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Der Kriegs-truppentransporter ist ihr 8,3 Milliarden Euro wert -fast dreimal so viel wie das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen. Wer Deutschland nach Strucks neuem Geographieverständnis am Hindukusch verteidigen will, braucht diese Maschinen, um Kriegsgerät und Personal an die neuen Verteidigungslinien, Tausende Kilometer von Deutschlands Grenzen entfernt, zu transportieren. Für Zähne an der Heimatfront hat nun jede(r) privat zu sorgen. Das Deutsche Kinderhilfswerk befürchtet als Folge der sogenannten Sozialreformen wachsende Kinderarmut. Der Präsident der Organisation, Thomas Krüger, schätzt, durch die Zusammenlegung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe könnte die Zahl der von Armut betroffenen Kinder um eine halbe Million auf 1,5 Millionen ansteigen. Bei den schon sozial Schwachen werde gespart, ergänzt Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider: 3,6 Milliarden Euro werden durch die Absenkung der Arbeitslosenhilfe frei. Ein Schelm, wer dabei an die Auslandseinsätze der Bundeswehr denkt. 1,5 Milliarden Euro kosten sie uns Steuerzahler jährlich. 1995 betrug dieser Haushaltsposten 131 Millionen Euro. Es ist hauptsächlich die Leistung von Rot-Grün, ihn in zehn Jahren mehr als verzehnfacht zu haben. Die Kosten sind mit der Absenkung der Arbeitslosenhilfe nun gedeckt. Es bleiben also weitere zwei Milliarden Euro von dem, was die Arbeitslosenhilfebezieher jährlich hergeben müssen. Für die neuen Kampfhubschrauber "Tiger" benötigt die Bundesregierung 3,4 Milliarden Euro. Schon in knapp zwei Jahren kann sie diese Anschaffung aus der unfreiwilligen Abgabe der Arbeitslosen bezahlen. Für die 5,3 Milliarden Euro, die die neuen Transporthubschrauber kosten werden, müssen die Arbeitslosehil-febezieher dann noch weitere drei Jahre blechen. Zu weit hergeholt? An den Zahlen kann keiner rütteln. Wir sind Weltmeister im Export. Der Außenhandelsüberschuß steigt seit vier Jahren von Rekordmarke zu Rekordmarke. Die Differenz zwischen Importen und Exporten lag 2003 bei 135 Milliarden Euro, grob geschätzt etwa die Hälfte des jährlichen Bundeshaushaltes. Geld ist genug da. Deutschland ist kein armes Land, sondern eines der reichsten der Erde. Aber die Unternehmersteuern und die Steuern der Reichen sind seit 2001 insgesamt um 120 Milliarden Euro gesenkt worden. Das Geld fehlt im Staatshaushalt. Daher das Geschrei. Für Rüstung und Militär fehlt es nicht an Geld. Während an Rente, Pflege, Medizin und Arbeitslosenunterstützung gekürzt und gestrichen wird, spart die Regierung am Rüstungshaushalt keinen Euro. 2003 wurde der Einzelplan 14 (sogenannter Verteidigungsetat) um 767 Millionen auf 24,4 Milliarden Euro erhöht; ab 2007 wird er jedes Jahr um jeweils weitere 800 Millionen Euro steigen. Da sei daran erinnert, daß ab 2004 der Steuerzuschuß für die Rente um zwei Milliarden Euro gekürzt wird und ab 2005 die Renten zusätzlich Jahr für Jahr höher besteuert werden. 27 000 Ausbildungsplätze fehlen in der Bundesrepublik. Seit Jahren fordern die Gewerkschaften eine Ausbildungsplatzabgabe von den 70 Prozent der Unternehmen, die nicht ausbilden. Ein Fonds soll gebildet werden, um Ausbildungsplätze zu finanzieren. Die Unternehmer wehren sich bislang erfolgreich, die rotgrüne Bundesregierung ziert sich seit ihrem Amtsantritt 1998. Und sie selber stellt kein Programm auf, um zivile Ausbildung zu finanzieren. Für ein Jugendmilitärprogramm aber ist Geld da. Mit Stolz verkündet Strucks Ministerium, daß jetzt, Anfang des neuen