verurteilung von Teilnehmern eines Sozialistenkongresses, auf dem sie Maßnahmen zur Verbreitung der Zeitschrift Sozialdemokrat diskutieren wollten. Die Sozialistengesetze wurden 1890 unter dem zunehmenden Druck der wachsenden Arbeiterbewegung aufgehoben. Der Paragraph 129 hingegen überlebte diese Zeit, er galt bis zum Ende des wilhelminischen Kaiserreichs und fand dann Eingang in die Gesetzgebung der Weimarer Republik, wo er durch Paragraph 86 des Strafgesetzbuches (Vorbereitung zum Hochverrat) ergänzt wurde. Hinzu kam Paragraph 7 des Republikschutzgesetzes von 1922, mit dem zwischen drei Monaten und fünf Jahren bestraft wurde, »wer an einer geheimen oder staatsfeindlichen Verbindung, die die Bestrebung verfolgt, die verfassungsmäßige republikanische Staatsform des Reiches oder eines Landes zu untergraben, teilnimmt oder sie aber... unterstützt«. Damit waren dem Gesinnungsstrafrecht die Türen weit geöffnet: Autoren, Redakteure, Verleger, Setzer, Drucker kommunistischer Schriften sowie Buchläden, die in ihrem Sortiment kommunistische Literatur führten, wurden wegen »literarischen Hochverrats« bestraft. Sogar das Rezitieren revolutionärer Gedichte wertete der Staatsgerichtshof beim Reichsgericht als Akt der Vorbereitung zum Hochverrat in Tateinheit mit einem Vergehen nach § 129 StGB und verurteilte es dementsprechend. Kriminalisiert wurden auch Hilfsmaßnahmen für die politischen Gefangenen und deren Angehörige. Die »Rote Hilfe« galt als staatsfeindliche Verbindung. In einem Urteil aus dem Jahre 1926 heißt es dazu: »Es ist zwar eine der Aufgaben der Roten Hilfe, in Untersuchungshaft befindliche Parteimitglieder und deren Angehörige mit Geldmitteln, Kleidungsstücken usw. zu unterstützen. Mit dieser Unterstützung wird aber der Zweck verfolgt, der ›Entmutigung‹ vorzubeugen, welche die ›Not der Familien Inhaftierter in die Reihen der Arbeiterklasse trägt‹.« Eben dies war ja Zweck der Strafverfolgung: zu entmutigen, einzuschüchtern. Bis zum Ende der Weimarer Republik gab es aber immerhin einige – in der Realität der politischen Justiz allerdings nie sehr bedeutsame – gesetzliche Regelungen, die von bürgerlich-liberalen Grundsätzen geprägt waren. Dazu gehörte die Respektierung der politischen Identität des Gegners. Sie fand Ausdruck in der 1871 eingeführten Festungshaft für bestimmte politische Delikte. Die zum Beispiel wegen Hoch- oder Landesverrat Verurteilten mußten ihre Freiheitsstrafen demnach nicht in Gefängnissen oder Zuchthäusern verbüßen. Die Festungshaft ähnelte nicht zufällig der militärischen Internierung. Sie war unter anderem gekennzeichnet durch weitgehende Bewegungsfreiheit im Festungsgelände, Informationsfreiheit und gemeinsame Unterbringung mit Angehörigen derselben politischen Organisation. Bei politisch motivierten Taten sollten den Gefangenen sofort Vergünstigungen gewährt werden; sie kamen damals auch verurteilten KPD-Mitgliedern zugute. Demgegenüber entwickelte Carl Schmitt, der zum führenden Staatsdenker des Dritten Reiches wurde, schon 1927 die Konzeption eines Feindstrafrechts. Zu den ersten Maßnahmen des Hitler-Regimes gehörte dann die Beseitigung der Festungshaft und der Vergünstigungen für politische Gefangene. Jegliche liberale Tradition wurde ausgelöscht. Nach der Zerschlagung des Faschismus setzten die Alliierten die Staatsschutzbestimmungen des ansonsten weitergeltenden Reichsstrafgesetzbuchs außer Kraft. Doch kaum war die BRD installiert, ging die Regierung daran, nach alter Tradition ein umfassendes Staatsschutzrecht einzuführen. In der Begründung zum Regierungsentwurf vom 30. Mai 1951 hieß es: »Der moderne Staat bedarf neuer Schutzvorschriften, die seine Verteidigungslinie in den Bereich vorverlegen, in dem die Staatsfeinde unter der Maske der Gewaltlosigkeit die Macht erschleichen.« Der Kieler Strafrechtslehrer Dahm hatte es 1935 so ausgedrückt: »Der nationalsozialistische Staat will die Verteidigungslinie vorverlegen, er will nicht abwarten, bis der Verbrecher seine Absicht verwirklicht.