Welches Motiv könnten Studierendenproteste derzeit haben (wenn sie denn auftreten sollten), worauf gründet die Widerständigkeit gegen (bzw. Akzeptanz von) Vorhaben wie die Einführung von Studiengebühren? Die in diesem Zusammenhang artikulierte Kritik am neoliberalen Dispositiv ist auch für das Folgende von zentraler Bedeutung. Allerdings wird diese Kritik hier wissensoziologisch[2] relativiert. Obwohl diese Relativierung, erzielt durch die (in aller Kürze kaum mehr als angedeutete) soziologische Rekonstruktion ihrer Positionen und Positionierungen, unbequem ist, kann sie die Kritik doch stärken.
Auch wenn es bewegungstheoretisch hoch riskant erscheinen muss, die Rekonstruktion des Wandels tiefsitzender Dispositionen, also Habitusformen und Körpersemiotiken, als Grundlage zu verwenden für einen Blick auf Studierendenproteste (und ihr Ausbleiben), weil hinreichende theoretische und empirische Vorarbeiten noch ausstehen (und Dispositionen auch nie vollständig determinierend sind): es scheint doch, als könnte erst eine solche Perspektive vieles von dem liefern, was eine politische Soziologie einfordert, insbesondere die kritisch-reflexive Selbstsituierung. Gemeint ist nicht ein psychologistisches Projekt, denn kritische Selbstsituierung kann nur mit den Mitteln einer objektivierenden Soziologie funktionieren. Der hier eingeschlagene Weg ist dem entsprechend im sozialgeschichtlichen-genealogischen Sinn kritisch-reflexiv, weil er die Expansion des Hochschulfeldes und des Studierendenmilieus als Prozeß der Emergenz konfligierender Sozialisationsformen und -typen rekonstruiert; im sozialtheoretischen Sinn ist er kritisch-reflexiv, weil er dabei Strukturen des Unbewußtmachens von sozialen Zwängen aufzudecken sucht.
Zunächst sollen dafür drei Epochen - hier im Sinne von Zeiräumen, die für eine bestimmte dominierende bzw. hegemoniale Kultur stehen - idealtypisch unterscheiden werden. In diesen Epochen haben Professoriatshabitus und die Habitusformen im Studierendenmilieu eine (allen inneren Differenzierungen zum Trotz) recht deutlich gegeneinander abgrenzbare zeittypische Form ausgebildet. Erst in den dramatischen Übergängen, den Epochenbrüchen, die eine echte Zäsur bedeuten, bekommt der vielleicht schon vorher stattfindende, aber noch nicht erfolgreiche morphologische Wandel nach kollektiven Machtkämpfen eine neue, öffentlich legitimierte Struktur als neues hegemoniales Dispositiv (1.1-1.3). Während diese diachrone Perspektive die Einheit der in sich differenten Struktur betont, wird der zweite, zwangsläufig stärker synchronistische Argumentationsstrang die innere Differenz dieser Einheit thematisieren (2).
Es mag auf den ersten Blick vielleicht so aussehen, als würde allzu weit zurückgegriffen werden, wenn die erste hier interessierende Epoche die des konformistischen Dispositivs der Wilhelminischen Ära sein soll. Mit der Vereinigung im Kaiserreich 1871 beginnt diese Ära des deutschen Militarismus und Imperialismus. Das Hochschulfeld wird am Beginn dieser Epoche international als das wohl vorbildlichste der Welt angesehen, zahlreiche Importbemühungen anderer Länder (auch der USA) zeugen davon. Es wird dominiert vom Habitus der Gelehrten, die sich eine unerhörte Autonomie vom Staat, der Wirtschaft und der Bevölkerung sowieso erlauben. Noch gilt der Elfenbeinturm als auratisch-strahlende Zitadelle der extrem produktiven deutschen Wissenschaft. Noch besteht auch eine Kongruenz zwischen den Habitusformen der key profession und den Studenten. Aber der Gelehrtenhabitus ist schon konfundiert mit dem Verhaltenskanon des ja nie besiegten, sondern als Sieger des Vereinigungsprozess zu neuem Ansehen gelangten Schwertadels: in Deutschland müssen die Gelehrten und andere höhere Beamte, die zur Guten Gesellschaft gehören wollen, sich zunehmend den Gesetzen des Paukbodens beugen, müssen Satisfaktionsfähig sein[3], die bürgerlichen oratores müssen sich also den adligen bellatores habituell unterwerfen, um das hohe Prestige einer kulturellen Oberschicht halten zu können. Im Grunde wird dieses Bündnis eingegangen, weil die Kultur des Hochschulfeldes funktional schon zu exklusiv gewesen ist für die Ansprüche des kapitalistischen take offs: das Bündnis hielt andere Interessengruppen, nämlich die Industriellen und deren Manager (bzw. Privatbeamte, Angestellte) sowie die Mittelklassen aus der Definitionsmacht heraus.
Dieses Gelehrten-Dispositiv ist also nichts völlig starres, sondern unterliegt verschiedenen Modifikationen und Radikalisierungen; unheilvoll insbesondere die völkisch-rassistische Radikalisierung in der Kaiserzeit, die in der Weimarer Republik weiter um sich greift und zum bald hegemonialen Denkstil des Nationalsozialismus passt. Das Dispositiv des Gelehrten bleibt jedoch bei allen Wandlungen im Kern stabil, überlebt sogar den Krieg mitsamt Entnazifizierung, und ist eigentlich selbst dann noch ungebrochen, als Habermas u.a. ihre Studie Student und Politik Anfang der 60er veröffentlichen. Erst in den späten 60er Jahren, da aber wie aus heitrem Himmel, wird von seiner kulturellen Dominanzposition verdrängt.
Durch welche neue Form? Nun, bekanntlich haben die 68er hier einiges geleistet. Erst das nonkonformistische Dispositiv war in der Lage, die Vorrangstellung der Gelehrten nachhaltig zu zerstören. Bourdieu weist freilich darauf hin, dass ohne sie auch der Einfluss der Wirtschaft auf das Hochschulfeld nicht derart rasant hätte anwachsen können. Jedenfalls setzte die Kritik an den undemokratischen, vormodernen Verhältnissen in der öffentlichen Institution Universität nicht nur auf ideologischer Ebene an, sondern eben ganz entscheidend auf körperlicher: es ging gegen die ganze Haltung, gegen die ganze Person, nicht nur gegen das Denken. Selbst die Artikulationsform des so eloquenten Rudi Dutschke oder Hans-Jürgen Krahl ging weit über das rein Diskursive hinaus: auf der präsentativen Ebene war der Bruch mit den Konventionen des Feldes noch vehementer; nicht mehr Anzug oder gar Talar waren die öffentlich Respektschauer erregenden Zeichen, sondern Existenzialistenlook und proletaroide Lederkluft sowie eine zunehmend despektierliche Verwuscheltheit, kurz: etwas ganz und gar unartig-abscheuliches, was sich sich da, also im Hochschulfeld, breit machte - und es fand Zustimmung![4] Nicht Habermas vollzog also den habituellen Bruch mit Heidegger und seiner Epoche, sondern die Praxis einer Situationistischen Internationale, der expressivistische Spontaneismus und anti-elitäre Hedonismus einer aufkommenden Popkultur.
Mag der Start des nonkonformistischen Dispositivs noch einigermaßen bekannt sein, so ist das Ende doch wenig geklärt. Am Ende, so viel ist klar, ist es. Als hegemoniales Dispositiv wurde es noch bis in die späten 80er Jahre hinein modifiziert, nun semiotisch repräsentiert durch die neue Sozialfigur des Verweigerers, Aussteigers, Schlaffis.[5] Die Aggressionen gegen die bürgerliche Kultur und den Gelehrtenhabitus waren schon mit der Melancholie der No future-Mentalität versetzt, schienen immer stärker nach innen gerichtet zu werden. Der wirkliche Bruch kam aber erst mit dem Jahr 1989.
Und als Sieger ging aus den kollektiven Anerkennungskämpfen das neoliberale, neokonformistische Dispositiv hervor. Die Studierenden favorisierten nun zunehmend Hochschullehrer, die sich als anwendungsorientierte Unternehmer der Wissensgesellschaft gerierten, denn sie wollten nicht mehr der system- und konsumkritischen Dilatorie verfallen, sondern pragmatisch und taktisch klug für Jobs qualifiziert werden. Solche Interessen ergänzten sich übrigens bestens mit dem ‚langen Lauf zu sich selbst', den die neue Elite der alten Anti-Elite gestartet hatte. Es wurde immer lächerlicher, die Uni als abseitigen, aber öffentlichen Ort in Besitz nehmen zu wollen; immer natürlicher, diesen Ort überwiegend als einen Raum zur Zertifikatsakkumulation zu sehen. Nicht mehr die Universität der Demokratie oder die multiversity, sondern die entrepreneurial university oder die halb-modernisierte Universität flexibilisierten Ordinarien ist nun das Leitbild der Reformanstrengungen.
