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»Arbeitsmarktreformen greifen« Die Manifest ler rühmen sich: »Unsere Arbeitsmarktpolitik beginnt zu wirken.« Welche Wirkungen sind das? Als Schröder 1998 die Kanzlerschaft von Kohl übernahm, lag die Zahl der amtlich registrierten Arbeitslosen bei 4,3 Millionen; 2005 hat er mehr als fünf Millionen zu verantworten. Wenn die wahlkämpfende SPD jetzt behauptet, »die Zahl der Arbeitslosen« sei nur »statistisch« gestiegen (wegen der Hereinnahme einiger Hunderttausend bisheriger Sozialhilfe-EmpfängerInnen), blendet sie die eigene Falschmünzerei aus. Sie verschweigt, daß zugleich jene Arbeitslosen, die in Fortbildung oder in Ein-Euro-Jobs stecken, nicht mehr als arbeitslos mitgezählt werden. Ihre Zahl ist um einige Hunderttausend höher als die der aus der Sozialhilfe neu Hinzugekommenen. Die tatsächliche Zahl der Arbeitsuchenden liegt nach Expertenschätzung zwischen siebeneinhalb und neun Millionen, so hoch wie nie nach 1945 und höher als zur Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929. Immerhin findet sich im Manifest ein halbes Eingeständnis des eigenen Politikversagens, wenn es dort heißt, der Arbeitsmarkt sei »für Ältere …weiterhin so schwierig«, und deshalb wolle die SPD die Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I nicht, wie beschlossen, 2006, sondern erst 2008 in Kraft treten lassen. Was aber nur ein billiges Versprechen zur Beruhigung der Älteren ist. Sie SPD wird es wegen der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nie einlösen müssen. Um die Bilanz des Scheiterns zu übertünchen, wird wieder das verräterische Bild vom Weg bemüht: »Neue Wege aus der Arbeitslosigkeit sind durch ›Ich-AGs‹ und ›Minijobs‹ eröffnet worden.« Auf den ungewissen Weg in die eigene »Ich-AG« haben sich tatsächlich mehrere Hunderttausend begeben, aus Furcht vor dem drohenden Absturz in die Zwangs- und Verarmungsmühle nach Hartz IV. Nach Auslaufen der Förderung müssen sie oft Konkurs anmelden und stehen dann ärmer da als zuvor. Von den gesparten Sozialbeiträgen für die jetzt auf eigene Rechnung Arbeitenden haben in der Regel nur die Unternehmen profitiert. Für die Arbeitslosengesamtbilanz sind die meisten Ich-AGs ein Nullsummenspiel, weil sie regulär Beschäftigte verdrängen. Für die staatlichen Sozialkassen sind sie ein Minusgeschäft. Ähnlich fällt die die Bilanz bei den Minijobs aus. Deren Zahl liegt inzwischen im Millionenbereich, weil immer mehr Firmen dazu übergehen, bisherige Vollzeitarbeitsplätze mit zwei bis drei Minijobbern zu besetzen. Für die Firmen lohnt sich das, weil sie dann nur noch die halben Steuer- und Sozialbeitragssätze zahlen müssen. Geschädigt werden wiederum die Sozialkassen, die auch hierdurch einen empfindlichen Verlust an Einnahmen erleiden. Die Gesamtzahl der Arbeitslosen nimmt nicht ab, eher zu, da sich zumeist bisher gar nicht Gemeldete oder Beschäftigte mit geringen Einkommen für die Minijobs als Zusatzjobs interessieren, Vollzeitarbeitsplätze aber verlorengehen. Für die auf Arbeit Angewiesenen sind Minijobs die zweitschlechteste Lösung, viele kommen nur durch, wenn sie mehrere Stellen erwischen. Wie in den USA entsteht ein Arbeitsmarkt mit flexibilisierten »working poor«. Da hier nicht nur die Arbeitseinkommen, sondern auch die zu erwerbenden Rentenansprüche äußerst »mini« sind, ist der Weg in die staatliche Fürsorge im Alter vorprogrammiert. Bemerkenswert ist, daß die noch bis vor kurzem vielgepriesenen Personal Service Agenturen (PSA) ebenso wie die privaten Vermittlungsfirmen im Manifest mit keinem Wort mehr erwähnt werden. Mehrere große PSAen mußten inzwischen Insolvenz anmelden, ihre eigenen Mitarbeiter vergrößern nun das Heer der Arbeitslosen. Die privaten Vermittler haben zwar hunderte von Millionen Euro von der Agentur für Arbeit abkassiert, aber dauerhafte Arbeitsplätze kaum nachweisen können. Realitätsverdrehung und Schönfärberei dokumentiert das Manifest auch in Bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit: »Kein junger Mensch unter 25 Jahren soll länger als drei Monate ohne Arbeit, Ausbildung oder weiterführende Beschäftigung bleiben.« Tatsächlich waren im Juli dieses Jahres 629 000 unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet, 15,1 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Manifest ihrer reden von einer »Trendwende am Ausbildungsmarkt« – unter Verweis auf einen Zuwachs von 22 500 Ausbildungsplätzen im letzten Jahr. Sie unterschlagen die aktuellen Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, die für den Juli 2005 einen Rückgang um 46 100 gegenüber dem Vorjahr vermeldete. 246 400 Jugendliche suchten noch eine Lehrstelle unter nur 76 500 angebotenen. Die Differenz zwischen unbesetzten Ausbildungsplätzen und nicht vermittelten Bewerbern war laut Bundesagentur »signifikant gestiegen«. Aber was kümmert die Wahlkämpfer – namentlich den für Wirtschaft und Arbeit zuständigen Superminister Clement – das amtliche Zahlenwerk? Schamlos unterschlagen oder manipulieren sie Daten und preisen weiter »den mit der Wirtschaft vereinbarten Ausbildungspakt«, um sich schließlich dem Prinzip Hoffnung hinzugeben: »Die Arbeitgeber sind in der Pflicht, ihn zu erfüllen.« Abhilfe wäre möglich, wenn die ausbildungsunwilligen Betriebe gesetzlich verpflichtet würden, eine Ausbildungsabgabe zu zahlen. Die Delegierten früherer Parteitage haben das gefordert. Doch die heutige, in jeder Hinsicht dezimierte SPD wagt den Unternehmern so etwas nicht mehr zuzumuten. Wohldifferenziert setzt die SPD die Parole »Fordern und Fördern« ein: Die Arbeitslosen werden gefordert, indem man ihnen die Unterstützung kürzt, Sperrzeiten androht oder sie für einen Euro die Stunde in Arbeitsdienste steckt. Das Fördern dagegen gilt ausschließlich der Arbeitgeberseite: »Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist vorrangig die Aufgabe der Unternehmen im Lande. Wir sorgen dafür, daß sie wettbewerbsfähig sind, was Steuern und Abgaben angeht. Wir haben … die Lohnnebenkosten … gesenkt. Die Unternehmen sind in der Pflicht.« Dieses neoliberale Mantra hören wir jetzt schon 30 Jahre. Danach muß Arbeit nur billiger werden, damit jeder Arbeit findet, weil Arbeit eine Ware wie jede andere sein soll. Die Unternehmer hingegen müssen wie kaufunwillige Kunden gehätschelt und gepflegt werden. Eine solche Arbeitsmarktpolitik war schon gescheitert, bevor Rot-Grün an die Regierung kam, doch die Schröder-SPD hat bis heute nichts daraus gelernt. Händeringend beschwört das Manifest immer wieder eine »Pflicht« der Arbeitgeber zu mehr Beschäftigung und Lehrstellen. Es klingt wie Pfeifen gegen den Wind.
Mogelpackung Bürgerversicherung Auch beim Thema Krankenversorgung trickst die SPD in ihrem Wahlmanifest , arbeitet mit Auslassungen oder schönt das Ergebnis. »Unser Gesundheitswesen ist gut, auch im internationalen Vergleich«, lautet die pauschale Beurteilung. Und dann wird versichert: »Jeder und jede erhält notwendige medizinische Leistungen auf der Höhe des medizinischen Fortschritts.« Aber wer definiert, was »notwendig« ist? Brillen, Hörgeräte, Krankenfahrten, Sterbegeld, Entbindungsgeld und vieles mehr wurden unter Rot-Grün entweder ganz oder zu großen Teilen aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gestrichen. Wenn die Budgets in Praxen oder Krankenhäusern überschritten waren, wurden bestimmte Medikamente nicht mehr verordnet; wenn mit der »Fallpauschale« nur drei Tage Krankenhausaufenthalt finanziert sind, werden Patienten unter Umständen »blutig« entlassen. Erhält wirklich »jeder und jede« ausreichende Behandlung? Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge werden nur im Falle von Lebensbedrohung oder bei starken Schmerzen behandelt. Und Ausländer sind nicht die einzigen Opfer. Es steigt auch die Zahl derjenigen Inländer, die wegen fehlenden Versicherungsschutzes auch bei schweren Erkrankungen nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen (können), Ende 2004 wurde sie auf 150 000 geschätzt. Inzwischen kommen mehr und mehr von Hartz IV Betroffene hinzu. Sobald ihnen bisherige Hilfeleistungen nicht mehr zustehen, weil die Partnerin oder der Partner mehr Einkünfte hat, verlieren sie auch ihren Krankenversicherungsschutz. Wohlfahrtsverbände beklagen außerdem, daß viele Arme, vor allem Obdachlose, die zehn Euro Praxisgebühr nicht aufbringen können und oft dringende Arztbesuche unterlassen. »Die Gesundheitsreform hat die Eigenverantwortung gestärkt« – gemeint sind die neu hinzugekommenen Zuzahlungen, Eigenbehalte oder die völlige Kostenübernahme durch die Versicherten. Mehr »Eigenverantwortung« bedeutet weiter, daß inzwischen die Versicherung des Krankengeldes wie auch die des Zahner-satzes vom Arbeitnehmer allein bezahlt werden muß, was ungefähr ein Prozent Mehrabzug vom Bruttolohn ausmacht; entsprechend weniger braucht der Ar-beitgeber beizutragen. Allein durch diese »Reform« wurde die Kapitalseite mit circa zehn Milliarden Euro pro Jahr von den Lohnkonten der abhängig Beschäftigten beschenkt. Die Bundesregierung lobt sich in einer Anzeige: »Zahnersatz bleibt solidarisch versichert. Wenn das kein Grund zum Lächeln ist.« Merke: Solidarität à la SPD ist erreicht, wenn die Arbeitgeberseite nichts mehr zahlt. Die in der Anzeige abgebildete lächelnde junge Dame kann daher nur eine Unternehmerin sein. Die SPD-Wahlkämpfer wissen, daß alle Tricks und Schönredereien wohl nicht ausreichen, um die verheerende Bilanz ihrer Gesundheits-»Reform« vergessen zu machen. Daher kündigen sie an, daß sie die Krankenversicherung »zu einer Bürgerversicherung weiterentwickeln« wollen. Daß Schröder, Clement und Ulla Schmidt davon wenig halten, haben sie oft genug verlauten lassen. Die SPD-Version der »Bürgerversicherung« soll jetzt so aussehen: Alle, also »auch Gutverdienende, Beamte, Selbständige und Politiker«, sollen künftig nach dem »heutigen gesetzlichen Leistungskatalog« krankenversichert sein. Die Beiträge »richten sich wie bisher nach dem Einkommen«. Auch Kapitalerträge sollen herangezogen werden… – doch halt! Nichts wird so heiß gegessen wie gekocht: »Mieten und Pachten bleiben beitragsfrei.« Und Zinserträge im Rahmen von »Freibeträgen« ebenfalls. Außerdem bleibt die Beitragsbemessungsgrenze bestehen, was bedeutet, daß auch bei 100 000 Euro Monatseinkommen der Beitragssatz nur auf die ersten 3525 Euro erhoben wird. Was aus dem bisherigen Arbeitgeberbeitrag werden soll, verrät das Manifest nicht. Die Vermutung liegt nahe, daß er weiter verringert werden soll, wie auch im entsprechenden Modell der Grünen vorgeschlagen. Wie durch eine solche »Bürgerversicherung« die Finanzsituation der großen Pflichtkassen »zukunftsfähig« werden soll, bleibt das Geheimnis der Manife- st anten. Denn die potentiellen neuen Mitglieder und ihre Familienangehörigen verursachen ja auch Kosten, ihre Beitragseinzahlungen werden aber kaum höher ausfallen als im bisherigen Durchschnitt der Mitglieder von AOK und Barmer Ersatzkasse – zumal die SPD im gleichen Atemzug den privaten Krankenkassen Bestandsschutz garantiert; sie müssen nur als Grundversicherung die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung mit anbieten. So ist vorprogrammiert, daß die Privatkassen sich weiterhin die »guten Risiken« und die betuchte Klientel mit teuren Zusatzversicherungen herauspicken. Erst wenn alle Menschen, die dieses Landes bewohnen, Mitglieder einer einheitlichen Pflichtkasse wären, welche jeder und jedem unentgeltlich medizinische Behandlung, Hilfsmittel und Pflege auf dem heute möglichen Niveau gewährte, finanziert von allen gemeinsam mit dem gleichen Prozentsatz vom Einkommen ohne Kappungsgrenze, könnte man von einer »Bürgerversicherung« sprechen. Was die SPD mit der »Einführung einer gerechten Bürgerversicherung« anbietet, ist eine Mogelpackung.
