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Sie bedürfen ausführlicher Erörterung, nicht nur unter den Vorständen, sondern unter möglichst breiter Einbeziehung der Mitglieder. Wir kommen nicht um die Frage herum: Was wird aus den Gewerkschaften, wenn sie mittragen, wodurch sich die SPD, wenn sie den Weg des Sozialabbaus weitergeht, überflüssig machen würde? Wie vor 1933, als sie "Arzt am Krankenbett des Kapitalismus" sein wollte: Sie sägten die Äste ab, auf denen sie saßen Gerhard Schröder setzt mit der Kopplung der Vertrauensfrage an die "Agenda 2010" SPD- und Gewerkschaftsmitglieder unter Druck. Unternehmer und FDP/CDU/CSU-Spitzen unterstützen ihn gegen die innerparteiliche und gewerkschaftliche Kritik; Angela Merkel bietet ihm an, sein Abbauprogramm mit zu tragen. Die Drohungen Edmund Stoibers, noch deutlich über Schröders Forderungen hinauszugehen, tragen dazu bei, viele Kritiker der "Agenda 2010" zu verunsichern, so daß sie sich für das vermeintlich kleinere Übel des Kanzler-Programms zu entscheiden. Schröder nennt die "Agenda 2010" eine "Reform zur Rettung des Sozialstaates". In Wahrheit ist sie ein entscheidender Schritt, den Sozialstaat abzuschaffen. Unsere Kolleginnen und Kollegen in Österreich, die sich mit Massenprotesten und Streiks gegen vergleichbare Maßnahmen ihrer Regierung zur Wehr setzen, bezeichnen, was ihnen als "Reform" aufgezwungen werden soll, zutreffend als "Konterreform" - eine Kennzeichnung, die wir übernehmen sollten, weil sie den Tatsachen entspricht. Von Helmut Schmidt über Helmut Kohl gab es eine ganze Reihe von Sozialkürzungen, die jedes Mal einen Wirtschaftsaufschwung herbeiführen sollten, aber keine dieser "Reformen" hat Arbeitsplätze geschaffen. Im Gegenteil: Die Arbeitslosigkeit steuert auf immer neue Rekordzahlen zu. Die Umverteilung von unten nach oben geht weiter. Immer mehr Menschen leben am Rande des Existenzminimums. Immer mehr Jugendliche sind ohne Arbeit, ohne Wohnung, ohne soziale Perspektive. Wenn Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, im Einvernehmen mit Hubertus Schmoldt von der IG Bergbau-Chemie-Energie, aber auch mit Betriebsräten von Großkonzernen wie Daimler-Chrysler und Bayer-Leverkusen, erklärt, "es wird ohne Sozialabbau nicht gehen", und die Aufgabe der Gewerkschaften darin sieht, "zur Reduzierung der Lohnnebenkosten bei(zu)tragen" und dafür zu sorgen, "daß die Belastungen gerecht verteilt werden", so müssen wir dem entgegenhalten: Lohnnebenkosten sind in Wahrheit Teil des Lohns, in vieljährigen Tarifauseinandersetzungen von den Gewerkschaften erkämpft, ihre "Reduzierung" ist nichts anderes als Lohnabbau. Und es ist auch keine dauerhafte Lösung der anstehenden Probleme, zugunsten derer, die ihre Arbeitsplätze verteidigen wollen, diejenigen zu belasten, die sie bereits verloren haben. Es gibt keinen Ausweg, wenn wir zulassen, daß die arbeitende Bevölkerung weiter gespalten wird. Im Gegenteil, wir müssen uns der Fortsetzung des Stand ortdenkens verweigern. Beispiel VW: "Zukunft gestalten, Standort erhalten" stand in Riesenlettern über der Bühne bei einer Betriebsversammlung zur Sicherung des Braunschweiger Werkteils. Standort Deutschland gegen Standort Korea oder Frankreich, Standort VW gegen Standort Daimler oder Opel, Standort VW Braunschweig gegen Standort VW Salzgitter, Werksteil gegen Werksteil, Arbeiter gegen Arbeiter. Die Ich-AG's als Herrschaftsmodell, das "Jeder gegen Jeden" als Ideologie, um die Kriege im Innern und nach außen - Jugoslawien, Afghanis tan, Irak - führen zu können. Die