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August wurde der Krieg proklamiert. Am 4. August stimmte im Reichstag die sozialdemokratische Fraktion für die Kriegskredite und besiegelte damit den Bankrott der Sozialdemokratie.« Der Rest ist bekannt: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden von Mördern in Uniform mit Billigung des Sozialdemokraten Noske umgebracht. Hugo Eberlein 1937 in Moskau verhaftet, gefoltert, 1941 zum Tode verurteilt und erschossen. Wären die Sozialdemokraten heute bei Sinnen, sie nähmen das aufgeschreckt zur Kenntnis und gingen in sich. Stattdessen präsentieren sich die Herrschaften in nebulösen Talkshows und schwadronieren ihre letzte Frist ab. Die deutsche politische Klasse samt ihren intellektuellen Adepten führte das Volk vom 1. in den 2. Weltkrieg und ab 1945 zur anschließenden Zweiteilung sowie zur fatal falsch inszenierten Vereinigung ab 1989/90. Lebten Luxemburg, Liebknecht, Eberlein heute noch, ich bin mir sicher, sie reagierten nicht weniger entsetzt als 1914. Erwachte hingegen Adolf Hitler heute in seinem für 100 Filmszenen ausgeleuchteten Führerbunker, diesem modifizierten Kyffhäuser, dürfte er zur Siegesfete mit Wehrmachtsparade aufrufen: Die Arbeiterklasse abgemeldet, die Kommunisten bankrott, die Sozis eine mindere Spekulationspartei, der deutsche Soldat aber vom Balkan bis zum Hindukusch auf Wacht. Von 1914 an, als die deutschen Sozialdemokraten, ihre Friedensschwüre vergessend, den Kriegskrediten zustimmten, geriet die deutsche Linke unter Zugzwänge. Die reformistische Linke verblieb bis heute im Schatten des Verrats von 1914, die radikalen Linken wandelten sich von ursprünglichen Pazifisten zu Spartakisten, endlich Kommunisten, die alsbald unter Stalins Einfluß gerieten, wie schon die Lenin-Trotzki-Sowjetunion unter Stalin vom Internationalismus zum Nationalismus abgetrieben worden war. Die im Großen Vaterländischen Krieg siegten, unterlagen dem Globalkapital. Sozialismus passé. Die offene Frage ist, wie eine neue sozialistische Gesellschaft beschaffen sein müßte. Sofern sie nicht als Alternative zur Turbo-Barbarei überhaupt ausscheidet, kann sie nur in einer bisher unbekannten und unerprobten Form von Freiheit und Ordnung bestehen. Wir aber sind umgeben von forschen Maulhelden, die erneut mit der Birne gegen die Wand laufen wollen. Der Rest sind ganze Rotten jammernder Zwerge mit Entschuldigungsdiarrhöe. Wer diese imperial-bürgerlich verrottete Welt noch verändern will, braucht neue taktische Einsichten: 1. Die SPD parodiert sich seit 1914/18 ungerührt selbst. Schröder wurde zum ökonomischen Noske. 2. Die deutsche Rechte verlor zwei Weltkriege, gewann den kalten Krieg und sammelt für den dritten heißen Krieg. Sie will das Grundgesetz verstümmeln, die Bundeswehr im Innern wie einst die Reichswehr einsetzen und über die Grenzen quellend Europas Führung übernehmen – zu welchem Zweck sie das Ende des seit 1945 herrschenden »Postheroismus« (Herfried Münkler) proklamiert, ergo wieder so verdammt »heroisch« wie vor 1945 sein möchte. 3. Der sowjetische Sozialismus scheiterte nicht zuletzt an der fehlenden »sozialistischen Ökonomie« (Fritz Behrens). 4. China zog daraus die Konsequenz eines Wirtschaftskapitalismus unter kommunistischem ZK-Kommando. Mit China (und Indien) stellt sich die bipolare Welt erneut her. 5. Die USA wackeln. Lateinamerika wird unruhig wie Kaukasus und Hindukusch. In Nahost mißlingen Bushs Pläne aggressiver Ruhigstellung. Diese weltweiten Konflikte sind nur sozialistisch-pazifistisch oder durch neue Kriege lösbar. Ein Drittes gibt es nicht. 6. Mit der einverleibten DDR erreichte die BRD die Grenzen ihrer Stabilität und Leistungsfähigkeit. Was als Reform und Umbau ausgegeben wird, ist Abbau der Standards und Sozialsysteme. Den Widerstand gegen die Asozialität zu brechen, braucht es heute keine faschistische Diktatur. Die faktische Ausschaltung der Linken und ihr Selbstverrat genügen. 7. Wie in China Kommunisten und Kapitalisten koexistieren, hätten BRD und DDR koexistieren müssen. Indem sie ihre Chance nicht wahrnahmen, öffneten sie das Tor zu neuen chaotischen Grenzveränderungen. 8. Merkel ist nur das Markenzeichen einer Übergangsregierung, die sich von Schröder-Fischer lediglich dem Namen nach unterscheidet. 9. Eine neue Linke, die das Grundgesetz verteidigen will, wird mindestens so »heroisch« sein müssen wie die neonationalen Fundis, die das Grundgesetz weiter zu fragmentieren beabsichtigen. In der Berliner Republik beginnen sich die prä-konterrevolutionären Potentiale zur Machtübernahme zu formieren. Ein Land ohne bürgerliche Revolution, ohne liberale Tradition und mit einer parlamentarisch ausgetricksten Linken schwebt stets in Gefahr, bis in die dritte und vierte Generation zur Beute von Wiederholungstätern zu werden. Kohl schickte keine Soldaten in den Krieg. Schröder-Fischer mißachteten das Tabu. Seither wird wie 1914 und 1939 »zurückgeschossen«, das ist die nach wie vor genutzte Lügenfloskel, mit der die Kriegsanfänge abgetarnt werden. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 17/2005 |
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