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Anders als Siemens-Chef Heinrich von Pierer, der bis zu einem Drittel der Arbeitsplätze aus Deutschland auszulagern droht, ist Hartz kein Vaterlandsverräter: »Ich hole nicht gleich die große Keule der Abwanderungsdrohung raus, wie es andere Unternehmen zur Zeit tun.« Nicht gleich, denn: »Wer Kuchen backen will, muß auch Eier zerschlagen können.« (Der Spiegel 19/04) Doch bevor Eier zerschlagen werden, womöglich mit der großen Keule, was keiner vernünftigen Hausfrau in den Sinn käme, geht es hier um die möglichst billige Eierproduktion: Die Hühner sollen immer schneller immer mehr Eier legen und sich mit immer weniger Futter begnügen. Hartz wünscht Mehrleistungen der Beschäftigten durch freiwillige Sonderanstrengungen, aus Einsicht in die Notwendigkeiten einer globalisierten Wirtschaft, möglichst in der konzernüblichen »proaktiven Mitbestimmung«, also ausgehandelt mit Betriebsrat und IG Metall. Der Mann weiß, wie man das macht. Hatte er doch mit seinem Pilotprojekt 5000 x 5000 vor drei Jahren eine erste Bresche in die einheitliche Tarifstruktur seines »Volks«-Konzerns schlagen können, die er jetzt verallgemeinern will. Unter Mitwirkung des damaligen Bezirksleiters der IG Metall in Hannover, Jürgen Peters (inzwischen zum Vorsitzenden der Gewerkschaft avanciert), dürfen seither 5000 angeblich vorher Arbeitslose mit einer Entlohnung um einiges unter Tarif den »Tuareg« herstellen – einen echten »Volks«-Wagen für 70 000 Euro Grundpreis mit einem Spritverbrauch von 25 Litern auf 100 Kilometer. Hartz, der Patriot, hatte sich nicht zweimal bitten lassen, als Gerhard Schröder vor zwei Jahren um seine Wiederwahl zum Kanzler fürchten mußte und dringend Unterstützung brauchte, um von den Ergebnissen seiner verheerenden Arbeitsmarktpolitik abzulenken. Hartz wurde Vorsitzender einer Kommission, die mit peppigen Sprüchen versprach, die Zahl der Arbeitslosen in wenigen Jahren um mindestens zwei Millionen zu reduzieren. Ob als »Ich-AG«, in »Personal-Service-Agenturen«, in »Mini«- oder »Midi-Jobs«, beraten in »Arbeits-Agenturen« (statt der alten »Ämter«), begleitet von den »Profis der Nation« – jeder, der arbeiten wolle, werde schließlich arbeiten können. Damit auch jede und jeder wirklich will, kamen 2003 die Hartz-Gesetze I bis IV. Sie bringen zwar keine neuen Arbeitsplätze und können deshalb auch keine Arbeitslosenzahlen senken. Aber das war auch nicht ihre von Hartz und seinen Kommissionskollegen avisierte Aufgabe. Sie sollen die Arbeitslosen, nicht die Arbeitslosigkeit bekämpfen, und zwar durch Mittelentzug, also Zufügung von Not und Elend, auch für deren Familien, sowie durch Mobilisierung und Flexibilisierung der Arbeitssuchenden, das heißt ihre bessere Zurichtung als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt. Der Personalvorstand eines Großkonzerns weiß, daß die Verbreitung von Angst vor Arbeitslosigkeit unter allen, die noch Arbeit haben, auch Betriebsräte und Gewerkschaften einsichtiger machen kann, wenn das Kapital weitere Lohnsenkungen benötigt. Hartz ist durchaus zufrieden mit der Umsetzung seiner Vorschläge, auch wenn im Vermittlungsausschuß »andere dagegengearbeitet haben« und er jetzt feststellen muß: »Nicht überall, wo Hartz draufsteht, ist auch Hartz drin.« Damit hält sich nicht auf, denn: »Die Menschen in diesem Land erwarten jetzt Taten und keine Diskussionen mehr... Mein Thema ist jetzt VW.« Und weil sein Ausflug in die Politik so erfolgreich war, kann er mit »Tarifpolitik 176 544« dem Konzern ein klares Ziel vorgeben: »Die Arbeitskosten müssen bis zum Jahre 2011 um rund 30 Prozent runter.