Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Guru des US-ImperialismusHorst Schäfer Gelegentlich höre ich die Buchtipps von DeutschlandRadio Berlin. Anfang Mai wurde dort »Das verleugnete Imperium« von Niall Ferguson (Propyläen-Verlag) als »Geschichtsbuch und politische Analyse der Gegenwart, spannend geschrieben, verständlich und provokant« empfohlen. Jede Seite sei »gespickt mit originellen Gedanken und überraschenden Einsichten«, lobte der Sender, eben »eine Sammlung bedenkenswerter Argumente«, ein »Plädoyer für ein demokratisches Imperium, an dem die Welt genesen soll«. Hatte ich mich da verhört? Demokratisches Imperium? Welt genesen? Wenige Tage später flatterte mir eine Einladung auf den Tisch: In einer Veranstaltung der »American Academy« werde Ferguson, eigens aus New York an den Wannsee geeilt, sein Buch vorstellten. Inzwischen hatte ich mich kundig gemacht, daß Niall Ferguson ein britischer Wirtschaftshistoriker ist, viele Jahre am Jesus-College in Oxford lehrte, seit 2002 an der New York University arbeitet und seinen Umzug damit begründet hatte, daß ihn die »Geschichte der Macht und des Geldes« interessiere. Da sei es sinnvoll, dorthin zu gehen, »wo Macht und Geld sich gegenwärtig aufhalten – denn Amerika ist das Imperium der Gegenwart«. Außerdem habe US-Präsident Bush nach dem 11. 9. 2001 »einen politischen Kurs eingeschlagen, der dem von mir vorgeschlagenen so ähnlich ist«. Bei aller Freude über und Gemeinsamkeit mit Bush treibt den neuen Missionar des US-Imperialismus die Sorge um, daß die Regierung nicht standhaft genug am weiteren Aufbau des Empire arbeitet. Ferguson fürchtet, daß sie dem Druck entweder der eigenen Bevölkerung oder der Weltöffentlichkeit nachgeben und sich zum Beispiel »zu früh« aus dem Irak zurückziehen könnte. Seine Zeitvorstellungen verdeutlichte er dem Auditorium der »American Academy« – darunter viele Journalisten, aber auch Politiker, Wissenschaftler, Interessenten aus dem Außen- und Verteidigungsministerium sowie der ehemalige US-Botschafter John Kornblum – am Beispiel des von 1915 bis 1934 von den USA militärisch besetzten Haiti. 19 Jahre US-Besatzung, so seine Kritik, seien einfach zu kurz gewesen. Das gelte auch im Falle Irak und vieler anderer bewaffneter »Regime-Wechsel« durch die Militärmacht USA. Mehrere Jahrzehnte Besatzungszeit seien in den meisten Fällen erforderlich – schließlich stünden US-Truppen immer noch in Deutschland und Japan. Im Irak sei es jetzt nötig, so Ferguson, »die Zähne zusammenzubeißen und zu beenden, was man angefangen hat«. Zu den »schlimmsten Fehlschlägen« bei den US-Versuchen von Regime- oder Systemwechsel im Ausland gehörten Haiti, Vietnam und Kuba, meinte der Hi -storiker. Dagegen seien die USA in Hawaii (50. US-Bundesstaat) und Puerto Rico (quasi US-Kolonie) mit ihrer Besetzung seit 1898 erfolgreich gewesen. Allerdings, so Ferguson, wäre Kuba ein viel besserer US-Bundesstaat als Hawaii. Jetzt müsse man damit wahrscheinlich warten, »bis Castro tot ist«. Jedenfalls sei eine »direkte Herrschaft« der USA über ein Land einer »indirekten Herrschaft«, zum Beispiel vermittels einer installierten Diktatur, vorzuziehen. Wie jeder Imperialist hält Ferguson nichts von der Selbstbestimmung der Völker, sondern favorisiert eine Politik der imperialen Rücksichtslosigkeit. Als Ex-Diplomat Kornblum vorsichtig für einen »Mix aus harter und weicher Herrschaft« der USA im Ausland plädierte, entgegnete Ferguson, es gebe keine Alternative zu einer harten US-Hegemonie, »denn