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Bei der Abwehr von Terroristen habe man Polizeirecht anzuwenden. Die Polizei dürfe bei drohender »Gefahr« eingreifen. Also komme es darauf an, ob jemand eine Gefahr darstelle. Dann könne er ausgewiesen werden, ohne daß man die Unschuldsvermutung (»In dubio pro reo«) beachten müsse – also ohne daß der Nachweis einer terroristischen Betätigung oder der Planung und Vorbereitung von Anschlägen erbracht wird. Damit entspricht Schily Becksteins Verlangen nach Verdachtsausweisungen, nur mit einem etwas anderen juristischen Vokabular. Beifall bekommt er vom Koalitionspartner. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, begrüßte Schilys Vorschläge zur vereinfachten Abschiebung sogenannter terrorverdächtiger Ausländer. Auch daß der Bundesinnenminister die Zuständigkeit erhalten soll, über Ausweisungen zu entscheiden, nannte Beck grundsätzlich richtig. Schließlich sei der Plan, die gerichtliche Überprüfbarkeit auf eine Instanz beim Bundesverwaltungsgericht zu konzentrieren, »diskutabel«. Über einen Punkt kommen aber die rot-grünen Schnellabschieber nicht hinweg. Bei drohender Folter und Todesstrafe lassen internationale Konventionen eine Abschiebung nicht zu. Zwar zweifelte Beckstein an, ob man der deutschen Bevölkerung dieses Verbot noch zumuten könne. Da aber niemand wagt, die Genfer Flüchtlingskonvention und die Antifolterkonvention aufzukündigen, werden neue Schikanen ersonnen. Verdächtige (also nicht etwa Menschen, denen eine Straftat nachgewiesen worden ist) sollen künftig »Residenzpflichten« unterliegen. Das heißt, sie dürfen sich nur in einem bestimmten engen Radius aufhalten – nach dem Muster einer schon bestehenden diskriminierenden Regelung für Asylbewerber. Hinzu kommen Meldeauflagen. Wer über den zugewiesenen Aufenthaltskreis sich hinausbewegt oder gegen die Meldepflicht verstößt, macht sich künftig strafbar. Dann kann man jemanden, dem sonst nichts nachzuweisen ist, doch ins Gefängnis bringen. Aber auch dies schien Schily noch zu wenig. Er bereicherte die öffentliche Debatte mit der Idee, verdächtige Personen, bei denen ein Abschiebungshindernis besteht, zu inhaftieren, auch wenn sie sich nicht strafbar gemacht und nicht gegen Auflagen verstoßen haben. Schily nannte dies »Sicherungshaft« und weckte damit sofort die Assoziation an die »Schutzhaft« unseligen Angedenkens – wovor sogar sein treuester Vasall Dieter Wiefelspütz zurückschreckte. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion versuchte sich als Interpret seines Ministers. »Ich verstehe Schily so, daß er auf das bestehende Polizeirecht der Länder hinweisen will«, versuchte Wiefelspütz die Situation zu retten. Tatsächlich gibt es in den Polizeigesetzen der Bundesländer rechtsstaatlich äußerst fragwürdige Bestimmungen, die Vorbeugehaft zulassen. So kann etwa in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen jemand für zwei Wochen in »Unterbindungsgewahrsam« genommen werden, wenn man ihm aufgrund von Tatsachen nachweist, daß er bestimmte Straftaten unmittelbar in nächster Zukunft begehen wird. Beispielsfälle sind Hooligans, die im Fußballstadion randalieren wollen. Sie werden von der Polizei inhaftiert und nach dem Spiel wieder freigelassen. Die Vorbeugehaft wurde früher schon zu politischen Zwecken mißbraucht, etwa als in APO-Zeiten Kritiker des Schah-Besuchs weggesperrt wurden. Die auf Einzelereignisse zugeschnittenen Vorschriften passen jedoch nicht für die Terrorismusbekämpfung. Schily wünscht andere, noch viel weitergehende Ermächtigungen. Dieser Tage bekräftigte er in einem Interview der Süddeutschen Zeitung seine Grundauffassung, daß das »normale« Strafrecht den resozialisierungsfähigen Täter im Auge habe. Terroristen seien aber nicht resozialisierbar. Man müsse daher über neue Sonderbestimmungen nachdenken. Eine Idee, die zur Aushebelung des Rechtsstaates führen würde. Auch das bisher zumindest verbal noch bei der Verabschiedung der sogenannten »Antiterrorpakete« aus dem Hause Schily beachtete Gebot der Trennung von Geheimdiensten und Polizei wird jetzt preisgegeben. Man versucht nicht einmal mehr den Schein zu wahren. Ungehindert sollen »die Sicherheitsbehörden« Daten und Erkenntnisse austauschen können. Ausgerechnet die Grünen, die einst die Abschaffung des Inlandsgeheimdienstes im Sinne hatten, wollen das Bundesamt für Verfassungsschutz ausbauen. Zum Widerstand in den Ländern gegen Bemühungen, zwecks Terrorismusbekämpfung Geheimdienstinformationen auf Bundesebene zusammenzuführen, sagte Volker Beck, er sei erstaunt, daß »Helden« der inneren Sicherheit wie Bayerns Innenminister Beckstein Widerstand leisteten. Beck: »Es ist ein Skandal, daß die Optimierung der Aufklärungsarbeit an föderaler Borniertheit scheitern soll.« Bei so viel rot-grüner Betriebsamkeit tut sich die CDU/CSU allmählich schwer, die Koalition rechts zu überholen. Sie versucht es mit ihrer Forderung nach einer »Nationalgarde«. Die Militarisierung der Innenpolitik durch den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist ein Hauptanliegen des gescheiterten Präsidentschaftskandidaten Wolfgang Schäuble, aber auch der Unionsvorsitzenden Merkel und Stoiber. Die FDP brachte im Bundestag einen eigenen Antrag auf Schaffung einer Nationalgarde ein – was ihr anschließend doch etwas peinlich war, worauf sie sich beeilte zu erklären, daß sie damit eine rein militärische Einheit meine, nicht dazu bestimmt, Polizeiaufgaben im Inneren wahrzunehmen. Ein Grund zur Beruhigung ist dieser Rückzieher nicht.
Erschienen in Ossietzky 7/2004 |
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