Konkret, Ausgabe 9/2001
Die Stabilität dieses neuen Dispositivs hat sich am ersten Gegenangriff erwiesen: bis 2001 gewann die Attraktionskraft der Globalisierungskritiker an Einfluss und es schien, als würde Kritik wieder zum Einsatz der ganzen Person führen, nicht mehr als postmodernistisch verunsichertes Spiel mit Zeichen und Diskursen betrieben. Nach der 9/11-Katastrophe brach aber diese Kraft zusammen.[6] Entscheidend ist nun nicht, dass der Neokonformismus die Kritik abwehren konnte; das wissen wir nicht. Es schien allerdings, als sei mit dem hier nicht weiter zu bezeichnenden neuen Habitus der Globalisierungskritik eine durchaus ebenbürtige Alternative auf den Plan getreten (vgl. bspw. KONKRET 9/2001). Entscheidend ist viel mehr, das das neokonformistische Dispositiv die Macht der Kritik nach ihrem Zusammenbruch so schnell wieder in Vergessenheit geraten lässt.
Es geht bei solchen Kämpfen um die Durchsetzung bzw. Diskreditierung von Lebensweisen (hier synonym: Kulturen, Habitusformen). In der nun folgenden synchronistischen Perspektive kann etwas genauer als bisher gezeigt werden, welche Lebensweisen sich in der Hochschule eigentlich gegenüberstehen.
Die seit den 90ern offenbar dominante Fraktion der mondänen Manager kämpft für die Ökonomisierung des Feldes, die Kommerzialisierung der Kommunikation und die Kommodifizierung der Lebensverläufe. Sie können derzeit größte Teile einer weiteren Fraktion überzeugen, nämlich die akademischen Facharbeiter mit ihrem berufsorientierten Habitus. An die Unzufriedenheit dieser Fraktion aus den mittleren und unteren Soziallagen kann nur anknüpfen, wer Verletzungen der Meritokratie und Kalkulierbarkeit anprangert: Hinweise auf die Schließungen des Feldes gegen diese Fraktion durch die erwartbar hochselektiven Bedingungen für den Master-Abschluss, Belege für die Behauptung, dass Geld aus den Studiengebühren fließe in den allgemeinen Haushalt - solche Argumente können hier durchaus fruchten.
Eine - natürlich modernisierte - Fraktion der Gelehrten existiert immer noch, allerdings stark entmachtet und an die Tatsache gewöhnt, dass alle auf das Hochschulfeld bezogenen Alleinvertretungsansprüche und die einst selbstverständlichen Rechte auf Weltabgewandtheit obsolet geworden sind. Die Verteidigung der "Bildung um ihrer selbst willen" ist einerseits zur Verteidigung der Autonomie des Hochschulfeldes geworden, wie sie auch Bourdieu vertreten hat, andererseits versuchen Teile dieser Fraktion sich an der Einrichtung von Refugien, die im Zuge der Exzellenzinitiativen möglich geworden zu sein scheint: beide Linien lassen sich keineswegs als Hysteresis-Effekte verstehen, sondern gehören als - wie auch immer allodoxischer - Ausdruck des Kernbereichs (Parsons) des tertiären Systems zu den unabweisbaren Positionen und Positionierung des Feldes.[7]
Schließlich die in der Lebensstilpolitik der 90er beinahe aufgeriebene Fraktion des antikonsumistischen Bildungshedonismus. "Viele Studenten betrachten ‚ihre Uni' als eine postadoleszente Spielwiese, die ein Moratorium zwischen Elternhaus und Berufsleben bietet"[8], so ein kenntnisreicher Beobachter. Es ist nicht zu bestreiten, dass es diese Haltung gab - und als allerdings stark in Bedrängnis geratene, marginalisierte Lebensweise immer noch gibt. Wer wäre denn auch in der aktuellen Lage bereit, sie als Modell des gelungenen oder etwas richtigeren Lebens oder wenigstens als irgendwie anerkennenswerte Lebensweise zu verteidigen? Mit welchen Argumenten?
Das Studium als (psycho-soziales, kognitiv-habituelles, intersubjektives) Moratorium, als Freizeit, die nicht mit kommerzialisierten, sondern mit Bildungs-, insbesondere Erfahrungsbildungsaktivitäten ausgefüllt wird; in der ein öffentlicher, also nicht kommodifizierter Raum als demokratisches Forum, als Akademie der Selbstverständigungsprozesse zur Verfügung freier BürgerInnen existiert: ist das ein legitimes Ziel für die Studienreform?
Man wird dieses Ideal einer Kultur demokratischer Freiheit nicht mehr exklusiv gegen die Gelehrtenkultur des "kognitiven Kerns" des Feldes oder gegen die "Kultur der Erschöpfung" der Berufsorientierten oder gegen die unternehmerische Kultur des akademisch-mondänen Managertyps durchsetzen wollen: das wäre ein völlig aussichtsloses Vorhaben. Aber eine deutliche Verteidigung gegen die anderen hier genannten Fraktionen, denen die Existenzberechtigung in der modernen Multiversity nicht mehr streitig gemacht wird, ist ein für die "unbedingte Universität" anstehendes Projekt. Erleichterte Formen der Studienfinanzierung (wofür das BAFöG keinen schlechten Ansatzpunkt darstellt: ausbauen! Weg vom Kredit, wieder hin zum Zuschuss, etc.[9]) sind ebenso wichtig wie das Abschütteln der viel zu rigide interpretierten Workload-Vorgaben des ECTS. Wer die Hochschulen noch als "Prägestätten des Habitus" (N. Elias) auffasst und sie ganz überwiegend und in weiterhin steigendem Maße Effizienzorientierung, Selbst-Kommodifizierung und -Kommerzialisierung habitualisieren lassen will, wird jedenfalls kaum dazu beitragen, dass eine andere Welt wirklich möglich ist: Das war und ist seit den 60ern eher Sache derjenigen, die die Hochschule den "Gelehrten" bzw. das Gemeinwesen den Besitzenden aus der Perspektive "einfacher Leute" streitig machen wollten - und von "ihrer Uni" aus Definitionsmacht für sich selbst ertrachteten. Nach den Prozessen einer halbierten Modernisierung des Hochschulsystems - und auch der Habitusformen, denn das Feld hat sich eben nicht hinreichend den an freiheitlicher Selbstbildung interessierten Studierenden aus unteren Schichten geöffnet - scheint mir der wichtigste Gegenentwurf zu den immer weiter gedeihenden Planungen zur unternehmerischen Universität, aber auch zur bloß ökonomistischen Verteidigungsstrategie ein neuer Bildungshedonismus zu sein, für den in institutionalisierender Absicht zu kämpfen wäre mit dem Ziel, Hochschulen als freiheitliche Prägestätten nonkonformistischer Habitusformen zu gestalten.
Auf der Welle der Globalisierungskritik wäre ein solches Studium wieder attraktiver geworden: nicht für einen Beruf, sondern für die Ausübung bürgerlicher Freiheiten würde in einem entsprechenden Kontext studiert werden. Wo derzeit die Bereitschaft, für ein solches Leben einzutreten, herkommen soll, ist allerdings kaum allzu schwer zu prognostizieren: die demokratische Linke ist ja in den letzten Wochen ein gutes Stück voran gekommen. Sicher, ihr fehlt der Sponti-Beitrag, das radikal-hedonistische Element; aber ein neuer Fokus ist, wie es scheint, da.
[1] Dieser Beitrag versteht sich als Weiterführung von schon veröffentlichten Überlegungen; vgl. zum Einstieg J. Gapski/ T. Köhler/ M. Lähnemann: Veränderungen der Lebenswelt von Studierenden, in: Von der Schule über das Studium in den Beruf? HIS KURZINFORMATION A4/ 1999, Hannover, S. 57-65 [PDF-Dokument im Internet]; zur Vertiefung insbes. T. Köhler/ J. Gapski/ M. Lähnemann: Von der alternativen zur konformistischen Revolution? In: U. Schimank/ E. Stölting (Hg.): Die Krise der Universitäten. LEVIATHAN SONDERHEFT, Wiesbaden 2001, Westdeutscher Verlag, S. 265-294 und zuletzt T. Köhler: Ego-Taktiken und easy livin' conformism. Über einige Neuentwicklungen im Studierendenmilieu, in: M. Buckmiller (Hg.): Bildung zwischen Freiheit und Verwertung, Hannover [i.E.]
[2] Die hier angesprochene Wissenssoziologie ist an Elias, Foucault und Bourdieu orientiert und zielt auf "diejenigen Kämpfe und Machtverhältnisse, Strategien und Taktiken, Techniken und ‚Ereignisse', die in einem langwierigen zivilisatorischen Prozeß der ‚Sittlichkeit der Sitte' zur Ausbildung jener Form des ‚moralischen Bewußtseins' geführt haben, die den modernen Menschen geprägt hat und dabei zugleich auf die vorherrschende Art der sozialen Integration verweist" (K. Lichtblau: Das Zeitalter der Entzweiung. Studien zur politischen Ideengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Berlin 1999, 196
[3] Vgl. dazu N. Elias: Über die Deutschen, Frankfurt am Main 1989
[4] Die schon erwähnte Kongruenz zwischen Professoriats- und Studierendenhabitus war ja nach den ‚langen 60er Jahren' längst beendet. Vgl. bspw. W. Kraushaar: 1968. Das Jahr, das alles verändert hat. München 1998, S. 57.
[5] Ein schöner Buchtitel aus dem Jahr 1970 (von F. Böckelmann) lautet: Befreiung des Alltags. Modelle eines Zusammenlebens ohne Leistungsdruck, Frustration und Angst. Beeindruckendes Material zur entsprechenden Mentalität in P. Glotz/ W. Malanofski: Student heute. Angepaßt? Ausgestiegen? Hamburg 1982; vgl. zum folgenden auch T. Köhler: Jugendgenerationen im Vergleich: Konjunkturen des (Non-)Konformismus, in: AUS POLITIK UND ZEITGESCHICHTE B5/ Februar 2002, S. 7-13
[6] Soweit ich sehe liegt hier noch keine Analyse vor - man tut überwiegend noch so, als sei nichts gewesen, als sei die Bewegung nicht wirklich erschüttert oder gar entschärft worden. Also einige Stichworte: Die Kritik am globalen Kapitalismus wurde zutiefst durch den sofort überall drohenden Vorwurf eines (terrorfreundlichen!) Anti-Amerikanismus verunsichert. Der Bush-Administration ist es dann gelungen, den ‚Krieg gegen den Terror' nachhaltig in den Vordergrund zu rücken - auch für die Kritik der Globalisierungsgegner, die nun mit den Rackets beschäftigt ist, die sich Ölquellen und was auch immer kriegerisch zu eigen machen. Das erleichtert den Normalbetrieb des globalen Kapitalismus ungemein und schwächt das kritische Dispositiv fundamental, das ja eine nonkonformistische Lebensweise, einen entsprechend nicht integrierbaren Habitus gegen die konsumistisch-karrieristischen Lebensweisen einforderte.
[7] Eine genaue Analyse des "Standes" dieser Fraktion kann hier nicht geleistet werden; es scheint indessen, als sei bei der Verteidigung der "unbedingten Universität" (Derrida) ein durchaus wieder auf die eigenen Fraktionsinteressen verengter Blick angesagt; vgl. für diese Tendenz zuletzt bspw. A. Liesner/ O. Sanders (Hrsg.): Bildung der Universität. Beiträge zum Reformdiskurs, Bielefeld 2005
[8] K. Jarausch: Amerika - Alptraum oder Vorbild? Vortrag vom 10.02.2002, Quelle im Internet (...die im Text anders, vermutlich falsch gesetzten Anführungszeichen sind hier korrigiert: das "ihre Uni" soll den demokratisierenden Gestus der hedonistischen Fraktion treffen - und als ungerechtfertigte Haltung denunzieren; schliesslich geht es Jarausch auch um die Legitimierung der neuen Präsidialautorität, sprich: einer Entdemokratisierung).
[9] Zusammen gedacht mit dem Projekt eines funktionierenden, also wirklich gut ausgestatteten BAFöG würden Studiengebühren sogar zu einer sinnvollen Gegenfinanzierungsmaßnahme!
https://sopos.org/aufsaetze/4335c44329b65/1.phtml
sopos 9/2005