schottische Schriftstellerin A.L. Kennedy, zitiert ausgerechnet von der FAZ (19.3.2003), brachte diesen Zusammenhang wenige Tage vor Beginn des Krieges gegen den Irak unter der Überschrift "Der zweite, unsichtbare Krieg" auf den Punkt: "Am kommenden Wochenende werden nun wahrscheinlich zwei Kriege wüten - ein unnötiger Krieg in den Städten und auf den Ölfeldern des Irak, ein zweiter, länger andauernder bei uns zu Hause, in meinem eigenen Zuhause, das ich immer noch liebe, und überall auf der Welt. Dieser Krieg wird ein Kampf zwischen kommerziellen Interessen und der Durchsetzung weltweiter Gerechtigkeit sein, zwischen der Zukunft unseres Planeten und dem Drang, Konsumentenkredite und selbstmörderischen Konsum zu steigern, zwischen Demokratie auf der einen, Bigotterie, Angst und Neid auf der anderen Seite. In diesem Krieg wird der kapitalistische Extremismus gegen den islamischen Extremismus antreten, den er zu manipulieren versucht, und man wird Terror gegen Terror setzen, bis wir uns für einen anderen Weg entscheiden. Der Krieg im Irak wird die Gefahren in der Welt in jedem Fall vergrößern, ganz unabhängig von seinem Ausgang. Doch der zweite, der unsichtbare Krieg wird darüber entscheiden, ob wir noch Hoffnung auf ein Überleben haben dürfen." Unsere politischen Gegner, ob im Unternehmerlager oder in Parteien und Regierung, bereiten sich auf diesen "zweiten, unsichtbaren Krieg" vor, nicht nur mit der "Agenda 2010", sondern schon seit langem mit der vorbeugenden Verschärfung von Gesetzen, Ausbau polizeilicher und geheimdienstlicher Regelungen und nicht zuletzt mit der Neudefinition der "Verteidigungspolitischen Richtlinien", die den Einsatz der Bundeswehr auch im Inneren ermöglichen - gegen wen? Sie haben ihre Konsequenzen aus der letzten großen Weltwirtschaftskrise von 1928 bis 1933 gezogen: Der Frage Revolution oder Konterrevolution versuchen sie auf ihre Weise vorzubeugen. Günter Gaus schreibt dazu im Freitag: "Der Gesellschaft fehlt ein umfassendes Bewußtsein ihres Zustandes und ihrer Entwicklung zur Selbstentmündigung. So ist es möglich, daß Sparpolitik, die gewöhnlich zu Lasten der Schwachen geht, als Gesellschaftspolitik gilt. Das ist Betrug wie Selbstbetrug." Er fährt fort: "Der jetzige gesellschaftliche Wandel mag unausweichlich sein, aber er sollte in seinen Konsequenzen als Konterrevolution erkannt und bedacht werden." Und schließlich: "Die Eigentumsfrage - als verfassungsrechtliche Frage der sozialen Verpflichtung von Eigentum - wird trotz aller schlechten Erfahrung mit dem Verhalten der Menschen gegenüber gesellschaftlichem Eigentum im real existierenden Sozialismus noch einmal aufgeworfen werden müssen..." Schröders Konsequenz ist eine andere: Die Sozialdemokraten müßten sich "der neuen Wirklichkeit stellen". Die SPD habe sich die "Mission auferlegt", das Land zu reformieren. Wörtlich weiter: "Wer, wenn nicht wir, könnte das tun?". Die herrschende Klasse stimmt zu: Dazu wird diese SPD-geführte Regierung gebraucht - noch! Sie wird überflüssig in dem Maße, wie sie das Vertrauen der Bevölkerung verliert. Dieser Prozeß findet zur Zeit statt, sein Fortgang ist unvermeidlich, solange gegen Sozialabbau und Konkurrenzproduktion kein Widerstand geleistet wird. Es ist die Aufgabe der Gewerkschaften, den Widerstand zu organisieren - statt auf Zusammenarbeit mit Unternehmern und Regierung zu hoffen. Glaubt ihnen nicht, wenn sie euch freundschaftlich auf die Schultern klopfen Kontext:
Erschienen in Ossietzky 13/2003 |
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