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Das Anfangsjahr 1990 öffnete die Fenster, im Neuen Deutschland betrieben Parteijournalisten das schöne Geschäft des freien Wortes. Doch schon zum Münchner Oktoberfest hatte Bonn über Berlin gesiegt, das seitdem unter Schuldenlasten dahinsiecht. Ein Regierungsschleudersitz auf Pump, wo der unfreiwillige Türöffner Schabowski mit gezogenem Hut bei der CDU Spenden für einen armen reuigen Sünder einsammelt. Da hat das ND ja Glück gehabt, ihn beizeiten loszuwerden. Noch aber war Modrow bei guter Stimme, Gysi ein Genosse mit Zukunft und Bisky kein finaler Mülleimer. Die PDS sah sich als bunte Truppe. Ein Hundsfott, wer den bedrängten, doch sichtbar unverdrossenen Demokratie-Neugenossen nicht zur Seite stand. Welch eine frische, frohe, revolutionäre Zeit linker Schwangerschaften. Die Westlinke, in und außerhalb der SPD noch existent, wenn auch längst entmutigt und abgeschlagen, blickte erstaunt Richtung Ostdeutschland, wo die abgetakelte Mama SED noch das hoffnungsvolle Knäblein PDS geboren hatte, mitten im Stall, über dem der Morgenstern rot aufleuchtete, und siehe da, vorm Tor erschienen die drei Weisen Marx, Engels und Karl Liebknecht. Denn das frischgeborene Kindlein war in Wahrheit ein Mädchen, wie es sich in femininen Aufbruchzeiten gehört: Rosa Luxemburg sollte es sein, auferstanden aus des Kaisers, Hitlers und Stalins Ruinen. Norbert Blüm jedenfalls wurde dementiert, sein Jesulein hing in allerlei Kirchen und Parteilokalen ersterbend am Kreuz, Old Marx aber geisterte fast göttlich überlebenslustig durch die Köpfe. Zeitsprung: Anno 2002 holten in Gera die erbosten Parteitagsdelegierten ihre thüringische Gabi Zimmer an die Spitze der Bundes-PDS und stellten ihr zum Zeichen gesamtdeutschen Willens zwei linke Westdeutsche an die Seite. So trat ein neuer Vorstand zusammen, der der Einfachheit halber gar nicht erst funktionierte. Gabi feuerte ein paar Pressesprecher und wer weiß wen noch, denn sie hatte einst in einer Suhler Waffenfabrik gelernt, mit Munition umzugehen. Das West-Duo Hiksch-Dehm sah sich auf dem 2003 folgenden Berliner Parteitag abgemeiert, auf daß begriffen werde: Die PDS ist Ostsache. Aber auch nicht so ganz und gar. Jedenfalls entschwand die zarte Gabi fauchend im heimatlichen Thüringer Wald, und die Rolle der ausgleichenden, begütigenden Mutter hat nun Bisky als Papa oder Onkel zu übernehmen, ohne Mülleimer. Brandenburg ist die Parole des Tages. Biskys Ziehsohn heißt Lieblich oder so ähnlich und beherbergt ein loses Mundwerk, was aber eh egal ist, denn die ehemalige Miß Bundestag, Dagmar Enkelmann, blond frisiert wie Sabine Christiansen, dazu Brandenburgerin von Geblüt, darf als Biskys Thronfolgerin gelten, ganz wie Trend anzeigt, der mannhafte Damen ganz nach oben katapultiert. Der Brandenburger Siegeszug wird von allerlei Rückwärtsbewegungen und plötzlichen Vorstößen begleitet. Peter Porsch, Sachsens Österreicher mit tausendjähriger Aussicht, Biedenkopfs Nachfolge-Christen zu beerben, ist vom Geraer Vorstand in das sächsische Lukullien zwischen Oder, Elbe, Mulde und Pleiße zurückgekehrt und durch den gleichermaßen seriösen Mecklenburger Professor Methling ersetzt worden, und weil die Regierungsteilhabe in Mecklenburg wie Berlin die Wählerschaft zu halbieren droht, wird tapfer bis zum Ende weiter mitregiert. Nur Gysi trat ganz privat als Senator ab. Pazifisten, attac, jugendliche Heißsporne, Altgrüne wie Revolutionsrote laufen zwar entsetzt davon oder sehen die PDS als schlaffe Ost-SPD, Sahra Wagenknecht verkündet im nihilistischen Scharon-konkret ihr brausendes Unbehagen, ein Foto aber zeigt den frischgekürten Vorstand, lauter nette Leute mit lächelnden Gesichtern, in der Mitte Papa Bisky mit dem Schatten von Ex-Senator Gysi in Reservestellung. Ich mag sie alle, jedenfalls finde ich es grundsympathisch, wie sie da als Truppe Zukunft einer vergehenden Partei tatendurstig beieinanderstehen und brav zivilisiert in die Kamera blicken - eine liebe, lernbereite Schulklasse mit Lehrer. Das Gruppenbild zum Andenken an die Zeit vor der Sintflut. Ich kann mir nicht helfen, mir scheint, mein ehrlicher Vorsatz, mich der noch vorhandenen Rest-PDS analytisch-ernsthaft zu nähern, krankt an ironischer Intrige. Dabei weiß ich doch: Die GenossInnen verstehen keinen Spaß. Im Gegensatz zu den westdeutschen Politclowns, die dieser Tage in der Berlin Mitte-Runde saßen. Aus den USA war Norman Mailer zugeschaltet, der auf die Frage, was er am nächsten Tag tun werde, antwortete: "Mich von dieser Sendung erholen." Maybrit Illners Gäste feixten unbetroffen dazu. Weil ich aus purer Herzlichkeit immer noch mit der PDS sympathisieren möchte, auch wenn man nicht weiß, weshalb man sie wählen sollte, werde ich mir Mühe geben und versuchen, so richtig deutsch und ernsthaft zu bleiben. Demnächst in diesem Theater. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 14/2003 |
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