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Auf einer großen Fiesta mit über 10 000 Gästen, darunter Vertretern internationaler Solidaritätsgruppen, feierten die Zapatistas, fast zehn Jahre nach ihrem Aufstand, den Übergang von revolutionären Organisationsformen hin zu fünf repräsentativen Verwaltungsstrukturen. Die neugebildetenen "Räte der Guten Regierung", auch Caracoles (Schnecken) genannt, umfassen 30 autonome Gemeinden, insgesamt über eine Million Menschen. Die Schnecke soll die Bemühungen der Zapatistas um eine Selbstverwaltung des "gehorchenden Regierens" versinnbildlichen: die Spirale eines kollektiven Entscheidungsprozesses. Die Nationale Zapatistische Befreiungsarmee (EZLN), bisher der militärische Teil der Zapatistischen Bewegung, ist künftig auf die Rolle der Verteidigungsorganisation des autonomen Gebiets im südlichen Mexiko beschränkt. EZLN-Subcomandante Marcos gibt seine Vertretungsrolle auf: "Ich gebe euch euer Gehör, eure Sprache und euren Blick zurück... Wir glauben als EZLN unseren Teil der Änderungen vollbracht zu haben". Die Caracoles organisieren nun die Entwicklung der Gemeinden, die Errichtung von Schulen und Gesundheitseinrichtungen, den Handel, die Verteilung von Ressourcen im autonomen Gebiet. Und sie schaffen, was in der Geschichte der Zapatistas ganz neu ist, eine nach außen offene Vertretung, die Ansprechpartner für viele Hunderte von politischen Organisationen in Mexiko und in aller Welt sein wird. Wer bisher Kontakt zur EZLN suchte, mußte stundenlang durch den mexikanischen Dschungel wandern, um mit der "Comandancia" zu sprechen. Nun erklären sich die MandatsträgerInnen in den "Caracol-Büros" bereit, alle an Diskussion und Zusammenarbeit Interessierten zu empfangen. "Wir sind einfache Leute, ohne großartige Bildung, aber unsere Arbeit ist, gut zu regieren". Die Zapatistas und ihre Politik genießen große Sympathie bei vielen Mexikanern, einem großen Spektrum marginalisierter Gruppen, vor allem in der indigenen Bevölkerung (ca. 15 Millionen Menschen). Das war besonders im Frühjahr 2001 zu spüren gewesen, als mehrere Tausend Zapatistas auf einer "Karawane der Würde" durch ganz Mexiko zogen, um über soziale Probleme in Veranstaltungen zu diskutieren, an denen Hundertausenden von Menschen teilnahmen. Doch dann verabschiedete das mexikanische Parlament eine Verfassungsänderung, das sogenannte Indígena-Gesetz, das die zwischen Zapatistas und Regierung unterzeichnete "San-Andres-Abkommen" über die kollektiven Rechte und die Kultur der indigenen Gemeinden verhöhnte. Danach schwiegen die Zapatistas zwanzig Monate lang. Als im Januar 2003 die Zapatistas sich durch ihre Kommuniqués wieder in der Öffentlichkeit einfanden, formierte sich zugleich starker Widerstand gegen die mexikanische Regierung im ländlichen Raum. Kleine Landwirte (in ihrer Mehrheit Indigenas und die ärmsten Teile der Bevölkerung), die durch billige Nahrungsmittelimporte um ihre Erwerbsmöglichkeiten gebracht wurden, organisierten sich, besetzten lokale Behörden, sperrten Autobahnen und stürmten sogar mit Pferden das mexikanische Parlament, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Speziell an die 20 Millionen Landwirte wandten sich die Zapatistas während der Gründung der "Caracoles": "Wir erwarten nicht mehr, daß aus irgendeiner Regierung oder Partei wirkliche und würdige Änderungen kommen, die den Bedürfnissen des ländlichen Raums entsprechen. Der einzige Weg, der uns übrig bleibt, ist die Organisation von Widerstand und Rebellion." Die starke Bauernbewegung ist symptomatisch für das gegenwärtige politische Klima in Mexiko. Nach Regional- und Parlamentswahlen im Juli, an denen sich nur 60 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten (und dann wurden drei Millionen Stimmen nach der Wahl annulliert), äußert sich die Enttäuschung über die führenden mexikanischen Politiker immer vernehmlicher, besonders über Präsident Vicente Fox, der bei seinem Amtsbeginn im Jahr 2000 versprochen hatte, den Zapatista-Konflikt "in 15 Minuten zu erledigen". Drei Jahre danach bleibt Mexiko ein Land mit extremer, zunehmender Ungleichheit, in dem mehr als 25 Prozent der Bevölkerung von weniger als einem Dollar pro Tag leben. Die mexikanische Regierung versucht nun, die politischen Kosten der zapatistischen Gegenmacht, die sie kaum stoppen kann, so niedrig wie möglich zu halten: Innenminister Santiago Creel "freut" sich über "die erneuerte Möglichkeit, den Dialog aufzunehmen," und vertritt der Meinung, daß sich die autonomen Regierungen in den Rahmen der Verfassung integrieren lassen. Verschwiegen werden aber die 60 000 Soldaten der mexikanischen Armee im Gebiet der Zapatistas und die Fortsetzung und Verschärfung des Kriegs "niedriger Intensität", der mit Sabotagetaten, Einschüchterung und Gewalttaten weitergeführt wird. Die Politik der Zapatistas läßt sich jedoch nicht vom Herzen Mexikos wegreißen. Wie starken Rückhalt sie hat, zeigte das enthusiastische Echo in den ersten Tagen nach der Inauguration der "Caracoles". Die "Räte der guten Regierung" sind bereits Realität und Hoffnungsträger. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 17/2003 |
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