weiche Herrschaft ist weich und keine Herrschaft«. Sonst, so warnte er, würde ein »gefährliches Machtvakuum« in der Welt entstehen. Natürlich weiß Ferguson, daß die USA für die von ihm favorisierte Politik eines noch aggressiveren Imperialismus viel mehr Geld und Soldaten brauchen. Doch für letzteres Problem hat er unter Hinweis auf die Millionenheere der Immigranten und Arbeitslosen sowie auf die »über zwei Millionen Menschen in den (US)-amerikanischen Gefängnissen« schon eine Lösung, die man auf Seite 358 seines Buches nachlesen kann: »Illegale Einwanderer, Arbeitslose und verurteilte Straftäter sollten ein ausreichendes Reservoir für größere amerikanische Streitkräfte darstellen«. Denn schließlich habe auch das Britische Empire die »Kolonialisierung Australiens mit einer Politik der Deportation« britischer Strafgefangener gestützt. Vielleicht ist es dem Herrn Professor entgangen, daß schon jetzt Einwanderer und Arbeitslose einen Großteil der US-Armeeangehörigen im Irak stellen und auch einige der Folterknechte aus US-Gefängnissen kommen, allerdings waren sie dort Wärter. Verurteilte Kriminelle scheinen aus Fergusons Sicht eine echte Bereichung, wenn es um die Verbreitung von Menschenrechten und Demokratie à la US-Imperialismus überall in der Welt geht. Sie werden dann die Folter- und Mordbefehle ihrer Führung noch willfähriger befolgen. Und warum sollen die USA die unbeschränkte Herrschaft in der Welt anstreben? Für Ferguson ist die Antwort sonnenklar: Macht bestehe nicht einfach nur darin, »kaufen zu können, was man will; das ist bloß Reichtum«, verkündet er in seinem Buch (S. 366). »Macht besteht vielmehr darin, das Gewünschte zu weniger als dem Marktpreis zu bekommen und Menschen dazu zu bringen, Dienstleis tungen auszuführen oder Güter abzugeben, die sie normalerweise zu keinem Preis verkauft hätten«. Das ist zwar nicht neu, sondern seit mehr als zwei Jahrhunderten imperialistische Standardpolitik. Doch selten wurde es so klar und offen propagiert. Aber wer ist schon Niall Ferguson, könnte man jetzt fragen? Vermutlich ein unwichtiger und weitgehend unbekannter Professor, der mit provokatorischen reaktionären Thesen auf sich aufmerksam machen will und den man nicht unbedingt ernst nehmen muß. Weit gefehlt. Trotz seiner erst 40 Jahre ist er nicht nur für seine schottische Heimatzeitung The Herald bereits der »Doyen der amerikanischen Rechten«. US-Zeitungen nennen ihn »Liebling der amerikanischen Neokonservativen«, und für Die Welt ist er einer der »originellsten zeitgenössischen Historiker«, der »die geschichtliche Leistung der Imperialisten gegen die Besserwisserei der Nachgeborenen verteidigt«. Washington Post, New York Times, Foreign Affairs und andere Blätter räumen ihm viel Platz ein. Die Zeitschrift Time Magazine, die jedes Jahr die 100 bedeutendsten Bürger in der Welt herauszufinden hofft, die den größten Einfluß auf den Fortgang der Geschichte haben, veröffentlichte Mitte April ihre Liste für 2004. Präsident Bush ist darunter, seine Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice – und zum ersten Mal auch Professor Niall Ferguson. Soweit einige Anmerkungen zur »Sammlung bedenkenswerter Argumente« des neuen imperialistischen Gurus und seinem »Plädoyer für ein demokratisches Imperium, an dem die Welt genesen soll«. Gegenüber den Buchtipps von DeutschlandRadio Berlin bin ich jetzt etwas skeptischer. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 11/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |