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Ein Jubiläum, an das BDI und BDA, FAZ und Die Welt, Handelsblatt und Financial Times freudig hätten erinnern können: Vor 150 Jahren, genau gesagt am 13. Juli 1854, wurden der Bund der Arbeiterverbrüderung und mit ihm alle Arbeitervereine »mit sozialistischen, kommunistischen oder überhaupt politischen Zielen« verboten. Der Bund war in Deutschland die früheste gewerkschaftsähnliche Vereinigung. Immerhin gelang es elf Jahre später, trotz aller Widerstände die erste echte Gewerkschaft zu gründen, den Allgemeinen Deutschen Zigarrenarbeiterverein, ein Jahr später gefolgt vom Deutschen Buchdruckerverband. Auch wenn Michael Rogowski, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, die mit den Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträge am liebsten in ein Lagerfeuer werfen würde, denkt heute kein Ernstzunehmender an ein DGB-Verbot. Es gibt andere Methoden, die Arbeitnehmer-Organisationen zu schwächen. Das Kapital braucht dafür willige Helfer in den Parteien und Parlamenten, aber die findet es zuhauf. Es fördert die CDU/CSU, und schon sind die Pläne fertig, bei einer Regierungsübernahme zusammen mit der FDP betriebliche »Bündnisse« ohne Beteiligung der Gewerkschaften zu schließen; daß die Beschäftigten dann immer die Schwächeren sein werden, liegt auf der Hand. Die »Bündnisse« sollen tarifliche Vereinbarungen »korrigieren« können, selbstverständlich nach unten: Der Flächentarifvertrag würde lächerlich gemacht, der Kündigungsschutz zur Farce. Weitere Pläne, die Gewerkschaften wirkungslos zu machen, liegen gewiß in den Schubladen bereit. Auch den passenden Bundespräsidenten haben wir schon. Er soll zwar das ganze Volk repräsentieren und hat geschworen, daß er Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde, aber schon vor seiner Wahl posaunte er heraus: »Zentralistische Lohnabschlüsse erweisen sich immer mehr als Arbeitsplatzvernichter« und: »Die Deutschen müssen mehr arbeiten«, nämlich 42 und tunlichst noch mehr Stunden in der Woche. Sie sollen nicht auf ihre Gewerkschaftsvertreter hören. Denn die sind ja, wie FDP-Chef Guido Westerwelle frech verkündet, inzwischen »Verräter der Arbeitnehmerschaft« geworden. Und Friedrich Merz von der CDU verlangt: »Die Gewerkschaften müssen entmachtet werden.« Kann das Kapital willigere Helfer finden? Noch können diese Parteien der »Mitte« ihre Absichten nicht in Gesetzesform bringen. Aber die zur Zeit regierenden anderen beiden Parteien der »Mitte« tun schon genug für die Schwächung der Arbeitnehmer-Organisation. So viel, daß Rogowski wiederholt verkündete, er könne sich vorstellen, »diese SPD« und »diesen Kanzler« zu wählen. Denn die SPD ist fleißig dabei, ihre Wähler für dumm zu verkaufen, und die Grünen scheuen keinen Plagiatsvorwurf der FDP. Die Großverdiener brauchen immer weniger Steuern zu zahlen, bekommen aber Subventionen, wenn sie danach schreien; alle anderen müssen um so mehr »sparen«. SPD und Grüne plappern jeden Unsinn nach, den hochbezahlte »Experten« auftragsgemäß erfinden, um immer neue »Spar«-Programme zu begründen – als wäre nicht längst nachgewiesen, daß bei vernünftiger Verteilung genug Geld und Arbeit für alle vorhanden wäre (siehe Otto Mayer in Ossietzky, Oskar Lafontaines Buch »Die Wut wächst« und den 1996 entstandenen, heute noch aktuellen Band »Geld ist genug da«, herausgegeben von Herbert Schui und Eckart Spoo). Vor 150 Jahren wurde in Deutschland die erste gewerkschaftsähnliche Vereinigung verboten. So etwas ist heute nicht zu erwarten. Doch wenn die Gewerkschaften sich nicht entschiedener und vor allem gemeinsam wehren, bedarf es bald keines Verbotes mehr. In manchen Branchen geht ihnen schon die Kraft aus, faire Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Die »Parteien der Mitte« und das Kapital nutzen gnaden- und schamlos jede Schwäche und Zwietracht aus. Das »Vereinbarung« genannte Diktat der Siemens-Werke in Nordrhein-Westfalen, wo nun 4000 Beschäftigte wöchentlich 40 statt 35 Stunden arbeiten, ohne Lohnausgleich, muß alle Unternehmen zur Nachahmung reizen. Wer oder was könnte sie daran hindern außer gewerkschaftlicher Solidarität und Aktivität? Kontext:
Erschienen in Ossietzky 15/2004 |
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