Das Alter ist sicher Norbert Blüms Ausspruch »Die Rente ist sicher!« ist viel belächelt worden. Heute gilt er nicht mehr. Die SPD weiß, woran es nach sieben Jahren rot-grüner Rentenpolitik mehr und mehr mangelt: »Wir wollen Anerkennung und Sicherheit im Alter.« Weil ihre eigene Politik beides nicht mehr gewährleistet, muß sie jetzt versprechen: »Unser Ziel ist, daß alle Menschen auch in hohem Alter Anerkennung finden, aktiver Teil unserer Gesellschaft sind und in materieller Sicherheit leben können.« In keiner Politikeräußerung der vergangenen Jahre, von Schröders Agenda-Rede bis zu Ulla Schmidts Werbesprüchen für Leistungskürzungen, fehlte der Hinweis auf die zu vielen Alten; Politiker aus der zweiten Reihe faselten von »Überalterung«, »Vergreisung« oder dem »Kampf der Generationen«. Zur Wahl soll das jetzt anders werden, die Partei will wieder das Alter ehren. Und so beteuert sie: »Daß Menschen heute länger leben, ist ein großer gesellschaftlicher Fortschritt.« Deutschland müsse den »reichen Erfahrungsschatz der älteren Menschen nutzen, im Berufsleben und im bürgerschaftlichen Engagement«. Die euphorische Sprache sollte mißtrauisch machen, zumal das neoliberale Neusprech das eigentlich gemeinte Nutzenkalkül nicht verbergen kann: Die ältere Generation sei ein »Aktivposten« für »Netzwerke« und ein »unverzichtbares soziales Kapital«… Tatsache ist jedoch, daß SPD und Grüne mit der Riesterrente und Rürups »Nachhaltigkeitsfaktor« den Alten etwas zugemutet haben, was allen Regierungen zuvor ein Tabu war, nämlich Rentenkürzungen. Früher wurden die Renten jährlich an die Entwicklung von Löhnen und Lebenshaltungskosten angepaßt, also zumindest nominal erhöht. 2004 und 2005 unterblieb jegliche Anpassung; statt dessen wurden erhöhte Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge von den Renten abgezogen. Die Rentnerin mit circa 560 Euro Durchschnittsfrauenrente hat heute wegen dieser Abzüge und des Kaufkraftverlusts vier bis fünf Prozent (rund 25 Euro) weniger als 2003. Und weil die Renten weiter sinken werden, wie das Sozialministerium in Hochrechnungen prognostiziert, sollen die Arbeitenden endlich »Eigenverantwortung« übernehmen und private Versicherungen abschließen – für Alte leider zu spät. Was die Partei den Verunsicherten im Wahlmanifest verheißt, kann niemanden, der es genau liest, beruhigen – im Gegenteil. Die SPD verspricht: »Wenn die Wirtschaft wächst, Einkommen und Beschäftigung steigen, werden auch in Zukunft die Rentnerinnen und Rentner daran teilhaben.« Das sind drei Bedingungen, die im neoliberalen Regime immer seltener gleichzeitig auftreten, so daß wir wohl die Rentensenkungserfahrungen der letzten zwei Jahre fortschreiben müssen. Da die SPD den Aufbau der Privatrenten, auch betrieblich, weiter fördern will, wird für die laufenden Zahlungen aus der gesetzlichen Rente immer weniger Geld zur Verfügung stehen. Deswegen will die SPD einfach die Anzahl der Rentner verringern und strebt zu diesem Zweck an, daß alle bis 65 arbeiten – auch im Bergbau, am Stahlofen oder bei der Polizei? Die Pflegeversicherung soll zu einer »Pflege-Bürgerversicherung« ausgebaut werden – offenbar in Analogie zu dem Etikettenschwindel mit der Kranken-»Bürgerversicherung«. Die seit 1995 unverändert gebliebenen Leistungssätze der Pflegeversicherung verspricht die SPD nun endlich der Preis- und Lohnentwicklung anzupassen – aber wer wird dieser Partei das noch glauben, nachdem sie sieben Jahre Pflegenotstand und die Rückentwicklung der Pflegeheime zu Siechenheimen zu verantworten hat? Auch jetzt spricht sie von Leistungsverbesserungen nur in der ambulanten Pflege. Mehr hat die SPD den Rentnerinnen und Rentnern nicht zu sagen, was insofern klug ist, als deren berechtigtes Mißtrauen sonst wohl noch mehr Nahrung erhielte.
Steuersenkung, Staatsverarmung Eine bekannte Strategie der neoliberalen Sozialstaatszerstörer besteht darin, die Einnahmen des Staates dermaßen zu verknappen, daß ein »Sachzwang« zu »unumgänglichen Kürzungen« entsteht. Die armen Parlamentarier haben dann angeblich »keine Alternative« mehr, können also nicht anders, als den inszenierten Grausamkeiten gegen Arbeitslose, Kranke, RentnerInnen oder SozialhilfebezieherInnen zuzustimmen. So ist Rot-Grün regierend verfahren. Im Wahlmanifest lobt sich die Noch-Regierungspartei für ihren Staatsverarmungskurs: »Unsere Politik hat den Standort Deutschland und die deutsche Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig gemacht … Kein Land der Welt exportiert mehr als wir. Staatsquote und Lohnnebenkosten sinken. Nie waren die Steuersätze in Deutschland niedriger als heute… Die mehrstufige Steuerreform ist das größte Steuersenkungsprogramm der deutschen Nachkriegsgeschichte.« Wahnhaft befreiten diese Sozialdemokraten das Kapital von Steuerpflichten, machten dadurch den Sozialstaat arm und ärmer und bejubeln sich dafür. Den Irrweg der Steuersenkung will die SPD sogar noch fortsetzen. Sie plant eine weitere Senkung der Körperschaftssteuersätze von 25 auf 19 Prozent – obwohl schon heute nur elf Prozent (unterboten einzig von Griechenland) tatsächlich gezahlt werden. Frühere Forderungen nach Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die in allen anderen Industriestaaten gezahlt werden muß, werden im Manifest mit keinem Wort mehr erwähnt. Stattdessen gibt es noch einen kleinen populistischen Knaller am Schluß, der jedoch nur dazu gedacht sein kann, den ehemals Linken eine kleine Freude zu machen: Die SPD will sich für eine um drei Prozent höhere Besteuerung von Einkommen über 250 000 Euro bei Ledigen oder 500 000 Euro bei Verheirateten stark machen – nachdem gerade am 1. Januar diesen Jahres mit Eichels jüngster Reform die Steuer auf hohe Einkommen um exakt drei Prozent gesenkt worden ist. Eine Umkehr? Aber nein, so ernst ist das nicht gemeint, denn sofort wird das Schlupfloch benannt: Wer sein höher liegendes Einkommen via Finanzdienstleiter durch irgendeinen Betrieb laufen läßt, soll nicht betroffen sein. Das Wahlmanifest der geschröderten SPD ist Ausdruck einer Partei, die sich noch einmal den herrschenden Kapitalkräften nützlich erweisen möchte als Stimmenfängerin in jenen Volksschichten, die allemal die Zeche zahlen müssen, aber (leider) immer noch wählen dürfen. Noch einmal versucht die SPD, mit einem Pfund zu wuchern, das sie längst verspielt hat. Sie gibt vor, eine Partei des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit zu sein und sich mehr als andere für die Interessen der arbeitenden und der auf Sozialtransfers angewiesenen Menschen einzusetzen. Doch wie sie sich längst zur Kriegspartei mit bloßer Friedensrhetorik gewandelt hat, so haben sie sieben Jahre der schröderschen Kanzlerschaft sie auch zu einer Partei der Sozialstaatszerstörung gemodelt; »sozial« heißt da jetzt »mehr Profit für Unternehmer«, und »demokratisch« bedeutet, daß hierfür der Demos, das Volk zu sorgen habe. Der sogenannte Dritte Weg einer solchen »Sozialdemokratie« erweist sich als Zubringer zur breiten Straße der neoliberalen Konterreform.
Erschienen in Ossietzky 17/2005 |
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