« Als im Sommer 1951 das neue Staatsschutzrecht verabschiedet wurde, geschah das angeblich zu dem Zweck, die »Angriffe aus dem Lager der unbelehrbaren verbrecherischen Anhänger der nationalsozialistischen Ideologie« abzuwehren. Als Kernstück bezeichnete der Bundesjustizminister die Bestimmungen, mit denen das »Handeln, das vor dem Hochverrat liegt«, der »ideologische Hochverrat«, die »ideologische Unterminierung« und »geistige Sabotage« bekämpft werden sollten. Strafbarkeit wurde also in den Bereich der Gesinnung und deren Verbreitung vorverlegt. In diesem Sinne verschärfte der Gesetzgeber auch den Strafgesetzbuchparagraphen 129. Erstmals wurde dort auch die »Unterstützung einer kriminellen Vereinigung« unter Strafe gestellt. Helfer sollen wie Täter behandelt werden. »Unterstützung ist«, wie der Bundesgerichtshof formulierte, »zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe.« Das bedeutet konkret: Selbst völlig legale Akte praktischer Solidarität mit Mitgliedern illegaler Organisationen konnten nun als Täterdelikte verfolgt werden, etwa die Beschaffung von Büchern, Nahrung oder Kopfschmerztabletten. Das Bundesverfassungsgericht erläuterte 1969: »Der Einzelne« werde vom politischen Strafrecht »nicht betroffen, soweit er selbstbestimmte politische Ziele anstrebt und vertritt... Sein Handeln wird gefährlich durch die von einer Organisation ausgehende Wirkung... Die Abwehr richtet sich nicht gegen die Handlung eines Einzelnen als solche, sondern gegen die mit ihr verbundene Stärkung der Organisation.« Noch deutlicher kann man die unselige Tradition dieser Art »Staatsschutz« wohl kaum ausdrücken. In den 1950er und frühen 60er Jahren diente der § 129 StGB (»Kriminelle Vereinigungen in verfassungsfeindlicher Absicht«) neben dem neugeschaffenen § 90a (»Verstöße gegen die verfassungsmäßige Ordnung«) auch zur Zerschlagung der KPD und zur Kriminalisierung ihrer Anhänger. Nach dem Verbot der Partei durch das Bundesverfassungsgericht 1956 wurden Tausende von Kommunisten verurteilt. Mit Ermittlungsverfahren, die direkt oder indirekt Hunderttausende Personen betrafen, sollte vor allem die Opposition gegen die Wiederbewaffnung, gegen die geplante atomare Aufrüstung und den Ausbau der BRD zum antikommunistischen Bollwerk getroffen werden. Die politische Bedeutung der damaligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum § 129 faßte Alexander von Brünneck (»Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1968«, Frankfurt a.M. 1978) so zusammen: »Erstens ermöglichte § 129 die Bestrafung der ›Mitläufer‹ und ›Mitglieder‹, ja sogar von außenstehenden Dritten, die die kommunistische Vereinigung nur ›unterstützt‹ hatten. Alle solche Fälle geringer Bedeutung zu bestrafen, war weder technisch möglich noch politisch sinnvoll. Die Strafverfolgungsbehörden hatten mit § 129 allerdings ein Damoklesschwert in der Hand, das sie je nach politischer Zweckmäßigkeit oder in Fällen von Beweisnot anwenden konnten. Zweitens diente die Verurteilung nach § 129 insbesondere diffamierenden Zwecken. Die Kommunisten wurden durch Gleichsetzung mit dem organisierten Verbrechen in den Augen der Öffentlichkeit herabgesetzt.« Nach 1968 wurden nach § 129 nicht nur die kleinen aus der APO hervorgehenden Gruppen, die »bewaffneten Widerstand« befürworteten und praktizierten, sondern beispielsweise auch Buchhandlungen, die deren Texte vertrieben, sowie Rechtsanwälte und Ärzte verfolgt, die als »Unterstützer« galten, wenn sie die Haftbedingungen der Gefangenen kritisierten. Das Frauenzentrum in Frankfurt am Main wurde wegen Organisierung von Fahrten zu niederländischen Abtreibungskliniken ebenso mit Verfahren nach § 129 überzogen wie Hausbesetzer in Hamburg. Und hinzu kam dann 1976 der § 129a (»Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung«), der seither oft geändert und meistens verschärft wurde. Er führte zu einer politischen Sondergerichtsbarkeit (mit umfassender Überwachung der Organisation und ihres Umfeldes und Sonderhaftbedingungen für Beschuldigte), die mit der Verfassung kaum in Einklang zu bringen ist. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 21/2007 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |