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Die gemeinnützige Vontobel-Stiftung, gegründet auf ein Aktienpaket der Vontobel-Holding, verwendet einen Teil ihrer Mittel für die Publikation einer Schriftenreihe, in der sich jüngst der Chefredakteur von Harper’s Magazine (New York), Lewis Lapham, zum Thema »Imperial America« äußerte. Ich kann diese Schrift (unentgeltlich zu beziehen bei der Vontobel-Stiftung, Postfach, CH-8022 Zürich) nur empfehlen – schon wegen Martial Leiters meisterlicher Illustrationen mit solchen Motiven wie einer zusammengebrochenen Freiheitsstatue im Einkaufswagen, dem Weißen Haus als Tankstelle, Präsident Bush II. mit Lorbeerkranz, gewandet in ein Ende des Vorhangs der Geschichte, oder einem riesigen Pionierfahrzeug mit einer hoch in den Himmel ausgefahrenen Leiter, von deren Spitze ein Geistlicher in einer gotischen Kanzel den winzigen Gefangenen in der Wüste predigt, oder schließlich Disneys Mäuserich in Shorts auf dem Gipfel aller Gipfel. Mit der Nüchternheit eines gebildeten Zürcher Bankiers stellt Hans-Dieter Vontobel im Vorwort fest, wie die pax romana sei »auch die pax americana in der Regel nicht mit Ideen, sondern mit Bajonetten« geschaffen worden. »Amerika fasziniert«, schreibt er – um hinzuzufügen, daß Amerika auch »irritiert« und »frustriert«. Aber warum? Etwa »weil wir Amerikas Macht nach dem Untergang der Sowjetunion nicht mehr als Schutz, sondern als Bedrohung empfinden?« Apropos Bedrohung: Anfang 2003, wenige Wochen vor dem US-amerikanischen Einmarsch im Irak, machte der Harvard-Professor Michael Ignatieff im New York Times Magazine einige große Sprüche über die »Bürde« der einzigen verbliebenen Weltmacht (»Imperiale Mächte kennen nicht den Luxus der Ängstlichkeit, denn Furcht ist nicht Voraussicht; sie ist ein Bekenntnis von Schwäche« oder »Die Vereinigten Staaten bleiben eine Nation, für welche die Fahne, das Opfer und die kriegerische Ehre wesentlich sind für die nationale Identität«) und befaßte sich auch mit dem Verhältnis zu Europa: Die Amerikaner seien »dazu angehalten, die Europäer in die Strategien ihres wachsenden imperialen Projekts einzubinden. Die Amerikaner diktieren auf wesentliche Weise Europas Rolle in diesem neuen Groß-Design. Die Vereinigten Staaten zeigen sich multilateral, wenn sie dies wollen, und sie zeigen sich unilateral, wenn es gefordert ist; und schließlich streben sie eine neue Form von Arbeitsteilung an, wobei Amerika das Kämpfen übernimmt, die Franzosen, die Briten und die Deutschen die Polizeipatrouillen an den Grenzen stellen und die Holländer, die Schweizer und die Skandinavier für die humanitäre Hilfe sorgen.« So freimütige Äußerungen tonangebender US-Propagandisten finden leider selten den Weg über den Atlantik und schon gar nicht in unsere tonangebenden Medien. Dabei ist es doch aufschlußreich, wenn beispielsweise Michael Ledeen vom American Enterprise Institut sagt: »Alle zehn Jahre – etwa – müssen die Vereinigten Staaten irgendein kleines Mistland packen und an die Wand schmeißen, um der Welt zu zeigen, daß wir es ernst meinen.« Indem Lewis Lapham seinen Essay mit solchen Zitaten einleitet, kann er sicher sein, die Aufmerksamkeit europäischer Leser zu wecken. Das American Enterprise Institut gehört wie die Heritage-Foundation oder der Council for National Policy zu den großen Think Tanks, die sich, so Lapham, »der Sache einer Weltwirtschaftsordnung verschrieben haben, welche hauptsächlich von amerikanischem Geld bestimmt sein soll; dieses entscheidet darüber, was andere Völker produzieren sollen, was sie für ihre Arbeit erhalten, wie sie leben und wann sie sterben.« Lapham hat in den 1990er Jahren wiederholt an Konferenzen solcher Think Tanks teilgenommen, auf denen beispielsweise ehemalige Außen- und Verteidigungsminister, Admiräle oder CIA-Direktoren erklärten, worauf es ankommt. »Die Herren«, berichtet er, »hatten genügend Lieferverträge für Waffen unterzeichnet, um zu wissen, daß Amerika immer und überall von ambitiösen und böswilligen Feinden umgeben ist, und sie stärkten die Idee, daß Krieg gut ist fürs Geschäft wie für die Seele.« Als Diskussionsgrundlage diente damals eine Studie von Dick Cheney und Colin Powell, in der die Doktrinen des »vorsorglichen Angriffs«, der »aktiven Abschreckung« und der »vorwegnehmenden Selbstverteidigung« enthüllt wurden. Nach Laphams Erinnerung konnte man sich darauf verlassen, daß die älteren Staatsmänner als Konferenzredner das Podium nicht verließen, ohne mit einem Ton des Bedauerns zu sagen: Amerika werde niemals zu Sinnen kommen, ehe nicht etwas wirklich Schreckliches geschehe. Die Schrift arbeitet einige immer wiederkehrende Muster der imperialen Politik Washingtons heraus. »Der Untergang des amerikanischen Schlachtschiffs USS-›Maine‹ im Februar 1898 in der Bucht von Havanna und des englischen Passagierdampfers ›Lusitania‹ vor der Südküste Englands im Mai 1915 lieferten jeweils einen casus belli vergleichbar demjenigen, welcher der Administration Bush mit der Zerstörung der Türme des World Trade Center von New York im September 2001 präsentiert wurde. Die fünftklassige Kolonialmacht Spanien wurde von der Regierung McKinley als ›der verhexteste Despotismus dieser Tage auf Erden‹ charakterisiert; von Deutschland wurde im Sommer 1915 behauptet, es sei in der Lage, innert sechzehn Tagen 387 000 Mann an der Küste von New Jersey zu landen – eine kriegstechnische Meisterleistung, vergleichbar jener von Saddam Hussein, der fähig gewesen sein soll, innerhalb von 45 Minuten Massenvernichtungswaffen abzufeuern.« Als es galt, die USA in den ersten Weltkrieg hineinzuführen, schrieb ein Beamter des US-Außenministeriums: »In Amerika gibt es etwa 50 000 Leute, welche die Notwendigkeit eines sofortigen Kriegseintritts begreifen, daneben aber 100 Millionen Amerikaner, die keinen Gedanken daran verschwenden. Unsere Aufgabe ist es, diese Zahlen umzukehren.« Das war und ist vor allem der Auftrag der Medien. Der Insider Lapham schildert, wie stramm sie ihn erfüllen, und erklärt, wie es zum Beispiel möglich wurde, daß der Kongreß den Präsidenten Bush II. mit der Kompetenz ausstattete, einen Angriff auf den Irak zu befehlen, wann immer es ihm beliebe und welcher Grund ihm passend erscheine: »Sieben oder acht sehr große, sehr reiche und sehr ängstliche Unternehmen (etwa Time Warner, General Electric, Disney Compagny) produzieren neunzig Prozent der nationalen Nachrichten, und jedermann, der zur maßgeblichen Prominenz aufsteigt – als Redakteur, Kolumnist, Herausgeber –, lernt das Denken in den beschwichtigenden Sätzen eines englischen Butlers, der dem Prinz of Wales das Buttergebäck serviert.« Noch deutlicher sagte es John Swinton, der ehemalige Stabschef der New York Times, als er während eines Abschiedsbanketts zu seinen Ehren im New Yorker Presseklub den Toast ausbrachte: »Es gibt – zu diesem Zeitpunkt der Weltgeschichte und in Amerika – nichts, das eine unabhängige Presse wäre. Das Geschäft des Journalisten ist darauf aus, Wahrheit zu zerstören, umstandslos zu lügen, zu verdrehen, zu verleumden und vor den Füßen des Mammons zu kuschen… Wir sind die Werkzeuge und die Vasallen von reichen Männern im Hintergrund. Wir sind die Marionetten, sie ziehen die Fäden, wir tanzen. Unsere Talente, unsere Möglichkeiten und unser Leben sind allesamt das Eigentum anderer Männer. Wir sind intellektuelle Prostituierte.