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Orange für Weißrußland?
Bruno Mahlow
Die souveräne Republik Belarus, bei uns zumeist »Weißrußland« genannt, gerät zur Zeit wieder häufiger ins Visier westeuropäischer und US-amerikanischer Medien. Ihr Präsident Alexander Lukaschenko wird als »letzter Diktator Europas« ins propagandistische Kreuzfeuer genommen. Es wäre naiv, den Hauptgrund dafür in der Sorge um freie politische und publizistische Betätigung in diesem Land zu sehen. Belarus stellt seit längerem ein begehrtes Objekt externer geopolitischer Interessen dar. Im September des nächsten Jahres stehen dort Präsidentschaftswahlen an – ein Ereignis, das schon jetzt fragwürdige Leidenschaften ausländischer Akteure entfacht. Ganz offensichtlich hofft man darauf, im Zusammenhang mit der Neuwahl des Staatsoberhauptes in Belarus die Machtstrukturen zugunsten westlicher Einflußnahme umstürzen zu können, durch eine »Revolution«, ob nun in Orange oder in einem anderen Design.
Vor allem US-amerikanische politische Institute und Organisationen, unterstützt von privaten Kapitalfonds, sind schon seit Jahren in aller Offenheit darum bemüht, in Belarus »Regimechange« zu organisieren und per Finanzierung zu kontrollieren. Durch den »Belarus Democracy Act« von 2004 hat der US-amerikanische Kongreß für diese Eingriffe in die inneren Verhältnisse eines anderen Staates grünes Licht gegeben, viele Millionen Dollar stehen dafür zur Verfügung. Der kürzlich nominierte Präsidentschaftskandidat diverser Oppositionsgruppen, Alexander Milinkewitsch, kann auf die Sympathie der US-Regierung und wohl auch der einflußreichsten EU-Staaten rechnen.
Belarus hat sich, obgleich Hauptopfer der Katastrophe von Tschernobyl, wirtschaftlich und sozial vergleichsweise positiv entwickelt, was selbst die Weltbank bestätigte. Die industrielle Basis ist nicht weggebrochen, es existiert eine qualifizierte Facharbeiterschaft, Bildungssystem und Gesundheitsweisen sind nicht ruiniert. Nach der Wirtschaftskrise Anfang der 1990er Jahre konnte ein Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts erreicht werden; die Reallöhne stiegen an, die Armutsrate sank. Eine räuberische Privatisierung wurde vermieden. Auch Belarus befindet sich auf marktwirtschaftlichem Wege, es versucht aber, dabei national-ökonomisch zu steuern. Diese Eigenwilligkeit stellt für die global agierenden Marktradikalen ein Ärgernis dar, das sie beseitigen möchten. Es soll dereguliert werden, auch wenn die Volkswirtschaft in Belarus darunter Schaden nimmt – freie Bahn für das ausländische Kapital.
Hinzu kommen strategische Ambitionen des Westens, der USA und (nicht völlig übereinstimmend) der Europäischen Union. »Belarus – the Missing Link« war das Thema einer Konferenz in Washington vor einigen Jahren, bei der dieses Land als »Schurkenstaat« definiert wurde. Man sieht Belarus als eine schmerzliche Lücke, ein fehlendes Verbindungsstück in dem Ring postsowjetischer Staaten, die unter der Regie der NATO die Russische Föderation an ihren westlichen und südlichen Grenzen umschließen und machtpolitisch abschnüren sollen. Mit einem Regimewechsel in Belarus könnte auch militärpolitisch das Einflußgebiet Rußlands geschmälert werden. Die nach dem zweiten Weltkrieg von den USA eingeleitete Politik des »roll back« betraf nicht nur die sozialistischen Eigenschaften der Sowjetunion, und sie hat mit dem Untergang des dortigen politisch-ökonomischen Systems nicht ihr Ende gefunden. In einer Formulierung von Zbigniew Brzezinski, dem Vordenker US-amerikanischer Weltmachtpolitik: »Eurasien ist das Schachbrett, auf dem auch künftig der Kampf um die globale Herrschaft ausgetragen wird.«
Kontext:
Erschienen in Ossietzky 21/2005
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