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Sie unterwirft sich lieber den Mineralölkonzernen und Energieversorgern und baut im übrigen erkennbar darauf, daß, vorgeblich im Interesse des Klimaschutzes, der Ausstieg aus der Atomenergienutzung wieder rückgängig gemacht wird. Als der Chef des Bundesumweltamtes, Professor Andreas Troge, zu Jahresbeginn die Einführung eines Tempolimits (120 km/h) auf Autobahnen vorschlug, machte sich denn auch Merkels Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sofort zum Lautsprecher der Mineralölkonzerne, Autohersteller und der Automobilclubs: Ein Tempolimit sei überflüssig, standortschädigend, hinderlich für den Verkehrsfluß. Tempo 120 sei »kein Beitrag zum Umweltschutz, weil die Durchschnittsgeschwindigkeit auf Autobahnen ohnehin nur noch 115 km/h« betrage. Auf zwei Dritteln aller Autobahnstrecken bestünden bereits »dauerhafte oder temporäre Geschwindigkeitsbeschränkungen«. Es gebe »überhaupt keinen Handlungsbedarf« für ein generelles Tempolimit. Nein? 20 Prozent aller Treibhausgase in Deutschland werden vom Straßenverkehr verursacht. Ein strikt überwachtes Tempolimit auf den Autobahnen würde (zusammen mit einem Überholverbot für Lastkraftwagen auf allen zweispurigen Strecken) den Verkehrsfluß verstetigen, die Anzahl und Länge der Staus senken, die Unfallhäufigkeit reduzieren und den Kraftstoffverbrauch verringern. Vermutlich hätte es den Effekt, einen Teil des Verkehrs zu den öffentlichen Verkehrsmitteln umzulenken, und böte der Autoindustrie den Rahmen, Motoren und Getriebe nicht mehr für Spitzengeschwindigkeiten, sondern nur für sparsamsten Verbrauch zu entwickeln. Im Ergebnis, so haben Wissenschaftler der Technischen Universität Darmstadt und der Technischen Hochschule Aachen ermittelt, würde (bei Übernahme der in Dänemark geltenden Regelung: maximal 110 km/h auf Autobahnen und 90 km/h auf Landstraßen) der Anteil der Treibhausgas-Emissionen aus dem Straßenverkehr in Deutschland von 20 auf 14 Prozent sinken. Die Lobby der Bleifuß-Fahrer, Politiker ohne Courage und unsere von Egoismen durchsetzte Gesellschaftsordnung verhindern diesen Effekt. Vorerst. Deutschland bezieht derzeit 72 Prozent seines gesamten Primärenergiebedarfs (worunter nicht nur Elektrizität, sondern auch Wärmeenergie und flüssige Kraftstoffe zu verstehen sind) aus den fossilen Quellen Kohle, Öl und Erdgas. 22 Prozent kommen aus der Atomkraft und aus der Wasserkraft. Der Anteil der Alternativen Energien (Windkraft, Sonnenwärme, Biogas, Geowärme) liegt erst bei fünf Prozent. Wenn das angebliche Ziel der Kanzlerin erreicht werden sollte, in 14 Jahren 20 Prozent, also viermal soviel alternativ erzeugte Energie verfügbar zu haben, dann müßten zumindest die Strom-, Gas- und Wärmenetze verstaatlicht (denn in diesem Kampf um 15 Prozent Marktanteil kann von den Konzernen keine Freiwilligkeit erwartet werden) und die Energieproduktion staatlich kontrolliert werden. Aber unsere Regierung kommt nicht einmal gegen die willkürlichen Öl- und Strompreissteigerungen der Energieversorger an, obwohl Instrumente zur wirksamen Preiskontrolle bereitliegen. Eine umweltfreundlichere Energieproduktion und Energienutzung müßte die Landwirtschaft einbeziehen: mit drastischer Verringerung der Rinderhaltung, mit großräumigen Verboten der Intensivbewirtschaftung, mit dem staatlich gefördertem Bau von Biogasanlagen und dezentralen Blockheizkraftwerken und mit einer Umstellung von Land- auf Wald- und Holzwirtschaft auf einem Teil der Böden. Ein globales Aufforstungsprogramm würde helfen, einen unsere Lebensgrundlagen bedrohenden Klimawandel abzuwehren, denn Bäume können viel CO 2 aufnehmen. Doch die Waldvernichtung schreitet weltweit voran. Sie bewirkt, daß die Kohlendioxydemission in die Atmosphäre Jahr für Jahr um 1,7 Milliarden Tonnen zunimmt – Tendenz: weiter steigend. 2006 wurden bereits mehr als 35 Milliarden Tonnen dieses Giftes emittiert. Die Aufforstung mit schnellwüchsigen Baumarten und ökologischer Waldbau kosten in Deutschland pro Hektar maximal 8.000 Euro. Damit ließen sich jährlich mehr als 1000 Tonnen CO 2 je Hektar im Humus und in den Pflanzen binden. Aufforstungsprogramme in den von Steppenausbreitung und Wüsten bedrohten Ländern verursachen noch geringere Kosten: maximal 1000 Euro pro Hektar. Der Preis für die »Entsorgung« einer Tonne CO 2 über die Biosphäre schwankt also, je nac h Weltregion, zwischen 1 und 8 Euro. Fachleute glauben, daß dank verbesserter Pflanzenauswahl und moderner Anbaumethoden weltweit bis zu 18 Milliarden Tonnen Kohlendioxyd jährlich auf natürliche Weise absorbiert und für das Weltklima unschädlich gemacht werden könnten. Damit wäre der Klima-GAU zu vermeiden. Aufforstungsprogramme zum Klimaschutz in den schon heute versteppten und klimageschädigten Landstrichen der Erde hätten die positive Nebenwirkung, daß eine lokale Holzwirtschaft entstände, Humus zur ökologischen Bodenaufbereitung gewonnen würde und Biogas für umweltfreundliche regionale Energieversorgung produziert werden könnte. Zudem würden wasserspeichernder Pflanzenbewuchs und Grundwasserbildung unterstützt. Mit alledem würden sich die Lebensgrundlagen für die Bevölkerung verbessern. Deutschland könnte sich an Aufforstungsprojekten viel stärker beteiligen und auch innerhalb der eigenen Grenzen einen größeren Beitrag gegen den zerstörerischen globalen Trend leisten. Stattdessen beschränken wir uns weitgehend auf technische Lösungen, feiern unsere teils durchaus löblichen Erfolge wie neuerdings die profitträchtige Entwicklung funktionierender Solarzellen aus billigem unreinem Silizium (bisher wurde für den Solarmodulbau reines Silizium gebraucht, das nur in aufwendigen, energieverschlingenden Produktionsverfahren gewonnen werden kann). Wir brüsten uns mit unserer Weltmeisterschaft beim Bau von Windkraftwerken – demnächst sogar teuren Windkraft-Großanlagen im Küstenmeer, betrieben von Aktienfonds und Großkonzernen von e.on bis Vattenfall, während kleine Betreiber wegen der hohen Kosten für die Windgeneratoren vor der Küste nicht mehr werden mithalten können). Deutschland fördert statt der Erforschung biosphärischer CO 2 -Verwertungs-prozesse weit nachdrücklicher die Entwicklung großtechnischer Anlagen zur Abspaltung des Kohlendioxyds in traditionellen Kraftwerken. Die Kosten für diese Techniken werden auf 18 bis 60 Euro pro Tonne geschätzt (je nach Verfahrensart und Wirkungsgrad). Angewandt werden die Verfahren bisher nicht, sie würden den Strompreis in volkswirtschaftlich unvertretbare Höhen katapultieren. Hinzu kämen nämlich 10 bis 24 Euro pro Tonne CO 2 für dessen Abtransport und Lagerung. Ungeklärt ist darüber hinaus, wo und in welcher Weise CO 2 in solchen Mengen gelagert werden könnte. »Endgelagert« müßte es richtig heißen, denn eine energiepolitisch, ökologisch und wirtschaftlich vertretbare Weiterverwendung des CO 2 ist vorerst nicht in Sicht. Nach Meinung der Experten lassen sich auf technischem Wege ohnehin allenfalls 35 Prozent der in den Kohlekraftwerken anfallenden CO 2 -Mengen abspalten. Wir fördern also Forschung für Techniken, deren Sinnhaftigkeit, Wirtschaftlichkeit, Wirksamkeit und Machbarkeit von vornherein fragwürdig sind – Sackgassen-Techniken. Und wir schaffen es bisher nicht, jedenfalls nicht in großindustriellen Verfahren, aus CO 2 mit Hilfe der Sonnenenergie wertvolle Ausgangsstoffe für unser eigenes Überleben zu synthetisieren, wie es uns Pflanzen und Bakterien vormachen. Für Forschung in diese Richtung wenden unsere Regierungen nur Almosen auf. Deutschland unterscheidet sich bei seinen Anstrengungen zum Klimaschutz nur unwesentlich von anderen Industrienationen. Motto: Lieber teure und wenig wirksame technische Lösungen bei uneingeschränkter Sicherung unserer Kapitalverwertung, Konsumgewohnheiten und Komfortansprüche anstelle brauchbarer, natürlicher und preisgünstiger Verfahren mit gesellschaftsveränderndem Potential. So wollen es die Marktgesetze. »Ist's Wahnsinn auch, so hat es doch Methode« (»Hamlet«, zweiter Akt, zweite Szene). Die kapitalistische Methode. Anmerkung des Autors: Ich danke den aufmerksamen Lesern, die mich auf einen simplen, meine Argumentation erheblich schwächenden Rechenfehler im Schlußteil meines Beitrags »Der Bauernhof als Kraftwerk« ( Ossietzky 1/07, Seite 13) hingewiesen haben: Da in Deutschland 18 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzt werden und pro tausend Hektar Bauernland ohne Minderung der Lebensmittelproduktion eine 1-Megawatt-Biogasanlage möglich wäre, könnten bis zu 180 Gigawatt Strom aus Biomasse produziert werden, hatte ich behauptet. Richtig hätte ich schreiben müssen: 18 Gigawatt. Die von mir nahegelegte Folgerung, Biogas könne alle übrigen Energieträger ersetzen, ist nicht haltbar. Mit 18 Gigawatt aus Biogas könnte man mehr als die Hälfte des Atomstroms ersetzen. Bei Verzicht auf die gegenwärtige Überproduktion von Lebensmitteln (also Biogas statt Getreideschwemme, Schweine- und Rindfleischbergen, Obsthalden und Milchseen) und bei stärkerer Einbeziehung der Forstwirtschaft könnte sogar die gesamte Atomenergie abgeschaltet werden – abgesehen von den Energiespareffekten bei einer Umstellung von Intensiv- auf Öko-Landwirtschaft. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 2/2007 |
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