« Der Harpers-Chefredakteur erläutert, wie US-Medien das Publikum verdummen, verängstigen und verhetzen (europäische Gegner des Kriegs gegen den Irak wurden als »Memmen« und »Weichlinge« verunglimpft) und welche maßgebliche Funktion »Gott« für die Kriegspropaganda hat – ganz im Sinne von Horace Greeley, der 1859 das Gemetzel an den Indianern kommentierte: »Diese Völker müssen aussterben – es gibt keine Hilfe für sie. Gott hat seine Erde jenen vermacht, die sie urbar machen und kultivieren, und es wäre vergeblich, gegen seine rechtmäßige Entscheidung aufzubegehren.« Ähnlich fromm beginnt Bushs oberster Terroristenjäger John Ashcroft, wie Lapham berichtet, »seinen Arbeitstag pünktlich um 8 Uhr mit einem Treff, der dem Studium der Bibel und dem Gebet mit gegenseitig gehaltenen Händen gewidmet ist. Manchmal singt er die erbaulichen Lieder seiner eigenen Kompositionen mit dem sentimentalen Bariton eines Barsängers aus dem Las Vegas der 50er Jahre. Hie und da verteilt er Kopien des Textes und bittet die Beamten herbei, um mit ihm zu singen.« Die Außenpolitik aber wird seit jeher von Männern bestimmt, die aus dem Big Business kommen (Dean Rusk, Robert McNamara, McGeorge Bundy, George Schultz, John Foster Dulles, Cyrus Vance, John McCloy, James Baker usw.). George Kennan, einer der einflußreichsten Politiker der USA im 20. Jahrhundert, hatte schon in jungen Jahren formuliert: »Wir besitzen etwa 50 Prozent des Reichtums der Welt, aber nur 6,3 Prozent ihrer Bevölkerung... In einer solchen Situation müssen wir das Ziel von Neid und Erbitterung sein. Unsere wahre Aufgabe für die nächsten Zeiten wird darin bestehen, ein Netzwerk von Beziehungen zu entwerfen, die es uns erlauben werden, die Position der Ungleichheit aufrechtzuerhalten, ohne daß die nationale Sicherheit dabei Schaden nimmt. Um dies erfolgreich zu tun, müssen wir uns von Sentimentalität und Wunschträumen verabschieden.« Menschenrechte, Verbesserung von Lebensstandards oder Demokratisierung erschienen Kennan als »unrealistische Ziele«. Kriege, wie die USA sie in den letzten 60 Jahren ununterbrochen geführt haben, dienen nach Laphams realistischer Darstellung immer auch zur Verhütung von Demokratie im eigenen Land. Er verschweigt nicht, was der US-Imperialismus mit seinen Kriegen anrichtete, etwa im Irak, wo unersetzliche Kulturgüter zerstört wurden, die »vor der Ankunft von General Tommy Franks die Eroberungen durch Suleiman den Prächtigen und Dschingis Khan überlebt hatten«. Er verschweigt auch nicht die vielen Niederlagen und Rückzüge, hütet sich freilich, daraus unbegründete Hoffnungen abzuleiten. Über Bushs Gegenkandidaten Kerry schreibt er: »Als Fürsprecher einer, wie er selber sagt, ›starken‹ und ›muskulösen‹ Praxis eines ›fortschreitenden‹ Internationalismus gab Kerry im Senat sein Ja zum Sturm auf Bagdad und eröffnete seine Präsidentschaftskandidatur, indem er gegen den Hintergrund eines Flugzeugträgers posierte, der im Hafen von Charleston, South Carolina, stationiert war. Kerrys politische Karriere wurde von den selben Interessenverbänden finanziert, die Präsident Bush unterstützen...«
Erschienen in Ossietzky 22/2004 |
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