Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Denen werden wir helfenvon Kai WeberIn der Diskussion um eine Beteiligung der Bundeswehr an einer Militärintervention im Kongo waren sich die im Bundestag vertretenen Parteien weitgehend einig. "Es geht darum, einen Beitrag zu leisten, um das Massaker in der Stadt Bunia zu beenden", so Verteidigungsminister Struck in der Bundestagsdebatte vom 14. Juni. Der multinationale Einsatz beweise auch die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union, die sich damit nicht in Konkurrenz zur NATO begebe. "Dies ist ein Beitrag, wie wir ihn leisten können und leisten wollen." Den von einigen grünen Bundespolitikern in der gleichen Sitzung geforderten Abschiebungsstopp für Flüchtlinge aus dem Kongo will sich die Bundesrepublik dagegen nicht leisten. Weder Bundesinnenminister Schily noch seine Kollegen aus den Ländern halten es für erforderlich, Abschiebungen in das krisengeschüttelte Land zumindest befristet auszusetzen. Das Beispiel ist symptomatisch für die Verlogenheit, mit der heutzutage in Deutschland "Menschenrechtspolitik" betrieben wird. Mittlerweile stellt die Bundeswehr in elf militärischen Auslandseinsätzen international ihre "Handlungsfähigkeit" unter Beweis, um Gutes zu tun, Menschenrechte zu verwirklichen und bedrohten Kriegsflüchtlingen unsere Hilfe zu bringen; dabei werden auch nichtstaatliche Hilfsorganisationen in militärstrategische Überlegungen eingebunden. Aber wehe, es gelingt den Flüchtlingen, alle Barrieren und Kontrollen zu überwinden und nach Deutschland zu kommen. Dann werden die, denen von fern das Mitleid unserer Politiker galt, plötzlich unerwünschte Kostgänger, und es ist kaum mehr möglich, für sie soziale und politische Unterstützung zu organisieren. Augenfällig wird die selektive Wahrnehmung von Menschenrechtsverletzungen auch am Beispiel Tschetschenien: Anschläge von Tschetschenen in Moskau finden zwar starke Beachtung bei uns, doch um den schmutzigen Krieg Rußlands gegen die eigene Bevölkerung ist es hier still geworden. Im Schutz dieses öffentlichen Desinteresses werden tschetschenische Asylbeweber aus Deutschland in die Russische Föderation abgeschoben. Auch ein Brandbrief des Internationalen Helsinki-Komitees vom 25. April 2003 an den Niedersächsischen Innenminister, in dem die Organisation die Mißhandlung und Verfolgung des aus Niedersachsen abgeschobenen tschetschenische Flüchtlings Vakha Saiyev beklagte und einen sofortigen Abschiebungsstopp forderte, blieb ohne jede Wirkung. Das Problem sei nur auf politischer Ebene durch das Bundesinnenministerium zu lösen, argumentierte das niedersächsische Innenministerium. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, Schily scheue aus Rücksicht auf Rußland als Ordnungsmacht und Bündnispartner im Kampf gegen den "internationalen Terrorismus" davor zurück, das Bundesamt für Flüchtlinge anzuweisen, zumindest "Abschiebungshindernisse" für tschetschenische Flüchtlinge festzustellen. Im Hause Schily sieht man gar keinen Anlaß zu handeln und verweist an das Auswärtige Amt, das für die Lageberichterstattung zuständig ist. Im Zweifel, so das Bundesinnenministerium, könnten doch die Länder Abschiebungen stoppen. Das Auswärtige Amt, das für tschetschenische Flüchtlinge nach wie vor eine "inländische Fluchtalternative" (innerhalb Rußlands) ausmacht, betont in seinen Stellungnahmen, die Abschätzung der Gefährdungslage falle in die Zuständigkeit der Innenbehörden. So dreht sich das Karussell. Alle wissen Bescheid, aber keiner ist zuständig. Letztlich treffen die Verwaltungsgerichte in Eilverfahren die Entscheidungen, die eigentlich die Politik treffen müßte. Solange Parlament und Regierung nicht dafür sorgen, daß Flüchtlinge wirksam vor Abschiebung in Bürgerkriegs- und Krisengebiete geschützt sind, sollten wir den hehren Reden zum Schutz der Menschenrechte in anderen Teilen der Welt mit Mißtrauen begegnen. Zwischen zunehmender Bereitschaft zur militärischen Intervention und abnehmender Bereitschaft zum Schutz für Flüchtlinge besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Der Politikwechsel ist nirgendwo so offensichtlich wie in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Staaten festzustellen. Nach dem Ende der Kolonialkriege hatten die ehemaligen Kolonialmächte bis in die 90er Jahre auf direkte militärische Interventionen - von postkolonialen Scharmützeln wie dem Falklandkrieg abgesehen - weitgehend verzichtet. Im Zeichen des Ost-West-Gegensatzes bemühten sich die europäischen Staaten mehr oder weniger erfolgreich, Konflikte auf anderen Kontinenten zum einen durch Verhandlungen zu lösen und zum anderen den Opfern dieser Auseinandersetzungen Schutz und Hilfe zu bieten. Mit der historischen Niederlage des realexistierenden Sozialismus und dem Verschwinden der bipolaren Welt entwickelten und verstärkten sich neue, überwunden geglaubte Nationalismen. Während des Jugoslawien-Krieges wurde auch in der Europäischen Union die Frage aufgeworfen, wie hegemoniale Interessenpolitik