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Deutscher Kolonialismus

Eine endlose Geschichte

von Heiko Möhle

 

Nachwirkungen des Deutschen Kolonialismus in Kamerun

Am Mount Cameroon blicken die Menschen mit gemischten Gefühlen auf die deutsche Kolonialherrschaft zurück. Einerseits sind die seinerzeit gegründeten Großplantagen bis heute ein wichtiger Devisenbringer, und die Deutschen gelten als positives Gegenstück zu den französischen Kolonisatoren Kameruns. Andererseits führen die Folgen des deutschen Kolonialismus zu Konflikten zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen.

Wer in Kamerun nach Spuren der deutschen Kolonialherrschaft sucht, macht sich in der Regel auf den Weg nach Buea. Der am Südosthang des Mount Cameroon gelegene Ort diente der deutschen Verwaltung von 1901 bis 1914 als Regierungssitz. Das Bergklima war den Beamten angenehmer als die Schwüle im malariaverseuchten Küstenland. Heutige Reiseführer werben zusätzlich mit Ausblicken auf einen deutschen Friedhof, auf den Bismarck-Brunnen mit dem steinernem Porträt des Reichskanzlers und auf den prunkvollen wilhelminischen Palast des einstigen Gouverneurs Jesko von Puttkamer.

Die eigentliche Hinterlassenschaft der Deutschen – das steht nicht im Reiseführer – passiert der Besucher allerdings schon auf der Fahrt nach Buea. Kaum hat man von Douala kommend den Mungo-River überquert, breitet sich eine endlos erscheinende, grüne Weite links und rechts der Straße aus. Hier beginnt das größte Plantagengebiet Westafrikas, das sich von der Küste bis zu den Hängen des Mount Cameroon zieht. Auf den Zufahrtsschildern zu den Bananenpflanzungen stehen die Firmennamen CDC (Cameroons Development Corporation) und Del Monte. Das kamerunische Staatsunternehmen betreibt heute im Joint Venture mit dem amerikanischen Fruchtmulti die Plantagen. Angelegt wurden sie aber bereits in der deutschen Kolonialzeit.

Der Beginn der Demütigungen

Bevor die Deutschen kamen, war Buea das größte von etwa sechzig Dörfern der Bakweri, die sich seit dem 18. Jahrhundert an den fruchtbaren Hängen des Kamerunbergs niedergelassen hatten, um Landwirtschaft zu betreiben. An der nahegelegenen Küste tauschten sie die Überschüsse ihrer Produktion bei den benachbarten Isubu und Bamboko gegen Fisch ein. Die Bakweri kannten keine staatlichen Strukturen, das Dorf als wichtigste territoriale Einheit war auf der Basis von Familien organisiert. Dennoch beanspruchte Buea Ende des 19. Jahrhunderts gegenüber den umliegenden Dörfern eine Vormachtstellung.

Der deutschen Kolonialverwaltung, die in den ersten Jahren nach der formalen Besitzergreifung Kameruns (1884) kaum mehr als einen schmalen Küstenstreifen kontrollierte, erschien der Ort als ernstes Hindernis für die Ausdehnung des Kolonialhandels und für das Vorhaben, an den Berghängen Plantagen anzulegen. Zweimal wurde Buea daher belagert. Der erste Feldzug 1891 endete mit dem Tod des deutschen Befehlshabers Gravenreuth und einer Niederlage. Doch im Dezember 1894 ließ Hauptmann Hans Dominik an der Spitze der neu aufgestellten »Schutztruppe« Buea dem Erdboden gleichmachen. Die Ereignisse um die Feldzüge haben sich bis heute tief in das kollektive Gedächtnis der Bakweri eingegraben.

Kuva, der oberste Feldherr von Buea, wird wegen des Sieges von 1891 bis heute als Held verehrt. Die schmähliche Niederlage von 1894 ist allerdings nicht weniger präsent. Dominik und dem frisch ernannten Gouverneur Puttkamer ging es damals um mehr als einen militärischen Sieg. Sie wollten jeden Widerstandswillen brechen. In einem erzwungenen Friedensvertrag wurde die Vertreibung der Bevölkerung aus dem bisherigen Siedlungsgebiet besiegelt. Kuva starb auf der Flucht. Sein Leichnam konnte nicht in der Erde seiner Vorfahren bestattet werden, seine Seele in der Vorstellung der Bakweri keinen Frieden finden.

Die Zerstörung des alten Buea war der Beginn einer Kette von Demütigungen, die bis heute das Selbstbewusstsein der Bakweri und ihre Stellung in der kamerunischen Gesellschaft prägen. Auf die Eroberung des Kamerunbergs folgte die Verdrängung der Bevölkerung von ihrem Land. Die umfangreichen Dorfländereien wurden auf Grundlage der 1896 erlassenen »Kronland-Verordnung« als »herrenlos« erklärt und der kaiserlichen Krone übereignet, die nun riesige Flächen zu Dumping-Preisen weiter verkaufen konnte. Bis 1914 gingen auf diese Weise etwa 90.000 Hektar Land rund um den Kamerunberg an eine Handvoll großer Aktiengesellschaften über. Hinter den Unternehmen mit klangvollen Namen wie Kamerun Land- und Plantagengesellschaft oder Westafrikanische Pflanzungsgesellschaft Victoria standen hanseatische Kaufleute und rheinische Schwerindustrielle. Lediglich zwei Hektar pro Hütte verblieben den Dörfern, von denen viele in unfruchtbare Randlagen umgesiedelt wurden, um das beste Kulturland für die entstehenden Großplantagen zu räumen.

Landraub und Arbeitszwang

Die Vertreibung leitete zugleich die Zerstörung der exportorientierten Kakaoproduktion ein, die einige Bakweri seit den 1880er Jahren begonnen hatten. Die Großplantagen duldeten keine Konkurrenz. In kolonialen Zeitschriften wurden die Anbaumethoden der Bakweri diffamiert und behauptet, sie würden den Kakao der Großplantagen stehlen, um ihn zu verkaufen. Tatsächlich waren es jedoch häufig die Plantagen, die sich die Pflanzungen der Bakweri einverleibten. Für Unternehmer wie dem Hamburger Johannes Thormählen bestand die einzige Existenzberechtigung der verbliebenen »Dorfreservate« in der Bereitstellung von Arbeitskräften für die Plantagen. Jede Fähigkeit zu einer selbständigen Landwirtschaft sprach er den Bakweri ab: »Der Kamerunneger ist viel zu unselbständig, um in vernünftiger Weise einen rationellen Pflanzungsbetrieb leiten zu können. (...) Der heute noch in kindlicher Albernheit und blödem Stumpfsinn dahin dämmernde Neger wird durch nichts dem civilisierten Menschen näher gebracht werden können, als durch ernste Arbeit«.

Die wenigsten Bakweri waren jedoch bereit, auf ihrem Land für fremde Herren zu arbeiten. Die BewohnerInnen ganzer Ortschaften wanderten aus, um dem Arbeitszwang oder weiteren Vertreibungswellen zu entkommen. Die Plantagengesellschaften waren gezwungen, ihre Arbeitskräfte aus dem weit entfernten »Grasland« im Nordwesten der Kolonie zu rekrutieren. Mit der Erschließung neuer Anbauflächen in der zwischen Kamerunberg und Duala gelegenen Tikoebene wurde der Bedarf an Arbeitskräften allerdings so groß, dass die Unternehmen sich gezwungen sahen, wieder auf Bakweri als Arbeitskräfte zurückzugreifen. Um den Arbeitszwang durchzusetzen, ließ die Kolonialverwaltung vereinzelt Dörfer niederbrennen und schreckte auch vor Folter nicht zurück. Dem von der deutschen Kolonialverwaltung geschaffenen System von Landvertreibungen und Arbeitszwang hatten die Bakweri wenig mehr entgegenzusetzen als Verweigerung, Rückzug und Resignation. Damit war eine Spirale in Gang gesetzt, welche die Bakweri immer weiter aus der weltmarktorientierten Plantagenökonomie hinaus und in die Marginalität hinein trieb.

Neue alte Investoren

Nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg wurde Kamerun geteilt und vom Völkerbund der Verwaltung durch die Siegermächte unterstellt. Die Hafenstadt Douala lag nun im größeren französischen Mandatsgebiet, ihr ökonomisches »Hinterland«, die Plantagen am Kamerunberg, in der britischen Sphäre. Die Plantagen wurden als Feindbesitz enteignet, und somit hätte die Möglichkeit bestanden, das an den Bakweri verübte Unrecht der Landenteignungen rückgängig zu machen. Das Gegenteil trat ein. 1924 konnten die deutschen Unternehmen die Pflanzungen auf einer Londoner Auktion zurückkaufen. Das britische Grundbuchamt – nun seinerseits in Buea angesiedelt – beeilte sich, die Rechtmäßigkeit des Landerwerbs zu bestätigen, um den neuen alten Investoren Planungssicherheit zu garantieren.

Zwar ließen die Briten die Dorfreservate in den 1920er Jahren in bescheidenem Umfang vergrößern. Doch die isolierte Lage vieler Dörfer inmitten ausgedehnter Plantagen produzierte ständig neue Konflikte. Grenzverletzungen durch die Plantagen, die ihre Pflanzungen in die Reservate ausdehnten, sowie Diebstähle von Feldfrüchten durch Plantagenarbeiter demoralisierten die Dorfbewohner, die immer weniger Sinn darin sahen, ihr verbliebenes Land zu bewirtschaften. Innerhalb der Reservatsgrenzen wurde Land immer knapper, da ein reger Zustrom von Arbeitskräften aus Nigeria und dem französischen Mandatsgebiet eingesetzt hatte. Die deutschen Plantagenunternehmer und die britische Kolonialverwaltung waren an der dauerhaften Ansiedlung dieser Arbeitskräfte interessiert, stellten dafür aber kaum Land zur Verfügung. Viele Dörfer hingegen nahmen bereitwillig Zuwanderer auf. Das freizügige Bodenrecht der Bakweri war jedoch auf eine Massenzuwanderung nicht vorbereitet. Durch den von vielen »immigrants« betriebenen Anbau von Dauerkulturen wie Kakao bildeten sich mit der Zeit Grundeigentumsansprüche heraus. Die lokale Bevölkerung verlor zunehmend die Kontrolle über das ihr verbliebene Reservatsland.

Nach 1933 wurden die Kameruner Plantagen zum Versuchsfeld einer zukünftigen nationalsozialistischen Kolonialwirtschaft. Deutsche Wissenschaftler pilgerten zum Kamerunberg, um Untersuchungen an Böden, Klima und Pflanzungsarbeitern durchzuführen. Gleichzeitig wurden Filme und Broschüren produziert, die der Welt die »deutsche Tatkraft in Kamerun« vor Augen führen und für den Anspruch auf deutschen Kolonialbesitz in Afrika werben sollten. Für die in der Tikoebene produzierten Bananen wurde ein eigenes Label erfunden, und zweimal wöchentlich stach ein Dampfer der Reederei Laeisz mit »Deutschen Kamerun-Bananen« beladen nach Hamburg in See.

Zu den Veränderungen der »neuen« Kolonialpolitik gehörte die Ablösung der vor dem Ersten Weltkrieg verbreiteten Zwangsarbeit durch Lohnarbeit. Die deutschen Plantagen zahlten sogar vergleichsweise hohe Löhne, um Arbeitskräfte aus entfernten Regionen anzulocken. Die Bakweri hingegen blieben eine Ausnahmeerscheinung in der Plantagenarbeiterschaft. Ihr Vertrauen zu den Deutschen war zerstört. Ohnehin beschäftigten die Unternehmen lieber Arbeitskräfte aus den Grasland-Bezirken im Nordwesten. Seit der deutschen Kolonialherrschaft galten ihnen die Bakweri und andere »Waldlandbewohner« als »indolent« und »faul«, die »Graslandneger« jedoch als »dynamisch und arbeitsam«. Unter den Bakweri, die sich zunehmend als verdrängte Minderheit begriffen, wuchs die Fremdenfeindlichkeit gegenüber den »strangers« aus dem Nordwesten. Bis heute trägt dieser Diskurs, der innerhalb Kameruns zum Allgemeingut geworden ist, zur sozialen Spaltung der Bevölkerung bei.

Das Verhältnis zwischen den deutschen Plantagenmanagern und der lokalen Bevölkerung blieb gespannt. Britische Beamte griffen nur selten in Konflikte um Lohnzahlungen oder strittige Landgrenzen ein, und wenn, dann fast immer zugunsten der Plantagen. Das Verhältnis zwischen Briten und Deutschen im Plantagengebiet kann als entspannt, mitunter sogar als herzlich bezeichnet werden. Es war geprägt durch große Übereinstimmung bei ökonomischen Interessen, kolonialpolitischen Grundsatzfragen und rassistischer Überheblichkeit gegenüber den Bakweri. Zwar registrierten die britischen Behörden bereits 1934, dass sich die überwältigende Mehrheit der deutschen Pflanzungsleiter zum Nationalsozialismus bekannte, man beließ sie jedoch noch bis Ende 1940 auf ihren Posten.[1] Die Deutschen waren am Kamerunberg als Grundeigentümer, Arbeitgeber und größte europäische Bevölkerungsgruppe so präsent, dass bis heute viele Bewohner der Region annehmen, die deutsche Kolonialzeit habe bis zum Zweiten Weltkrieg gedauert.

Gescheiterte Hoffnungen

Nach dem Zweiten Weltkrieg schöpften viele Bakweri neue Hoffnung, Gerechtigkeit zu erfahren.[2] 1946 gründeten Vertreter der im Plantagengebiet gelegenen Dörfer das Bakweri Land Comittee, das bis zu den UN ging, um die Rückgabe des von den Deutschen geraubten Landes zu fordern. Vergeblich: Zwar erklärte der britische Gouverneur die »ex-enemy lands« der Großplantagen zu »native lands«. Doch als Treuhandverwaltung »zum Wohle aller Einwohner des Territoriums« wurde ein neuer Großkonzern gegründet, die staatliche Cameroons Development Corporation (CDC). Ihr wurde das Land für die Dauer von sechzig Jahren zur Pacht überlassen. Als beide Landesteile Kameruns 1960 unabhängig und wiedervereinigt wurden, machte sich die neue Regierung in Yaoundé die Perspektive ihrer kolonialen Vorgänger zu eigen: Die CDC sollte Devisen für das Allgemeinwohl erwirtschaften, die Interessen einer kleinen Minderheit hatten zurückzustehen.

Tatsächlich leistete die CDC in den kommenden Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag zur regionalen Entwicklung im anglophonen Kamerun. Als bis heute zweitgrößter Arbeitgeber Kameruns (nach dem Staat) baute sie Straßen, Wasser- und Stromversorgung, Schulen und Krankenhäuser, von denen nicht nur die Beschäftigten, sondern auch viele Anwohner profitierten. Seit den 1970er Jahren wuchs jedoch die Kritik. Die Produktivität der Plantagen ging zurück, immer häufiger wurden Vorwürfe gegen CDC-Manager und Regierungsbeamte wegen Misswirtschaft und Korruption laut. In der anglophonen Southwest-Province – die heutige Verwaltungseinheit der Plantagenregion – wuchs die Empörung darüber, dass die hier erwirtschafteten Erlöse den politisch dominanten frankophonen Landesteil alimentieren würden.

Als Präsident Paul Biya 1994 beschloss, auf Druck des IWF und der Weltbank die CDC zu privatisieren, reichte es einigen Bakweri endgültig. Das Bündnis der Dörfer wurde als Bakweri Land Claims Comittee (BLCC) wiederbelebt. In Eingaben an die Regierung machte es deutlich, dass ein Verkauf des Landes an Dritte ohne Zustimmung der Bakweri nicht möglich sei: »Die Regierung kann nicht verkaufen, was ihr nicht gehört«. Das BLCC fand starke Unterstützung in den anglophonen Bewegungen, die sich seit Anfang der 90er Jahre in Opposition zur frankophonen Biya-Regierung herausgebildet haben. Von ihnen wird die geplante Privatisierung der CDC als Handstreich »der Franzosen« und »der Frankophonen« gegen »die Anglophonen« gesehen. Die Plantagen wurden somit zum Spielball im Konfliktfeld zwischen dem kleinen anglophonen »Cameroon« und dem großen frankophonen »Cameroun«. Der die Züge eines neuen Tribalismus tragende Konflikt hat seine Ursprünge ebenfalls im Kolonialismus, allerdings in der englisch-französischen Teilung Kameruns.

Innerhalb des anglophonen Landesteils zeigt man sich heute zwar einig gegen die Frankophonie, keineswegs aber darüber, wer das entscheidende Wort über das Schicksal der »native lands« am Kamerunberg sprechen soll: Für den Southern Cameroons National Council (SCNC), wichtigster Zusammenschluss der Anglophonen, handelt es sich um eine Angelegenheit der gesamten englischsprachigen Minderheit. Regionale Bewegungen der Southwest-Province führen dagegen an, der Südwesten müsse sich in der Landfrage nicht nur gegen die frankophone Dominanz wehren, sondern obendrein gegen Benachteiligungen durch die Einwanderer aus der anglophonen Nordwestprovinz. Hier kommen alte Vorurteile und Rivalitäten zum Tragen, die bereits von den deutschen Kolonialherren geschürt wurden.[3]

Für das BLCC liegt der Schlüssel zur Lösung der regionalen Probleme in der Rückgabe der Plantagenländereien an die Bakweri. Dabei geht es nicht nur um materielle Wiedergutmachung, sondern um die Wiederherstellung des angeschlagenen Selbstwertgefühls. Mehrfach drohte dem BLCC bereits ein Verbot durch die Biya-Administration. Doch das Komitee hat es unter anderem durch ein im Mai 2000 in den USA eröffnetes Kampagnenbüro verstanden, sich international Beachtung zu verschaffen, die der Arbeit auch innerhalb Kameruns einigen Schutz zusichert.[4] Gegenwärtig führt das BLCC vor der Menschenrechtskommission der Afrikanischen Union eine Klage gegen die eigene Staatsregierung. Anlass war der Verkauf von CDC-Teeplantagen an das südafrikanische Unternehmen Brobon Finex. Das BLCC konnte nachweisen, dass hinter Brobon Finex Funktionäre der kamerunischen Regierungspartei CPDM und ehemalige CDC-Manager stehen, die sich das Land mitsamt erntereifen Teebäumen und Verarbeitungsbetrieben zum Schnäppchenpreis selbst verkauft haben.

Mit deutscher Hilfe

Die Bakweri gelten heute als marginalisierte Minderheit. Über die Ursachen wird allerdings gestritten. Während das BLCC auf das ungelöste »land problem« fokussiert, ist außerhalb der Bakweri-Community von einer »Selbstmarginalisierung« der Bevölkerung die Rede. Bis hinein in sozialwissenschaftliche Veröffentlichungen findet sich die Vorstellung, die Bakweri hätten sich selbst aus dem europäischen Fortschrittsmodell ausgeschlossen – fast immer unter Verweis auf die »erfolgreichen« Immigranten aus dem Nordwesten.

Dass am Kamerunberg Handlungsbedarf besteht, hat inzwischen internationale Hilfsorganisationen auf den Plan gerufen. Ihnen geht es aber in erster Linie darum, die letzten noch intakten Bergwälder am Kamerunberg zu retten. Da es im dicht bevölkerten Siedlungsgebiet zwischen den Großplantagen kaum noch Reserveflächen für den regelmäßig notwendigen Felderwechsel gibt, ziehen die Bakweri mit ihren Farmen immer weiter den Berg hinauf. Die Folge: Wald- und Wildbestände gehen zurück, die Erosion an den Berghängen nimmt zu, der Humus wird abgetragen, die Gefahr von Schlammlawinen wächst.

Deshalb versucht das von britischen NGOs und der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) getragene Mount Cameroon Project die Bevölkerung zu »participatory forest management« anzuhalten. »Nachhaltige« Bewirtschaftungsmethoden sollen neue Einkommensquellen schaffen – etwa dadurch, dass Jäger das Fallenstellen aufgeben und sich zu Bergführern für Öko-Touristen ausbilden lassen. Dass sich die Erfolge des Projektes bisher eher bescheiden ausnehmen, sieht Mola Njoh Litumbe, Generalsekretär des BLCC, nicht zuletzt im historisch gewachsenen Misstrauen der Bevölkerung begründet: »Die Leute meinen, erst kamen die Deutschen, und nahmen uns unser Land weg. Jetzt kommen die Deutschen wieder und sagen, dass wir das wenige, was uns geblieben ist, nicht nutzen sollen«.

Die deutsche Gewaltherrschaft ist am Kamerunberg nicht vergessen. Und doch hört man auch hier wie andernorts in Kamerun häufig: »Wären die Deutschen hier, ginge es uns besser«.[5] Das mag widersprüchlich klingen, ist es aber in den Augen vieler Kameruner nicht. »Moderne« Vorstellungen über die Deutschen überlagern die in der Vergangenheit geprägten Bilder. Den Deutschen werden noch immer Attribute wie »hart« und »gefühlskalt« zugewiesen, vor allem aber gelten sie als effizient und wirtschaftlich erfolgreich. Sie verkörpern damit für viele Kameruner ein positives Gegenbild zur eigenen, ungeliebten Regierung und ihrer Schutzmacht Frankreich, die in erster Linie mit Korruption und Günstlingswirtschaft in Verbindung gebracht werden. Daraus auf die Sehnsucht nach einer Neuauflage der alten Kolonialherrschaft zu schließen, weist aber in die falsche Richtung. Mola Njoh Litumbe formuliert es pragmatisch, aber selbstbewusst: »Wenn die Bevölkerung endlich wieder selbst über ihr Land verfügen kann, sind Deutsche hier willkommen. Aber nicht als Kolonisatoren, sondern als Investoren«.

Ob es je so weit kommen wird, ist allerdings fraglich. Schon allein deshalb, weil die Afrikanische Union den Bakweri die Rückgabe des Landes höchstwahrscheinlich abschlagen wird. Zu groß ist die Angst der afrikanischen Regierungen, einen Präzedenzfall zu schaffen. Denn überall, wo die Europäer kolonisierten, wurde Land geraubt, und nur in den wenigsten Fällen wurden die Betroffenen entschädigt.

 

Heiko Möhle forscht als Mitarbeiter des Geographischen Institut der Universität Hamburg über die Auswirkungen der deutschen Kolonialherrschaft am Mount Cameroon.

 

Anmerkungen:

[1] vgl. Heiko Möhle: »Deutsche Kamerunbananen«. In: Tanz um die Banane, Ausstellungskatalog des Museums der Arbeit, Hamburg 2003, S. 60-69

[2] vgl. Piet Konings: Privatisation and ethno-regional protest in Cameroon. In: afrika spectrum 38 (2003), Heft 1, S. 5-26

[3] vgl. Jürg Schneider: Cam-no-go. Stereotypen im intra-anglophonen Konflikt in Kamerun. www.unibas.ch/afrika/papers/js.cam-no-go.pdf

[4] vgl. www.bakwerilands.org

[5] vgl. dazu Kai Schmidt-Soltau (iz3w 267) und Stefanie Michels (iz3w 269).

 

 

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sopos 4/2004