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Reibungslos auch der Besuch in Rußland, schließlich will Gazprom sich bei der Pflege russisch-deutscher Geschäftsbeziehungen nicht allein auf Gerhard Schröder verlassen. Und zu Hause alles wohlgeordnet: Das Politikbarometer zeigt stetig ansteigende Sympathiewerte für die deutsche Kanzlerin, Franz Müntefering arbeitet ihr loyal zu, Peer Steinbrück nimmt ihr die nicht unbedingt angenehme Arbeit ab, lauthals zu verkünden, der Sozialstaat sei nicht mehr bezahlbar. Für diese Botschaft ist er als Kassenwart der großen Koalition zuständig. Das wiederum erleichtert es Angela Merkel, ihrer Partei einen Anstrich von sozialer Wärme zu geben, von »neuer Gerechtigkeit« spricht sie jetzt gern. Das westerwellige Vokabular ist im Keller abgestellt, nachdem sich erwiesen hat, daß es auf viele potentielle UnionswählerInnen eher abschreckend wirkt. Zudem hat die Bundeskanzlerin nicht nur den Vorzug, daß sie englisch sprechen kann, was ihr Amtsvorgänger jetzt erst lernen muß, sie kann auch rechnen. Wenn sie bleiben will, was sie jetzt ist, braucht sie Wahlerfolge für die Union. Da schadet es gar nicht, wenn die FDP der CDU/CSU vorwirft, sie habe sich »auf die Spuren von Marx und Co. begeben«, und da ist es nur nützlich, wenn der DGB-Vorsitzende Michael Sommer ein Lob erteilt; in manchen Fragen, so meinte er, »liegt Angela Merkel richtig«. Er reagierte damit auf eine Äußerung der Bundeskanzlerin, daß sie durchaus bereit sei, über staatlich festgelegte Mindestlöhne »zu diskutieren«. Kann sein, daß Sommer, wenn die Bundeskanzlerin in aller Ruhe mit ihm geredet hat, am Ende selbst nicht mehr weiß, was seine Gewerkschaften eigentlich wollten. Vor der FDP übrigens muß Angela Merkel sich nicht fürchten; schließlich sind die Freidemokraten ja auf die Hilfe der CDU angewiesen, wenn sie wenigstens in einigen Bundesländern mitregieren wollen. Und die Grünen häuten sich gerade zu einer Partei der Marktwirtschaft, der ökologischen selbstverständlich, denn die Alternativindustrie braucht ihre Lobby. Nach einer Schamfrist wollen auch sie wieder hier oder dort in eine Landesregierung gelangen, als Juniorpartner der CDU vermutlich; fundamentale Opposition werden sie nicht riskieren, und ein bißchen Geplänkel in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen kann Angela Merkel ihnen zugestehen. Wir haben es also mit einer ganz großen Koalition zu tun, in der die Union die Hauptrolle innehat. Die Nebendarsteller können wechseln. »Wir spielen Demokratie« oder genauer, da gesellschaftspolitische Alternativen gar nicht erst ins Spiel kommen: »Wir spiegeln Demokratie vor.« Ob die Linkspartei im Bundestag unkonventionell genug auftritt, die Spielregeln zu durchbrechen, läßt sich derzeit noch nicht sagen. Knut Pries hat in der Frankfurter Rundschau die gegenwärtige politische Realverfassung der Bundesrepublik so beschrieben: »Die Parteien präsentieren sich als Outlets ein und derselben Programm-Produktion – in politischen Einzelheiten dann als jeweils schwarze, rote, blau-gelbe oder grüne Hausmischung.« So ist es, und die Bundeskanzlerin befindet sich insofern in einer komfortablen Lage. Daß die Mehrheit des Wahlvolkes im Herbst vergangenen Jahres einem marktradikal daherkommenden schwarz-gelben Regierungsprojekt eine Absage erteilte, hat sich für Angela Merkel ironischerweise als Glück erweisen; weiß der Himmel, welches Protestverhalten bei vielen Bürgerinnen und Bürgern eine Koalition der erkennbaren »sozialen Kälte« erzeugt hätte; selbst die heruntergeschröderte SPD wäre vielleicht kritisch aufgetreten. So aber verläuft der Abbau von Sozialstaatlichkeit in aller Harmonie, in der Performance weniger spektakulär, aber darum doch hart in der Sache. Und es ist ein sozialdemokratischer Finanzminister, der den Industrie- und Handelsherren öffentlich Meldung erstattet, daß unter der Merkel-Regierung alles seinen ordentlichen »Reform«-Gang weitergehen wird. Der gesellschaftliche »Stau« werde aufgelöst, die Besteuerung des Kapitals abgesenkt, die »Privatisierung« bisher öffentlicher Güter fortgesetzt, das »Anspruchsdenken« (der Arbeitnehmerbevölkerung, versteht sich) weggeräumt, die »Alimentation« (der Armutsschichten, auch das versteht sich) reduziert – so beschrieb Peer Steinbrück die künftige Gesellschaftspolitik vor der Frankfurter Industrie- und Handelskammer. Allerdings bedeute dies nicht den Übergang zum »schwachen Staat«. Wie denn auch – der ungezähmte Kapitalismus ist durchaus angewiesen auf staatliche Gehilfen, zwecks Zähmung von Widerspenstigen. Dafür reichen Polizisten nicht hin, auch »sozial-liberal-öko-christliche« Politiker (Knut Pries) können gute Dienste tun. Den SPD-Vorsitzenden Matthias Platzeck baut seine Partei jetzt als künftigen Merkel-Konkurrenten auf. Das ist nicht einfach. Deutschland müsse Abschied nehmen von der »Sozialnostalgie«, meint Platzeck; die Politik müsse die Bür-gerinnen und Bürger dahin bringen, »marktfähig« zu leben. Dieser Lehrsatz könnte auch von Angela Merkel sein. Und Platzeck wie Merkel werden wohlweislich einen erläuternden Satz öffentlich nicht aussprechen, den sie durchaus im Sinne haben: Im sogenannten Markt herrschen rauhe Sitten, da bleiben viele auf der Strecke.
Erschienen in Ossietzky 2/2006 |
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