und internationales Konfliktmanagement im eigenen Interesse militärisch organisiert werden könnten. Parallel zur Debatte um die zukünftigen Aufgaben der NATO entwickelte sich in Europa eine Diskussion über Möglichkeiten und Aufgaben einer europäischen Interventionsarmee. Angefangen von den Kriegen im zerfallenden Jugoslawien, fortgeführt mit der kriegerischen Auseinandersetzung in Afghanistan im vergangenen Jahr und zuletzt mit dem Irak-Krieg verstärkt sich die Neigung zu militärischem Eingreifen - unter Inkaufnahme ziviler Opfer. Dieser neue "Politikstil" wirkt sich unmittelbar auf die internationale Flüchtlingspolitik aus. Flucht wird als bedauerliche, aber unvermeidliche Begleiterscheinung einer als "vernünftig" und "gerecht" deklarierten Politik dargestellt, die das Primat auf militärische "Konfliktlösungen" setzt. Daß sie den Opferschutz zurückschraubt, wird akzeptiert. Der Widerstand Frankreichs, Deutschlands, Belgiens und Rußlands gegen ein militärisches Eingreifen der USA und ihrer Verbündeten im Irak schien einem solchen generellen Politikwechsel zunächst zu widersprechen. Zeitweise schafften die Differenzen in der NATO sogar Raum für die Wahrnehmung der besonderen Problematik irakischer Flüchtlinge in Europa. Schnell fanden sich die G8-Staaten nach dem Krieg jedoch mit den neuen Realitäten ab und verfolgten ihre politischen und ökonomischen Interessen, indem sie sich umgehend mit den USA verständigten. Die Meinungsverschiedenheiten betrafen von Beginn an nur die strategische Frage des Zeitpunkts und Ziels der Kriegführung, unumstritten war jedoch der Anspruch, überall in der Welt militärisch eingreifen zu dürfen, wie er seit einigen Jahren im NATO-Statut festgeschrieben ist. Programmatisch heißt es in den kürzlich vom Bundeskabinett verabschiedeten neuen "Verteidigungspolitischen Richtlinien" unter Ziffer 25: "Die Lösung der vielfältigen regionalen Krisen und Konflikte bleibt von herausragender Bedeutung für Sicherheit und Stabilität im europäischen und globalen Rahmen. Ungelöste politische, ethnische, religiöse, wirtschaftliche und gesellschaftliche Konflikte wirken sich im Verbund mit dem internationalen Terrorismus, mit der international operierenden Organisierten Kriminalität und den zunehmenden Migrationsbewegungen unmittelbar auf die deutsche und europäische Sicherheit aus. Ihnen kann nur durch ein umfassendes Sicherheitskonzept und mit einem System globaler kollektiver Sicherheit begegnet werden." Der in den "Verteidigungspolitischen Richtlinien" hergestellte Zusammenhang von Terrorismus, Kriminalität und Migration ist nicht neu, er läßt sich schon in Plänen der 80er Jahre zur Vereinheitlichung einer europäischen Innen- und Sicherheitspolitik nachweisen. Neu hingegen ist die Zielsetzung, Migrationsbewegungen mit Mitteln der Bundeswehr zu begegnen. Neben "Bekämpfung des Terrorismus" und der "organisierten Kriminalität" rückt die Kontrolle von Migration als dritte Begründung zur Rechtfertigung eines militärischen Interventionismus. So verwundert es nicht, daß die Debatte über die europäische Flüchtlingspolitik immer stärker in den Sog militärischer und polizeistrategischer Konzepte zur Verhinderung des Zuzugs unerwünschter Flüchtlinge gerät, frei nach dem Motto: "Denen werden wir helfen, wenn sie nicht im Herkunftsland auf unsere Hilfe warten." Die Forderung des italienischen Ministers und Parteivorsitzenden der rechtsgerichteten Lega Nord, Umberto Bossi, Flüchtlingsschiffe notfalls zu beschießen, verdeutlichte diese Tendenz. Zwar ist der britische Vorschlag, Auffanglager für Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen aufzubauen, auf dem EU-Gipfel in Athen zurückgewiesen worden. Die Diskussion über die Internierung bestimmter Flüchtlingsgruppen ist damit aber nicht vom Tisch. Ausgerechnet Ruud Lubbers, der gegenwärtige Generalsekretär des UN-Flüchtlingskommissariats, hat ein eigenes Konzept zur Internierung in "closed reception centers" an den Grenzen der Europäischen Union vorgestellt. Dagegen verfolgt Bundesinnenminister Schily nach wie vor die Alternative, Flüchtlinge durch ein System bilateraler und multilateraler Verträge und Deportationsabkommen sowie den Ausbau der polizeilichen Zusammenarbeit abzuwehren. Darüber hinaus sieht das - mittlerweile in verschiedenen europäischen Staaten nachgeahmte - deutsche Modell die Isolation und Schikanierung unerwünschter Flüchtlinge in "Ausreisezentren" vor, deren erklärtes Ziel es ist, die Betroffenen durch eine möglichst schäbige Behandlung aus dem Land zu vertreiben. Allen Konzepten gemeinsam ist der Versuch, mehr Kontrolle über die Migration nach Europa zu gewinnen und die Flüchtlingszahlen zu senken, ohne die Genfer Flüchtlingskonvention formal in Frage zu stellen. Die Modelle rücken den Traum der innenpolitischen Macher von einem Asylrecht für ein paar handverlesene Prominente ein Stück näher an die Realität. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 14/2003 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |