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Ein gleichzeitig erschienenes Buch des österreichischen Osteuropa-Experten Hannes Hofbauer konterkariert die offiziellen Verlautbarungen und den öffentlichen Jubel und räumt mit der Legende vom "endgültigen Fall des Eisernen Vorhanges" auf. Hofbauer holt in seinem Buch weit aus. Bei der Analyse der realsozialistischen Ökonomie der 1970er und 80er Jahre stellt er die These auf, schon damals habe sich Osteuropa durch Kreditaufnahme dermaßen in den Weltmarkt integriert, daß es zwangläufig in die Schuldenfalle und damit in den ökonomischen Zusammenbruch geraten sei. Mit Platitüden über "wirtschaftliche Rechnungsführung", "Flexibilisierung des Arbeitsmarktes" und "Zurückdrängen des Staates" hätten osteuropäische Wirtschaftsexperten die ideologische Begleitmusik zu einem bereits vorprogrammierten Systemwandel gespielt. Viele dieser Experten seien dann nach dem Kollaps des Jahres 1989 im Nu gnadenlosen Manager geworden, die im Auftrage der neuen Machthaber die Reste der osteuropäischen Industrie durchrationalisierten, Millionen von Beschäftigten als "überflüssig" schaßten und ihrem Schicksal überließen. Gleichviel, wieweit diese These zu überzeugen vermag, die weitere Darstellung hat ihre eigene Stringenz: Auf das Zuschnappen der Schuldenfalle folgte das Diktat der Gläubiger. Wichtige Wirtschaftszweige durften nicht mehr subventioniert werden, als "unrentabel" eingestufte Teile der Industrie wurden stillgelegt. Im Rahmen der von Weltbank und EU geforderten Privatisierung gelangten die besten realsozialistischen Industriebetriebe sowie 70 bis 80 Prozent der Banken - häufig für ein Spottgeld - in die Hände westeuropäischer Großunternehmen. Wenn einzelne Branchen - wie in Polen der Kohlebergbau - im Staatsbesitz verblieben, dann nur, um den privatisierten Branchen auf Staatkosten günstige Rahmenbedingungen zu garantieren. Besonders infam gestaltete sich die als "Friedensoffensive" gestaltete Zerschlagung osteuropäischer Rüstungsunternehmen: Westeuropäische Großkonzerne standen allemal startbereit, um den beispielsweise von slowakischen Panzern und polnischen Granatwerfern freigewordenen Marktsektor zu übernehmen. Auch in der Landwirtschaftspolitik sorgte ein unverhohlener Protektionismus dafür, daß das "Ankommen" Osteuropas keinen Schaden anrichtete - im Westen. Es geschah alles, um westeuropäische Bauern vor unerwünschter Einfuhr osteuropäischer Agrarprodukte zu schützten, andererseits überschwemmten billige, weil hochsubventionierte westeuropäische Lebensmittel die osteuropäischen Märkte. Gleichzeitig begannen viele im Jahre 1945 enteignete Großgrundbesitzer offiziell oder über Strohmänner, sich riesige Ländereien in ihrer ehemaligen "Heimat" zusammenzukaufen, womit sie eine großangelegte Bauernvertreibung vorbereiteten. Hofbauer schildert, daß Politiker verschiedener osteuropäischer Länder - vor allem in Rumänien und der Slowakei - anfangs durchaus noch versuchten, Teile der nationalen Wirtschaften zu retten. Nach dem Krieg der NATO gegen das wirtschaftspolitisch widerspenstige Rest-Jugoslawien im Jahre 1999 wurden diese Ansätze jedoch ganz schnell aufgegeben. Die häufig wechselnden Regierungen - ob konservative Nationalisten oder gewendete Post-Kommunisten - überboten sich gegenseitig in devoter Erfüllung von Auflagen aus Brüssel. Die Folgen blieben nicht aus. Millionen arbeitslos gewordener Arbeiter, ruinierter Bauern, perspektivloser Jugendlicher fristen ihr Leben als Wanderarbeiter oder durch Geschäfte am Rande des kriminellen Untergrundes. So wurde Osteuropa vom stärkeren Nachbarn wirtschaftlich abhängig - die verbliebenen Industriebetriebe sind bloß Zulieferer westeuropäischer Großunternehmen. Entgegen den offiziellen Verlautbarungen fließen äußerst wenige EU-Gelder in die künftigen Mitgliedsstaaten, Investitionen westeuropäischer Unternehmen werden nur in geringem Umfang getätigt. Ein ständiger Kapitalabfluß von Ost nach West in Form von Schuldendienst und Transfer schneller Privatisierungsgewinne läßt die osteuropäischen Volkswirtschaften langfristig ausbluten. Genau dies erklärt freilich auch die Euphorie, mit der in den westlichen Medien die Rituale der EU-Erweiterung gefeiert werden. Ohne die Öffnung Osteuropas würde die Wirtschaftskrise in Westeuropa noch viel drastischere Folgen annehmen. Hofbauer thematisiert auch Ansätze von Widerstand in der osteuropäischen Bevölkerung gegen wirtschaftspolitischen Ausverkauf und sozialen Kahlschlag. Polnische Bauern rebellieren gegen die Agrarpolitik ihrer Regierung. Ein Massenprotest rumänischer Bergleute gegen die Schließung der Gruben brach 1999 unter den Kugeln der Militärs zusammen. Der auf dem Prager NATO-Gipfel im Jahre 2002 geplante Aufbau einer NATO-Eingreiftruppe von 21 000 Mann dürfte sich demzufolge in erster Linie nicht nur gegen befürchtete nationalistische Exzesse, sondern auch gegen soziale Revolten entwurzelter Bevölkerungsgruppen richten. In Westeuropa, namentlich in Deutschland, hat die Linke bisher kaum zur Kenntnis genommen, was die neoliberale Globalisierung vor ihrer Haustür anrichtet. Hofbauers Buch bietet reichlich Diskussionsstoff. Hannes Hofbauer: "Osterweiterung - Vom Drang nach Osten zur peripheren EU-Integration", Promedia Verlag Wien, 239 Seiten, 17,90 € Kontext:
Erschienen in Ossietzky 13/2003 |
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