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Die EU will "für ein sicheres Europa und eine bessere Welt" einstehen, "zur Friedenssicherung beitragen und die Stabilität in unserer Region und weltweit verteidigen", wie es in der Erklärung des Europäischen Rates heißt. Damit wären EU-Militäreinsätze keiner geographischen Beschränkung mehr unterworfen. Auch eine Bezugnahme auf die Vereinten Nationen, wie sie noch vor wenigen Jahren in solchen Dokumenten üblich war, kommt nicht mehr vor. Stattdessen heißt es, die EU wolle darauf hinwirken, daß "das Völkerrecht weithin noch größere Geltung erlangt" - ein Bekenntnis ohne jede konkrete Verpflichtung. Die Option Krieg hält sich die EU vor allem mit dem Hinweis auf das Risiko der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen offen, genau wie die USA. Die UNO soll in den "Kampf gegen Massenvernichtungswaffen" nur so weit einbezogen werden, daß sie die EU im Zweifelsfall nicht behindern kann. So soll der Sicherheitsrat zwar eine "zentrale Rolle" spielen, ein Mandat des Sicherheitsrates zur Kriegsführung erachten die EU-Außenminister aber nicht für notwendig. Dafür, daß die Sicherheitsdoktrin ein Dokument der imperialen Ansprüche Europas wird, sprechen auch die Vorarbeiten, die Solana dem Europäischen Rat unter dem Titel "Ein sicheres Europa in einer besseren Welt" vorgelegt hat. Dort wird die "Ausdehnung eines Sicherheitsgürtels um Europa" proklamiert, womit die nächsten Objekte europäischer Begehrlichkeiten definiert wären: Nordafrika, der Nahe Osten und die im Osten an die EU grenzenden Länder. Solana nennt die Ukraine, Moldau und Belarus. Allen Ernstes fordert er, die EU müsse "die politischen Probleme dieser Länder lösen". Stünde so etwas in einem russischen Strategiepapier, würden europäische Regierungen das als Beweis für die imperialen Absichten Moskaus nehmen. Auch sonst sind Solanas Vorstellungen äußerst aggressiv. Ähnlich wie der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck redet er einer weltweiten Interventionspolitik das Wort. "Unser herkömmliches Konzept der Selbstverteidigung, das bis zum Ende des Kalten Krieges galt, ging von der Gefahr einer Invasion aus. Bei den neuen Bedrohungen wird die erste Verteidigungslinie oftmals im Ausland liegen." Präventivschläge sind also vorgedacht. Solana proklamiert, die EU müsse auch "vor dem Ausbrechen einer Krise" handeln. Bis hierhin findet sich in Solanas Überlegungen nichts, was die Bush-Regierung anders sähe. Um die EU-Sicherheitsstrategie trotzdem nicht als Kopie der amerikanischen erscheinen zu lassen, hat sich der spanische Sozialdemokrat den Begriff der "normengestützten Weltordnung" einfallen lassen, die für Europa eine Art Leitmotiv sein soll. Demnach strebt die EU "gut funktionierende internationale Institutionen" an und will in der internationalen Politik auf Regeln und Abkommen setzen. Ursprünglich war in Brüssel auch daran gedacht worden, das Verbot der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu einem verbindlichen Teil des Völkerrechts zu machen. Die Financial Times Deutschland vom 27. Mai vermutete folgende Überlegung dahinter: "Die Tatsache, daß auch die USA bis jetzt nicht alle relevanten Abkommen unterzeichnet und ratifiziert haben, würde die EU zugleich vor dem Vorwurf schützen, sie wolle sich mit ihrer neuen Strategie lediglich verspätet an die US-Außenpolitik anbiedern." In Solanas Papier findet sich jedoch darüber nichts mehr, offenbar hat die EU das Vorhaben wieder fallen lassen. Somit könnte - in der Logik des Finanzblattes - die EU jetzt wieder beschuldigt werden, sie wolle sich nur bei den USA anbiedern. Doch dieser Vorwurf würde in die Irre führen, unterschlägt er doch die imperialen Eigenambitionen der EU. Richtiger wäre: Die EU will da hin, wo die USA schon sind. Diesem Zweck dient auch der Kongo-Einsatz. Erstmals führt die EU mit ihrer neu geschaffenen Eingreiftruppe einen Militäreinsatz ohne die NATO durch, die vorsorglich erst gar nicht gefragt wurde. Spannend würde es, wenn die EU für einen Interventionskrieg erstmals kein Mandat des Sicherheitsrates bekäme. Dann könnte sich zeigen, was die "normengestützte Weltordnung" in der Praxis wert ist. 1999, beim Krieg gegen Jugoslawien, war es den EU-Staaten, die damals als NATO-Mitglieder am Krieg beteiligt waren, herzlich egal, daß sie kein UN-Mandat hatten. Auch die neue Sicherheitsdoktrin sieht bisher keine Bindungen an Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates vor. Die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker werden schon wissen, warum. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 15/2003 |
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