« 30 Prozent weniger Geld fürs Personal ist eine ähnliche Vorgabe wie bei Siemens. Die Konzernchefs erhalten solche Vorgaben von Analysten, Beratern und Fondsmanagern der Shareholder und haben sie zu erfüllen. In der Wahl der Methoden sind sie frei. Hartz agiert gern im Einklang mit Gewerkschaftsfunktionären und dem Kanzler. So ist auch seine Jahreszahl 2011 eine Reverenz an die von ihm mitinitiierte »Agenda 2010«, Schröders Vorarbeit. Für seinen Kuchen »Tarifpolitik 176 544« braucht Hartz noch viele Eier. Seine VWler sollen sie liefern, indem sie immer flexibler, immer opferbereiter werden. Hartz verlangt variable und längere Arbeitszeiten: Je nach Auftragslage soll bis zu 400 Stunden jährlich länger gearbeitet werden, ohne Überstundenzuschläge. Direkte Lohnsenkungen lassen sich modisch umschreiben: Der Konzern zahlt nur noch für »wertschaffende Arbeitszeiten«, was unter anderem bedeutet, daß die Beschäftigten für Pausenzeiten nicht mehr entlohnt werden und für Weiterbildungsmaßnahmen in Zukunft die Hälfte der Kosten selber zu tragen haben – schließlich ist jeder sein eigener Arbeitskraftunternehmer. Stärker als bisher schon sollen die Entgelte vom Gewinn abhängig werden: Verdient der Konzern gut, werden die heutigen Löhne bezahlt – wie nobel! Bei schlechter Ertragslage können die Verdienste um bis zu 30 Prozent sinken. Und auch für das allenthalben beschworene Überalterungsproblem hat Hartz eine Lösung parat: Er will die »demografische Arbeitszeit« einführen, Jüngere sollen etwa fünf Wochenstunden länger arbeiten, ältere entsprechend kürzer. Über einen Lohnausgleich und über die Verwaltung von Zeit-Lohnkonten über Jahrzehnte hinweg wurde nichts mitgeteilt. Die IG-Metall hat noch viel Regelungskompetenz einzubringen... Wenn alle mitmachen, kann Hartz’ neues Konzept den Standort Deutschland noch stärker machen: »Wenn VW zum Beispiel die Produktion des neuen Mittelklasse-Modells C1 konzernweit ausschreibt, wird sich Deutschland bewerben wie andere Standorte auch. Um im Wettbewerb (innerhalb des Konzerns; O. M.) zu bestehen, wollen wir Arbeitsprofile in so genannten Job-Familien bündeln, deren Qualifikationsstufen konzernweit vergleichbar sind.« Betriebsräte und IG Metall werden wohl auf solche wissenschaftlich klingenden Worte hereinfallen und nicht nur im globalen Standortwettbewerb, sondern auch im Ausspielen regionaler Produktionsstätten gegeneinander mithalten wollen. Jeder gegen jeden. »Wettbewerb« als neoliberales Mantra bis zum Finale. Wird es der Menschheit gelingen, vor dem High Noon des Kapitalismus mit »Clash of Civilisations« und Reagans atomarem »Armageddon« noch den »Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit« (Kant) zu finden und »alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist« (Marx)? Falls dieser Schluß zu pathetisch klingt, nehme ich einen anderen, indem ich dem VW-Personalvorstand freundlich empfehle, die Erfahrungen professionell geführter Hühnerfarmen zu nutzen: Durch Umstellung auf Käfighaltung und Legebatterien, Stimulierung der Legelust, Reduzierung des Schlafbedürfnisses mittels Dauerbeleuchtung, schnelles Aussortieren der Hühner bei Leistungsabfall infolge Alter oder Krankheit und so weiter hat man dort Produktivitätssteigerungen um 500 Prozent erreicht. Also, Herr Hartz, schicken Sie Ihre Werksmediziner und -psychologen unbedingt auf die nächste Fortbildung beim Verband Deutscher Geflügelzüchter! Kontext:
Erschienen in Ossietzky 10/2004 |
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