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Die geforderte Arbeitszeitverkürzung, so wurde behauptet, hätte fatale ökonomische Folgen, zumal die Wirtschaft auf eine Rezession zusteuere. Nicht nur die Wirtschaftsminister der ostdeutschen Länder, sondern auch Bundespolitiker attackierten die Gewerkschaft. Neben dem für den "Aufbau Ost" zuständigen Minister Stolpe polterte besonders "Superminister" Clement: "Ein unpassenderes Gebiet (für die 35-Stunden-Woche; d. Red.) als Ostdeutschland kann man kaum finden. (...) Das übersteigt das Vorstellungsvermögen - meines auch." Ähnlich äußerte sich Bundeskanzler Schröder. Nach den ArbeiterInnen in der ostdeutschen Stahlindustrie traten dennoch zuerst ihre Kollegen in der sächsischen, dann auch in der brandenburgischen Metall- und Elektroindustrie in den Arbeitskampf ein. Die Streiks konzentrierten sich zunächst auf die Zulieferer der Automobil- und Maschinenbauunternehmen, erstreckten sich dann aber auch auf die großen Betriebe wie das VW-Werk in Zwickau oder das Werk von DaimlerChrysler in Berlin. Schließlich wirkte sich der vierwöchige Arbeitskampf auf Grund von Zulieferverflechtungen auf westdeutsche Firmen der Automobilindustrie aus, die Kurzarbeit anmelden mußten. Vergleichsweise zügig wurde der Tarifkonflikt in der Stahlindustrie beigelegt. IG Metall und Arbeitgeber einigten sich hier auf einen Kompromiß, demzufolge die Wochenarbeitszeit im Osten bis zum 1. April 2009 schrittweise auf 35 Stunden verkürzt werden soll. Trotz der Beilegung des Konflikts in der Stahlbranche, trotz des dort beschlossenen Übergangs zur 35-Stunden-Woche erlitt die IG Metall im Bereich der Metall- und Elektroindustrie eine "historische Niederlage": Sie brach den Streik im Osten ab. Obwohl die Gewerkschaft bereit war, sich auf einen "Korridor" zwischen 35 und 40 Stunden einzulassen und die 35-Stunden-Woche möglicherweise erst im Jahr 2011 endgültig einzuführen, war ein Konsens nicht möglich. Im Arbeitgeberlager setzten sich die Hardliner durch. Bei dem Vorwurf, angesichts der Rezession sei ein Streik schädlich für die Gesamtwirtschaft, wurde geflissentlich übersehen, daß sich in der vorjährigen Tarifrunde beide Seiten bereits festgelegt hatten, diesmal über die Arbeitszeitverkürzung zu verhandeln. Hinzu kommt, daß es die IG Metall von Anfang an nicht darauf anlegte, die 35-Stunden-Woche sofort in einem einzigen Schritt einzuführen. Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit sollte - ähnlich wie es in der ostdeutschen Stahlindustrie vereinbart wurde - stufenweise und zeitlich versetzt - also in wirtschaftlich besseren Zeiten - erfolgen. Jetzt sollte nur der Weg dahin vorgezeichnet werden. In den Medien wurde kaum thematisiert, daß das Anliegen der IG Metall dem grundgesetzlich garantierten Recht auf Angleichung der Lebensverhältnisse entspricht. Wie bigott die Öffentlichkeit mit dem Thema umging, zeigt sich übrigens auch an der Tatsache, daß bei der Erinnerung an den 17. Juni 1953 dem Arbeiteraufstand in der DDR gegen eine Verschlechterung der Arbeitsnormen allenthalben Ehre erboten wurde. Heutzutage macht die Öffentlichkeit die Gewerkschaften für Reformunfähigkeit und angeblichen Stillstand in der Gesellschaft alleinverantwortlich und spricht den Arbeitnehmervertretern von vornherein jedwedes Recht ab, für eine Angleichung der Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Es ist gerade zu einem "Volkssport" geworden, auf die Gewerkschaften einzuprügeln. Hier macht sich ein gefährlicher gesellschaftlicher Mainstream breit, dessen Quellen nicht zuletzt in der unheilvollen neoliberalen Wirtschaftspolitik der Schröder-Regierung und einer weichgespülten SPD zu suchen sind. Hätte aber die von der IG Metall geforderte Arbeitszeitverkürzung in Ostdeutschland wirklich so schädliche Folgen für die Wirtschaft, wie es eine wenig kritisch reflektierende Presse allenthalben verkündete? Durchgängig wurde beispielsweise behauptet, kürzere Wochenarbeitszeiten führten "bewiesenermaßen" zu mehr Arbeitslosigkeit. Vereinzelte Studien weisen dies in der Tat als Ergebnis aus. Eine Mehrzahl von Studien kommt aber zu dem Ergebnis, daß der arbeitsplatzschaffende Mehrbedarf einer kürzeren Wochenarbeitszeit die negativen Folgewirkungen überwiegt. Selbst eine Studie der Arbeitgeberverbände weist beschäftigungsfördernde Effekte aus. Abgesehen davon wurde angesichts der prekären Wirtschaftslage im Osten allzu leichtgläubig auch das Unternehmerargument aufgenommen, Ostdeutschland sei zumindest jetzt für einen solchen Schritt noch nicht reif. Denn dort belaufe sich die Leistungskraft der Arbeit - die sogenannte Produktivität - gerade mal auf 70 Prozent der westdeutschen Wirtschaft. Daß aber die tatsächlich gezahlten Löhne lediglich rund 65 Prozent der westdeutschen Arbeitsentgelte betragen, blieb dabei unerwähnt. Angesichts günstigerer Lohnstückkosten glauben zu machen, die ostdeutsche Industrie könne sich die Arbeitszeitverkürzung per se nicht leisten, ist unredlich. Gerade die mit Milliardensubventionen unterstützte - nach eigenen Worten "höchstproduktive" - Automobilindustrie inklusive ihrer Zulieferbetriebe hätte damit wohl kaum Schwierigkeiten. Problematisch wäre es hingegen für einzelne schwache Unternehmen geworden. Doch hier war die IG Metall bereit, durch flexible, dem Einzelfall gerecht werdende Lösungen weitest möglich entgegenzukommen. Dies hat sie in den Verhandlungen auch stets signalisiert. So erklärt sich die unnachgiebige Haltung der Arbeitgeber auch weniger aus ökonomischen Bedenken als aus der Tatsache, mit einem Scheitern der Verhandlungen der Gegenseite nachhaltig Schaden zufügen zu können. Denn in der öffentlichen Meinung galt die IG Metall als "Buhmann", der es nicht besser verdient. Diese Grundstimmung, aber auch die offensichtliche innere Zerstrittenheit im Arbeitnehmerlager wurde von den Arbeitgebern strategisch ausgenutzt. Auch intern ist die Gewerkschaft nun erheblich geschwächt, da ein tarifpolitisches Desaster eingetreten ist: Im Osten wurden alle Kräfte mobilisiert, am Ende ist aber nichts herausgekommen. Jetzt fühlen sich all diejenigen in der IG Metall in ihrem Ränkeschmieden gestärkt, die schon während des Streiks in einzigartiger, unsolidarischer Form öffentlich den eigenen Verhandlungsführern und vor allem den Streikenden in den Rücken fielen. Daß sie selbst durch ihren Mangel an Solidarität die Verhandlungsmacht nachhaltig erschütterten, wird dabei verschwiegen. Insofern haben diejenigen, die dann den Rücktritt von Jürgen Peters und Hasso Düvel forderten, das Scheitern primär zu verantworten. Sie gehören eigentlich auf die Anklagebank und sonst niemand. Ohne ihre personalpolitischen Machtspiele gegen den nicht zum neoliberalen Flügel der IG Metall zählenden Peters, den sie - koste es was es wolle - als Vorsitzenden doch noch verhindern wollen, hätte am Ende ein Ergebnis herauskommen können, daß für beide Seiten (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) als tarifpolitisch üblicher Kompromiß tragbar gewesen wäre. Am Ende haben nicht ökonomische Argumente, sondern bornierte personalpolitische Machtspiele gesiegt. Dies wird gravierende Auswirkungen auf die gesamte Gewerkschaftsbewegung haben. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 14/2003 |
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