Jahres, 8000 arbeitslose Wehrpflichtige auf ihren Wunsch hin eingezogen werden. Soll also im Zeichen wachsender Jugendarbeitslosigkeit das Militär mit der Ausbildung an zerstörenden Waffen zivile, werteschaffende Arbeit ersetzen? Würden im reichen Deutschland die Klassenstärken auf das Niveau eingependelt, wie es in Finnland oder Kuba die Regel ist, müßten hier zusätzlich 230 000 Lehrkräfte und Sozialarbeiter eingestellt werden. Das wäre eine arbeitsplatzschaffende Investition in die Zukunft unserer Kinder - bezahlbar allemal. Weltweit wäre die Überwindung des Analphabetentums in zehn Jahren möglich, wenn dafür jährlich nur fünf Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt würden. Das ist weitaus weniger als die 113 Milliarden Euro, die die Bundesregierung für ihr Aufrüstungsprogramm (180 Eurofighter, 60 Militär-Airbusse, 219 Transporthubschrauber, 3 Fregatten, 15 Korvetten u.a.) in 15 Jahren bereitstellt. Ein solches weltweites Bildungsprogramm - gleichzeitig ein humanitäres Programm zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit - müßte selbstverständlich nicht allein von der Bundesrepublik finanziert werden. Der Vergleich soll nur auf die Möglichkeiten der sinnvollen Verwendung von Militärausgaben für bezahlbare Zukunftsinvestitionen aufmerksam machen. Würden die Länder der EU von ihren jährlichen 160 Milliarden Euro Militärausgaben 2,5 Prozent zur Verfügung stellen, wäre das Projekt finanziert. Das wäre noch kein Europa, das den Krieg verweigert, aber es wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Jedenfalls besser als der Entwurf der neuen EU-Verfassung, in dem es in Artikel I-40 (3) heißt: "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern." Allemal besser als der neue "Technologieschritt", den Europas führende Rüstungskonzerne für die Luftwaffe vorbereiten, wie die Financial Times Deutschland am 29. Dezember berichtete: "Europäer bauen unbemanntes Kampfflugzeug", Gesamtkosten 5,5 Milliarden Euro. Kurz: Die Forderung "Abrüstung statt Soziallabbau" ist nicht nur friedens- und sozialpolitisch aktuell, sie ist auch finanz- und wirtschaftspolitisch geboten, und der Nutzen reicht weit in die Zukunft unserer Kinder. Rüstung bedroht ihr Leben, selbst wenn die Waffen niemals zum Kriegführen verwendet würden. Um so wichtiger ist Friedensforschung. Aber auch Gelder für politikwissenschaftliche Forschung und Beratung werden zugunsten der Rüstung umverteilt. Die Firma Roland Berger, von der sich Scharping und Struck beraten ließen, erhielt dafür 14,3 Millionen Euro Honorar. Friedensforschungsinstitute wurden dagegen bisher schon sehr kurz gehalten; jetzt wurde bekannt, daß die Etats von drei etablierten Einrichtungen um eine Million Euro gekürzt werden. Das führt zu massiven Einschnitten bei Personal und Projekten. Der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung stehen 2004 statt 2,2 nur noch 1,7 Millionen Euro zur Verfügung. Die Landesarbeitsgemeinschaft Friedenswissenschaft in Nordrhein-Westfalen, die bis 2002 Zuwendungen von 75 000 Euro erhielt, soll nun mit 50 000 Euro auskommen; mit weiteren Kürzungen ist zu rechnen. Dem Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik drohen Kürzungen von 430 000 Euro, bisher erhielt es 1,3 Millionen Euro. In allen Diskussionen über den Sozialkahlschlag, bei allen Protesten dagegen sollten wir nie den Hinweis vergessen, daß für Rüstung und Militär das Geld mit vollen Händen ausgegeben wird. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 1/2004 |
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